Kitabı oku: «Seewölfe Paket 33», sayfa 29

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Bis zehn Yards Distanz querab befahl der Seewolf, die Segelfläche der Fock zu verkleinern.

Ein leichter Ruderschlag ließ die Schebecke zur Galeone hin driften.

Bei nur mehr fünf Yards Distanz stockte vermutlich manchem Spanier der Atem. Hier wie dort standen Männer mit Bootshaken bereit, den zu erwartenden Aufprall zu mildern.

Back und Vorsteven der Schebecke befanden sich ungefähr gleichauf mit der Kuhl des anderen Schiffes, als der Profos endlich einen Enterhaken warf. Der Wind war heftig genug, den Haken mehrere Schritt weit abzutreiben. Trotzdem verfing er sich unter dem Schanzkleid. Zwei Decksleute nahmen die Leine an und holten ein stärkeres Tau nach, das sie mit mehreren Schlägen am Hauptmast belegten. Der Profos achtete darauf, daß die Spannung auf keinen Fall zu groß wurde.

„Ersauf nicht!“ gab er Ferris Tucker einen klugen Rat mit auf den Weg.

Ohne Erwiderung hing sich Ferris ans Tau und begann, zur Galeone hinüberzuhangeln. Obwohl er nur wenige Yards überwinden mußte, hatte er ziemliche Mühe dabei. Der stürmische Wind schüttelte und peitschte ihn wie eine überreife Frucht, und die See schien extra hohe Wogen zu bilden, die gurgelnd und schmatzend nach ihm schnappten.

Aber kaum war Ferris Tucker über das Schanzkleid der „Señora“ hinweg, da griffen hilfreiche Hände nach ihm und stellten ihn auf die Planken. Der Profos löste das Tau und gab es über Bord.

„Ruder hart Backbord!“ vernahm Ferris den verwehenden Befehl des Seewolfs.

Die Schebecke war sehr nahe herangetrieben worden. Jetzt drehte sie quer vor den Wind, die Fock blähte sich und ließ sie schnellere Fahrt aufnehmen.

Ferris Tucker verlor keine Zeit. Er ließ sich von dem noch immer frierenden und vom Rum sicherlich in Kürze stockbesoffenen Garcia erklären, was mit dem Ruder los war. Der Spanier hatte schon einen ziemlich schweren Zungenschlag, wiederholte sich bei unwichtigen Details und vergaß Wichtiges.

„Ich gehe runter!“ entschied Ferris. „Fiert mich ab!“

Er nahm lediglich einen schweren Kuhfuß mit und eine nur mehrere Yards lange Leine, an deren einem Ende ein Enterhaken angespleißt war. Zweimal mußte er von der Galerie aus werfen, bis sich der Haken an dem kurzen Stück Pinne zwischen Hennegat und Ruderkopf verfing. Aber dann hatte er einen so guten Halt, daß ihn selbst die rauheste See nicht vom Ruder wegzerren konnte.

Innerhalb von Augenblicken war er bis auf die Haut durchnäßt, doch die beißende Kälte drang nicht ganz so schnell durch seine dicke Kleidung hindurch.

Er arbeitete mit der ihm eigenen Verbissenheit. Luft anhalten, tauchen, wieder nach oben, die Lungen vollpumpen – das alles wiederholte sich Dutzende Male. Die Strömung riß und zerrte an ihm, doch das zweite Seil hielt und brachte deutliche Erleichterung.

Zwei Fingerlinge saßen tatsächlich neben den Ruderösen. Um sie wieder einzurichten, hätte Ferris das Ruderblatt hochwuchten müssen. Aber die stürmische See verbot ein solches Vorgehen von selbst. Nichts und niemand hätte das Ruder dann noch festhalten können.

Er erkannte auch, daß das oberste Band am Achtersteven abgerissen war. Der Balken wies an dieser Stelle eine fühlbare Vertiefung auf. Zu allem Überfluß setzte sich die Schramme zum Ruderblatt hin fort, und dort war ein Riß entstanden, der bei anhaltender Belastung über kurz oder lang zum Bruch führen mußte.

Die Art des Schadens war fast eindeutig: Al Conroy hatte zu dicht draufgehalten, als er Chinchillas Flucht mit den beiden Warnschüssen ein Ende bereitete.

