Kitabı oku: «Seewölfe Paket 7», sayfa 12

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6.

Unterdessen hatte der Trupp mit Carberry, Dan, Stenmark und Al Conroy fast zwei Meilen in südlicher Richtung zurückgelegt.

Die Sorge mit dem Wasser waren sie los, denn der Regenschauer hatte sie bis auf die Haut durchnäßt und bei den Männern Freudenstürme ausgelöst.

Al Conroy, der Waffen- und Stückmeister, hatte ein Tier erlegt, das einem Wasserschwein verblüffend ähnlich sah und das beachtliche Gewicht von annähernd etwas mehr als zwei Zentnern aufwies.

„Dann ist es etwas leichter als der Profos“, hatte Dan lachend gesagt und dafür von Carberry einen vernichtenden Blick geerntet.

Sie hatten es aufgebrochen und an einen Baum gehängt, um es auf dem Rückweg mitzunehmen.

„Wir müssen noch mehr finden“, sagte Conroy, „zwei Zentner Fleisch vertilgt der Profos zum Frühstück, und die anderen wollen ja auch etwas essen.“

Aber sie fanden keins der Tiere mehr.

Dafür entdeckten sie etwas anderes, und das drehte ihnen fast den Magen um.

Mit den Schiffshauern bahnten sie sich einen Weg durch den dumpfen heißen Dschungel, umschwirrt von Myriaden kleiner Stechmücken, die sich selbstmörderisch auf die Männer stürzten und ihr Blut saugten. Winzige Käfer fielen sie an, bohrten sich blitzschnell und schmerzhaft in die Haut und legten ihre Eier ab, damit für den fleischfressenden Nachwuchs gesorgt war.

Dan O’Flynn erreichte eine Lichtung, einen freien Platz, und von hier aus hatten sie einen Ausblick auf eine weitere Bucht.

Da blieb der junge O’Flynn wie gelähmt stehen.

Die Lichtung war künstlich angelegt worden. Unbekannte hatten Büsche, Mangroven und kleine Sträucher gerodet. Auf der Lichtung standen nur ein paar abgestorbene dünne Pfähle.

Das war es aber nicht, was Dan zusammenzucken ließ. Er blickte auf einen Schädel, der an einem der Pfähle hing, und dieser Schädel sah verdammt danach aus, als hätte er kurz zuvor noch einen spanischen Körper geziert.

Es war eine Tsanta, ein Schrumpfkopf, wie ihn auch die kleinen Buschmänner in der versunkenen Stadt in der Nähe des Amazonas angefertigt hatten. Man hatte der Tsanta die Lippen zugenäht, den Schädel mit heißem Sand gefüllt und ließ ihn nun trocknen.

Dan kannte die Prozedur. Kühlte der Sand ab, dann wurde neuer heißer Sand hineingefüllt, bis der Schädel nach Wochen restlos austrocknete, auf Faustgröße zusammenschrumpfte und so für alle Ewigkeit erhalten blieb.

Carberry, Stenmark und Conroy blieben stehen, als seien sie gegen eine unsichtbare Mauer geprallt.

„Verdammt“, sagte der Profos leise und blickte sich nach allen Seiten um. „Da sind wir ja mal wieder in die allerbeste Gesellschaft geraten, und der Teufel soll mich holen, wenn das keine Spanier sind.“

Vierzehn Pfähle standen auf der Lichtung und jeder dieser Pfähle trug eine Tsanta. Die Haare behielten die ursprüngliche Länge bei, nur der Schädel selbst schrumpfte, und die Gesichtszüge blieben ebenso erhalten.

Stumm und reglos standen sie da, der Magen krempelte sich ihnen um, keiner brachte einen Ton hervor.

Das war fast eine ganze Schiffsmannschaft, die sich hier zu einem schauerlichen Stelldichein versammelt hatte, und deren Köpfe erst ein paar Tage alt waren.

Der Profos kannte das, die Buschmänner hatten ihm damals einen Schrumpfkopf geschenkt, ein Andenken, vor dem ihm heute noch graute, wenn er nur daran dachte.

Also gab es auf dieser Insel Wilde, Kopfjäger, Menschenfresser vielleicht, die hinterhältig und heimtükkisch töteten.

Überall im Dschungel konnten sie lauern, aus ihren Blasrohren vergiftete Pfeile schießen und sie töten.

Es war Wahnsinn, weiter vorzudringen, denn die Kerle waren hier zu Hause und ihnen trotz der Waffen himmelhoch überlegen. Ganz in. der Nähe mußte ihr Dorf sein, diese Lichtung bewies es, die sie fast stündlich aufsuchten, um die Tsantas zu „pflegen“.

