Kitabı oku: «Crossatlantic Patchwork 1», sayfa 2

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Was zum Teufel?, dachte Stephan.

***

»Ähm, e-er…«, stotterte Reggie, jetzt erst recht aus der Fassung gebracht, bevor er sich einen mentalen Tritt in den Hintern verpasste. Er war kein verschüchtertes Landei, sondern ein angehender Kämpfer des ‚Bear Creek‘-Rudels, tatsächlich einer der besten seiner Altersgruppe, und mit 21 Jahren würde er vermutlich bei seiner Rückkehr den vollen Status als Soldat des Rudels erhalten. Und hier stand er nun, endlich in Europa angekommen, und stammelte vor sich hin, während er dem ersten gut aussehenden Kerl, dem er begegnete, halb sabbernd ins Gesicht starrte. »Ja, aber bitte sprich Deutsch mit mir«, sagte er, als er endlich seine Stimme wiederfand, zusammen mit der Abteilung für die deutsche Sprache, die er so fleißig geübt hatte. Fremdsprachen waren sein großes Talent; er beherrschte neben Englisch zwei indianische Sprachen, Spanisch, Mandarin und Deutsch. Deutsch war die einzige Sprache, die er offiziell gelernt hatte, die anderen Sprachen hatte er von Rudelmitgliedern, Mitschülern oder Bekannten ‚aufgeschnappt‘, was er der geänderten Rudelpolitik durch seinen Alphas zu verdanken hatte. Er gehörte der zweiten Generation an, der es erlaubt war, eine gewöhnliche Highschool zu besuchen. »Ich muss mich daran gewöhnen«, fuhr er fort, sich zur Ruhe zwingend. »Ab Montag brauche ich es ja an der Uni. Die meisten meiner Kurse sind auf Deutsch.« Ein leichtes Lächeln war auf sein Gesicht zurückgekehrt, wenngleich es nicht das selbstbewussteste war. Er war bemüht, dem Wandler in die Augen zu sehen.

Stephan schien beeindruckt, hielt seinem Blick aber dennoch mit einem nonchalanten Lächeln stand. Dummerweise machte das den Mann nur noch faszinierender.

***

»Okay. Wow, dein Deutsch klingt wirklich super!« Das tat es wirklich, Reggies Akzent verriet kaum seine Muttersprache. Die Sprachmelodie war ein wenig zu fließend, aber das fiel kaum auf.

»Danke.« Reggie hatte vorher schon gut ausgesehen, aber jetzt mit dem offenen Lächeln war er einfach umwerfend. »Ist das dein einziges Gepäck?«, fragte Stephan und zeigte auf den großen Trekkingrucksack, den Reggie auf dem Rücken trug.

»Ja, der Rest kommt mit der Post. Für die nächsten ein bis zwei Wochen habe ich genug dabei.« Der Puma senkte vor ihm den Blick und überspielte es, indem er betont zur großen Uhr am Ende der Empfangshalle sah.

»Okay.«

Mist! Das war wohl gerade sein Lieblingswort. Stephan räusperte sich; er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass ihm aufgefallen war, dass der Pumawandler gerade ein Problem mit seiner oder seiner eigenen Dominanz zu haben schien. Wieso passierte ihm das immer wieder? Raubtierwandler waren in der Regel wenig begeistert, wenn sie feststellten, wie dominant er war, was nicht gerade dem gängigen Bild eines Pferdewandlers entsprach.

»Dann komm mal mit. Mein Auto steht ganz in der Nähe.«

***

Als Stephan sich umdrehte und losmarschierte, bekam Reggie die Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten. Der andere Wandler wusste eindeutig, wie gut er aussah und wie er sich präsentierte. Die beinahe schwarze, enge Washed-out-Jeans war mit Kontrastnähten versehen, die förmlich auf den ohnehin unübersehbaren Knackarsch wiesen. Das Shirt mit seinem abstrakten Tribal, das dieselbe Farbe wie die Nähte hatte, saß hauteng und steckte im Hosenbund, wodurch es sich noch mehr an Stephans Muskulatur schmiegte. Die Klamotten waren mit Sicherheit nicht zufällig gewählt, und zusammen mit der eleganten Art, mit der sich Stephan bewegte, waren sie ein Blickfang für Reggie, obwohl sein Tandempartner nichts tat, außer durch die Empfangshalle zu gehen.

Anscheinend hatte Stephan bemerkt, dass er ihm nicht folgte, also blieb er stehen und sah ihn über die Schulter hinweg mit einem fragenden und belustigten Blick an.

