Kitabı oku: «Seewölfe Paket 13», sayfa 21

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5.

Hasard hatte neue Anweisungen gegeben. Jeder Mann an Bord der „Isabella“ wußte, was er zu tun hatte. Das Feuer wurde vorläufig eingestellt. Der Seewolf wollte keine Munition vergeuden.

Auf schätzungsweise zwanzig Yards Abstand segelte die „Isabella“ am Vorsteven der „Cruel Jane“ vorbei und luvte weiter an. Lord Henry und seine Kumpane zogen nicht mehr mit, sie hatten jetzt genug damit zu tun, die Feuer zu löschen.

Mit Steuerbordhalsen und hart über Backbordbug liegend, lief die „Isabella VIII.“ knapp eine Viertelmeile nach Westnordwest, dann ging sie über Stag und befand sich somit in der Luvposition. Die „Jane“, auf der die Ordnung inzwischen halbwegs wiederhergestellt war, schwenkte viel zu langsam herum. Die „Grinta“ befand sich in Lee der „Jane“ und konnte absolut nichts mehr ausrichten, denn sie wurde durch Henrys Schiff behindert, das die „Isabella“ in diesem Moment völlig zu verdecken schien. Außerdem hatten Selim und seine Männer noch alle Hände voll mit dem gefährlichen Leck im Vorschiff zu tun, das ihren Zweimaster zum Sinken bringen konnte.

Die „Isabella“ segelte mit Kurs Nordosten – jetzt über Steuerbordbug liegend – auf entgegengesetztem Kurs an der „Cruel Jane“ vorbei. Die „Jane“ traf gerade erst Anstalten, ihren Bug nach Westen zu drehen und dann auch über Stag zu gehen – viel zu spät.

„Feuer!“ schrie Lord Henry voll Zorn und Haß, doch die Kugeln seiner Steuerbordgeschütze konnten dem Feind nicht mehr viel anhaben. Fünf- bis sechshundert Yards betrug die Entfernung zwischen beiden Schiffen mittlerweile. Eine Schiffskanone des Zwölfer- oder Siebzehner-Kalibers verfügte zwar über eine Reichweite von nahezu einer Meile, doch ein sicheres Zielen und Treffen war bei dieser Dunkelheit ein Ding der Unmöglichkeit.

So trieben die acht Kugeln, die Henry noch wutentbrannt auf seinen Erzfeind losließ, nur neben und hinter der „Isabella“ Wassersäulen hoch, die zischend wieder in sich zusammenfielen. Der Seewolf schoß nicht zurück.

Nur der Schlachtruf seiner Männer gellte noch einmal herüber: „Arwenack!“

Dann segelte die „Isabella“ sehr schnell nach Osten ab und war in der Nacht verschwunden, ehe die „Jane“ und die „Grinta“ ihr Wendemanöver auch nur halb vollzogen hatten.

Lord Henrys Hoffnungen hatten sich nicht erfüllt. Wieder war der Seewolf der Stärkere gewesen, als stünde er mit dem Teufel persönlich im Bund.

„Aber wir kriegen ihn noch“, sagte Lord Henry mühsam beherrscht zu Scoby, Dark Joe und Codfish. „Er wird Zypern anlaufen, um Proviant und Trinkwasser an Bord zu nehmen. Dort fassen wir ihn.“

Dalida hatte ihren Bogen und den Köcher mit den Pfeilen achtlos auf der Kuhl zurückgelassen, wo jetzt die letzten Flammen gelöscht und die Toten und Verletzten geborgen wurden.

Sie stieg zu den Männern aufs Achterdeck und sagte auf spanisch: „Killigrew hätte uns alle töten können, Henry.“

Er fuhr zu ihr herum. „Nein! Er weiß, daß er nicht weiter gehen kann. Rechtzeitig genug hat er sich verzogen, ehe wir zum Gegenschlag ausholen konnten.“

„Das glaubst du wirklich? Armer Henry. Er hat uns gnädig verschont, das ist alles. Es ist seine letzte Warnung an uns. Das nächstemal kennt er bestimmt kein Erbarmen mehr.“

Er trat vor sie hin und sah sie drohend an. Sie begegnete seinem Blick ohne Furcht.

