Kitabı oku: «Seewölfe Paket 33», sayfa 9

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4.

Philip Hasard Killigrew erschien auf der Back, alarmiert von den Zurufen seiner Mannen, die mitgekriegt hatten, was sich auf der Kuhl tat.

Mit einem Blick übersah er die Lage, sprang auf die Kuhl und verkürzte Carberrys Verfahren, indem er nach einer vollen Pütz griff und ihren Inhalt dem erstbesten Kerl ins Gesicht schüttete. Weil der gerade mit offenem Maul den Himmel anschrie, klatschte ihm das Wasser hinein, und er verstummte abrupt mit dem Gebrüll. Er konnte nur noch gurgeln und würgen und nach Luft röcheln. Für den Kampf um die Jolle fiel er aus.

In diesem Augenblick fegte ein Schatten mittschiffs und in Längsschiffsrichtung vom Großmast her zum Bug hin über die Kuhl und über die Jolle hinweg, die zwischen Großmast und Back auf den Klampen lagerte und von sechs Kerlen besetzt war – dem Rabaukenkern der „Respeto“-Crew.

Ein Arwenack hatte wieder in die Trickkiste gegriffen, einer, der sich schon häufig bei Enter- oder Bordkämpfen in dieser Art und Weise betätigt und bewährt hatte.

Old Donegal Daniel O’Flynn.

Ganz einfach. Er war – ohne daß die Kerle davon Notiz genommen hatten, weil sie viel zu beschäftigt waren, ihre Jolle zu verteidigen – zum Großmars auf geentert, hatte sich dort das Großbramfall geschnappt, das Großbramsegel war aufgetucht, hatte am unteren Ende des Falls in einer bestimmten Höhe einen Knoten geschlungen, auf dem er sitzen konnte, das Fall zwischen den beiden abgegrätschten Beinen – und war abgesaust, Richtung Vorschiff.

Das rechte Holzbein des „Admirals“ – wie ihn die Enkel titulierten – war steif vorgereckt wie die Lanze eines Ritters. Mit dem unteren verdickten Ende des Holzbeins krachte er gegen den dummen Kopf des ersten Kerls, der sich im Bug der Jolle befand und gerade einem Bordkameraden den Riemen um die Ohren hauen wollte. Daraus wurde nichts.

Old Donegals Holzbein stieß ihn um. Er prallte im Sturz gegen seinen Nachbarn, der auf der zweiten vorderen Jollenducht stand, riß den um, und auch der nahm seinen Nachbarn auf der mittleren Ducht mit, als er stürzte.

Damit kippten drei Kerle teils in die Jolle, teils auf die Duchten – wie wegrasiert und mit dem entsprechenden Effekt: es waren nur noch strampelnde Beine zu sehen. Das Gebrüll paßte zum jähen Sturz.

Die drei Kerle im achteren Teil der Jolle verfehlte das Holzbein Old Donegals um Haaresbreite, was indessen für den alten Zausel kein Problem darstellte. Auf dem Scheitelpunkt des Ausschwungs – als das Fall wieder zurücksauste – wechselte Old Donegal blitzschnell den Sitz, so daß er jetzt Front zum Achterschiff einnahm.

Das große Pendel schwang also zurück, und Old Donegals Holzbeinzwinge räumte die drei restlichen Kerle ab. Sie kippten um wie Zinnsoldaten und polterten über die drei anderen, was zu einer wirren Wuhling von Beinen und Armen und Körpern führte.

Die Arwenacks brauchten nur in die Jolle zu langen und mit den Belegnägeln den Kerlen was an die Dummköpfe zu pochen oder sie mit Wasserpützen abzukühlen, was auch der Reinlichkeit dienlich war. Damit war der Kampf um die Jolle entschieden.

Old Donegal enterte bereits grinsend vom Großmars ab. Er war mit sich vollauf zufrieden – konnte er auch sein, und Hasard winkte ihm anerkennend zu.

„Sehr gut, Don Donegallo!“ rief er.

Und der „Admiral“ verbeugte sich mit Grandezza.

„Gern geschehen, Don Julio!“ rief er zurück und feixte bis zu den Ohren.

Die Kerle von der „Respeto“ glotzten nur mit dummen Kalbsaugen – soweit ihre Klüsen nicht dichtgeschlagen waren. Sie betasteten ihre Beulen und ächzten und stöhnten. Die Luft war raus. Vom Wahnsinn ernüchtert, waren sie nur noch klägliche Elendsgestalten, die selbst nicht begriffen, was sie umgetrieben hatte.