Carberrys rechte Hand umkrampfte die Waffe. Schweigend bedeutete er den anderen, es ihm gleichzutun. Dann deutete er mit ausgestreckter Hand zurück.

Es war nicht einmal der Anflug von Feigheit, der sie veranlaßte sich zurückzuziehen. Es war ein dringendes Gebot der Stunde, basierend auf dem Selbsterhaltungstrieb, einem vernünftigen Gesetz folgend, sich nicht einfach einem unbekannten Gegner auszuliefern, der an nichts anderes dachte als an Töten und den Männern die Köpfe abzuschlagen, um sie an Pfählen aufzuspießen.

Hier befanden sie sich in der Höhle des Löwen, und die mußten sie so schnell wie möglich verlassen, denn sie kannten nicht die kolossale Übermacht der Kopfjäger.

Das Grauen hielt sie noch gefangen, als sie schon fast eine Meile zurückgelegt hatten. Immer noch sahen sie die Köpfe vor sich, die verzerrten Gesichter, als Masken, die unter Qualen gestorben waren, nachdem man sie hinterrücks überfallen hatte.

Das riß und zerrte an den Nerven, auch wenn sie es schon einmal gesehen hatten. Es lag kein Sinn in diesem Töten, und daher widersetzte sich in ihrem Innern alles dagegen.

Es war sinnloser Mord, wie Carberry wutschnaubend sagte.

„Und wenn es hundert Mal verdammte Dons sind und sie die Pest über ganze Länder bringen“, sagte er erbittert, „dann sind sie immer noch Menschen. Es gibt nämlich solche und solche, und ich kann verdammt noch mal nicht einsehen, daß man Menschen wie Vieh einfach abschlachtet und ihre Schädel ausstopft oder trocknet. Wilde oder nicht, da hört der Spaß auf!“

Selten hatte der Profos so voller Grimm gesprochen, und seine Miene drückte aus, daß er den Kopfjägern am liebsten zu Leibe gerückt wäre, um dort mal kräftig aufzuräumen, und die Burschen auf den Weg der Erleuchtung zu bringen.

Spät am Nachmittag kehrten sie zurück, beladen mit dem großen Tier, das Carberry ganz allein durch den Dschungel schleppte.

Wasser hatten sie übrigens nicht gefunden, bis auf einen kleinen Tümpel voll einer stinkenden Brühe, über dem wie ein dichtes Netz riesige Schwärme von stechenden Plagegeistern hingen.

Die „Isabella“ schwamm wieder, als sie sie erreichten.

Als der Profos dem Seewolf Bericht erstattete, wurde Hasards Gesicht starr wie eine Maske.

„Kopfjäger?“ fragte er fassungslos.

„Ja“, sagte der Profos schwer, „wir haben vierzehn Köpfe gefunden, die zweifellos von Spaniern stammen. Ich schätze, daß sie höchstens zwei Tage alt sind.“

Auf der „Isabella“ verbreitete sich diese Schreckensnachricht wie ein Lauffeuer. Die Seewölfe sahen sich fassungslos an.

Kopfjäger, die hatten sie am Amazonas kennengelernt, und obwohl es sich um nette kleine Buschmänner gehandelt hatte, die überaus freundlich gewesen waren, blieb ein leises Grauen zurück.

Die Männer des Amazonas hatten nicht aus Mordlust getötet. Ihre Opfer waren Todfeinde, die sie bis aufs Blut gepeinigt hatten.

Hier jedoch lag der Fall anders, wie es den Anschein hatte.

„Es gibt, verdammt noch mal, keine ruhigen Flecken mehr auf dieser beschissenen Welt“, sagte Old O’Flynn. „Hier hat es ausgesehen wie im Paradies, und was entdecken wir? Miese, gallige Burschen, die nichts anderes tun, als harmlosen Freibeutern die Köpfe abzuhacken. Man sollte diese Brut mit Stumpf und Stiel ausrotten.“

Die Gemüter erhitzten sich, es wurde debattiert, und Luke Morgan der Hitzkopf, verlangte allen Ernstes, daß man schnellstens auslaufen und es diesen Kerlen einmal ganz hart zeigen sollte.

Bei dem Seewolf stieß er damit allerdings auf taube Ohren.