„Erbarmen?“ wiederholte er. „Gnade? Das hört sich ja großartig an. Warst du nicht selbst davon überzeugt, daß dies unsere Glücksnacht sei? Der Sieg war uns gewiß, oder? Wieso hast du so plötzlich deine Einstellung geändert?“

„Vielleicht habe ich etwas begriffen. Daß wir nämlich auch mit drei, vier, fünf oder noch mehr Schiffen nichts gegen ihn ausrichten können. Geben wir es lieber auf.“

Er holte ganz unvermittelt aus und gab ihr eine schallende Ohrfeige, die sie gegen die Balustrade des Achterdecks schleuderte. Entsetzt hob sie ihre Hand und hielt sich die Wange.

„Das ist kein Meinungswandel!“ schrie er sie an. „Ich weiß genau, was wirklich dahintersteckt! Du willst Zwietracht zwischen mir und meinen Männern säen! Es wäre dir nur recht, wenn bald eine Meuterei auf diesem Schiff ausbrechen würde – du wüßtest sie für dich auszunutzen, nicht wahr?“

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst“, murmelte sie.

„Du willst mich als Versager hinstellen!“

„Nein, Henry.“

„Verschwinde!“ schrie er. „Hau ab, oder ich vergesse mich! Wenn du noch einmal auf dem Oberdeck auftauchst, lasse ich dich auspeitschen und ins Kabelgatt sperren!“

Sie ging mit gesenktem Kopf, obwohl sie versucht war, ihr Messer zu zücken und ihn damit anzugreifen. Nur mit Mühe bezwang sie den Drang, sich auf ihn zu werfen.

Jetzt nicht, hämmerte sie sich immer wieder ein, es wäre ihm ein leichtes, dich abzuwehren und umzubringen, jetzt nicht, warte auf eine bessere Gelegenheit.

Tim Scoby legte Henry die Hand auf die Schulter. „Beruhige dich, Henry. Wir halten zu dir, das weißt du doch. Und wir wissen genau, wie falsch die Ägypterin ist.“

Lord Henry wandte sich zu ihm um. Sein Blick wanderte zu Dark Joe und Codfish und heftete sich dann wieder auf das Gesicht des Schnauzbärtigen. Er holte tief Luft, dann sagte er: „Tatsächlich, Tim?“

„Schon lange, glaub es mir.“

„Du mißtraust ihr – wie Mechmed?“

„Wie ihm. Darf ich ehrlich sein?“

„Nur zu.“

„Wir sollten sehen, daß wir die Frau und die Berber loswerden.“

„Daran habe auch ich schon gedacht“, sagte Henry. „Bislang war es mir ganz recht, sie als Verstärkung unserer Crew an Bord zu haben. Aber jetzt könnten wir ein paar von Selims Kerlen übernehmen, die werden uns weniger gefährlich, schätze ich. Selim ist mit Dobran und den anderen Überlebenden der Ghanja an Bord ja ohnehin überbemannt.“

„Gut“, sagte Dark Joe. „Sollen wir es Dalida und den Berbern also gleich besorgen?“

„Nein“, entgegnete Henry. „Auf Zypern gibt es genug Sklavenmärkte. Warum sollen wir sie einfach hier ausbooten, wenn wir noch einen Ertrag aus ihrem Verkauf erzielen können?“

„Da hast du recht“, meinte Tim Scoby. „Also warten wir bis Zypern. Und wie lauten deine Befehle?“

„Aufklaren und die gröbsten Schäden beheben!“ rief Lord Henry, so daß es auch die Männer auf der Kuhl und auf der Back vernehmen konnten. „Die Toten der See übergeben, die Verletzten versorgen! Wir nehmen Kurs nach Südosten und laufen Zypern an!“

Wenig später rief Mechmed, der Berber, auch zur „Grinta“ hinüber, was Lord Henry entschieden hatte. Selim, der soeben die Arbeiten an dem Leck im Vorschiff abgeschlossen hatte, lauschte der Übersetzung mit grimmiger Miene.