An über Bord gehängten Seilen enterten jene auf, die ein Bad genommen hatten, ein Zwangsbad mit heilender Wirkung. Allmählich füllte sich die Kuhl, während ein Teil der Arwenacks schon wieder damit beschäftigt war, die Vorpiek restlos auszuräumen. Alles flog außenbords – Matratzen, Taurollen und Segeltuchballen.

Nach menschlichem Ermessen war der Schwelbrand beseitigt. Letzte Schwaden von Rauch und Qualm zogen ab, und Hasard sowie Ferris Tucker kontrollierten noch einmal die Vorpiek. Sie gähnte leer und hatte ein gründliches Reinschiff nötig, denn rußige Schlieren, vermengt mit Seewasser, bedeckten Planken und Seitenwände.

Ferris Tuckers scharfer Blick blieb auf einer Stelle der Bodenplanken in der Nähe des Schotts haften.

„Nanu“, murmelte er, trat näher und leuchtete mit einer Lampe die Stelle aus.

Auch Hasard hatte sich umgewandt und betrachtete die Stelle: sie war schwarz verkohlt, Glut hatte eine tiefe Mulde in das Holz gefressen.

Ferris schaute zu Hasard.

„Kannst du dich erinnern, was hier gelagert war?“ fragte er.

Hasard nickte. „Ein Stapel dieser verdammten Seegrasmatratzen.“

„Hm.“ Ferris Tucker schüttelte den Kopf. „Schon merkwürdig.“ Er ließ sich aber nicht weiter aus, sondern begann, systematisch den gesamten Piekboden nach weiteren Stellen wie der in der Nähe des Schotts abzusuchen. Fündig wurde er nicht. Da und dort waren die Planken angesengt, aber ausgebrannte Mulden entdeckte er nicht. Es gab nur die eine.

„Na?“ erkundigte sich Hasard.

Ferris Tucker deutete auf die Mulde und sagte: „Dort hat es angefangen. Dort hat etwas gebrannt oder geglüht und die Matratzen angesengt. Wenn ich davon ausgehe, daß das Schott gut schließt – und das tut es –, dann konnte sich tatsächlich nur ein Schwelbrand entwickeln, dem die Luftzufuhr zum auflodernden Brand fehlte, ganz abgesehen davon, daß das schwelende Zeug die vorhandene Luft aufbrauchte. Diese Kerle wären noch tagelang mit ihrem qualmenden Vorschiff durch die Gegend gesegelt.“

„Zufall, oder hat jemand vorsätzlich ein kleines Feuerchen gelegt?“ fragte Hasard.

„Wenn ich das wüßte!“ Ferris zuckte mit den Schultern. „Wenn das ein Zufall war, was sollte das für einer gewesen sein? Eine Selbstentzündung hier in der Vorpiek ist für mich nicht vorstellbar. Eine Vorpiek ist kein Trockenraum, eine gewisse Feuchtigkeit herrscht immer vor. Laß uns den Zufall mal ausklammern, an den glaube ich nicht. Die Frage kann nur lauten: War hier jemand vor anderthalb oder zwei Tagen in der Piek? Und hat er dann vorsätzlich für den. Schwelbrand gesorgt, oder ist ihm ein Versehen passiert, das er nicht bemerkt hat? Wenn du mich fragst: Ich würde meinen schwimmenden Untersatz nicht vorsätzlich anzünden – das entspräche jener sprichwörtlichen Dummheit, sich selbst den Ast abzusägen, auf dem man sitzt.“

Hasard wiederholte sein Argument, das er auch bereits Jean Ribault gegenüber gebraucht hatte: „Letzteres träfe nur zu, wenn du mit deinem Schiff allein auf See bist, aber wir segeln im Konvoi. Es kann also jederzeit geholfen werden – was wir ja auch getan haben. Aber mir stinkt diese Sache ganz gewaltig, und ich werde den Verdacht nicht los, daß Pigatto seine Finger im Spiel hat.“

„Könnte durchaus sein“, meinte der riesige Schiffszimmermann, „aber beweis ihm das mal.“

„Genau das kann ich leider nicht“, sagte Hasard grimmig.

Sie verschlossen das Schott und stiegen an Oberdeck. Es war inzwischen Mittag geworden. Die Dons standen an Deck herum wie bestellt und nicht abgeholt. Seit die Arwenacks auf die „Respeto“ übergesetzt waren, hatten die Kerle gewissermaßen die Hände in den Schoß gelegt – abgesehen von ihrer blindwütigen Keilerei um die Jolle.