Reggie, der immer noch starrte, fühlte sich ertappt, lief rot an und bemühte sich, seine Augen endlich abzuwenden und ihm zu folgen. Er war dankbar, dass Stephan nicht weiter auf sein seltsames Verhalten einging.

»Wir werden im gleichen Wohnheim sein. Es ist eines von dreien, die speziell für Wandler reserviert sind, und liegt direkt an einem umzäunten und gesicherten Waldstück, in dem wir auch laufen können. Nichts Großes, aber es genügt. Du erhältst Montag beim AStA deinen eigenen Zugangscode für das Tor vom ’Laufstall’ und einen Plan, wann der Wald für Beute- oder Raubtierwandler reserviert ist. Wenn du heute nach dem langen Flug laufen musst, darfst du meinen Code benutzen. Es ist ein offener Tag. Das heißt, Beute- und Raubtierwandler dürfen beide hinein. Aber du darfst an offenen Tagen nicht jagen.«

Reggie starrte Stephan einen Augenblick lang mit offenem Mund an, von seinen ebenso unwillkommenen wie widersprüchlichen Instinkten abgelenkt. »Wow, das ist ganz schön kompliziert … Und ein ganzes Heim nur für Wandler? Gibt es so viele an der Universität?«, wollte er wissen, während sie zum Auto gingen.

»Na ja, relativ. Dortmund ist eine Massenuniversität, annähernd sechzigtausend Studierende, davon etwas über vierhundert Wandler unterschiedlicher Spezies; circa die Hälfte davon lebt direkt auf dem Campus. Dazu kommen einige unter den Angestellten der Universität, aber ich weiß nicht, wie viele das genau sind. Unis, die logistisch speziell auf Wandler eingestellt sind, liegen am Rand des Ruhrgebiets, wo etwas mehr Raum ist. Dortmund und Duisburg, an den entgegengesetzten Rändern der Region. An den anderen Unis im Pott sind wir relativ auf uns gestellt.«

Wir? Stephan schien keine Grenze zwischen Beute- und Raubtierwandlern zu ziehen. Faszinierend! »Pott?« Das Wort war definitiv nicht im Sprachkurs vorgekommen.

»Oh. Ja. Sorry. Das ist ein anderer Name für das Ruhrgebiet. Früher gab es hier überall Steinkohleabbau. Die Einwohner nannten die Region Kohlenpott, und der Name blieb irgendwie hängen.«

»Ach so … Ja, darüber habe ich etwas gelesen.«

»Ähnliche Regelungen und Areale findest du auch in anderen Städten und dicht besiedelten Regionen Mitteleuropas«, fuhr Stephan fort. »Hier ist einfach nicht so viel Platz wie in Nordamerika. Rudel sind eher klein, sie haben teilweise nicht einmal feste Territorien. In Osteuropa oder Skandinavien ist es wohl ganz ähnlich wie bei euch, soweit ich weiß. Aber bei uns ist kein Raum für große isolierte Territorien.« Stephan zuckte mit den Schultern und wies mit dem Autoschlüssel auf einen schwarzen SUV, bevor er die Zentralverriegelung öffnete. Der Wagen sah nicht wirklich nach einem Studenten aus, zumindest nicht nach einem, der knapp bei Kasse war.

Schwarz … Wie Stephans Haare und Klamotten. Ob das seine Lieblingsfarbe war?

»Wir haben in Deutschland und den Nachbarstaaten ohnehin einen prozentual geringeren Bevölkerungsanteil als im Rest der Welt, auch siebzig Jahre danach. Der Wandlerrat hat einen Kompromiss geschaffen, wie wir friedlich und sicher miteinander und unentdeckt von den Menschen leben können. Das ist doch die Hauptsache.«

Siebzig Jahre danach … Nach dem Zweiten Weltkrieg und den Todesschwadronen des Nazi-Regimes, speziellen SS-Einheiten die eine regelrechte Hetzjagd auf Wandler gemacht hatten. Sein Vater hatte diese Zeit gesehen, hatte Reggie davon erzählt. Das war etwas, was der normale Geschichtsunterricht in der Highschool natürlich nicht erklärte.