Verbissen setzte Ferris Tucker den Kuhfuß an. Ihm blieb keine andere Wahl, als das obere Bandeisen gänzlich loszusprengen – und das möglichst schnell, denn auch er begann allmählich erbärmlich zu frieren. In Gedanken band er Capitán Chinchilla an eine lange Leine und schleppte ihn hinter der Galeone her, bis er blaugefroren und beinahe schon stocksteif war.

Derartige Rachegefühle wärmten wenigstens innerlich. Nur flüchtig fiel Ferris ein, daß er den Kapitän an Deck nicht gesehen hatte. Der Erste Offizier schien im Moment das große Wort zu führen.

Unter Wasser mußte er weit mehr Kraft aufwenden, als sonst nötig gewesen wäre. Als endlich das Band brach, spürte er seine Schulter kaum noch. Aber der oberste Fingerling war nun frei, und damit blockierte auch der folgende nicht mehr so stark wie zuvor. Das Ruder würde zwar etwas schwerer zu bewegen sein als sonst, aber das Schiff war wenigstens wieder manövrierfähig.

Ferris bemühte sich dennoch, die zweite Ruderöse zu verbiegen. Als ihm dabei schwarz vor Augen wurde, gab er sehr schnell auf. Selbst das Lösen des Enterhakens fiel ihm plötzlich schwer. Er zitterte, die Finger waren klamm und aufgequollen, in den Augen brannte das Salzwasser und ließ ihn nur mehr wie durch einen dichten Nebel hindurch sehen, was um ihn herum vorging.

Während ihn die Spanier aufhievten, mußte er wohl für kurze Zeit die Besinnung verloren haben, denn sein Erinnerungsvermögen setzte erst wieder ein, als etwas heiß wie Feuer durch seine Kehle rann. Ferris verschluckte sich, mußte husten, schnappte keuchend und würgend nach Luft und trank doch wieder, weil sich die Flüssigkeit wohlig wärmend in seinem Magen ausbreitete.

„Der Kerl säuft wie ein Loch“, hörte er jemanden auf spanisch sagen. „Aber er hat es geschafft, das Ruder gehorcht wieder.“

„Ich denke, wir können ihn alleinlassen“, sagte eine zweite Stimme. „An Deck gibt es genug zu tun.“

Ferris Tucker brachte die Augen noch immer nicht auf. Er hörte sich entfernende Schritte, dann schlug ein Schott zu. Er war allein mit dem Tosen des stürmischen Windes, dem Rauschen und Donnern der aufgewühlten See und dem steten Knistern und Knacken der Schiffsverbände.

Seine letzte Feststellung war, daß er nackt auf einer festen Seegrasmatratze lag, eingehüllt in mehrere weiche Wolldecken. Danach forderte die Erschöpfung ihr Recht. Er fiel in einen tiefen und traumlosen Schlaf.

8.

Als Ferris Tucker zum erstenmal aufwachte, war völlige Dunkelheit um ihn her. Das Toben des Sturmes, so erschien es ihm, war stärker geworden. Auch tanzte das Schiff jetzt wilder auf den Wellen, hob und senkte sich in hektischem Rhythmus und legte sich mal weit nach Backbord über, dann wieder nach Steuerbord.

Er lag in einer Koje, die für seine Körpermaße fast schon zu klein war. Wahrscheinlich hatten ihn die Dons in eine Offizierskammer verfrachtet.

Irgendwo schräg über ihm erklang ein schrilles Quietschen, unregelmäßig, dem Stampfen des Schiffes folgend. Niemand hatte die Lampe angesteckt, die in ihrem eisernen Haken hin und her schwang. Und vor der Koje rollte eine Flasche über die Planken, aber Ferris Tucker war noch zu müde, als daß er den Arm ausgestreckt und sie aufgehalten hätte. Die See wiegte ihn erneut in den Schlaf.

Tief in seinem Unterbewußtsein vernahm er das Poltern an Deck, hörte Blöcke knarren und laut gebrüllte Befehle. Doch die Erschöpfung hielt ihn fest gefangen.