„Wir kennen ihre Motive nicht“, sagte Hasard, „und können uns demnach auch kein Urteil erlauben. Der Teufel mag wissen, was die Dons wieder angestellt haben, wenn man ihnen einen derartigen Empfang bereitete. Wohin sie auch immer segelten, meist ließen sie Blut und Tränen zurück, und solange die Kopfjäger uns nicht behelligen, werde ich den Teufel tun, sie anzugreifen. Wir sind Korsaren der Weltmeere, wir kämpfen gegen die Spanier, jagen ihnen die Beute ab und haben augenblicklich nichts anderes im Sinn, als unser Schiff instand zu setzen. Solange uns dabei keiner stört, ist alles in Ordnung. Greift man uns aber an, dann werden wir die Hölle entfesseln.“

Er sah sich um, und die gesamte Crew nickte Zustimmung.

„Jawohl, Sir“, sagte Carberry, „wir sind nicht der Arm der Gerechtigkeit, und für die Dons halten wir noch lange nicht unsere Köpfe hin. Zum Teufel mit den Kopfjägern.“

„Ruht euch jetzt aus“, sagte Hasard, den die Nachricht trotz allem etwas schockiert hatte. „Heute nacht gehen sechs Mann Wache, die sich alle vier Glasen ablösen. Die Kanonen bleiben schußbereit, an die Wachen werden Musketen und Pistolen ausgegeben und das Schiff wird beleuchtet, und zwar so, daß man bis zum Land hin die Wasseroberfläche erkennen kann. Der Kutscher wird euch drei Flaschen Rum bringen, ihr alle habt einen Schluck verdient, und danach geht es ab in die Kojen.“

„Batuti schlafen lieber an Deck“, sagte der Neger.

„Batuti schlafen heute nacht ausnahmswiese in Koje“, fuhr Carberry ihn an, „und Batuti werden gefälligst nicht so laut schnarchen, kapiert?“

Hasard blieb noch so lange bei seinen Männern, bis der Kutscher die Rumflaschen brachte. Er kannte sie, sie tranken zwar gern, aber nur widerwillig, wenn er sich an Bord befand und nicht wenigstens den ersten Schluck mit ihnen zusammen trank. Den kleinen Gefallen war er ihnen schuldig, und gegen einen Schluck Rum hatte der Seewolf grundsätzlich nichts einzuwenden.

Also setzte er die Flasche an, nahm einen Zug und reichte sie an Ben weiter.

Da sie an Bord einschließlich des Moses und ausgenommen Arwenack und Sir John, zweiundzwanzig Mann zählten, waren die drei Flaschen ein Klacks. Jeder trank eine Daumenbreite, und da die meisten von ihnen nicht gerade magere Daumen hatten, gab es insgesamt etwa dreißig Breiten, wenn man Carberrys Daumen zugrunde legte, der dann auch verlauten ließ, die drei Flaschen würden mit Mühe und Not dazu ausreichen, um die Luft anzufeuchten.

Al Conroy sammelte die leeren Flaschen ein und bewachte sie eifersüchtig, denn leere Flaschen konnte man mit Schießpulver, gehacktem Blei oder kleinen Steinen füllen und sie vermittels einer hineingesteckten Lunte als teuflische Geschosse verwenden, die schon so manchen Gegner unangenehm überrascht hatten.

Der Seewolf zog sich nach seinem Schluck zurück, und von den Seewölfen verholte einer nach dem anderen. Auch Batuti fügte sich dem Profos und suchte den Schlafraum auf, denn Kojen aus Holz, zweifach übereinander, hatte kaum ein Schiff aufzuweisen. Auch das war Tuckers und Hasards Idee entsprungen, die alle beide nicht einsahen, weshalb sich Mannschaften an Deck legten, um dort zu schlafen, zumal jeder Kapitän eine eigene Kammer besaß.

Ohne jeden Zwischenfall verging die Nacht. Wenn es hier Kopfjäger gab, woran nicht der geringste Zweifel bestand, dann hatten sie jedenfalls an der „Isabella“ kein Interesse. Oder sie wußten noch nicht, daß weißhäutige Fremde in ihr Revier eingedrungen waren.

Alle zwei Stunden wechselten die Wachen. Wachsame Augen suchten die Wasseroberfläche ab. Ein Mann stand ständig an den Culverinen, eine glimmende Lunte zu seinen Füßen, die in einem mit glühender Holzkohle gefüllten Messingbecken lag. Die Bronzerohre der Siebzehn-Pfünder waren mit grob gehacktem Blei geladen, und in den vorderen und achteren schwenkbaren Drehbassen befand sich ebenfalls eine Mischung aus grobem Blei, rostigen Nägeln und Eisen.