»Ja, ich denke, schon.«

***

Auf dem Weg zu Stephans Auto hatte Reggie seinen Körper wieder unter Kontrolle bekommen. Das Gespräch hatte auch sein Gehirn wieder arbeiten lassen. In der relativen Enge der Fahrzeugkabine allerdings schlugen seine Hormone erneut zu. Er bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen, und hoffte weiterhin, dass Pferdewandlernasen weniger fein waren als die von Wölfen oder Pumas. Dabei hielt er den Trekkingrucksack auf dem Schoß und versuchte eine bequeme Sitzposition zu finden. Was zum Teufel war nur mit ihm los? Er verlor sonst nie die Kontrolle über seinen Körper, zu groß war seine Angst, sich zu verraten. Zudem war sein Puma der Dominanz des Pferdewandlers ausgewichen, was nicht weniger irritierend war. Nach allem, was man ihm über Beutetierwandler beigebracht hatte, war das nicht üblich. Allerdings reagierte Stephan ebenfalls auf ihn, wenn er die Blicke bedachte, die ihm der Mann zuwarf, aber er schien damit nicht das geringste Problem zu haben. Ob er Reggies körperliche Reaktionen bemerkte, ließ er nicht durchblicken.

Die Tatsache, dass er schwul und ungeoutet war, war einer der Gründe, weshalb er ein Semester lang in Europa studieren wollte. Er brauchte die Distanz zu seinem Rudel, um sich klar darüber zu werden, wer er war und was er sein wollte. Er war keine Jungfrau, bei Weitem nicht, schließlich war körperliche Nähe für einen Wandler ein deutlich stärkeres Grundbedürfnis als für einen durchschnittlichen Menschen, aber seine Dates waren stets anonyme One-Night-Stands, und er erlaubte sich diese nur, wenn er die nächstgrößere Stadt besuchte. Aber selbst wenn er bis Pendleton fuhr, blieb er immer vorsichtig. Auch wenn er als Wandler immun gegen sexuell übertragbare Krankheiten war, benutzte er stets Kondome und duschte ausgiebig, bevor er ins Rudelterritorium zurückkehrte. Alles, um keine verräterischen Gerüche anzunehmen. Niemand wusste von seiner Homosexualität. Niemand durfte es erfahren. In den vergangenen Monaten waren ihm die Maskerade und das Versteckspiel zunehmend an die Nerven gegangen. Anscheinend hatte beides sein Verhalten auffallend verändert, denn sein Vater hatte immer häufiger gefragt, was mit ihm los war, ebenso wie Donnie, sein Ausbilder. Schließlich war er sogar zu einem Gespräch bei seinem Alpha Arcadius befohlen worden. Der Alpha war freundlich gewesen, hatte aber nachgebohrt. Danach hatte für ihn festgestanden, dass er für eine Weile fortmusste, lange genug, um mit sich und der Welt wieder klarzukommen und herauszufinden, wer er ohne sein Rudel war und ob er mit diesem Reggie leben konnte. Die Vorstellung, Bear Creek für immer zu verlassen, erfüllte ihn mit Schrecken. Und dann hatte dieser Pferdewandler, der ganz offensichtlich an ihm interessiert war, sein Gehirn auch noch dazu gebracht, auszusetzen, was eine Komplikation in seinem Leben war, die er gerade nicht gebrauchen konnte. Zu allem Überfluss bedachte Stephan ihn zwischendurch mit Blicken, die ihm das Gefühl gaben, er wäre die Beute und Stephan der Jäger. Völlig absurd. Garniert wurde das Ganze mit einer Aura der Dominanz, die deutlich machte, dass er es gewohnt war, zu bekommen, was er wollte, und sich beneidenswert wohl in seiner Haut fühlte. Reggies menschlicher Anteil wäre am liebsten ausgestiegen, um der Enge der Fahrzeugkabine zu entkommen, während sein Puma am liebsten zu Stephan auf den Fahrersitz gekrochen wäre. Option eins schied aus, er war in dieser Stadt völlig orientierungslos, und Option zwei stand nicht zur Debatte. Also saß er angespannt und wortkarg neben seinem Alltagstutor und hoffte, die Fahrt mochte schnell vorbeigehen.

***

Stephan rätselte über die seltsamen Botschaften, die sein Tandempartner sendete. Der sechs Jahre jüngere Mann fühlte sich eindeutig zu ihm hingezogen. Reggie hatte ihn in der Empfangshalle des Flughafens mit seinen Blicken förmlich ausgezogen und dann doch so schnell wie möglich einen Rückzieher gemacht. Das eher unscheinbare Outfit des Pumas und die zurückgegelte, aktuell von gefühlt dem halben Planeten getragene Frisur sprachen für das Bedürfnis, nicht aufzufallen, was zum einen nicht zu einem dominanten Wandler passte und zum anderen ein dermaßen gut aussehender Typ nicht nötig hatte.