Die ganze Nacht über heulte der Nordwest über die Flotte der Schatzschiffe hinweg und wuchs sich langsam zum Orkan aus. Die Mannschaften konnten kaum an Schlaf denken, jede Hand wurde an Deck gebraucht. Nur noch mühsam kämpften sich die Schiffe durch die sehr hohe See voran. Unablässig mußte gelenzt werden, weil schwere Brecher die Persennings von den Grätings wegfetzten und das Wasser sich schäumend in Luken und Niedergänge ergoß. Bei diesem Unwetter neue Verschalkungen anzubringen, hatte wenig Sinn.

Einen Horizont gab es nicht mehr. Der Atlantik endete da, wo die Wellenberge haushoch emporstiegen, der Himmel verschwand sowieso hinter wehender Gischt und treibenden Wasserschleiern. Stoßartig rollte die See heran.

Bis zum frühen Morgen wurde der Konvoi mehr und mehr auseinandergerissen. Trotzdem hielt jeder, so gut es eben ging, Nordkurs bei. Die Scilly-Inseln mußten inzwischen zum Greifen nahe sein. Im Windschatten der mehr als hundert kleinen und kleinsten Eilande, von denen nur fünf wirklich von Bedeutung waren, ließ sich der Orkan besser abwettern.

Ein Hauch von Helligkeit, der durch ein kleines bleiverglastes Fenster in die Kammer fiel, weckte den Schiffszimmermann der Arwenacks. Obwohl er sehr lange geschlafen hatte, fühlte sich Ferris Tucker noch immer wie zerschlagen. Die zu kurze Koje mochte ihren Anteil daran haben.

Ein quälendes Bohren in den Eingeweiden erinnerte Ferris daran, daß es Zeit war für Backen und Banken. Aber vielleicht mußte er sich auf dem spanischen Schlorren selbst bedienen.

Halb steif, setzte er sich kerzengerade auf und versuchte, sich zu strecken. Im Nacken und in der Lendengegend knackten die Knochen. Er rollte mit den Schultern, spannte die Muskeln an und suchte währenddessen nach seinen Sachen. Hemden und Hosen hingen über einer Leine, die quer durch die Kammer gespannt worden war. Unter ihnen hatten sich kleine Wasserlachen ausgebreitet.

Die Flasche, die noch immer hin und her rollte, stieß gegen seine Füße. Ferris hob sie auf und stellte fest, daß sie nahezu halbvoll war. Mit den Zähnen zog er den Korken heraus und spuckte ihn auf die Koje.

Der Rum roch gut. Und schon der erste Schluck überzeugte den Schiffszimmermann davon, daß er mindestens von der gleichen Qualität wie jener war, den die Arwenacks auf Jamaika „eingekauft“ hatten. Womöglich stammte er ja auch von einer der drei Zuckerrohrplantagen, die von den Arwenacks gründlich zerstört worden waren.

Ferris ließ sich den Rum munden. Das edle Gesöff wirkte belebend und vertrieb den letzten Rest von Kälte, der noch in den Knochen nistete. Und es sorgte dafür, daß er großzügig über die klamme Nässe seiner Kleidung hinwegsah. Was dann noch in der Flasche drin war, eigentlich nur ein schäbiger Rest, verkorkte er sorgfältig und legte die Buddel mitten auf die Koje. Der rechtmäßige Bewohner der Kammer sollte auch nicht leben wie ein Hund.

Danach trat er aufs Achterdeck hinaus. Der mittlerweile herrschende orkanartige Sturm riß ihm beinahe das Schott aus der Hand. Unter Bedingungen wie diesen war es ein Wunder, wenn das Ruderblatt noch sehr lange den Belastungen standhielt.

Die Galeone lief nur unter zwei lausigen Sturmsegeln. Die Männer waren gerade dabei, die Fetzen eines dritten Segels von der Rah abzuschlagen, die sie dazu auf die Kuhl niedergeholt hatten.

Ringsum türmten sich die Wasserberge haushoch. Ferris Tucker kannte das erdrückende Gefühl zur Genüge, das selbst erfahrene Seeleute hin und wieder überfiel.

Die „Nuestra Señora de lagrimas“ stöhnte und ächzte, als wolle sie jeden Moment entzweibrechen. Aber sie hielt tapfer durch.

