Kitabı oku: «Osteopathie und Swedenborg», sayfa 13
DIE RASANTE VERBREITUNG DES SPIRITISMUS
Der Spiritismus explodierte in der amerikanischen religiösen Szene aus mehreren Gründen. Wie schon erwähnt, dürstete die Öffentlichkeit nach neuen religiösen Konzepten, allen voran nach einer aus der Tradition erwachsenen metaphysischen Lösung. Die spiritistische Bewegung bestand von Anfang an aus Elementen, die auf Philosophie und Erscheinungen beruhten. Sie entstand aus den Aktivitäten der Fox-Schwestern, die mithilfe der Philosophie der Harmonie erklärt wurden. Ihre Verbindung von mesmerischen und swedenborgianischen Anteilen ermöglichte es ihr, sich schnell entlang der schon geebneten Wege mesmerischer und phrenomagnetischer Vortragsreisender zu verbreiten. Die Aufregung über den Kontakt mit Geisterwesen, kombiniert mit der intellektuellen Metaphysik, welche der spiritistischen Philosophie zugrunde lag, beschritt die Pfade des Mesmerismus, sobald das öffentliche Interesse den anfänglichen Funken der Bewegung zu einer mächtigen Flamme entfacht hatte.278
Die Fowlers hatten angeblich persönlich spiritistische Erfahrungen und durch ihre Veröffentlichungen bestätigten sie diese gegenüber ihren Lesern. Die Familie Fowler half sogar dabei, in New York City einen spiritistischen Zirkel zu etablieren, in dem zwei Familienmitglieder als Medien dienten. Sie zogen große Nachfolgerschaft an und förderten den Spiritismus mit missionarischem Eifer. Wie viele frühe Spiritisten waren sie in spiritistische Ereignisse einbezogen, doch blieb ihr Fokus deutlich religiös. Sie sahen sich dennoch zu „[…] weiteren und ruhmreicheren Entwicklungen der Wahrheit” verpflichtet.
Die Publikationen der Fowlers trafen sich mit anderen Zeitungen und Zeitschriften in der Förderung der metaphysischen Bewegung und machten den Spiritismus damit zu einem Hauptthema der familiären Kommunikation. Rasch etablierten sich viele spiritistische Zirkel. Samuel Brittan war als Vertreter der Philosophie der Harmonie an einem solchen New Yorker Kreis beteiligt und gab die monatlich erscheinende Shekinah heraus, aus der schließlich der Spiritual Telegraph wurde und die zu einer der populärsten und am weitesten verbreiteten spiritistischen Publikationen der 1850 er wurde.
Die Phrenologie hatte die Bühne bereitet, auf die der Mesmerismus trat, im Zusammenhang des phrenologischen Netzwerks erblühte und wiederum den Weg für den Spiritismus vorbereitete, der nun rasch die beiden früheren Bewegungen übertraf. In der Tat war der Kontakt mit Phrenologie oder Mesmerismus einer jener durchgängigen Pfade, welche zum Spiritismus führten.279
Es ist unmöglich, die Anzahl der Menschen sicher zu bestimmen, die an der spiritistischen Bewegung beteiligt waren. Nach allen Berichten war ihre Zahl groß und ihre Mitglieder kamen aus allen Schichten der Gesellschaft. Die Bewegung war zu keiner Zeit zentralisiert und die Teilnahme schwankte zwischen gelegentlichem Interesse und lebensveränderndem Engagement. Spiritistische Vorträge und Séancen fanden schon bald in ganz Nordamerika, in Großstädten und in Kleinstädten und insbesondere im Nordosten und im Mittleren Westen statt. Diese Kreise erfüllten eine religiöse Funktion jenseits der organisierten Kirchen. Die Spiritisten ersetzten ältere Religionsformen durch neuere, etwa Gruppenerfahrungen und andere organisierte Aktivitäten. So entfaltete diese metaphysische Religion bei ihren Anhängern einen ebenso großen Enthusiasmus, wie sie einige Vertreter der religiösen Orthodoxie jener Zeit beängstigte. Die Schätzungen der Anhängerzahl variieren unter den Autoren der 1850 er enorm: von zwei bis drei Millionen bis hin zu einer römisch-katholischen Schätzung, die von elf Millionen sprach und dies mit „[…] einem Drittel der Bevölkerung der Vereinigten Staaten […]” gleichsetzte. Heutige Historiker stimmen darin überein, dass deutlich über eine Million Menschen ernsthaft am Spiritismus der 1850 er beteiligt waren. 280