Die Streuung hatte einen Radius bis zum Strand auf fast hundert Yards. Damit konnte man eine ganze angreifende Horde wie mit einer riesigen Sense niedermähen.

Doch kein Kopfjäger ließ sich blikken.

7.

Als sich am anderen Morgen immer noch nichts rührte, wurden die Arbeiten fortgesetzt.

Diesmal arbeiteten fast alle mit. Da wurde gekratzt, gestoßen, gehämmert, abgebrannt – was immer Ferris Tucker persönlich übernahm –, kalfatert und gestrichen.

Das kleine Fäßchen Schießpulver ging zur Neige. Tucker mußte ein neues holen, um den Holzbohrwurm zu vernichten.

Mitunter hatte es den Anschein, als würde die „Isabella“ lichterloh in Flammen stehen. Dann züngelten riesige, blutrote Flammen an dem Schiffskörper hoch, dann wurde Pech so flüssig wie Wasser, und dann rannten Seewölfe mit Pützen voller Seewasser umher, um den vermeintlichen Brand zu löschen.

Doch immer wieder sahen sie Ferris Tuckers heimliches Grinsen. Der Schiffszimmermann kannte genau die Menge, die er verwenden durfte, die Menge, die das Pech flüssig werden ließ und den Holzbohrwurm vernichtete, so daß er sich zusammenzog, in den Gang, den er gebohrt hatte, blitzartig verschwand und dort verendete.

Ganz selten sahen sie einmal eins der winzigen Tierchen.

Es hatte einen Kopf der in verblüffender Weise einem von Tuckers Holzbohrern ähnelte, die in der großen Holzkiste lagen, die meist unter der Nagelbank auf Steuerbord lag.

Ferris hatte einige von ihnen herausgebohrt, kleine Dinger, bei denen man zweimal hinsehen mußte, ehe man sie einmal sah. Er ließ sie auf der Kuppe seines hornigen Zeigefingers laufen und zeigte sie herum.

„Verrenkt euch nicht die Klüsen“, sagte er, „der Bursche ist so klein, daß man ihn kaum sieht, aber er ist ein emsiger Arbeiter, an dem ihr euch ein Beispiel nehmen könnt. Er bohrt und bohrt, und alles, was er braucht, ist nur Holz und Salzwasser. Dann beginnt er seine verdammt gründliche Arbeit.“

„Genau wie du“, sagte Tuckers bester Freund Carberry. „Ich überlege gerade, ob wir dich nicht umtaufen sollen. Ferris, der Holzbohrer, klingt doch nicht schlecht, was, wie?“

„Untersteh dich“, sagte Tucker grollend, „sonst bist du die letzte Zeit mein Freund gewesen.“

Mittags gab es große Stücke von dem Fleisch, das sie gestern erwischt hatten, und damit war auch schon fast die Hälfte wieder weg.

„Hoffentlich sind wir bald fertig“, sagte der Kutscher mißmutig. „Was wir gestern gefunden haben, reicht vorn und hinten nicht. Und weitersuchen können wir auch nicht mehr, wenn wir nicht heimlich ein paar vergiftete Pfeile ins Kreuz kriegen wollen. Keine Beeren, keine Kräuter, nur ein paar lausige Nüsse und zwei Schildkröten.“

„Wenn du nicht soviel meckern, sondern statt dessen kräftig mithelfen würdest, werden wir viel schneller fertig“, sagte der Profos.

Der Kutscher zog sich zurück, aber als er seine Kombüse aufgeklart hatte, war er dabei und hieb wie ein Wilder auf die Muscheln und den Tang ein.

Der größte Teil der Unterseite war abgekratzt, mit Pech verklebt und abgebrannt worden. Im Rumpf gab es eine ganze Menge dieser winzigen Löcher. Tucker hatte also mit seiner Behauptung recht gehabt, nur war es nicht so schlimm, wie er es darstellte.

Hasard hatte ständig einen Mann im Ausguck, dessen Blick bis weit aufs Meer reichte, und der auch einen Teil des Urwalds überblicken konnte.

Diesmal war es der Schwede Stenmark. Er war noch keine halbe Stunde oben, als er an Deck rief: „Deck! Ein Spanier! Zweimaster! Er segelt ziemlich dicht an der Küste entlang. Himmel, wie der Don segelt, da scheinen nur Verrückte an Bord zu sein.“

Während die anderen ihre Arbeit unterbrachen, enterte der Seewolf schweigend in die Wanten, bis er den Ausguck erreichte.