Die knubbelige Nase des Kapitäns hatte inzwischen die Form eines Rüssels angenommen, eine Folge der Reibungshitze, welche die Haut vom Nasenrücken geraspelt hatte.

Hasard musterte ihn kühl und sagte: „Was Sie und Ihre Leute in anderthalb Tagen nicht geschafft haben, das haben meine Männer und ich in etwa drei Stunden erledigt: Ihre Vorpiek ist ausgemistet, es gibt keinen Schwelbrand mehr. In meinem Bericht an die Admiralität werde ich exakt alles schildern, was mit diesem Schwelbrand zusammenhängt – einschließlich Ihrer Weigerung, die in der Vorpiek lagernden und glimmenden Materialien außenbords werfen zu lassen und mir in jeder Weise Widerstand entgegenzusetzen. Ich werde ferner in meinem Bericht den Verdacht äußern, daß der Schwelbrand mutwillig gelegt wurde – vermutlich in der Absicht, den Konvoi verlassen zu können und im trüben zu fischen, das heißt, zu verschwinden und sich die für den König bestimmte Ladung selbst anzueignen.“ Hasard erdolchte den Capitán mit seinem Blick. „Haben Sie dazu etwas zu sagen, Capitán Pigatto?“

„Das – das ist eine infame Unterstellung!“ quetschte der Capitán heraus. Es klang empört. War die Empörung echt?

„Die Tatsachen sprechen gegen Sie“, sagte Hasard eisig.

„Was für Tatsachen?“

„Ihre Verhaltensweise zum Beispiel. Sie wissen genau, daß sich in Ihrer Vorpiek ein Schwelbrand befindet, aber Sie denken nicht daran, ihn zu beseitigen. Seit anderthalb Tagen bildet Ihr qualmendes Schiff einen Lockvogel für Schnapphähne aller Art, die ich Ihnen bereits aufzählte. Arbeiten Sie vielleicht Hand in Hand mit englischem Piratengesindel …?“

„Niemals!“ brauste der Capitán auf, klopfte sich auf die Brust und schrie: „Ich bin ein Patriot, Señor Capitán! Und ein getreuer Mann der Krone! Sie beleidigen mich, und ich müßte sie fordern!“

„Müßte!“ Hasard winkte ab. „Sie tun’s nur nicht. Aber ich rate Ihnen auch ab. Vermutlich habe ich mehr Kampferfahrung als Sie – umsonst hat mir die Admiralität nicht den Auftrag erteilt, diesen Konvoi zu übernehmen und zum Zielhafen zu bringen. Auch ich bin ein getreuer Mann der Krone, und dort weiß man sehr genau, wem man diesen Konvoi anvertrauen konnte. Aber lassen wir das. Sprechen wir über die Tatsachen. Ich verlange zu wissen, wer zuletzt in Ihrer Vorpiek gewesen ist, bevor der Schwelbrand ausbrach. Sind Sie in der Lage, das festzustellen?“

Hasard beobachtete den Capitán sehr scharf, aber der zuckte nicht zusammen, sondern schaute völlig verdutzt drein.

„Wer dort gewesen ist?“ wiederholte er konsterniert. „Aber dort hat niemand etwas zu suchen, es sei denn, ich befehle, einen Materialersatz aus der Vorpiek zu holen. Einen solchen Befehl habe ich aber nicht gegeben, dazu bestand auch keine Veranlassung. Ich verstehe Ihre Frage nicht, Señor Capitán.“

„Mann! Jemand ist in Ihrer Vorpiek gewesen und hat den Schwelbrand verursacht – ob mutwillig oder versehentlich, das sei dahingestellt. Oder wollen Sie mir erzählen, dieser Schwelbrand in Ihrer feuchten Vorpiek sei ein reiner Zufall?“

Der Capitán war verwirrt.

„Ich verstehe das ja auch alles nicht“, murmelte er geradezu hilflos.

In diesem Moment revidierte Hasard seinen Verdacht, der Capitán habe „seine Finger im Spiel“. Nein, die Verwirrung Pigattos war echt. Er schied als möglicher „Brandstifter“ aus.

Hasards Blick wanderte über die herumstehenden Kerle, und er seufzte im stillen. So verbeult deren Visagen waren, so stur und teilnahmslos sahen sie auch aus. Fast mußte er sich fragen, ob diese Holzköpfe überhaupt begriffen, über was hier gesprochen wurde. Es war zum Verzweifeln.