Spiritistische Zirkel zogen die unterschiedlichsten Menschen an, was vor allem an den verschiedenen Aspekten der Bewegung lag. Grundlegend war dabei jedoch, dass die spiritistischen Zirkel und Séancen eine religiöse Funktion erfüllten. Die phänomenalen und philosophischen Aspekte waren Teil eines Ganzen. Sicher gab es viele, die jene Zirkel gelegentlich aus Neugier besuchten und nicht dabei blieben. Auch besuchten viele die Kreise, um eine wissenschaftliche Verifikation der geistigen Realität zu erleben. Andere wurden von der Möglichkeit des Kontakts mit verstorbenen, geliebten Personen angezogen (die Sterblichkeitsrate war in der Mitte des 19. Jahrhunderts deutlich höher als heute), aber viele, welche die Zirkel besuchten, blieben auch dabei. Séancen wurden zu einem Mittel für den engen spirituellen Kontakt von Fremden und Freunden, die nach Wahrheit und Spiritualität im Kontext tatsächlicher Phänomene suchten. Unter den Anhängern des Spiritismus befanden sich zahlreiche intelligente und neugierige Menschen, die hofften, in dieser neuen Bewegung eine Vereinigung von Wissenschaft und Geist zu finden. Sie kamen aus ganz verschiedenen Hintergründen und Berufen, waren Farmer und Rechtsanwälte, Hilfsarbeiter und Ärzte, Fabrikarbeiter oder sogar Richter am Obersten Gerichtshof bzw. Senatoren.
Die Zahl prominenter Menschen, die in den 1850ern spiritistische Treffen besuchten, ist beeindruckend. Unter ihnen waren u. a. Harriet Beecher Stowe, Horace Greeley, William Lloyd Garrison, George Ripley, Benjamin Wade, Lydia Marie Child, David Ames Wells, Nathaniel Willis, James Fenimore Cooper und William Cullen Bryant. Dazu zu rechnen ist auch der berühmte britische Wissenschaftler Alfred Russel Wallace, der zusammen mit Charles Darwin die Theorie der natürlichen Selektion und des Überlebens des Bestangepassten begründete. Der Spiritismus wurde, wenn auch nicht von allen, so doch von einer Mehrheit als Religion anerkannt.281
Wie der Historiker J. S. Judah schreibt:
„Kaum ein anderes kulturelles Phänomen bewegte so viele Menschen oder stimulierte solches Interesse, wie es beim Spiritismus in den zehn Jahren vor dem Bürgerkrieg der Fall war und bis in die folgenden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts reichte.”282
DER ‚PHILOSOPH’ DES SPIRITISMUS– ANDREW JACKSON DAVIS
Davis blieb der anerkanntermaßen führende Philosoph des Spiritismus und wurde von den meisten Spiritisten auch als ihr führender Philosoph propagiert. Er betätigte sich über mehrere Jahrzehnte hinweg publizistisch, wobei sich sein Spätwerk eng an die in seinen Principles of Nature eingeführten Gedanken anlehnte. Seine zahlreichen Bücher entsprachen dabei der revisionistischen swedenborgianischen Kosmologie, Philosophie und Metaphysik. Obgleich seine Ideen sehr respektiert wurden, war der Spiritismus zu unabhängig, um das Werk irgendeines Autors als Offenbarung zu akzeptieren, und obgleich seine Anhänger Davis’ Bücher intensiv studierten und viele von