Die Fahrt über saß Reggie schweigend und verkrampft neben ihm, sah ihn ab und zu verstohlen an und roch nach Erregung, Verwirrung und Angst. Er sah dabei aus, als wollte er aus dem Auto springen und davonlaufen.

Als sie am Wohnheim ankamen, zeigte Stephan ihm den Weg zum Laufstall, wie er den Wald mit einem Augenzwinkern nannte, und drückte ihm einen Zettel mit dem Zugangscode in die Hand. Der Kontakt jagte Funken durch seinen Körper und ließ Stephan innehalten. Überrascht von der intensiven Reaktion, zögerte er, sich von Reggie zu lösen. Der Puma hingegen sog scharf die Luft ein und hielt den Atem an. Ohne Zweifel hatte er gerade das Gleiche gespürt.

***

»Du solltest wirklich eine Runde laufen. Ich denke, das hast du nötig«, meinte Stephan schließlich und drückte dabei Reggies Hand länger als nötig.

Reggie hörte bei dem direkten Körperkontakt seinen eigenen Herzschlag und das Blut in seinen Ohren rauschen. Sein Körper war ein verdammter Verräter.

»Hey, atmen nicht vergessen, Kittycat.« Bei den Worten hatte sich Stephan zu ihm hinuntergebeugt und in sein Ohr gesprochen.

Kittycat? Das war eine Unverschämtheit! Definitiv ein dominanter, amüsierter und verführerischer Alphatypwandler. Zum Teufel mit der gottverdammten Spezies! Reggie entzog Stephan unsanft seine Hand und versuchte seine Gehirnzellen für eine empörte Antwort zu mobilisieren, oder eine schlagfertige; egal, irgendeine Antwort jedenfalls. Aber mehr als ein wütendes Anfunkeln brachte er nicht zustande. Währenddessen fühlten sich seine Hand und seine Ohren an, als würden sie in Flammen stehen.

»Und denk daran, es ist ein offener Tag, also Jagdverbot! Auch wenn Wandler einander in jeder Form erkennen können, soll diese Regel Spannungen vermeiden, bevor sie entstehen.«

»Ich jage nicht gerne«, erwiderte Reggie kleinlaut. Das war nicht gerade die Reaktion, die er hatte zeigen wollen. »Nicht nach Wild jedenfalls …«

»Nicht?« Stephan klang überrascht.

»Mein Puma möchte beschützen und versorgen, nicht erobern und töten. Ich kann es, aber es bereitet mir keine Freude.« Er räusperte sich. »Bei dominanten Raubtierwandlern gar nicht so selten«, erklärte er, als wäre es nötig, sich für seinen mangelnden Tötungsdrang zu rechtfertigen. Nicht wirklich selten, aber auch nicht gerade häufig, vor allem nicht bei männlichen Wandlern, aber er verspürte nicht das Bedürfnis, Stephan über diese Details zu informieren, denn sein Gegenüber sah auch so schon mehr, als ihm lieb war. Vor seinem geistigen Auge sah er Pete Jenkins, eines seiner Rudelmitglieder. Der Wolf prahlte stets mit seinen Jagderfolgen. Reggie war dafür der bessere Kämpfer, aber der ähnlich dominante Wolf nutzte jede Gelegenheit, um ihn anzustacheln.

Anscheinend wusste Stephan nicht, was er entgegnen sollte. Sein Gesicht wurde ernst und zeigte einen Augenblick lang … Ja, was? Sorge? Verständnis? »Na dann, viel Spaß.« Er zwinkerte Reggie zu und klopfte ihm sanft auf die Schulter. Nun lag gar nichts Verführerisches mehr in den Gesten und die Berührung hatte etwas seltsam Beruhigendes.

»Was ist mit dir?«

»Mit mir?« Stephan winkte lachend ab. »Ich habe gleich Parcours-Training im alten Industriegebiet am Campus Süd. Mein Pferd spielt in menschlicher Gestalt.«

Reggies Gehirn produzierte ungebeten Bilder in seinem Kopf, wie sich der dunkelhaarige Mann bei dem modernen Extremsport bewegen würde, und schnitt Stephan in die Videos, die er darüber gesehen hatte. Ein Teil von ihm wollte ihm gerne dabei zusehen, der andere Teil war bereits mit dem bloßen Gedanken daran überfordert.