Trotzdem fragte er scharf: „Betrat jemand von euch die Vorpiek, bevor der Schwelbrand ausbrach? Ich will eine Antwort, und ich versichere, daß dieser Betreffende straflos bleibt. Es geht lediglich darum, die Ursache des Schwelbrandes aufzuklären. Euer Schiff ist keineswegs zum Untergang verurteilt. Die Ratten verschwanden von Bord, weil sie von dem Qualm vertrieben wurden. Also – wer war in der Vorpiek?“

Die Kerle wurden unruhig, blickten sich gegenseitig an, schüttelten die Köpfe, zuckten mit den Schultern. Keiner meldete sich.

Der Decksmann Jorge Zapata stand in der Deckung eines breitschultrigen Kerls und wußte sehr genau, daß er in der Nacht vor zwei Tagen in der Vorpiek gewesen war und dort geraucht hatte – er lechzte jetzt schon wieder, den nächsten Zug aus der Tonpfeife zu tun.

Aber wenn er sich meldete, würde ihm dieser Teufel von der Marine die Tonpfeife und den Tabak wegnehmen. Und dann war es aus mit dem blauen Dunst, der so herrlich schmeckte und so beschwingt werden ließ.

Dieser Jorge Zapata war ein einfältiger Bursche, ein Seemann, der Befehle empfing und sie ausführte, ohne weiter über ihren Sinn nachzudenken – bis auf das Rauchen, das der Capitán verboten hatte. Aber der Capitán wußte eben nicht, was Rauchen für eine gute Sache war, sonst würde er’s nämlich erlauben.

Der einfältige Jorge Zapata war weit davon entfernt, einzusehen, daß er den Schwelbrand mit der Restglut seiner ausgeklopften Tonpfeife gelegt hatte. Nein, soweit dachte er nicht. Er dachte nur daran, daß es mit dem Rauchen vorbei sein würde, wenn er sich jetzt meldete.

Also schwieg er, schüttelte auch den Kopf und bemerkte erleichtert, daß der eisblaue Blick des Teufels ihn nicht erfaßt hatte – eben weil er im zweiten Glied stand und Pablo, der breitschultrige Rudergänger, ihn verdeckte.

Hasards eisiger Blick heftete sich wieder auf den Capitán. Der wurde regelrecht wild und brüllte seine Kerle an: „Wer war in der Vorpiek? Heraus mit der Sprache!“

„Ich!“ ertönte eine Stimme.

Alle Köpfe fuhren herum. Aus dem Besanmars enterte der Erste Offizier ab, sehr eifrig und beflissen. Er stürzte an die Querbalustrade, stützte sich dort auf und verkündete: „Das war, als ich den Rauch über dem Vorschiff bemerkte! Während meiner Wache. Da stieg ich hinunter, öffnete das Schott zur Vorpiek und knallte es wieder zu, als mir der Rauch entgegenquoll. Und ich schrie: Feuer im Schiff!“

Einzig Sir John, nunmehr auf der Besangaffel, fand die richtige Antwort. Sie war knapp und präzise und lautete: „Generalaffenarsch!“

„Wie bitte?“ fragte der Capitán und war noch mehr durcheinander, denn das alles war überhaupt nicht mehr zu fassen. „Was hat dieser Vogel gesagt?“

„Ach nichts“, erwiderte Hasard, „er nannte Ihren Ersten Offizier einen Generalaffenarsch, und dem kann ich nur aus vollem Herzen zustimmen, denn zur Aufklärung des Schwelbrandes hat Ihr Erster nichts beigetragen. In der Vorpiek brannte es bereits, als er das Schott öffnete. Scheint keine große Leuchte zu sein, Ihr Erster.“

Der Capitán wisperte: „Da haben Sie recht, Señor Capitán.“

„Ich meldete“, schrie der dürre Erste, „den Schwelbrand sofort dem Capitán und sagte ihm, es sei unüblich, daß ein Feuer in der Vorpiek begänne. Zumeist entsteht es in den Mannschaftsräumen infolge unvorsichtigen Hantierens mit den Öllampen!“

„Amen“, sagte Hasard zu dem Dürren. „Sie schrien also ‚Feuer im Schiff!‘ Haben Sie das Feuer auch gesehen?“

„Wie? Gesehen? Nein, es qualmte ja, da konnte ich nichts sehen. Mir tränten auch sofort die Augen.“

„Sie sahen auch keine Glut? Ganz vorn unter den Seegrasmatratzen?“

Der Dürre stutzte und erwiderte: „Doch, ja, da bemerkte ich ein Glühen.“

„Sonst nichts?“

„Was meinen Sie damit, Señor Capitán?“

„Nun, vielleicht sahen Sie zum Beispiel noch den Rest einer Kerze“, entgegnete Hasard.