Henry hatte sich seiner Meinung nach als schlechter Stratege erwiesen. Das Gefecht hätte ganz anders begonnen und geführt werden müssen. Selim sann darüber nach, ob es sich lohne, sich von den Engländern zu trennen und wieder seiner eigenen Wege zu gehen. Sich von ihnen herumkommandieren zu lassen, Befehle von diesen Giaurs, diesen „Ungläubigen“, entgegenzunehmen gefiel ihm ganz und gar nicht.

Und doch: Da war die Rache, die er dem Hund Killigrew und seiner Mannschaft geschworen hatte. Und da waren die Schätze, die es an Bord der „Isabella“ zu holen gab. Allein der Schatz der Medici, von dem Lord Henry berichtet hatte, mußte einen ungeheuren Wert haben.

So entschied er sich, auch weiterhin an Henrys Seite zu bleiben und den treuen Verbündeten zu mimen – bis nach Zypern, wo man den Feind wieder zu stellen hoffte.

Hasard, Ferris Tucker, die beiden O’Flynns, Blacky und Luke Morgan waren ins Achterkastell hinuntergestiegen und betraten den Raum, an dessen Rückwand sich das Hennegat öffnete. Die Balken der Ruderanlage waren nicht beschädigt, aber dicht daneben klafften zwei Löcher. Das dritte befand sich ein Deck tiefer im Heck der „Isabella“, glücklicherweise aber auch oberhalb der Wasserlinie, so daß vorläufig kein Wasser in den Schiffsbauch flutete.

Ferris untersuchte die Löcher im Schein einer Öllampe, die von Blacky hochgehalten wurde.

„Der Schaden läßt sich von innen her so weit beheben, daß wir ohne jede Gefahr und in aller Ruhe die nächste Bucht anlaufen können“, erklärte er.

„Vorausgesetzt, es gibt keinen Sturm“, sagte Hasard. „Aber danach scheint es vorläufig nicht auszusehen. Los, sehen wir uns jetzt den vierten Treffer an der Steuerbordseite an.“

Mehr als fünfzehn Zoll hoch und breit gähnte sie dieses Loch, das von einer der Siebzehnpfünderkugeln der Piratengaleone gerissen worden war, im vorderen Bereich des Achterschiffs an, aber auch hier bestand kein Risiko, daß die „Isabella“ Wasser zog. Ferris fand die Kugel, hob sie hoch und beförderte sie durch das Loch außenbords. Mit einem Klatscher verschwand das Geschoß in der See.

„Fang jetzt mit dem Ausbessern an“, sagte Hasard zu dem rothaarigen Riesen. „Hol dir so viele Männer zu Hilfe, wie du brauchst.“

„Blacky und Luke genügen mir.“

„Gut. Wir anderen beheben die Schäden auf dem Oberdeck. Später, wenn wir an der Nordküste von Zypern eine für unsere Zwecke geeignete Bucht gefunden haben, führen wir auch die erforderlichen Außenarbeiten an unserer alten Lady durch.“

„Drei Löcher zuviel in ihrem stolzen Allerwertesten“, sagte Old O’Flynn. „Das ist schon ein starkes Stück. Aber wir sind ja noch mit einem blauen Auge davongekommen. Keiner von uns ist verletzt.“

„Aber du bist trotzdem nicht zufrieden, Donegal“, sagte der Seewolf. „Weil dein frommer Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist.“

Der Alte schob seine Unterlippe vor und überlegte eine Weile, ehe er etwas entgegnete. „Das ist so: Wenn wir weitergekämpft hätten, hätten wir nicht nur Lord Henry, sondern auch Selim und die ganze Bande von Schnapphähnen und Galgenstricken ein für allemal zu den Fischen geschickt. Ich finde, das haben sie verdient.“

„Ja, finde ich auch“, pflichtete sein Sohn ihm bei.