Da unter diesen Umständen an eine Rückkehr auf die Schebecke nicht zu denken war, mußte Ferris wohl oder übel bei den Dons bleiben. Er hielt nach dem Kapitän Ausschau, doch das Achterdeck wirkte wie leergefegt. Im nächsten Moment trieb ihn eine riesige Woge in den Niedergang zurück. Wasser war plötzlich überall, und als es sich schäumend verlief, riß der Schiffszimmermann fluchend das Schott hinter sich zu.

An den straff gespannten Manntauen hangelte er sich nach vorn zur Back. Hin und wieder gewahrte er die Silhouetten anderer Schiffe, die ebenfalls zum Spielball der entfesselten Elemente geworden waren. Wenn er sich nicht täuschte, segelte die „Wappen von Kolberg“ kaum mehr als hundert Yards achterlich. Aber selbst das war momentan unwichtig.

„Wo steckt Capitán Chinchilla?“ fragte er den erstbesten Decksmann, der ihm begegnete.

„In der Vorpiek“, erwiderte der Don. „Aber er ist nicht mehr der Kapitän.“

„Wer dann?“

„Serrador, der Erste.“

„Wo finde ich den?“

Der Spanier wurde mit jeder Antwort unfreundlicher. Er deutete bloß noch zu dem Schott im Vorkastell und schwang sich in die Wanten. Augenblicke später vernahm Tucker das Geräusch reißenden Tuchs über sich. Das Großmarssegel war mitten aufgeschlitzt und begann wild zu schlagen.

Ferris glich die nächste Welle aus und hastete den bezeichneten Niedergang hinunter. Er brauchte nicht mehr nach dem Kapitän zu fragen, er hörte ihn. Selbst der Sturm konnte dieses Brüllen nicht übertönen.

Das Schott zur Kombüse war nur angelehnt. Zwei Männer standen da. Der eine war der Erste Offizier, José Serrador, der andere ein kleiner, dicklicher Bursche mit feistem Gesicht und Schweinsäuglein. Zweifellos war das der Koch.

Serrador putzte ihn nach allen Regeln der Kunst herunter, und der Dicke würde anschließend wohl in jedes Rattenloch passen. Es ging darum, daß ein Teil des Trinkwasservorrats sowie mehrere Kisten mit Zwieback und Mehl ungenießbar geworden waren, weil er sie nicht richtig abgesichert hatte.

Der Offizier bemerkte Tucker ziemlich schnell. Ein Aufleuchten huschte über sein Gesicht.

„Ich hatte noch keine Gelegenheit, Ihnen zu danken!“ rief er. „Sollten Sie jemals unter Don Julios Kommando unzufrieden sein, nehme ich Sie gern in meine Mannschaft auf.“

Der etwas irritierte Blick des Schiffszimmermanns veranlaßte ihn, hinzuzufügen: „Ich war gezwungen, Señor Chinchilla seines Amtes zu entheben, als er zum zweitenmal den Konvoi verlassen und nach Spanien segeln wollte. Don Julio de Vilches wird mein Vorgehen hoffentlich zu würdigen wissen.“

„Da bin ich völlig sicher“, sagte Tucker zweideutig. „Sobald der Sturm abflaut, werden Sie bestimmt erfahren, wie sehr der Capitán Ihre Handlungsweise zu schätzen weiß.“ Unschlüssig kratzte er sich am Kinn. „Wenn ich richtig verstanden habe, sieht es mit dem Proviant schon wieder schlecht aus …“

Serrador winkte großzügig ab. Gleich darauf hielt Ferris eine dicke Scheibe Speck und zwei Stücke Schiffszwieback in Händen. Die Menge reichte aus, um seinen größten Hunger zu stillen.

Im Laufe des Vormittags sah es mehrmals so aus, als verliere der Sturm an Heftigkeit, doch jedesmal heulte er danach mit neuer Gewalt heran und nahm den ermatteten Kerlen auf den Schiffen wieder ein Stück ihrer Hoffnung.

An Schlaf war nicht zu denken. Jede Hand wurde gebraucht, um zerfetzte Segel einzuholen und neues Tuch anzuschlagen, um Persennings von neuem festzuzurren, wenn heftige Böen sie gelockert hatten, oder ganz einfach um in halbstündigem Wechsel das eingedrungene Wasser zu lenzen.

Der Zeitpunkt für das Lenzen vor Topp und Takel, wenn sogar die Sturmbesegelung abgeschlagen werden mußte, war abzusehen.