Der Dürre Erste schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, so etwas habe ich nicht gesehen.“

Hasard wandte sich an den Capitán und sagte: „Mein Schiffszimmermann entdeckte eine Brandstelle auf den Bodenplanken, und zwar eine tief eingebrannte Mulde, die darauf deutet, daß dort der Schwelbrand entstand. Darüber lagerten die Matratzen, die natürlich zu glimmen begannen. Mein Schiffszimmermann und ich sind davon überzeugt, daß der Schwelbrand nicht zufällig, sondern durch menschliches Zutun hervorgerufen wurde. Eine Selbstentzündung hat nicht stattgefunden. Aus diesem Grund wollte ich wissen, ob jemand in der Vorpiek war, bevor der Schwelbrand bemerkt wurde. Niemand hat sich gemeldet – vermutlich aus Angst vor Bestrafung, obwohl ich Straffreiheit zugesichert habe. Oder der Unbekannte hat tatsächlich etwas zu verbergen.“

Der Capitán knirschte mit den Zähnen. „Ich kann mir das nicht vorstellen, Señor Capitán.“

„Darüber sollten Sie nachdenken, Señor Pigatto“, sagte Hasard. „Vielleicht befindet sich unter Ihren Leuten einer, der ein persönliches Interesse daran hat, daß Ihre Schatzladung nicht dem König zugeführt wird, sondern in andere Hände fällt. Ich erinnere an die Signalwirkung Ihres qualmenden Schiffes. Können Sie sich für die Integrität jedes einzelnen Ihrer Männer verbürgen?“

Pigatto biß sich auf die Lippen. „Sie meinen, einer aus meiner Mannschaft könnte den Schwelbrand absichtlich gelegt haben?“

„Das meinte ich.“ Hasard grinste hart. „Wenn Sie es nicht waren, muß es einer Ihrer Leute gewesen sein, jedenfalls nach meiner Logik. Das heißt, Sie haben einen Mann an Bord, der bisher zweimal versucht hat – Sie hatten auf dieser Fahrt ja bereits schon einmal einen Schwelbrand –, Feuer zu legen, aus welchen Gründen auch immer. Nur hege ich allerdings den Verdacht, daß dieser Mann eigennützige Ziele damit verfolgt. Welche das sein können, deutete ich ja bereits an. Sie werden also damit rechnen müssen, daß der Mann auch einen dritten Versuch unternehmen wird. Das ist die Situation, wie ich sie sehe. Sie sind der Kapitän der ‚Respeto‘. Ich muß Sie bitten, alles zu tun, um den Mann zu entlarven und einen dritten Brand zu verhindern. Sonst sehe ich allerdings für Ihr Schiff schwarz, Señor Capitán.“

Pigatto wirkte wieder hilflos – und auch irgendwie entsetzt, was Hasard verstehen konnte. Einen Mann in der Crew zu haben, der im gewissen Sinne Sabotage übte, was möglicherweise die Vernichtung des Schiffes nach sich zog, das war für einen Kapitän kein sehr erfreulicher Gedanke.

Vielleicht war der Kerl ein Pyromane, also einer, der es furchtbar lustig fand, wenn es ordentlich knisterte und brannte, ein Verrückter mithin!

„Was soll ich denn tun?“ fragte der Capitán leise.

„Überprüfen Sie jeden einzelnen Mann“, empfahl Hasard. „Nehmen Sie sich Ihre Leute vor, hämmern Sie ihnen ein, daß jeder auf jeden aufpassen muß. Von jetzt an wird auf Ihrem Schiff das Mißtrauen mitsegeln – kein seht angenehmer Begleiter, ich weiß, aber Sie werden erst wieder frei atmen können, wenn der Mann gestellt ist. Das wär’s wohl. Lassen Sie bitte alle Segel setzen, wir müssen den Konvoi wieder einholen. Ich wünsche Ihnen viel Glück, Señor Capitán.“

„Danke für die Hilfe“, murmelte Pigatto verlegen.

Hasard klopfte ihm nur auf die Schulter und setzte mit seinen Mannen auf die Schebecke über.

5.

Kaum befanden sich die „Respeto“ und die Schebecke auf Nordkurs, um den Konvoi nachzusegeln, dessen Mastspitzen an der nördlichen Kimm noch zu sehen waren, da trat das ein, was Philip Hasard Killigrew befürchtet hatte.

Von Osten näherte sich ein Dreimaster, den Dan O’Flynn als spanische Kriegsgaleone identifizierte.