„Der hat uns gerade noch gefehlt“, sagte er leise. „Wenn der uns entdeckt und in die Bucht einläuft, kann er uns eine Menge Kummer bereiten. Wir müssen sofort …“

Er unterbrach sich, denn jetzt fiel ihm selbst auf, wie eigenartig der Don an der Küste segelte.

„Da scheinen tatsächlich Verrückte an Bord zu sein“, sagte er zu dem Schweden. „Ein großes Segel steht, die anderen hängen im Gei. Diese Nachttopfsegler haben wohl noch nie etwas von Brassen und Schoten gehört.“

Er legte die Hände an die Lippen.

„Bill! Bring mir das Spektiv. Beeil dich!“

Der Moses flitzte los, holte das Spektiv aus der achteren Kammer und brachte es nach oben.

„Da wird man ja ganz schwindlig“, sagte er und deutete auf den Mast, der jetzt schief in die Luft ragte, und in dessen Ausguck es sich schlecht stehen ließ.

Hasard gab keine Antwort. Er zog das Spektiv auseinander und blickte hindurch.

Stenmark sah ihn fragend an, doch der Seewolf reichte ihm nur schweigend das Spektiv und wartete, bis der Schwede ebenfalls hindurchsah. Nach einer Weile setzte er es ab.

„Ist dir etwas aufgefallen?“ fragte Hasard.

„Ja, eine Menge sogar, und es wundert mich auch nicht, daß das Segel falsch steht. Ich habe keinen Menschen an Bord gesehen.“

„Ich auch nicht. Noch etwas?“

„Sonst eigentlich nichts weiter“, sagte Stenmark. „Den Namen konnte ich nicht entziffern.“

„Das Schiff liegt viel zu tief im Wasser“, sagte Hasard. „Und das ist sicherlich nicht auf die Ladung zurückzuführen.“

„Es ist am Absaufen?“ fragte Stenmark.

„Ja, es sieht aus, als ob es sich langsam voll Wasser säuft.“

Hasard blickte nach unten, wo auf dem schräggeneigten Deck eine emsige Tätigkeit herrschte.

Brighton ließ die Kanonen ausrichten, uni den vermeintlichen Gegner wenigstens mit einer Breitseite empfangen zu können. Ferris hatte Brandsätze geholt und steckte sie in die Halterungen.

Noch einmal blickte Hasard zu dem falsch segelnden Schiff hin, das der Wind, der jetzt fast auflandig zur Küste blies, immer näher herantrieb.

Nein, es gab keine Menschenseele an Bord, wenigstens zeigte sich keine.

Eine Falle der Spanier? überlegte er. Mit diesem Trick hatten oft schon Piraten, Spanier oder Engländer gearbeitet, und er hatte auch oft geklappt. Man lief den vermeintlich hilflosen oder verlassenen Kahn an, und schon erhoben sich hinter den Schanzkleiden bewaffnete Kerle und enterten.

Wie ein Geisterschiff trieb es dahin, unstet, von unsichtbaren Kräften gelenkt.

Hasard konnte jetzt den Namen entziffern.

„Tierra“, hieß der anscheinend verlassene Segler.

„Die Kopfjäger“, sagte der Seewolf plötzlich.

„An Bord – da drüben?“ fragte Stenmark ungläubig.

„Ich meine die Besatzung. Sie war es vermutlich, die den Kopfjägern in die Hände gefallen ist. Natürlich, es kann gar nicht anders sein. Ed hat doch vierzehn Köpfe gefunden.“

„Vielleicht gibt es doch noch Überlebende an Bord“, sagte Stenmark. „Oder Verletzte, Hilflose. Vielleicht haben die Kerle nicht alle umgebracht.“

„Ja, das ist möglich. Bleibe weiter im Ausguck, Sten.“

„Aye, aye, Sir.“

Hasard enterte ab.

„Ihr könnt die Brandsätze wieder verstauen“, sagte er, „das Schiff, das sich nähert, hat keine Besatzung an Bord und ist falsch besegelt. Außerdem wird es bald untergehen. Räumt das Werkzeug aus dem Beiboot, ich segle hinüber, Ben übernimmt solange das Kommando über das Schiff.“

Die Seewölfe hatten sich im Nu zusammengereimt, was es mit dem Spanier auf sich hatte.

Carberry nickte gedankenvoll.