ihnen Swedenborg lasen, betrachteten sie keinen als einzige Inspirationsquelle und schon gar nicht als Grundlage eines Glaubensbekenntnisses. Ohne Frage waren Davis’ Bücher jedoch unglaublich populär, manche von ihnen erlebten Dutzende Neuauflagen, und sie alle schlossen auch weiterhin die religiösen und wissenschaftlichen Anschauungen Swedenborgs mit ein. Sie umfassten Erörterungen, die auf Swedenborgs Ideen zur Struktur der geistigen Welt und des Lebens nach dem Tod eingingen, auf das göttliche Naturgesetz, welches entsprechend die geistige und materielle Wirklichkeitsebene lenke, die menschliche Gestalt, ihre Anatomie und Physiologie, darunter auch die Anschauungen zu den aufeinander bezogenen Funktionen von Herz, Lungen und Gehirnbewegungen, auf den Mensch als Mikrokosmos des Universums, auf geistiges Wachsen als Regeneration, den Himmel als Zweck des Menschengeschlechts, wahre Liebe in der Ehe, Ziel, Ursache und Wirkung sowie die ihnen zugrunde liegende Korrespondenz und den Gebrauch von Körper und Seele. Davis bezeichnete Gott in seinem Gesamtwerk mit vielerlei Namen: Gottheit, Göttlicher Architekt, Göttlicher Verstand, Allmächtiger Verstand, Höchste Intelligenz, Natur und Göttliche Harmonie.283
Er integrierte seine Erfahrung des magnetischen Heilens in seine Philosophie und seine Schriften und lehrte verschiedene Aspekte des Heilens aus seiner metaphysischen Perspektive. Eines seiner populärsten Werke war The Great Harmonia, das aus fünf Bänden bestand und deren erster Titel The Physician trug. In allen seinen Werken schloss Davis Swedenborgs Paradigmen der Anatomie und Physiologie in seine Sichtweise von Gesundheit und Heilung ein, darunter auch solche Ideen wie die Zirkulation eines geistigen Prinzips, das im Gehirn entspringe, von den systolischen und diastolischen Bewegungen des Cerebrum und Cerebellum angetrieben werde und aus den Zellen des Kortex stamme. Er betrachtete die Zirkulation dieses geistigen Prinzips als fundamental für die Gesundheit und die Störung seiner Zirkulation als unmittelbare Krankheitsursache. Er integrierte diese Anschauung in seinen magnetisch inspirierten Hintergrund und beschrieb Krankheit als etwas, das nicht entfernt werden müsse, sondern bloß einen Zustand repräsentiere, der zu verändern sei – eine Notwendigkeit, um das Fließgleichgewicht des geistigen Prinzips wiederherzustellen. Seine Beschreibungen des geistigen Prinzips spiegeln Swedenborgs Beschreibungen einer geistigen flüssigen Essenz wider, und auch sein Paradigma der Gehirnaktivität und des Fließens des geistigen Prinzips sind in ihrem Kern klar swedenborgianisch.284
Davis, der ‚Philosoph des Spiritismus’, war zunehmend frustriert vom seines Erachtens nach inflationären Auftreten spiritistischer Phänomene. Obgleich er zweifellos der Auffassung war, dass solche Phänomene möglich waren, die auf Kontakt zu Geisterwesen zurückgingen, empfand er auf der anderen Seite, dass sie das Bewusstsein nicht sehr höben und das geistige Wachsen nicht förderten. Davis legte besonderen Wert auf die Anwendung der Philosophie des Spiritismus und weniger auf dessen Erscheinungen. Er betonte auch die Verbindungen, die man in Bezug auf die eigenen geistigen und natürlichen Aspekte der Existenz kultivieren könne und dabei nach geistiger Wahrheit und Aufklärung suchen solle. Er empfand, dass der religiöse Hintergrund des Spiritismus allmählich zugunsten der populären Hervorhebung spiritistischer Phänomene verloren gehe.