„Ich weiß, ihr habt erwartet, daß ich bis zur letzten Konsequenz ginge“, sagte der Seewolf. „Und im Prinzip habt ihr recht, wenn ihr verlangt, daß ich uns Lord Henry und Selim endgültig vom Hals schaffe. Nur dürfen wir unsere Kampfkapazität nicht überschätzen. Der Vorrat an Pulverpfeilen war fast verbraucht, und auch Ferris’ Höllenflaschen hätten nicht ewig gelangt, um beim Gegner für Aufruhr zu sorgen. Henry und Selim hätten sich wieder erholt und noch einmal versucht, uns einzukesseln. So schwer wir sie auch mit unserem Kanonenfeuer eingedeckt hätten – ohne Verluste wäre die Sache auf unserer Seite nicht abgegangen. Ich hatte eine Mordswut auf Henry und Selim, aber dann gelangte ich doch zur Besinnung. Irgendwie sind sie mir einen derart hohen Einsatz nicht wert.“

„Aber Sir!“ stieß Dan hervor. „Wir sind doch ans Kämpfen gewöhnt. Glaubst du vielleicht, wir würden auch nur für einen Moment vor Henry und Selim zurückstecken?“

„Eben nicht. Bis zum letzten Blutstropfen würdet ihr Helden euch schlagen.“

„Henry wird uns wieder verfolgen“, gab Blacky zu bedenken. „Er ist wie ein Schatten hinter uns her. Irgendwann stellt er uns eine Falle, aus der es kein Entweichen mehr gibt. Was wollen wir uns von dem Hundesohn eigentlich noch alles gefallen lassen?“

„Nichts mehr“, antwortete der Seewolf. „Bei unserer nächsten Begegnung – wenn das wirklich geschieht – hole ich ihn mir vor die Klinge.“

„Das sagst du immer“, brummte der alte O’Flynn. „Aber dann bist du doch wieder fair zu diesem elenden Bastard, fairer, als es ihm zustünde.“

„Mister O’Flynn, fängst du wieder an zu meckern?“

„O nein, Sir! Nur habe ich da so einen bestimmten Verdacht. Darf ich den mal aussprechen?“

„Sicher doch“, erwiderte Hasard lächelnd. „Raus mit der Sprache, Old Donegal.“

„Nun, dein schneller Abgang hängt doch sicher auch mit dem Schiffbrüchigen zusammen. Du willst ihn heil nach Zypern zurückbringen, ehe du dich auf ein längeres Gefecht einläßt, nicht wahr? Gib’s ruhig zu.“

„Ja. Ich finde, wir sind es ihm schuldig, daß wir ihn wohlbehalten zu Hause abliefern. Schließlich haben wir ihn an Bord der ‚Isabella‘ geholt, ohne ihn groß zu fragen, ob er damit einverstanden sei. Daher fühle ich mich jetzt für seine Sicherheit verantwortlich.“

Der Alte seufzte. „Hölle, Mister Killigrew, du bist wirklich unverbesserlich. Hast du denn schon vergessen, daß er es war, der Henry und Selim mit seinem Geschrei anlockte?“

„Das habe ich nicht. Aber er tat es ja nicht absichtlich. Wir werden schon noch herausfinden, warum er solche Angst vor uns hatte.“

Ferris trat grinsend näher und sah seinem Kapitän im dämmrigen Licht der Lampe ins Gesicht. „Wenn jetzt zufällig die Königin von England an Bord wäre und dich reden hören würde – ich bin sicher, sie würde dein Verhalten dem alten Fischer gegenüber als edel bezeichnen.“

„Und wie würdest du es nennen?“

„Genauso. Ich bin ja nicht für Gefühlsduselei, aber ich finde, du hast ein mächtig gutes Herz.“

„Mann, Ferris“, sagte der Seewolf grob. „Rede doch nicht so einen Blödsinn. Los, geht jetzt an die Arbeit. Blacky und Luke, ihr bleibt also hier bei unserem Klamphauer. Donegal und Dan, ihr kommt mit mir nach oben.“ Mit diesen Worten schritt er davon und ließ seine Männer stehen.