„Das waren vierzehn Besatzungsmitglieder, die wir gestern fanden“, sagte er gepreßt, „auf Pfähle gespießt. Das Schiff hat sich wahrscheinlich losgerissen, oder die Kopfjäger haben es auf See geschickt.“

„Mit einem Segel am Großmast?“ zweifelte Hasard. „Mit dem Schiff stimmt etwas nicht. Ich glaube nicht, daß Kopfjäger sich in der Takelage eines Seglers auskennen. Vermutlich befindet sich doch jemand an Bord und ist verletzt. Willst du mit, Dan?“

Fast alle wollten mit, aber Hasard wehrte ab.

„Drei, vier Mann genügen völlig, die anderen passen auf, daß wir nicht hinterrücks überfallen werden.“

Er nahm Carberry, Dan und Smoky mit, und steckte zwei Brandsätze in sein Hemd. Dem Profos bedeutete er, Stahl, Flintstein und eine Lunte mitzunehmen.

„Wollen wir den Kahn denn versenken?“ fragte Ed.

„Das nicht, aber man sollte keine Möglichkeit außer acht lassen. Wenn es eine Falle ist, werden die Kerle ihr blaues Wunder erleben, deshalb nehmen wir das Zeug mit.“

Sie stiegen in das große Beiboot, das einen Mast und ein Segel hatte. Brighton reichte den Männern noch zwei Musketen.

Gegen den auflandigen Wind, der nur schwach wehte, segelten sie los, durchkreuzten die Bucht und erreichten etwas später das Meer.

Von hier aus war der Spanier deutlich zu sehen. Wie ein welkes Blatt trieb er der Küste entgegen, schwerfällig im Wasser liegend.

„Ich glaube, er ist noch tiefer abgesackt“, sagte Hasard.

„Dann kann es auch keine Falle sein“, meinte Dan. „Was wollen die denn mit einem untergehenden Schiff noch angreifen?“

„Vielleicht hast du recht.“

Carberry änderte leicht den Kurs, bis sie in fast spitzem Winkel dem Spanier entgegensegelten.

„Die Ankertrosse hängt im Wasser“, sagte Dan, der Augen wie ein Seeadler hatte. „Der Anker fehlt, wahrscheinlich haben die Wilden die Trosse durchgeschnitten und den Kahn einfach treiben lassen, als er leck war.“

„Oder sie haben ihm dieses Leck selbst verpaßt“, meinte Carberry.

Hasard legte die beiden Brandsätze auf die Ducht.

„Entzündet die Lunte“, sagte er. „Wir segeln auf Lee achtern heran, ich springe hinüber und enter am Hennegat auf. Ihr legt sofort wieder ab, bis der Abstand mindestens hundert Fuß beträgt. Sollte jemand auf mich lauern oder mich überwältigen, dann jagt ihr dem Kahn die beiden Brandsätze an Deck, ohne Rücksicht auf mich. Das ist ein Befehl, und ich hoffe, jeder hat ihn gut verstanden.“

Es gab keinen Widerspruch, wenn Hasard in diesem Tonfall sprach, und es dachte auch keiner daran, zu widersprechen.

Hasard wollte kein Risiko eingehen, nicht das geringste, und das verstanden sie.

Carberry segelte das Beiboot so dicht heran, daß der Seewolf mit einem Satz aufsprang.

Dann drehte Carberry hart ab und segelte weiter, bis er die von Hasard vorgeschriebene Distanz erreichte. Dort holte er das Segel ein und sah Smoky an, der die Lunte entzündet hatte.

Hasard enterte auf, flink und behende und zog sich an der umlaufenden Heckgalerie auf das Deck des abschüssigen Achterkastells.

Seine Augen suchten das Deck ab.

Nichts regte sich, niemand war zu sehen, kein Mann hatte sich hinter dem Schanzkleid versteckt.

Das Schiff ächzte und stöhnte. Tief im Leib des spanischen Seglers hörte Hasard es gurgeln, wenn das eingedrungene Wasser hin und her schwappte.

Er ging über den Niedergang in die Kuhl und öffnete das Schott eines hölzernen Aufbaus.

Abgestandene Luft schlug ihm entgegen. Es roch nach modrigem Tauwerk und Farbe. Acht hölzerne Stufen führten hinunter.

Als der Seewolf unten ankam, fiel nur noch schwach das Tageslicht herein.

Die Kammer diente dazu, Werkzeug, Taue, Farbe und allen möglichen Bedarf aufzunehmen. Auch ein paar Eisenkugeln lagen herum, daneben leichtsinnigerweise ein Pulverfaß.

Ordnungsliebend waren die nicht gerade, dachte Hasard und verließ den Raum wieder.