Spektakuläre Medien ähnelten zunehmend Entertainern und riefen mehr und mehr Argwohn beim Publikum und auch bei den Anführern der spiritistischen Bewegung hervor. Dies kündigte sich an, als in den 1870ern eine Reihe betrügerischer Séancen aufgedeckt wurden. Um 1870 erklärte Davis, dass seine Philosophie der Harmonie den wahren Spiritismus darstelle, und er kritisierte vehement die wachsende, nach Sensationen gierende populäre Bewegung, die nurmehr an spiritistischen Erscheinungen interessiert war. 1878 verließ er formell die organisierte spiritistische Bewegung und machte mit seiner ‚Ersten Harmonischen Gesellschaft’ weiter. Der frühere Philosoph der Harmonie und christliche Spiritist S. B. Brittan war zum gleichen Schluss gekommen und hatte die spiritistische Bewegung bereits um 1870 verlassen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fühlten sich diese Männer und andere vergleichbare Führungspersonen eher in den neuen metaphysischen Strömungen wie der Theosophie, der Geistheilungs- und der Neugeist-Bewegung zu Hause.285
DER ‚DICHTER’ DES SPIRITISMUS – T. L. HARRIS UND DIE SWEDENBORGIANER DER NEUEN KIRCHE
Thomas Lake Harris war eine weitere prominente Figur der spiritistischen Bewegung in Nordamerika vor dem Bürgerkrieg, auf den man oft als den Dichter der Philosophie der Harmonie und des Spiritismus Bezug nimmt. Entsprechend seiner poetischen Natur besaß er eine Neigung zu wandern, sowohl im philosophischen als auch im geografischen Sinn. Kurz nachdem er sich 1850 von Davis getrennt hatte, schloss er sich der Apostolischen Bewegung von Rev. James Scott aus Auburn, New York an. Scott war ein ehemaliger Baptist, der behauptete, in Trance als Sprecher des Geistes des heiligen Johannes aufzutreten. 1851 etablierte er eine spiritistische Ackerbausiedlung in Mountain Cove, Virginia (jetzt West Virginia) und über 100 Spiritisten zogen von Auburn, New York in die dortige Kolonie. Dies war ein Versuch, sich von den Séance-Zirkeln hin zu einer strukturierten religiösen Gemeinschaft zu entwickeln, die auf spiritistischen Überzeugungen beruhte.
Die Gemeinschaft kämpfte mit einer Reihe von Problemen, einschließlich Differenzen in der Führung. 1853 trennten sich die Wege der beiden Führer und Harris kehrte nach New York City zurück, wo er regelmäßig Poesie im Trancezustand diktierte. Daraus entstand sein Buch An Epic of the Starry Heaven. Die Gemeinde von Mountain Cove löste sich im selben Jahr auf. Während dieser Zeit war Harris in New York City der Leiter der ‚christlichen Spiritisten’ der Kirche des Guten Hirten. Obgleich diese Gruppe keine Verbindungen zur Neue Kirche hatte, vertrat sie eine Theologie, die auf Swedenborg beruhte – abgesehen von spiritistischen Variationen. 1855 heiratete er Emily Isabella Waters aus New Orleans, eine inbrünstige Spiritistin.286
Mitte des Jahrzehnts zog Harris nach New Orleans. Dort organisierte er eine spiritistische Gesellschaft, die schon swedenborgianische Obertöne hatte und gründete schließlich die Christliche Kirche des Neuen Jerusalem. Diese Gruppe setzte auf ‚innere Kommunikation’ im Unterschied zu den äußerlichen Formen, die in traditionellen spiritistischen Zirkeln festgelegt wurden. Harris grub tiefer in den Schriften Swedenborgs und bis 1857 wurde er mindestens so sehr Swedenborgianer, wie er Spiritist war – mit der bemerkenswerten Ausnahme, dass er eher eine innere Form des Geisterkontaktes befürwortete.
Er war der Überzeugung, dass Davis von der Wahrheit abgewichen sei, die in Swedenborgs Schriften offenbart würde, und wollte den christlichen Aspekt der Lehren Swedenborgs in den Spiritismus wieder einführen. So kehrte er nach New York City zurück, gab die Zeitschrift The Herald of the Light heraus, behauptete, Teil einer nicht-konfessionellen Neuen Kirche zu sein, die alle anderen Kirchen durchdringen und ein neues Zeitalter der Aufklärung begründen werde. 1857 publizierte er zudem ein Buch mit dem Titel Arcana of Christianity, das seine Mischung aus swedenborgianischen und spiritistischen Ideen propagierte.287
Es erübrigt sich zu erwähnen, dass die Neue Kirche weder Harris noch seiner Botschaft oder seiner Kirche zustimmte. Ein Leitartikel im Messenger vermeldete, obgleich viele spiritistische Führungspersonen mit Swedenborgs Schriften vertraut seien und insbesondere Harris darin sehr belesen zu sein scheine, seine Befürwortung von Geisterkontakten dennoch zeige, dass er Swedenborgs Schriften nicht vollständig akzeptiere, insofern Swedenborg den absichtlichen Geisterkontakt verboten habe. Die Führung der Neuen Kirche machte klar, dass die Neue Kirche keine Verbindung zu Harris, seiner Kirche oder seinen spiritistischen Überzeugungen habe.