In den kurzen Pausen, in denen der Sturm neuen Atem schöpfte und die wehende Gischt in sich zusammenfiel, waren einige der anderen Schiffe zu sehen. Allem Anschein nach handelte es sich um die „Patricia“ und die „Concordia“, die beiden an die vierhundert Yards entfernt an Steuerbord gegen die entfesselte See ankämpften. Weiter achteraus segelte die gute alte „Isabella“ der Seewölfe unter Jean Ribaults Kommando. Sie hatte offenbar die geringsten Probleme. Noch weiter auf Distanz, mit bloßem Auge gerade noch zu erkennen, tauchte ein Lateinersegel hin und wieder über den Wasserbergen auf. Das war die Schebecke.

Alle anderen Galeonen hatte der Sturm vermutlich meilenweit auseinandergetrieben. Es würde viel Zeit und Geduld erfordern, sie wie eine Herde versprengter Schafe wieder zusammenzutreiben.

Kurz vor dem Mittag riß weit im Norden endlich der Himmel auf. Schweflig gelbe Helligkeit geisterte über das Firmament, dann brachen sogar die ersten gleißenden Sonnenstrahlen hervor. Noch hielt der Sturm an, aber falls sich die Lücke in den Wolken nicht wieder schloß, bestand die Aussicht, daß bis zum späten Nachmittag Ruhe einkehrte.

„Land voraus!“

Der gellende Ruf aus den Wanten schreckte jeden an Deck auf. Von unten war wenig zu sehen, doch schon bald glaubte auch Ferris Tucker, eine winzige graugrüne Spitze entdeckt zu haben.

Gewißheit erlangte er gut eine halbe Stunde später. Dann nämlich zeigten sich an Backbord deutlich sichtbar drei winzig kleine Inselchen, eigentlich eher schroff aus dem Meer aufragende Felsen, die von schwerer Brandung umtost wurden. Schwärme von Vögeln hockten zwischen den Felsen oder trotzten dem Sturm mit teilweise halsbrecherischen Flugkünsten.

Jetzt war auch an Steuerbord Land zu sehen. Offenbar eine der größeren Inseln. St. Agnes vielleicht. So sicher wußte Tucker das nicht.

Die Isles of Scilly lagen ziemlich genau auf 6° 20’ westlicher Länge und reichten bis fast zum 50. Breitengrad hinauf. Von Land’s End, dem westlichsten Ausläufer Cornwalls, trennten sie nur ungefähr fünfundzwanzig Seemeilen. Die über hundert kleinen und kleinsten Inseln verdankten ihre üppige Vegetation und das ganzjährig milde Klima dem warmen Golfstrom.

Die schützende Wirkung des Archipels machte sich bald bemerkbar. Die See ging nicht mehr so hoch wie noch kurz zuvor.

Im Norden breitete sich die Helligkeit weiter aus und ließ endlich wieder ein Stück blauen Himmels erkennen.

Nur durch einige rasch in geringer Höhe dahintreibende Wolkenschleier angekündigt, sprang der Wind um. Er drehte auf West bis Westsüdwest.

Die See wurde kabbelig. Einen eindeutigen Kurs zu steuern, fiel plötzlich schwer.

Höchstens noch eine halbe Meile querab an Steuerbord ragten schroffe, der größeren Insel vorgelagerte Klippen auf. Das Donnern der Brandung war sogar gegen den Sturm zu vernehmen, der die Schiffe unaufhaltsam der Küste zutrieb. Die beiden anderen Galeonen waren tatsächlich die „Patricia“ und die „Concordia“, das ließ sich aufgrund verschiedener Besonderheiten jetzt deutlich erkennen.

Bedrohlich nahe wuchsen die Klippen auf. Und schon weit vor ihnen verrieten Strudel und eine hellere Färbung der See, daß tückische Untiefen lauerten.

„Höher ran!“ schrie José Serrador dem Rudergänger zu.

Die „Nuestra Señora de lagrimas“ mußte anluven, wollte sich nicht von dem bislang nur wenig abgeschwächten auflandigen Wind auf Legerwall getrieben werden. Das gleiche galt für die anderen Galeonen, die zwar noch näher unter Land trieben, inzwischen aber schon deutlich sichtbar Ruder gelegt hatten und im Begriff waren, mehr Tuch zu setzen, um sich leichter freizukreuzen.