»Soll ich dich morgen abholen? Dann kann ich dir den Campus zeigen und wo alles ist.«

Reggie war sich einen Moment nicht sicher, ob er sich bereit fühlte, mehrere Stunden mit dem Pferdewandler zu verbringen. Andererseits war es sinnvoll, den Campus kennenzulernen. »Okay. Gegen halb neun? Reicht das?«

»Sicher. Bis morgen.«

»Bis morgen.«

Ja, Reggie war ein angehender Soldat des “Bear Creek“-Rudels, aber ein ziemlich armseliger. Seine Ankunft in Europa hatte er sich anders vorgestellt. Verschüchterter Beutetierwandler? Wenn Stephan verschüchtert war, war er selber eine Feldmaus, kein Puma.

***

Auch nach anderthalb Stunden Rennen, Springen und Ducken über, unter und zwischen Treppen, Geländern, Zäunen, Industrieruinen und allem, was er so finden konnte, fühlte sich Stephan weder entspannt noch ausgepowert. Seinem inneren Pferd leuchtete so gar nicht ein, warum es nicht bei dem sexy Kerl aus Amerika war und mit ihm durch den Wald lief. Aber Reggie hatte die ganze Zeit über so widersprüchliche Botschaften gesendet, dass Stephan nicht wusste, ob er willkommen gewesen wäre. Es schien außerdem, als hätte der Katzenwandler ein Problem, das seinem ähnlich war: Er entsprach nicht ganz dem gängigen dem Bild. Reggie hatte verloren gewirkt, fast beschämt. Und Stephan hatte den Impuls verspürt, ihn zu trösten. Fuck! Der Puma war ihm gewaltig unter die Haut gefahren. Er hatte keine Ahnung, was er davon halten und wie er damit umgehen sollte.

Zurück im Wohnheim schnappte er sich Bogen, Köcher, Zielscheibe, Dreibein und Pfeilnetz und stieg auf das Flachdach des Wohnheims. Er blockierte die Tür zum Treppenhaus, um sicherzugehen, dass niemand in seine Schussbahn laufen konnte. Bogenschießen war wie eine Meditation für ihn, und irgendwie brachte es immer Ordnung in seine Gedanken und Emotionen. Meister Stahl, der Vater seines jetzigen Meisters Enzo, hatte ihn mit zwölf dazu überredet, diese Methode auszuprobieren. Natürlich hatte er es Stephan schmackhaft gemacht, indem er es als eine Herausforderung dargestellt hatte, denn er konnte bei einer solchen einfach nicht widerstehen. Wie auch immer, es half. Nach einer guten halben Stunde auf dem Dach fühlte er sich ruhig wie ein See. Dann fiel ihm ein, dass er mit Reggie nicht einkaufen gewesen war, und morgen war Sonntag. Der andere Wandler war mit einem leeren Kühlschrank in der Fremde gelandet. Verdammt!

Ja, du bist ein toller Alltagstutor. Echt klasse.

Kapitel 2: Kittycat und Bronco

Gegensätze ziehen sich an. Ich würde deinen Vater oder dich niemals gegen einen Wolf eintauschen wollen. Und in dir steckt mehr von mir, als du denkst, Kätzchen.

- Reggies Mutter Grace zu ihm, als er zehn war

Reggies Magen knurrte am Morgen lautstark. So ein Mist. Warum hatte er nicht daran gedacht, dass es in Europa kein 24-Stunden-Shopping gab? Er war deutlich länger durch den Wald gelaufen, als er vorgehabt hatte, in dem vergeblichen Versuch seine widerstreitenden Emotionen und Hormone zu beruhigen. Zurück in menschlicher Gestalt hatte er schließlich feststellen müssen, dass der Supermarkt, an dem sie kurz vor dem Wohnheim vorbeigekommen waren, bereits geschlossen war. Jetzt hatte er einen leeren Kühlschrank und einen nicht weniger leeren Magen. Außerdem war sein Schlaf nur wenig erholsam gewesen, dank der acht Stunden Zeitunterschied und wegen der Träume von einem gewissen, viel zu gut aussehenden und viel zu selbstbewussten Pferdewandler. Bislang gestaltete sich sein neues Leben nicht gerade rühmlich.

Er ließ sich die Müdigkeit und die unerwünschten Träume von einer eiskalten Dusche abspülen, bevor er nervös in seinem Rucksack kramte.