Es passierte selten, aber Hasard fluchte wie ein Grobschmied, und zwar sehr gekonnt. Carberry lauschte andächtig und fand seinen Kapitän schwer in Form. Und die Arwenacks grinsten verstohlen, obwohl sie allen Grund hatten, etwas die Ohren anzulegen. Na ja, eine spanische Kriegskaravelle, mit der sollten sie doch wohl fertig werden, aber gemischt wurde es, wenn da noch andere Dons herumtörnten, was gar nicht mal ausgeschlossen war.

Man erwartete spanischerseits den Konvoi, und es konnte durchaus sein, daß jemand der hohen Señores bei der Admiralität befunden hatte, die Viermast-Kriegsgaleone „Casco de la Cruz“ genüge nicht, den Konvoi abzusichern. Nein, da müsse alles aufgeboten werden, was Kanonen trage, um die kostbare Ladung unbeschadet nach Sevilla zu geleiten.

Der Seewolf schloß noch einmal zur „Respeto“ heran, befahl dem Capitán, zügig weiter dem Konvoi nachzusegeln, und ließ den Bug der Schebecke auf die Kriegskaravelle richten. Klar, daß sie an der Besangaffelrute die spanische Flagge gesetzt hatten, um nicht von vornherein mit Mißtrauen beäugt zu werden.

Im übrigen waren für Hasard neugierige Dons das letzte, was er zu treffen wünschte, ganz abgesehen von den dummen Fragen, die man stellen würde. Im übrigen war wohl klar, was die Dons angelockt hatte: die verdammte Qualmwolke der „Respeto“. Sie hatte lange genug an der Kimm gestanden, um eingepeilt zu werden. Der Kurs der Kriegskaravelle wies eindeutig auf die frühere Position dieser Sichtmarke.

„Klarschiff zum Gefecht, Sir?“ fragte Ben Brighton sachlich.

„Nein!“ fuhr ihn Hasard an. „Sollen wir uns noch in Sichtweite von der ‚Respeto‘ mit den Dons herumschießen, Mister Brighton?“

„War nur ’ne Frage, Sir“, erwiderte der Erste unbeeindruckt. „Außerdem bin ich nicht schwerhörig und ärgere mich genauso wie du über die bevorstehende Begegnung.“

„Entschuldige“, brummte Hasard. „Diese Karavelle paßt mir wie der Igel zum Abputzen des Hinterns.“

„Etwa so“, brummelte Ben Brighton und Verbiß sich das Grinsen, um seinen geladenen Kapitän nicht noch mehr zu reizen. „Du hast das sehr fein ausgedrückt.“

Da mußte Hasard selber lachen.

„Karavelle hat je acht Stücke auf beiden Seiten“, meldete Dan O’Flynn. „Außerdem jede Menge Drehbassen.“

„Danke, Dan“, sagte Hasard. „Bitte aufpassen, ob außerdem noch mehr von diesen Vögeln hier in der Gegend herumschwirren.“

„Ach ja?“ sagte Dan grinsend. „Was sonst tue ich wohl, wenn ich die ganze Kimm mit dem Spektiv absuche? Ich passe auf, richtig, und das nicht zum ersten Male, Señor Capitán. Aber bis jetzt ist nichts weiter in Sicht.“

„Sehr erfreulich“, murmelte Hasard. „Hoffentlich bleibt’s auch so.“ Er wandte sich zur Kuhl um und rief zum Profos hinunter: „Ed, sorg bitte dafür, daß unser Tierpark unter Deck verschwindet! Wir sind schließlich ein spanisches Kriegsschiff!“

Carberry zeigte klar und griff sich auch gleich seinen Sir John, bevor er von seiner Schulter flüchten konnte. Es war allgemein bekannt, daß die Krachente sehr eigensinnig werden konnte. Außerdem mußte vermieden werden, daß Sir John wieder mit englischen Kraftworten loslegte. Das konnte Mißtrauen hervorrufen.

Batuti brachte Arwenack unter Deck, die Zwillinge kümmerten sich um Plymmie, die Wolfshündin.

Sie waren längst verschwunden, als die beiden Schiffe aufeinander zusegelten.

„‚El León‘ heißt die Kiste“, meldete Dan O’Flynn, „und ihre Galion verziert auch ein solcher, und zwar springend und die Tatzen vorgereckt.“

„El Léon“ – „Der Löwe“.

„Aha“, sagte Hasard, und er hatte zu seiner alten Gelassenheit zurückgefunden. „Wirklich ein schöner Name für ein Schiff – und so sinnig, obwohl’s derlei Getier auf See nicht gibt. Dabei fällt mir ein, daß wir mit unserer Schebecke namenlos über die Ozeane fahren.“

„Schlage ‚El Tigre‘ vor“, sagte Ben Brighton prompt und hatte so ein gewisses Zucken um die Mundwinkel.