Ferris, Blacky, Luke, Dan und der Alte blickten sich grinsend an, dann schlossen sich die beiden O’Flynns dem Seewolf an, und die anderen drei konzentrierten ihre Aufmerksamkeit auf die Schäden, die ausgebessert werden mußten.

6.

Sobald ihre Einteilung zum Decksdienst es zuließ, suchten die Zwillinge wieder die Kammer im Achterkastell auf und unterhielten sich von neuem mit dem alten Mann – dieses Mal mit einem besseren Ergebnis.

Er saß aufrecht in seiner Koje und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Seine Gesichtsfarbe war jetzt nicht mehr talgig, sondern von einem blassen rötlichen Schimmer beherrscht. Er redete aufgeregt auf die Zwillinge ein und versuchte immer wieder, ihnen durch Handzeichen zu erklären, was seine Worte bedeuteten.

Sie sprachen weiterhin türkisch mit ihm, gaben sich aber Mühe, die Begriffe und Redewendungen seines eigentümlichen Dialekts zu erlernen und zu gebrauchen. Was dabei herauskam, war eine mit vielen Umlauten und zungenbrecherischen Worten gewürzte Sprache.

Der Kutscher verließ die Kammer und ging auf die Kuhl, um dem Seewolf Bescheid zu geben.

Es ging auf Mitternacht zu. Der Himmel über der „Isabella“ war von samtenem Schwarz, winzige Sterne funkelten und verkündeten, daß es so rasch keinen Wetterumschwung geben würde. Die Mondsichel jedoch war für kurze Zeit hinter einer kleinen Wolkenbank verschwunden. Nach wie vor wehte der Wind frisch bis steif aus Nordwesten und drückte die „Isabella“ auf ihrem neuen Kurs Südosten direkt auf die Insel Zypern zu, die jetzt nicht mehr fern sein konnte.

Geschäftig eilten die Männer auf der Kuhl, dem Achterdeck und der Back auf und ab. Das Hämmern und Sägen, Hobeln und Feilen überdeckte das Flü-stern des Windes in den Luvwanten und Pardunen fast völlig. Alle Schäden am Schanzkleid und an Deck wurden ausgebessert, die Gefechtsstationen mußten aufgeklart werden, und für den Fall eines neuen Zusammenstoßes mit Henry und Selim war es nur ratsam, schon jetzt wieder mit der Herstellung von Pulverpfeilen und Höllenflaschen zu beginnen. Kurz: Es gab alle Hände voll zu tun.

Der Seewolf verließ das Achterdeck und trat zum Kutscher.

„Nun?“ fragte er. „Unserem Patienten geht es schon wieder besser, nicht wahr? Ich sehe es deiner zuversichtlichen Miene an, Kutscher. Deine Essenzen und Mixturen haben eben mal wieder ihre Wirkung getan.“

„Ach wo“, sagte der Kutscher mit einem Anflug von Verlegenheit. „Wenn sein Herz tatsächlich so altersschwach gewesen wäre, wie ich ursprünglich annahm, hätte auch die beste Arznei nichts genützt. Ich dachte, die Aufregung über das Gefecht würde ihm einen neuen Schock versetzen, aber auch da habe ich mich getäuscht.“

„Er hat es gelassen aufgenommen?“

„Gelassen nicht gerade. Als wir mit Lord Henry und Selim voll im Getümmel lagen, wollte er dauernd seine Koje verlassen und auf die Kuhl laufen, aber nicht, um zu fliehen. Aus der Art, wie er auf mich einredete, ließ sich eher schließen, daß er mitkämpfen wollte.“