Von der Kuhl aus winkte er das Boot heran, warf die Jakobsleiter über Bord und nahm das Tau entgegen, das Ed ihm zuwarf.

„Keine Falle“, sagte Hasard. „Wir werden das Schiff noch genau durchsuchen, aber hängt zuerst das Segel ins Gei, damit wir nicht an der Küste zerschellen.“

Es war ein eigenartiges Gefühl, auf einem langsam sinkenden, verlassenen Schiff zu stehen, auf dem sich keine Besatzung befand, das sich seinen Weg selbst suchte, das rollte und schlingerte und sterbend durch das Meer zog.

Das Segel wurde ins Gei gehängt, dann erst sahen sich die Männer genauer um.

„Was ist das denn?“ fragte Ed und deutete auf die hüttenartige Erhebung in der Kuhl. „Ein Logis?“

„Ich habe schon nachgesehen. Dort drin befindet sich nur Tauwerk und Kram. Laßt uns achtern mit der Kapitänskammer beginnen, vielleicht erhalten wir einen Hinweis.“

„Seekarten vielleicht“, sagte Dan. „Die Spanier halten sie doch immer so geheim. Roteiros nennen sie die, und es sind die besten Karten, die es gibt.“

Vor der Kapitänskammer gab es noch eine andere, ähnlich der auf der „Isabella“.

Sie warfen einen Blick hinein. Die Kammer war sauber aufgeräumt, hatte eine in die Wand eingelassene Doppelkoje und eingebaute Schränke. Zwei Stühle bewegten sich, wie von Geisterhänden bewegt, ständig hin und her.

In der Kapitänskammer sah es ganz anders aus. Wie bei den Spaniern üblich, war sie großräumig angelegt und geschmackvoll eingerichtet.

Dan öffnete die eingebauten Schränke und suchte nach Roteiros, aber er fand nur ähnliche Karten, wie sie sie auch hatten. Sie waren das Mitnehmen nicht wert.

Ziemlich enttäuscht verließen sie die Kapitänskammer und gingen nach vorn. Hinweise hatten sie keine gefunden, aber jeder von ihnen konnte sich ausmalen, was hier passiert war.

Entweder hatte man das Schiff nachts überfallen, oder die Mannschaft war an Land gegangen und dort den Kopfjägern in die Hände gefallen, denn hier gab es keine Spuren, die auf stattgefundene Kämpfe hinwiesen.

Andererseits war es unwahrscheinlich, daß eine Crew geschlossen an Land ging und das Schiff sich selbst überließ. Das paßte nicht zusammen. Vielleicht hatte man die Mannschaft auch nacheinander von Bord gelockt.

„Was hier passiert ist, werden wir wohl nie erfahren“, sagte Carberry, als er vor dem Schott auf dem Vorschiff stand, das weit geöffnet war und in den Angeln quietschte.

„An Deck ist jedenfalls nicht gekämpft worden“, sagte Smoky, „sonst würde man Blut oder andere Spuren sehen.“

Die „Tierra“ blieb für sie ein Rätsel.

Als sie den Niedergang hinunterstiegen, blieben sie wie angewurzelt stehen, stumm, ohne vorerst ein Wort zu sagen.

Auf den Dielen, vor einem aufgerissenen verschimmelten Schrank, lagen zwei Spanier.

Jemand hatte ihnen die Köpfe vom Rumpf getrennt und sie mitgenommen.

Es dauerte lange, bis Hasard Worte fand.

„Entsetzlich“, sagte er leise. „Was sind das nur für Menschen, die so etwas tun?“

Niemand gab Antwort. Stumm sahen sie auf die beiden menschlichen Leichen, denen der Kopf fehlte.

In dem Mannschaftsraum waren Kampfspuren zu sehen, überall herrschten

Unordnung und Durcheinander.

Bei einem der beiden Toten lag ein langes Messer, mit dem er sich allem Anschein nach gewehrt hatte.

Hasard ging hinaus an Deck. Er brauchte frische Luft. Die anderen folgten beklommen und verunsichert.

Der Seewolf lehnte am Schanzkleid und hatte die Hände auf den Handlauf gestützt. Gedankenverloren hielt er nach der „Isabella“ Ausschau, die ihnen jetzt fast gegenüberlag, aber man sah nicht einmal die Masten des Schiffes vom Meer aus, obwohl man von der „Isabella“ aus einen Teil der See überblikken konnte.