„Segel Steuerbord voraus!“ brüllte jemand.

Ferris Tucker wollte es zunächst nicht glauben, doch dann sah er mit eigenen Augen die Lateinersegel, die sich vor dem zerklüfteten, teils bewaldeten Hintergrund der Insel nur sehr schlecht abhoben. Dort, vielleicht gerade eine Meile entfernt, lag eine schützende Bucht, in der Wind und Wetter nur schwer angreifen konnten. Mächtige Klippen ragten wie eine natürliche Barriere im Halbkreis von Norden her ins Meer hinaus. Zwischen ihnen und der Insel, in einer gut zweihundert Yards breiten Passage, näherte sich eine Karavelle.

Ein sanfter Ruck durchlief die „Nuestra Señora de lagrimas“, die gerade im Begriff war, höher an den Wind zu gehen. Die Erschütterung war allerdings eher im Achterschiff wahrzunehmen als zum Bug hin. Gleichzeitig brüllte der Rudergänger los und begann, den Kolderstock heftig nach beiden Seiten zu bewegen.

Ferris Tucker wußte sofort, was geschehen war. Das Ruder hatte der Belastung nicht länger standgehalten und war gebrochen – in einer Situation, in der von den anderen Schiffen kaum Hilfe zu erwarten war. Die See würde die Galeone gegen die Klippen drücken. Und das ausgerechnet jetzt, da sich das Ende des Sturmes abzeichnete.

José Serrador reagierte prompt. Sein „Fallen Anker!“ konnte lauter gar nicht sein. Die Möglichkeit, daß der Anker das Schiff hielt, mußte er als erste in Erwägung ziehen.

Die Trosse rauschte ab. Bis zu ihrem Ende.

Vorübergehend hatte es sogar den Anschein, als fasse der Anker, denn die „Señora“ drehte weiter in den Wind, aber dann gab es einen zweiten, deutlicheren Ruck, und von da an veränderte sich die Peilung zum Land und zu den Klippen hin wieder. Die Galeone wurde lediglich etwas langsamer abgetrieben als zuvor, während sich die beiden anderen Schiffe inzwischen nahezu freigesegelt hatten und im Begriff waren, nach Süden abzudrehen, um die Insel zu runden und in deren Windschatten endgültig Zuflucht zu suchen.

Das letzte Mittel, das dem Kapitän blieb, war ein Kreuzen auf Biegen und Brechen – mit so vielen gesetzten Segeln wie nur irgend möglich und mit einem in aller Eile auszubringenden Hilfsruder. Die Männer an Brassen, Schoten und Halsen wußten Wohl, was da ihrer harrte.

Kaum jemand hatte noch auf die Karavelle geachtet. Der Dreimaster war ein schlankes, aber dennoch wuchtig wirkendes Schiff. Seine Mannschaft schien sich in diesen Gewässern bestens auszukeimen und wie zu Hause zu fühlen. Fast auf Haaresbreite schrammte die Karavelle an einzelnen Klippen vorbei und hielt auf die „Nuestra Señora de lagrimas“ zu.

Ferris Tucker drängte sich unwillkürlich der Eindruck eines Raubvogels auf, der sein Opfer erspäht hatte und nun zielsicher zuschlug.

Er schien nicht der einzige zu sein, der solche Überlegungen anstellte.

„Die Kerle haben es auf uns abgesehen!“ hörte er jemanden rufen. „Das sind Piraten!“

Vergessen war vorerst die Absicht, aufzukreuzen. Mit einem Angriff mußte man tatsächlich rechnen, zumal sich die See zunehmend beruhigte. Auch der Sturm flaute weiter ab. Sogar im Zenit riß jetzt der Himmel auf und zeigte ein strahlendes Blau, das sich im Wasser spiegelte.

Höchstens noch fünfhundert Yards war die Karavelle entfernt. Sie führte keine Flagge im Topp. Vermutlich hatte sich die Crew vor dem Sturm in der Bucht verkrochen und witterte nun fette Beute. Dabei konnten die Kerle noch gar nicht wissen, was ihnen da zufällig vor die Rohre getrieben worden war.