„Na, nun übertreibe mal nicht.“

„Sir, ich habe ein untrügliches Gefühl für so was. Zwar hab ich die Tür der Kammer abgeschlossen, damit er nicht rauskonnte, aber Angst hatte er nicht mehr – eher Vertrauen zu uns, das versichere ich dir.“

„Du hast mich neugierig gestimmt“, sagte Hasard. „Auf zu unserem Freund! Vielleicht bringen wir ja jetzt ein bißchen Licht in das Geheimnis, das ihn umgibt.“

Sie betraten die Kammer in der Hütte, und sofort hob der Alte die Hände und sprach wie beschwörend auf Hasard ein.

„Was sagt er?“ wollte der Seewolf von seinen Söhnen wissen.

„Daß er uns grenzenlos dankbar ist, weil wir uns mit Henry und Selim geschlagen haben“, antwortete Philip junior. „Er bittet, seinen Fehler von vorhin zu entschuldigen. Er wird nicht mehr zu fliehen versuchen und auch nicht mehr schreien, denn er weiß jetzt, daß wir ihm nur helfen wollen.“

„Er kennt also Lord Henry und den Türken?“

„Offenbar nicht“, erwiderte Hasard junior.

Sein Vater stemmte die Fäuste in die Seiten. „Drückt euch gefälligst deutlich aus, ihr Flöhe, oder es gibt ein Donnerwetter. Was nützt es mir, wenn ihr in Rätseln sprecht?“

„Dad, Sir!“ rief Philip. „Wir kommen ja selbst noch nicht mit ihm klar.“

„Aber ihr versteht, was er sagt?“

„So ziemlich“, entgegnete Hasard junior.

„Dann fragt ihn doch zuallererst, was ihn so weit auf die See hinausgetrieben hat und von wem er überfallen wurde.“

Die Jungen nickten, sahen sich an, und dann ergriff Philip wieder das Wort. „Er hat uns folgendes erzählt, Dad: Er ist ein Fischer aus Pomos, das im Nordwesten Zyperns liegt. Am frühen Morgen lief er mit seiner Tartane aus, um Thunfische zu fangen.“

„Allein?“

„Allein – und gegen den Willen seiner Familienangehörigen. Er scheint ein richtiger Dickschädel zu sein, einer, der noch nicht zum alten Eisen zählen will.“

Der Kutscher mußte unwillkürlich lächeln. „Erstaunlich, wie sich die Dinge im Leben oft gleichen. Wenn ich an ein gewisses älteres Rauhbein an Bord unseres Schiffes denke …“

„Kutscher“, fiel der Seewolf ihm ins Wort. „Zum Philosophieren ist jetzt keine Zeit. Deine Überlegungen sind sicher wertvoll, aber du sparst sie dir am besten für später auf.“

„Aye, Sir“, sagte der Kutscher grinsend.

Hasard betrachtete das Antlitz des alten Mannes – ein Gesicht wie eine Landschaft, von unzähligen Furchen durchzogen. Lebhaft bewegten sich die dunklen Augen in ihren Höhlen, sie wirkten um Jahrzehnte jünger. Sie drückten Kühnheit und Entschlossenheit aus, Scharfsinn und Erfahrung.

„Ja“, sagte Hasard. „Er scheint mir ein gewitzter Kerl zu sein. Fragt ihn doch mal, ob er einen guten Fang gehabt hat.“

Hasard junior erklärte: „Das haben wir auch schon getan. Er hat am Vormittag so viele Thunfische an Bord seines Bootes gezogen wie nie zuvor in seinem Leben. Er muß einen gewaltigen Schwarm aufgestöbert haben, so groß, daß er nur einen Teil davon in sein Netz kriegen konnte.“

„Trotzdem hat er eine beachtliche Leistung vollbracht“, sagte der Seewolf. „Thunfische können nämlich kräftig zappeln und auch tüchtig zubeißen. Manche werden so groß wie ausgewachsene Haie. Aber jetzt weiter. Wer jagte ihm die Fische wieder ab?“