Harris übte bittere Vergeltung, indem er behauptete, dass trotz der Befreiung der Wahrheit durch Swedenborg die Neue Kirche in die Muster der alten Kirche zurückgefallen und zu einer starren, konservativen Einheit geworden sei und es ihr an der inneren Vision seiner Neuen Himmlischen Kirche mangele. Harris’ Neue Himmlische Kirche gründete drei Gemeinden, doch sie erblühte niemals.288
Obgleich Harris von der Führung der Neuen Kirche zurückgewiesen worden war, hatte er Unterstützer in der Neuen Kirche; insbesondere Woodbury Fernald ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert. Fernald war wie Harris ein Philosoph der Harmonie. Als ordinierter Geistlicher war er sehr versiert in den swedenborgianischen Ideen. Er distanzierte sich zur selben Zeit wie Brittan von Davis und befürwortete einen eher christlichen Spiritismus. Fernald unterstützte Harris und verfasste 1860 den Band A New Age for the New Church. Freundschaften mit christlichen Spiritisten, Universalisten und Unitariern setzte er fort und wie Bush stand er dem Klerus in jeder Kirche, so auch in der Neuen Kirche, kritisch gegenüber.
1860 reagierte er auf andauernde Kritik aus der Neuen Kirche wegen seiner Unterstützung für Harris im Besonderen und den Spiritismus im Allgemeinen und darüber hinaus aufgrund seiner antiklerikalen Haltung mit dem Rücktritt als Geistlicher der Neuen Kirche.
Harris stand in den 1850ern außerdem in Kontakt mit Swedenborgianern der Neuen Ära. Obgleich er gewiss nicht Mitglied der eigentlichen Neue Kirche war, hatte T. L. Harris vielfache bedeutende Verbindungen zu Swedenborgianern dieser Bewegung sowie zu den Freien Geistern und manche meinten sogar, er sei selbst ein Swedenborgianer der Neuen Ära. Tatsächlich bezog sich das aber nur auf eine begrenzte, allerdings wichtige Phase in Harris’ religiöser Laufbahn.289
Die New Yorker Gesellschaft der Neuen Kirche atmete kollektiv erleichtert auf, als Harris 1859 New York verließ und nach England ging. Dort wurde er zuerst von den englischen Swedenborgianern willkommen geheißen, insbesondere durch den bekannten Dr. James John Garth Wilkinson, der viel publizierte (er fertigte auch die einzige englische Übersetzung von The Animal Kingdom an). Das Willkommen für Harris war jedoch nur von kurzer Dauer, denn bald erkannten die englischen Swedenborgianer, dass er seine eigenen spiritistischen Überzeugungen und eine persönliche Deutung von Swedenborgs Ideen vertrat. Harris bildete eine eigene Nachfolgerschaft, die im Gegensatz zu den etablierten Swedenborgianern stand und einmal sogar die Londoner Buchhandlung der Neuen Kirche besetzte, um eine Ungleichbehandlung im Verkauf von Harris’ Büchern zu beklagen. Ein Gerichtsurteil entschied jedoch gegen Harris’ Anhänger.