»Reiß dich zusammen, Reggie Miller. Das ist schließlich kein Date«, schalt er sich, bevor er dann doch seine Lieblingsjeans anzog, die er sonst nur bei seinen Ausflügen nach Pendleton trug.

Um Punkt acht Uhr, eine halbe Stunde zu früh, schellte es plötzlich an seiner Tür. Stephan wollte doch erst um halb neun hier sein, und jemand anderes kannte er in Deutschland nicht. Seltsam.

Aber vor der Tür stand tatsächlich Stephan mit zerknirschtem Gesicht, einer großen Papiertüte, deren Inhalt lecker duftete, und einer Thermoskanne sowie zwei Tassen in den Händen. »Hi! Hunger?«

Sein Magen knurrte, bevor er antworten konnte. »Ähm, ja. Ein wenig.«

Stephan lachte, sein Lachen wurde von einem leisen Grummeln begleitet.

Das Geräusch erinnerte Reggie an die Familienausflüge in seiner Kindheit. Seine Mutter, eine sanfte Wölfin mit klugen grauen Augen, war eine Pferdenärrin gewesen und hatte ihn oft mit zu einer Ranch genommen, die Ausritte anbot. Die Pferde dort hatten, wenn sie sich wohlgefühlt hatten, ein ähnliches Geräusch gemacht, und eine kleine Stimme in seinem Kopf fragte sich, ob das Stephans Entsprechung eines Schnurrens war.

»Nur ein wenig?« Blaue Augen funkelten amüsiert, wurden jedoch schnell ernst. Wie konnte jemand derart tiefblaue Augen und pechschwarze Haare haben? »Tut mir leid, wir hätten gestern noch einkaufen sollen. Das gehört schließlich zu meinen Aufgaben. In den USA könnt ihr das ja auch am Sonntag tun, hier geht das nicht.«

»Ist schon okay.« Reggie winkte ab. Er war bemüht, nicht zu zeigen, dass ihn Stephans Sorge berührte. Die Konsequenzen daraus waren zu unbequem. »Eigentlich weiß ich das selber, ich bin ja nicht völlig naiv hergeflogen.«

»Darf ich reinkommen? Ich weiß, ich bin zu früh.«

»Oh, ja, klar, sorry.« Reggie trat beiseite, um Stephan reinzulassen. »Wo hast du die Sachen denn an einem Sonntag her?«

»Die belegten Brötchen habe ich vom Bäcker, der hat sonntagmorgens auf, auch in Deutschland. Ich hoffe, Kaffee ist okay.« Stephan zwinkerte ihm zu. Flirten schien in seiner Natur zu liegen wie Atmen oder Gehen. »Meiner Kaffeemaschine ist der Wochentag übrigens egal.«

»Interessant. Und gut zu wissen.« Er deutete auf den Stehtisch und die zwei Barhocker, die in der beengten Wohnküche des Apartments standen. Was Stephans indirekte Botschaften betraf, beschloss er, diese für den Moment zu ignorieren. »Setz dich bitte. Und danke für das Frühstück. Ist sehr nett von dir.« Zumindest konnte er sich noch an seine guten Manieren erinnern.

»Gern geschehen.« Seine dunkelblauen Augen strahlten wieder. »Ich wusste nicht, was du magst, also habe ich etwas Auswahl mitgebracht. Käse, Salami, Ei, Mett …«

»Was ist Mett?«

»Etwas typisch Deutsches, hat auch den Spitznamen Maurermarmelade«, erklärte Stephan leicht amüsiert.

Seine gute Laune war ansteckend. Reggie grinste. »Maurermarmelade?« Er drehte das Wort im Kopf herum, aber es ergab für ihn überhaupt keinen Sinn. Stephan hatte das Wort wohl nur verwendet, um ihn zu verwirren. Er schnaubte, als er versuchte die Belustigung seines Gegenübers zu ignorieren.

Mett war, wie er kurz darauf erfreut feststellte, ein Brotaufstrich aus rohem Fleisch, was für ihn und seinen Puma absolut köstlich war. Überraschenderweise biss Stephan ebenso begeistert in sein Brötchen mit diesem Belag.

***

Stephan hatte, seinem schlechten Gewissen folgend, beschlossen, seinen Termin mit Reggie zu ändern. Anstatt diesen, wie geplant, nach dem Frühstück abzuholen, wollte er ihn mit einer gemeinsamen Mahlzeit überraschen. Diese würde vielleicht auch helfen, den Pumawandler in seiner Nähe zu entspannen. Der Amerikaner faszinierte ihn und gab ihm Rätsel auf, die er unbedingt ergründen wollte.