„Genehmigt!“ schmetterte Hasard und salutierte vor seinem Ersten.

Der salutierte auch. Die reinste Kasperei war das, aber damit überbrückten sie die Ungewißheit dieser Begegnung. Und die Dons würde beeindrucken, wie sich diese beiden Señores auf dem Achterdeck dieses sehr merkwürdigen Schiffes verhielten und einander Achtung bewiesen. Immer diese Formen, nicht wahr?

Und auf dem Achterdeck der „El León“ hatten sie Señores auch eifrig die Spektive vorm Auge und studierten das Schiff, das zumindest im Atlantik, außerhalb des Mittelmeeres, ein sehr seltenes Objekt war.

So schnarrte denn der Kommandant der „El León“, ein gewisser José de Freitas, unter seinem gesträubten Schnauzbart zu den um ihn versammelten drei Offizieren: „Höchst verdächtig dieses Schiff! Höchst verdächtig! Schiffe dieses Typs pflegen nordafrikanische Piraten zu benutzen – ähem! Höchst verdächtig!“

„Höchst verdächtig“, bestätigte sein Erster Offizier, und der Zweite und der Dritte Offizier schlossen sich diesem „höchst verdächtig“ an, weil sie sowieso keine Meinung, keine eigene, zu haben hatten.

Der Dritte Offizier, ein Jüngling im Teniente-Rang, setzte beflissen noch einen drauf, indem er verkündete: „Allerhöchst verdächtig!“

Da mochte der Zweite Offizier nicht zurückstehen und gestattete sich die Bemerkung: „Aber das höchst verdächtige Schiff führt die spanische Flagge, Señor Comandante.“

José de Freitas winkte unwirsch ab: „Interessiert mich nicht!“ Er war das, was man einen Eisenfresser nennt, ein martialischer Kerl mit einem Stiernacken, dunklen stechenden Augen, einem viereckigen Kinn und eben einem Schnauzbart, der sich zu sträuben pflegte, wenn den Capitán Wallung ergriff – wie jetzt.

Da war die Rauchwolke an der Kimm, gewesen, auf die er sofort nach der Sichtmeldung zugesegelt war – voller Tatendrang, weil in den letzten zwei Wochen, seit sie ausgelaufen waren, nichts passiert war. Die Order für ihn lautete schlicht und einfach, weit vor der spanischen Küste Aufklärung zu fahren und sie nach Westen abzusichern. Bei Feindberührung hatte er sich allerdings sofort abzusetzen, jedes Gefecht zu meiden und in Cadiz Bericht zu erstatten.

Im Nordwesten segelte eine einzelne Galeone nordwärts, und an der nordnordwestlichen Kimm waren gerade noch viele Mastspitzen an der Kimm zu erkennen – offenbar ein Konvoi.

Und dazu nun dieses Piratenschiff der algerischen Küste, das auf sie zusegelte.

Das war nicht nur höchst verdächtig, sondern auch höchst verwirrend! Eine spanische Flagge – ähem! Sah doch wie ein Kriegsschiff aus, dieses Piratenschiff! Kerle ordentlich gekleidet mit Brustpanzer und Helm. Achterdeck besetzt mit Offizieren, erweisen einander Ehrenbezeugung! Straffe Burschen – ähem! Wird gut gesegelt, dieser – äh – Dreimaster, sehr gut sogar! Segel stehen aus-ge-zeichnet – ähem-ähem! Flottes Schiff! Sehr flott sogar …

Capitán de Freitas stierte sich das rechte Auge aus, mit dem er durchs Spektiv beobachtete – bis er mit dem Okular den breitschultrigen Riesen auf dem Achterdeck erfaßte. Und da schluckte er, denn er konnte sich nicht erinnern, jemals ein so verwegenes Gesicht gesehen zu haben. Und so gut geschnitten – ein Mann von Adel! Und er schluckte ein zweites Mal. Nein, nein, das war kein algerischer Pirat, das war ein Grande! Teufel auch, diesen Mann mußte er kennenlernen!

Das rechte Auge triefte ihm, und da setzte er aufatmend das Spektiv ab. Seine drei Offiziere starrten ihn beflissen an. Er wischte sich über das rechte Auge und schnarrte: „Jolle klarmachen zum Aussetzen!“

Die drei Offiziere glotzten. Jolle aussetzen bei einem „höchst verdächtigen Schiff“ nordafrikanischer Piraten? Kein „Klarschiff zum Gefecht?“

Sie verstanden die Welt nicht mehr und zuckten unisono zusammen, als der Kommandant sie anpfiff, gefälligst „den Arsch“ zu bewegen. José de Freitas, adliger Herkunft, war kein Freund wohlgesetzter und artiger Verbindlichkeiten. Er haute am liebsten gleich mit dem Vorschlaghammer drauf.