In aller Hast enterten die Spanier von den Rahen und aus den Wanten ab. José Serrador brüllte Befehle ohne Unterbrechung. Er mußte in Kauf nehmen, daß die „Señora“ weiter auf die Riffe zugetrieben wurde, doch die Verteidigungsbereitschaft hatte absoluten Vorrang.

Pulverfässer und Kugeln wurden aus den Munitionskammern heraufgemannt und neben den Geschützen gestapelt. Ferris Tucker packte kräftig mit zu. Ein rascher Rundblick hatte ihm gezeigt, daß außer den beiden schon auf Südkurs liegenden anderen Galeonen keine Schiffe in der Nähe waren.

Während er mehrmals mit schwerer Last von Deck zu Deck hastete, häuften einige Spanier feinen Sand neben den Geschützen auf und andere schütteten Seewasser auf die Planken. Der Sand wurde in einer Dünnen Schicht darübergekehrt.

Die „Nuestra Señora de lagrimas“ war nicht gerade als besonders wehrhaft zu bezeichnen. Jeweils drei Achtzehnpfünder auf beiden Längsseiten und zwei Stücke im Heck, mehr hatte sie nicht aufzuweisen.

Als die Karavelle anluvte, zeigte sie endlich ihre Breitseite. Ferris Tucker stockte schier der Atem beim Anblick der endlos scheinenden Reihe geöffneter Stückpforten, aus denen sich die schwarz drohenden Mäuler der Kanonen herausschoben. Sie würden Tod und Verderben speien und die Schatzgaleone mit einem wahren Eisenhagel überschütten.

„Heilige Maria, Mutter Gottes, steh uns bei!“

In das angstvoll gemurmelte Gebet eines noch jungen Mannes mischte sich der erlösende Ausruf, daß sowohl die „Patricia“ als auch die „Concordia“ gehalst hatten und auf Rammkurs einschwenkten.

Durch die geöffneten Stückpforten der „Señora“ hindurch sah Ferris Tucker die fremde Karavelle wenig mehr als zweihundert Yards entfernt. War jedoch bis eben kaum eine Bewegung an Bord zu erkennen gewesen, so änderte sich das schlagartig.

Die vernichtende Breitseite blieb indes aus. Vorerst wenigstens. Dafür drehte die Karavelle in den Wind.

Augenblicke später brüllte das erste Geschütz auf. Die anderen folgten nacheinander in kaum erkennbaren Abständen. Eine Feuerwalze, gnädig verdeckt von brodelndem Pulverdampf, zuckte den Schiffsrumpf entlang. Ein einziger langanhaltender Donner rollte ohrenbetäubend laut über die See.

„Mein Gott“, murmelte einer der Männer neben Tucker. Er war blaß geworden und klammerte sich am nächsten Brooktau fest.

Offenbar glaubten sich die Schnapphähne der havarierten Galeone sicher. Ihre Breitseite hatte ausschließlich den beiden heransegelnden Schiffen gegolten, die sich zum Glück noch an der Grenze der Reichweite befanden. Vor und zwischen ihnen stiegen riesige Fontänen aus der aufgewühlten See auf. Die dicht beieinanderliegenden Einschläge verrieten den Kapitänen, daß es sinnlos war, das eigene Schiff der ohnehin dem Untergang geweihten „Señora“ wegen zu riskieren.

„Diese verdammten Feiglinge ziehen den Schwanz ein und kneifen!“ schrie jemand unbeherrscht, als die Galeonen abdrehten. „An der Pest sollen sie krepieren!“

José Serrador erteilte den Feuerbefehl. Die Geschützbedienungen erhielten Order, so schnell und sooft hintereinander zu feuern, wie das eben möglich war, ohne daß die Rohre krepierten.

Die übrige Mannschaft hetzte der Erste Offizier in die Wanten.

„Setzt die Segel!“ brüllte er mit sich überschlagender Stimme. „Wir kappen den Anker und versuchen, Fahrt aufzunehmen.“

Das alles würde nichts mehr helfen.

Nur ein Wunder konnte jetzt die „Nuestra Señora de lagrimas“ noch retten.

Aber Wunder waren rar. Und nicht einmal Ferris Tucker glaubte daran, solange die Lateinersegel der Schebecke hinter der Kimm verborgen blieben.

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