Stephan blickte wieder in diese strahlend grünen Augen, die ihn bereits am Flughafen in den Bann gezogen hatten. Er wäre bereit, sich stundenlang nur auf diese Art beobachten zu lassen. Reggies Augen waren groß und weit vor Erstaunen. Er wusste nicht, woher diese Reaktion rührte, aber Reggie sah gerade unwiderstehlich aus, und am liebsten hätte Stephan sich über den Tisch gebeugt, um ihn zu küssen.

Was zum …? Seit wann reagiere ich so schnell und heftig auf jemanden?

Er überspielte seine unerwartete und rein instinktive Reaktion, indem er lachte, als er begriff, was sein Gegenüber so verwundert hatte.

***

Anscheinend hatte Reggie seine Überraschung deutlich gezeigt, weil Stephan wieder auf diese faszinierende, grummelnd summende Art lachte.

»Was ist? Dachtest du, ich sei Vegetarier?«

Reggie zuckte mit den Schultern. »Irgendwie schon. War wohl blöd von mir … Ich meine, ich bin noch nie einem Nichtraubtierwandler begegnet. Bei uns in den USA sind die Wandlerspezies ziemlich isoliert.« Er kaute etwas verlegen auf der Unterlippe herum. »Wir haben nur Pumas und Wölfe.«

»Für mich sind das zwei ziemlich verschiedene Spezies; so isoliert seid ihr wohl doch nicht.«

»Mein Rudel ist halt etwas ganz Besonderes«, sagte Reggie stolz lächelnd. Er wollte jedoch nicht erläutern, was sein Rudel so besonders machte.

***

Nach dem Frühstück nahm Stephan Reggie mit auf eine Tour über den Campus, oder vielmehr die Campusse. Die Uni besaß zwei getrennte Gelände, die über eine automatische Magnetschwebebahn verbunden waren. Sie nahmen jedoch den Fußweg, der unterhalb der Bahn durch ein üppig bewachsenes, parkähnliches Areal verlief. Die Universität war viel grüner und weitläufiger, als Reggie erwartet hatte. Es war beeindruckend, wie groß, lebendig und modern alles war. In der Schule hatte er gelernt, dass in Europa alles viel kleiner und älter war als in Amerika. Anscheinend war da nicht viel dran.

Die beiden plauderten mal locker, mal liefen sie in kameradschaftlichem Schweigen nebeneinander her. Reggie stellte fest, dass es Spaß machte, Zeit mit Stephan zu verbringen, der gerne lachte und ihn ebenso häufig zum Lachen brachte. Er erzählte dem Pferdewandler schließlich ein wenig von seinem Rudel und dessen Geschichte und wieso es aus zwei verschiedenen Wandlerspezies bestand.

Vor 250 Jahren hatten sich ein Puma- und eine Wolfswandlerin als Gefährten gefunden. Beide hatten den kläglichen Rest ihres jeweils schwer angeschlagenen Rudels angeführt. Während sich das Pumarudel mit den ansässigen Stämmen gegen die weißen Siedler verbündet hatte und durch diesen Krieg dezimiert worden war, waren die Wölfe vor Hunger und Verfolgung aus ihrer Heimat geflohen. Aus zwei schwachen Gruppen war durch ein Bündnis schließlich etwas Neues entstanden. Nach mehreren Generationen waren die Spezies genetisch so vermischt, dass manchmal zwei Pumawandler Eltern eines Wolfswandlers wurden, wenn sich die Gene wölfischer Vorfahren durchsetzten. Umgekehrt passierte das natürlich ebenfalls, auch wenn es jeweils selten vorkam. Sein Rudel war eben wirklich etwas Besonderes.

»Es setzen sich immer die einen oder die anderen Gene durch, aber manchmal gibt es dabei eine Überraschung. Bei Sarah zum Beispiel, wir sind seit der Junior High befreundet. In ihrer Familie sind fast alle Pumas. Aber ihr Zwillingsbruder ist ein Wolf. Die beiden ziehen sich immer damit auf, dass sie in allem den gleichen, aber jeder für sich den besseren Geschmack hat. So ähnlich sie sich in menschlicher Form auch sind, ihre Tiere sind grundverschieden.«

***

Stephan lauschte gebannt den Ausführungen seines Begleiters. Es war nicht nur spannend, etwas über das Leben in einem Rudel zu erfahren, er fragte sich auch, warum Reggie hierhergekommen war. Wenn dieser über sein Rudel redete, klang so viel Wärme und Liebe in der Stimme des hübschen blonden Mannes mit, dass Stephan sich fragte, wieso er seine erweiterte Familie, als die er sein Rudel offensichtlich betrachtete, für so lange Zeit verließ.