„Zwei Tote an Bord“, sagte er, „zwei, die es wahrscheinlich geschafft hatten, den Wilden zu entwischen. Doch man hat sie aufgestöbert und umgebracht.“

Dan O’Flynn versuchte, das Geschehnis zu rekapitulieren.

„Den beiden gelang es, entweder an Bord zu bleiben oder sich von Land aus auf das Schiff zu flüchten. Dann haben sie wahrscheinlich die Ankertrosse gekappt und das Großsegel gesetzt. Die Wilden müssen ihnen hinterhergefahren sein mit Booten, sind aufgeentert und haben die beiden nach heftigem Kampf umgebracht. Dann, so nehme ich an, haben sie das Schiff leckgeschlagen, damit es für andere keine Spuren gab.“

Er sah sich um und deutete an Deck.

„In zwei, höchstens drei Stunden geht die ‚Tierra‘ auf Tiefe und niemand wird je wieder etwas von ihr und der Besatzung hören.“

„So könnte es durchaus gewesen sein“, pflichtete der Seewolf dem jungen O’Flynn bei. „Jedenfalls spricht alles dafür. Suchen wir weiter, sehen wir uns einmal die Laderäume an.“

Carberry brach den Raum kurzerhand mit einem Hebeleisen auf, das unter der Nagelbank lag.

Wasser stand bis auf halber Höhe in dem Raum. In den Fluten schwammen Kistenteile, Säcke, zwei tote Ratten und Sachen, von denen man nicht mehr sagen konnte, was sie einst gewesen waren.

„Vielleicht haben sie Gold- oder Silberbarren unten liegen“, sagte Smoky, „oder anderes wertvolles Zeug.“

„Wenn du scharf darauf bist, kannst du ja in die Dreckbrühe tauchen und dich unten umsehen“, antwortete Carberry, „ich bin jedenfalls nicht wild darauf.“

„Ich auch nicht.“

Noch einen weiteren Raum suchten sie auf. Die Pulverkammer, in die noch kein Tropfen Wasser gedrungen war. Massenhaft waren hier Fässer gestapelt. Die vielen Eisenkugeln, die in dem Raum lagerten, ließen sich kaum zählen.

„Junge, das sind ja Siebzehn-Pfünder“, sagte Dan erstaunt, „unser Kaliber.“

„Stimmt“, sagte Carberry, „an Deck stehen Culverinen, das fällt mir erst jetzt auf.“

„Kugeln und Pulver nehmen wir mit“, entschied der Seewolf, „wir haben ohnehin nicht mehr viele Kugeln, und unsere Pulvervorräte schrumpfen auch zusammen.“

Die „Tierra“ sackte weiter ab. Langsam zwar, aber unaufhaltsam. Wo sich das Leck befand, ließ sich nicht feststellen. Wenn sie es wußten, würde das auch nichts mehr ändern.

„Fangen wir gleich damit an“, sagte Hasard und reichte eine der Kugeln an Smoky weiter.

Das Schiff war herrenlos und dem Untergang geweiht. Sie konnten nehmen, was sie wollten, später würde ohnehin alles die See gierig verschlingen. Pulver und Kugeln konnte man immer gebrauchen, und hier hatte ihnen der Zufall Siebzehn-Pfünder beschert.

Eine Kette wurde gebildet. Kugel um Kugel wanderte nach oben, bis an Deck alles schwarz war.

Dann folgten die schweren Fässer mit Schießpulver.

Etwas später wurde es ins Boot verladen, bis es beängstigend tief im Wasser lag.

„Wir werden etwa drei Mal fahren müssen“, sagte Hasard zu Ed. „Sag den Leuten, sie sollen blitzartig ausladen, und kehre sofort zurück, sonst müssen wir an Land schwimmen.“

Der Profos legte ab, setzte das Segel und segelte los, der Bucht entgegen.

Die drei Männer durchsuchten das Schiff jetzt gründlich.

„Lebensmittel haben die doch sicher auch, das würde uns eine Menge Arbeit ersparen“, sagte Smoky hoffnungsvoll.

„Nimm dir doch ein paar Säcke Kastanien mit“, riet Dan. „Wenn du die alle gemampft hast, bist du ein richtiger Don.“

An Proviant fand sich jedoch nicht viel. Der Besatzung war es ähnlich ergangen wie den Seewölfen. Sie kauten auf dem letzten Rest herum.

Smoky entdeckte einen Sack Mehl, den er an Deck schaffen wollte, doch als er ihn hochhob, wurde der Sack lebendig, und eine unübersehbare Armee schwarzer Kakerlaken marschierte empört in die Dielenritzen.

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