Da er mit Swedenborgianern auf beiden Seiten des Atlantik im Streit lag, entwickelte Harris seine eigenen Ideen innerer Respiration und innerer Kommunikation mit Geisterwesen weiter und bewegte sich damit immer weiter hinaus aus der swedenborgianischen Welt. Er begründete neue utopische Gemeinschaften in New York und andernorts und hatte danach keine weiteren nennenswerten Kontakte mit der Neuen Kirche mehr.290
T. L. Harris ist ein gutes Beispiel kontinuierlichen Interesses an Swedenborg, wie es die spiritistische Bewegung prägte. Swedenborgianischen Ideen flossen nicht nur über Davis, sondern aus mehreren Quellen in die spiritistische Bewegung ein. Viele Anführer des Spiritismus, darunter die Philosophen der Harmonie, betrachteten Swedenborg als ihren Vorläufer und erkundeten seine Schriften. Es gab zudem die kleine, aber durch Publikationen sehr präsente Bewegung der Neuen Ära, die mit den Spiritisten bestimmte Ideen und Praktiken teilte, während sie jedoch Swedenborgs Gedanken über alles setzte. Sowohl die Swedenborgianer der Neuen Ära als auch die Spiritisten verfügten über vergleichbar gespannte Beziehungen zur Führung der Neuen Kirche und kommunizierten untereinander. Harris ist also ein Beispiel dafür, wie schwierig es für Historiker ist, genau zu identifizieren, was als wahrhaft swedenborgianisch einzuschätzen ist und nicht bloß so genannt wird. Einige Historiker charakterisieren irrtümlich alle seine Ideen als swedenborgianisch, obwohl einige sich gerade gegen das richteten, was in Swedenborgs Schriften niedergelegt war und entsprechend von der Neuen Kirche verurteilt wurde. Gleichwohl bildete Harris ebenfalls eine Quelle swedenborgianischer Ideen, wie sie in die spiritistische Bewegung einflossen.291
SPIRITISMUS UND REFORM IN GESELLSCHAFTLICHER UND MEDIZINISCHER HINSICHT
Der Spiritismus war nicht nur eine religiöse und auf Erscheinungen bezogene Bewegung. Er strebte zugleich nach gesellschaftlichen Reformen und besaß damit alle Elemente einer sozialen Reformbewegung. Davis hatte seit dem Aufkommen des Spiritismus soziale Reformideen energisch befördert. Beginnend mit The Principles of Nature, Her Divine Revelations, and a Voice to Mankind hatte er in seinem über die Jahrzehnte wachsenden Werk nahezu jedes aktuelle Reformthema berücksichtigt, darunter Frauenrechte, Mäßigung, Abschaffung der Sklaverei, Bildungsreform, Reform der Religion, öffentliche Bildung, Freiheit der Rede und Reform der Medizin.292
Die Spiritisten teilten Swedenborgs Ansicht eines geordneten Fortschritts im Universum hin zu einer gottgeleiteten Verbesserung der Menschheit. Jedoch wichen sie in der Anwendung dieser Ideen von der Neuen Kirche ab. Während deren Anhänger im 19. Jahrhundert erwarteten, dass sich mit der Zeit eine schrittweise Reform der Gesellschaft ergeben werde, und solchen Reformbemühungen in vielen Bereichen sympathisierend gegenüberstanden, lehnten sie radikale Reformen oder revolutionäre Ideen ab. Demgegenüber befürworteten die Spiritisten unter Davis’ Führung sowohl schrittweise als auch radikale Reformen. Sie bildeten zwar eine heterogene Gruppe, aber der gesamte Spiritismus vor dem Bürgerkrieg stand in irgendeiner Beziehung zu den Reformbewegungen jener Zeit. Nach dem Bürgerkrieg wurde der reformistische Aspekt bei manchen schwächer, in der gesamten Bewegung blieb er allerdings weiterhin präsent. Die Evolutionstheorie, wenn auch nicht in ihrer darwinistischen Form, wurde zu einer Metapher für entschiedenere, schrittweise Reformen nach dem Bürgerkrieg. Alfred Russel Wallace, der Mitentdecker der Evolutionstheorie, wurde bekennender Spiritist und schrieb bemüht sowohl über den Spiritismus als auch über seine Version der Evolution.293
Der Spiritismus bearbeitete Themen wie Demokratie und Republikanismus, das Individuum und eine geordnete Gesellschaft oder das Verhältnis des Einzelnen zur Menge. Er erkannte in jedem Einzelnen ein Zentrum persönlicher Entwicklung. Das schloss die Möglichkeit geistigen Wachsens und die Möglichkeit, an spiritistischen Erscheinungen teilzuhaben, ein. Diese demokratisierende Tendenz stand in Balance zur spiritistischen Auffassung einer geordneten Gesellschaft, die das Ziel einer höheren Ordnung der geistigen Welt reflektieren sollte und die derjenigen Ordnung der Gesellschaften und ihrer Ebenen ähnelte, wie sie von Swedenborg und Davis beschrieben worden waren. Die Spiritisten waren der Ansicht, dass die göttliche Vorsehung sie in ihren Aktivitäten in Richtung einer verbesserten Welt in diesem Leben leite. Mit dieser Anschauung sympathisierten sie mit den aktuellen Reformbewegungen ihrer Zeit, welche ähnliche Ziele zur Verbesserung der Gesellschaft anstrebten.