„Eine Galeone näherte sich ihm von Osten – kurz nach der Mittagsstunde“, wußte Philip junior zu berichten. „Offenbar brauchte der Kapitän einen Rat, er schien sich versegelt zu haben. Jedenfalls las der Alte dies – sein Name ist übrigens Kambos – aus den Zeichen, die der Ausguck ihm vom Großmars der dreimastigen Galeone aus gab.“

„Und folglich ging Kambos arglos bei der Galeone längsseits?“

„Ja. Ein paar Männer enterten zu ihm in die Tartane ab. Plötzlich brachten sie Handspaken zum Vorschein und hieben damit auf ihn ein. Er wehrte sich verzweifelt, aber das nützte ihm nichts. Er brach zusammen. Seine Brust wollte vor Schmerz zerreißen, wie er sagt, und sein Kopf dröhnte entsetzlich“, erwiderte Philip.

„Jetzt wird mir alles klar“, sagte der Seewolf. „Der Kapitän der Galeone, dieser Lump, brauchte dringend frischen Proviant. Er holte ihn sich und überließ den armen Alten seinem Schicksal. Als Kambos wieder zu sich kam, dachte er, er wäre an Bord der fremden Galeone gelandet.“

„So ist es!“ stieß Hasard junior erregt hervor. „Aber nach seinem gescheiterten Fluchtversuch sah er seinen Irrtum ein. Als wir ihm jetzt Lord Henrys ‚Cruel Jane‘ beschrieben, dachte er, Henry sei der Übeltäter gewesen, der ihm den Thunfisch abjagte.“

„Unmöglich“, sagte sein Vater. „Henry und Selim segelten von Norden heran, nicht von Osten. Sie können dem Alten nicht vor uns begegnet sein, es sei denn, sie vermögen mit ihren Schiffen zu fliegen.“

Der Kutscher sagte: „Diese Möglichkeit würde höchstens Donegal einräumen, schätze ich.“

Der Seewolf setzte sich zu Kambos auf den Rand der Koje. „Allerdings. Folglich muß es sich bei den Fischräubern um Leute handeln, die auch wir nicht kennen. Dies müssen wir unserem Freund hier auf jeden Fall beibringen. Philip und Hasard, ich will außerdem eine genaue Beschreibung der fremden Galeone und ihrer Besatzung haben, man weiß nicht, wozu sie uns noch dienen kann. Traut ihr euch das zu?“

„Aber sicher doch, Sir“, sagte Philip junior.

„Dann los.“

Der alte Mann lächelte und streckte dem Seewolf seine Hand entgegen. Hasard nahm sie an und drückte sie. Es war eine harte und knochige Hand, ans Zupacken gewöhnt.

Hasard sah Kambos in die Augen und sagte: „Na endlich, wir verstehen uns jetzt also.“

Am frühen Morgen des 18. Dezember 1591 erreichten sie Pomos, doch ohne Kambos’ Hilfe wäre es ihnen nie gelungen, in die kleine, jedoch erstaunlich tiefe Bucht zu manövrieren, die sich vor dem Fischerdorf ausdehnte. Kambos war wieder auf den Beinen und betätigte sich seit dem Passieren des Kaps Kormakitis als Lotse.

Dichter Nebel breitete sich im Erwachen des neuen Tages schwadenweise über der See aus, doch der Mann von Zypern geleitete die „Isabella“ sicher an allen der Küste vorgelagerten Riffen vorbei und dann durch die schmale Einfahrt in die schützende Bucht.

Unweit der hölzernen Piers, an denen die Boote der Fischer vertäut waren, ging die „Isabella“ vor Anker. Dann begaben sich Hasard, Ben Brighton, Shane, Smoky und der Profos mit Kambos an Bord der Tartane an Land.