Sie waren inzwischen auf dem Rückweg vom Campus, aber sie gingen nicht zum Wohnheim.

»Wo geht es denn jetzt hin?«, wollte Reggie wissen.

»Wohin? Mittagessen! Dein Kühlschrank ist doch noch immer leer.«

»Okay, aber diesmal zahle ich. Du hast schon das Frühstück gekauft.«

Stephan wollte protestieren, nickte dann aber. »Okay, Kittycat.«

»Nenn mich nicht so! Das ist eine verdammte Verniedlichung!«, fauchte Reggie und baute sich vor ihm auf.

Die Katze hatte Krallen! Der Hengst in Stephan war begeistert, in keinster Weise abgeschreckt. »Du bist niedlich, und heiß obendrein.« Simple Tatsache. Er zuckte mit den Schultern und grinste.

Reggie beugte sich mit verengten Augen und verschränkten Armen vor und trat bis auf wenige Zentimeter an ihn heran. Wenn Wut ihn dazu brachte, seine Berührungsängste aufzugeben, sollte Stephan ihn häufiger ärgern. Wütend war der Puma außerdem noch viel anziehender als schüchtern. Reggies Atem fuhr warm über sein Gesicht und er fragte sich nicht zum ersten Mal, wie sich die vollen Lippen des Pumawandlers anfühlen mochten. Wenn er doch nur ein wenig näher käme … Stephan fühlte sich in Reggies Gegenwart und in seiner enger werdenden Jeans etwas unbehaglich. Irgendwie war ihm der Kater schon wieder unter die Gürtellinie gekrochen.

»Um das klarzustellen: kein In-te-res-se! Ich bin nicht schwul, im Gegensatz zu dir. Ich bin ein Soldat des ‚Bear Creek‘-Rudels. Und jetzt lass uns Essen gehen«, sagte Reggie fauchend.

Er roch nach männlicher Erregung, Wut und ein wenig Unsicherheit. Stephans noch funktionierenden Gehirnzellen blieben an dem nicht logischen Zusammenhang zwischen Rudelposition und sexueller Orientierung hängen, zumal Reggie ganz offensichtlich log. Er bezweifelte jedoch, dass er eine Antwort auf eine Nachfrage bekäme. Als Reggie einen Schritt zurücktrat, ließ Stephan seinen Blick über dessen Körper gleiten. Reggies Jeans schien keinen Deut bequemer zu sein als seine eigene. »Kein Interesse?« Stephan blähte die Nasenflügel wie ein Pferd die Nüstern. »So, so!«

Reggie unterdrückte sichtlich ein genervtes Stöhnen.

»Und du irrst dich, Kittycat, ich bin bisexuell.«

»Das spielt keine Rolle. Und ich werde mich nicht provozieren lassen, Bronco. Wo geht es lang?« Reggie konnte also schlagfertig sein, wenn man ihn genug reizte. Er sah ihn mit verschränkten Armen und strengem Blick an.

Gott, es machte höllischen Spaß, mit Reggie zu streiten. »Okay, Redge, wie du meinst. Geradeaus und die Nächste rechts.« Der neue Kosename war eine spontane Eingebung. Er erntete einen skeptischen Blick, aber keinen weiteren Kommentar, und wusste nicht, ob er enttäuscht oder erfreut darüber sein sollte.

Reggie stapfte übertrieben voran, wodurch er Stephan einen guten Blick auf seinen Hintern gewährte. Anscheinend besaß der Puma nicht nur Klamotten, in denen er sich verstecken konnte … Er würde definitiv mehr Bogenschießen heute Abend brauchen!

»Soldat also? Ihr bekommt Kampftraining?«

»Wir werden nicht im Klöppeln unterrichtet!« Reggies Antwort klang mehr als nur ein wenig genervt. Und wo auch immer er diese Antwort mit der für Amerikaner eher exotischen Vokabel hergenommen hatte, sie war großartig.

Stephan mochte diese Version des Pumas definitiv viel lieber als die verschüchterte Variante, und er konnte einen Lachflash nicht zurückhalten.

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