So einer war das – eben ein Eisenfresser.

Die Kriegsgaleone und die Schebecke glitten einander näher – die „El León“ halbwinds über Steuerbordbug, die Schebecke mit gleicher Segelstellung über Backbordbug auf Passierkurs. Aber der Dreimaster der Seewölfe lag luvwärts bei dem Wind aus dem südlichen Sektor.

De Freitas registrierte das zu spät und fluchte insgeheim. Das hätte ihm nicht passieren dürfen – ob Freund oder Feind –, daß er sich bei einer Begegnung in Lee befand. In einem Gefecht konnte das tödlich sein.

Doch auf der Schebecke wurden die Segel gefiert, um die Fahrt zu vermindern, ein Zeichen, daß ihr Capitán zum Gespräch von Schiff zu Schiff bereit war.

„Alle Schoten Lose geben!“ knarrte Capitán de Freitas, um seinerseits seine Gesprächsbereitschaft kundzutun.

Das geschah.

De Freitas baute sich auf dem Achterdeck am Backbordschanzkleid auf und hob die Hände an den Mund, als er das andere Achterdeck querab hatte.

„Kommandant an Kommandant!“ rief er. „Ist es gestattet, bei Ihnen an Bord zu kommen?“

Der Riese auf dem Achterdeck hob die rechte Hand und rief zurück: „Bitte sehr, Señor Capitán! Aber wir haben nicht viel Zeit. Ich fahre Geleitschutz für einen Konvoi Seiner Majestät. Ich bitte, das zu berücksichtigen!“

„Werde mich beeilen!“ rief de Freitas, fuhr herum und ranzte seine drei Offiziere an, warum die Jolle noch nicht ausgesetzt sei.

Die überschlugen sich, polterten gemeinsam auf die Kuhl hinunter und wetterten dreistimmig, um ihre Aktivität zu demonstrieren. Es ging nach der alten Hackordnung, einer befahl dem anderen, und den letzten bissen die Hunde, will sagen, er empfing einen Tritt in den Allerwertesten. Dieser letzte hatte keinen, den er treten konnte. Also mußte er die Zähne zusammenbeißen und kuschen. Aber denken konnte er, ganz still für sich ohne es laut hinauszuposaunen. Und da waren so manche, die dachten: Leck mich doch sonstwo!

Philip Hasard Killigrew beobachtete und zog seine Schlüsse.

Auch er hatte den anderen Capitán durchs Spektiv in Augenschein genommen – und vielleicht hätte er sich gefreut, wäre ihm bekannt gewesen, was dieser Schnauzbart konstatiert hatte, als der ihn im Okular gehabt hatte.

Jedenfalls fand er wiederum, daß ihm der andere Capitán überhaupt nicht gefiel. Das war einer von den Knarschen, die immer meinten, die Axt sei besser als das feingeschliffene Messer. Und die Offiziere um ihn herum dienerten nur und zeigten devote Beflissenheit. Aber den Dienstgraden darunter gaben sie es – nach dem alten Motto: Nach oben buckeln, nach unten treten!

Amen! fügte Hasard im stillen diesem Gedankengang hinzu.

Ben Brighton hatte inzwischen die Schebecke in den Wind drehen und an Backbord eine Jakobsleiter ausbringen lassen – ohne Gebrüll und Hackordnung. Winke und leise Zurufe hatten da genügt. Bei den Arwenacks lief das wie geschmiert.

Hasard nickte zufrieden und enterte zur Kuhl ab, um den anderen Capitán zu empfangen. Sein Profos sah unglücklich aus, aber das hing damit zusammen, daß er eine Hurratüte auf dem Schädel hatte, die für einen kleineren Kopf gedacht war. In seiner Größe hatte man noch nichts Passendes gefunden. Carberrys Kopfgröße war bei den Dons nicht vorgesehen, es sei denn für Stierköpfe, aber die trugen bekanntlich keine Helme.

Darum sah der Profos auch reichlich komisch aus, und weil er selbst wußte, daß er wie ein Affenarsch aussah, schnitt er ein Gesicht, als wandele er zur Zeit durchs Tal des Jammers und der Trübsal. Man konnte selbst das Heulen kriegen, wenn man in dieses Gesicht blickte.