Davis lehrte nicht, dass dies ein langwieriger Prozess sein werde. Tatsächlich ermutigte er die Spiritisten, umgehend ein genuin spirituelles Leben zu leben und sich bei den Reformen zu engagieren. Er unterstützte die spiritistische Idee einer sich innerhalb dieser Welt in Richtung auf die spiritistische Republik der nächsten Welt entwickelnden Gesellschaft. Jedem Individuum komme in einer organisierten Gesellschaft eine Rolle zu, in welcher es besser dem großen Ganzen diene. Im Spiritismus herrschte eine Ausgewogenheit zwischen Individuum und Gesellschaft, die vor dem Bürgerkrieg eine reformistische Stellung zu den meisten Themen in Nordamerika einnahm. Das setzte sich in den 1870ern gleichermaßen fort. Die spiritistischen Zeitschriften wie Shekinah, The Spiritual Telegraph und Banner of Light verfochten von den 1850ern bis in die 1890 er Reformthemen gemeinsam mit spiritistischen und religiösen Ideen.294
Viele führenden Spiritisten betrachteten das Kommen eines neuen Zeitalters als Rechtfertigung für ihre Reformideen und -bewegungen. Um die spiritistische Bewegung entwickelte sich langsam eine größere populäre Bewegung, die etabliertes Denken grundsätzlich infrage stellte und neue, reformistische Themen unterstützte. Diese Mischung führte wiederum zu einer Infragestellung von Autorität allgemein und ermutigte Überlegungen mit dem Ziel einer Veränderung und Verbesserung der Gesellschaft. Bestimmte Reformideen traten in dieser spiritistischen populären Kultur in den Vordergrund, insbesondere die Themen Frauenrechte, Mäßigung und Medizin, aber auch eine Ablehnung der Sklaverei. Die Frauen spielten im Spiritismus vor allem als Medien eine große Rolle; diese erlaubte es ihnen, zu reisen, und bot ihnen ganz allgemein wesentlich größere Freiheiten, als dies im Rahmen der traditionellen Gesellschaft der Fall war. Viele traten für die Sache der Frauen ein und das Thema wurde bald im größeren Zusammenhang der Rolle der Frauen innerhalb von Gesellschaft und Religion gesehen. Die Spiritisten argumentierten, dass Frauen von ihren Bildungsbeschränkungen, rechtlichen Ungleichheiten und ökonomischen Restriktionen befreit werden müssten – und wie Männer behandelt und diesen nicht mehr unterworfen sein sollten. Sie förderten die Ausbildung von Frauen in der Medizin und in anderen Bereichen jenseits ihrer konventionellen Rollen.295
Die Spiritisten unterstützten außerdem die Mäßigungs-Bewegung und die Gesundheitsreform. Sie betrachteten sowohl Alkohol als auch Narkotika als ungesunde und unnötige Substanzen. Die zeitgenössische konventionelle Medizin ermutigte Praktiken, die heute unter dem Begriff der ‚heroischen’ Medizin subsummiert werden, darunter Aderlass, Einläufe und die Verschreibung von Medikamenten, die Quecksilber, Narkotika und Alkohol enthielten – mit oft drastischen Folgen. Obgleich einige dieser Praktiken in den späten 1860ern zurückgingen, behandelten Ärzte auch noch nach dem Bürgerkrieg weiterhin mit Opium, Alkohol und toxischen Quecksilberdosen sowohl Erwachsene als auch Kinder.