Kambos’ Rückkehr wurde von den Dorfbewohnern wie ein Wunder gefeiert. Man hatte ihn bereits für verschollen gehalten, denn jegliche Suche vor der Küste hatte am Vortag erfolglos abgebrochen werden müssen. Übergroß war daher die Freude der Familienangehörigen und der Nachbarn. Hasard und seine Männer wurden von einem Haus ins andere eingeladen, und die Männer, Frauen und Kinder überschütteten sie mit ihrer Herzlichkeit und Gastfreundschaft.

Hasard nahm die Gelegenheit wahr, um frischen Proviant, Wein und Wasser zu kaufen, die wenig später zur „Isabella“ hinübergeschafft und in den Vorratsräumen verstaut wurden. Als es jedoch ans Bezahlen ging, lehnte Kambos, der in seinem Dorf großen Einfluß zu haben schien, jedes Entgelt kategorisch ab.

Dennoch gelang es Hasard, sich zu revanchieren. Er ließ Tauwerk, Schießpulver, Munition und ein paar Waffen ins Dorf bringen, Dinge, die die Zyprioten zweifellos gut gebrauchen konnten. Sie waren nicht nur Fischer, sondern auch Jäger, wie er durch seine Söhne von Kambos erfahren hatte.

Die Männer des Dorfes Pomos stiegen in ihre Boote und halfen bei den Außenarbeiten an der „Isabella“ mit, sobald sich der Nebel etwas verzog und Ferris, der mit seinen Helfern in eine Jolle abgeentert war, genug erkennen konnte.

So wurde die „gute alte Lady“, wie die Seewölfe ihr Schiff gelegentlich zu nennen pflegten, wieder vollständig instand gesetzt.

Bei den Gesprächen, die dank der Dolmetschertätigkeit der Zwillinge mit den Menschen von Pomos geführt werden konnten, kriegte der Seewolf schließ-lich auch noch heraus, daß die Dreimast-Galeone, die den alten Kambos überfallen hatte, am vorhergehenden Tag nahe der Küste gesichtet worden war. Die Beschreibung des Schiffes entsprach genau der, die auch Kambos gegeben hatte: Es handelte sich um einen Segler von etwa 300 Tonnen Größe, mit relativ hohen Masten und recht flachen Aufbauten.

„Hol’s der Henker“, sagte der Profos, als er dies vernahm. „Mit anderen Worten, der Kahn ähnelt unserer ‚Isabella‘. Nun sag bloß noch, er ist ein Engländer, Sir.“

„Das wohl nicht. Die Flagge, die er führt und die von den Zyprioten in seinem Großtopp gesehen wurde, hat andere Farben. Ich schätze, daß er ein Franzose ist.“

„Ein französischer Bastard, der einem hilflosen Alten den sauer verdienten Fang stiehlt“, sagte Ben Brighton. „Wer immer er ist, man sollte ihm deswegen mal kräftig auf die Finger klopfen.“

„Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit noch.“ Hasard sah seine Männer, die jetzt, als die Sonne mit voller Kraft zu strahlen begann, mit ihm bei den Piers standen, an und lächelte. „Die Fischer der Nachbardörfer im Westen haben den Leuten von Pomos erzählt, daß auch sie die Galeone beobachtet haben. Offenbar will sie – immer auf der Suche nach Beute – die Insel im Westen runden. Da an Bord Proviantmangel herrscht, könnte es aber auch gut angehen, daß sie Paphos, den größten Hafen an der Westseite Zyperns, anläuft.“

„Und was tun wir, Sir, wenn man fragen darf?“ erkundigte sich Big Old Shane.

„Wir lichten noch heute, am frühen Nachmittag, den Anker und verlassen Pomos. Wir runden Zypern im Westen und segeln dann nach Süden.“

„Wieder in Richtung Nordafrika?“ fragte Smoky.

„Zur Mündung des Nils“, erwiderte der Seewolf. „Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir es nicht schaffen, unser Ziel nun bald ohne größere Zwischenfälle zu erreichen.“

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