Die Spiritisten prangerten den Gebrauch und Missbrauch dieser Substanzen an, lehnten Alkohol und Narkotika kategorisch ab und standen der konventionellen Medizin insgesamt sehr kritisch gegenüber. Sie betrachteten den Körper als Haus des Geistes und waren gegen die Aufnahme schädigender oder betäubender Substanzen. Sie ermutigten demgegenüber zu alternativen Heilmethoden und praktizierten diese auch. Der Spiritismus übernahm vom Mesmerismus die Idee der Heilung im Trancezustand. Diese Praxis wurde von ‚medizinischen Medien’ und ‚hellsichtigen Ärzte’ angewendet, die ihre Patienten auf verschiedenste Arten und Weisen behandelten, wobei die Untersuchung der Patienten oder die Verabreichung von Heilmitteln auch im Trancezustand erfolgte. Unter diesen Mitteln waren keinerlei Emetika, Stimulanzien, Narkotika oder Lösungen auf Alkoholbasis, wie sie die allopathischen Mediziner verschrieben. Die spiritistischen Heiler praktizierten auch, indem sie Hände auflegten, um fehlende innere Balancen zu korrigieren und ein freies, unbehindertes ‚Geistprinzip’ oder eine entsprechende ‚Vitalflüssigkeit’ im ganzen Körper zu unterstützen. Davis wendete eine Technik an, bei der er kräftig am Rückenmark entlang rieb, um die Erholung von Asthma zu erleichtern. Obgleich dies nur einen kleinen Teil seines therapeutischen Zugangs als magnetischer und spiritistischer Heiler ausmachte, orientierten sich ihm nachfolgende spiritistische Heiler stark daran. Ein weiterer philosophischer Unterschied zwischen Spiritisten und regulären Medizinern bestand außerdem darin, dass letztere sich auf Verschreibungen als Grundlage der Behandlung verließen, während die Spiritisten ihr Vertrauen ganz in die Naturgesetze als hauptsächlichen therapeutischen Agenten setzen. Dies machte sie bei der orthodoxen Medizin nicht eben beliebt. Die spiritistische Zeitschrift Banner of Light veröffentlichte ausführliche Geschichten über solche Animositäten.296
Die Spiritisten wandten sich entsprechend ihrer Reformorientierung auch gegen die Sklaverei und als Abolitionisten verteidigten sie deren Abschaffung leidenschaftlich. Sie glaubten, dass jeder Mensch dazu bestimmt sei, in dieser und in der nächsten Welt fortzuschreiten. Sie betrachteten die Sklaverei als gottlose Institution und kritisierten die christlichen Kirchen, vor dem Bürgerkrieg nicht ernstlich genug dagegen Stellung zu nehmen; sie waren für diese abolitionistische Einstellung gegenüber der Sklaverei in den 1850ern auch weithin bekannt, wie ein Autor 1859 notierte:
„Zweifellos haben die Spiritisten im Verhältnis zu ihrer Mitgliederzahl zehnmal mehr kritische Stimmen gegen Sklaverei und für Mäßigung aufgebracht als andere.”
Der spiritistische Gedanke des fortschreitenden Individuums war für die Bewegung gegen Sklaverei derart attraktiv, dass eine große Mehrheit der prominenten Sklavereigegner vom Spiritismus angezogen wurde, darunter ihre Anführer William Lloyd Garrison, Joshua Giddings, Benjamin Wade, Henry Wright und Thomas Wentworth Higginson.297
Die Spiritisten entwickelten ein Zusammengehörigkeitsgefühl im Sinne von ‚Außenseitern’ innerhalb der Mainstream-Gesellschaft, die reformistische Ideen oft und mit Begeisterung unterstützten. Dieser Gemeinschaftssinn wurde noch verstärkt durch die Tatsache, dass viele der Spiritisten ihre organisierten Religionsgemeinschaften verließen und ihre religiöse Unabhängigkeit erklärten.298