Kitabı oku: «Zeitlose Geschichten aus aller Welt», sayfa 2
Fröhlichkeit
An einem Nachmittag, in einer großen Stadt in einem regenreichen Land, sah ich sieben oder acht Wagen mit Kindern. Sie waren an diesem Morgen zum Spielen aufs Land gebracht worden, aber das schlechte Wetter hatte sie gezwungen, zeitig im Regen heimzukehren.
Und trotzdem sangen und lachten sie und winkten den Vorbeigehenden fröhlich zu.
Sie hatten sich bei diesem trüben Wetter ihre Fröhlichkeit bewahrt. Wäre einer von ihnen traurig gewesen, so hätten die Lieder der anderen ihn wieder aufgeheitert. Und für die Vorbeieilenden, die das Lachen der Kinder hörten, schien sich der Himmel für einen Augenblick aufgehellt zu haben.
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Amir war Prinz von Khorasan und lebte in großem Stil. Wenn er in den Krieg zog, so trugen allein dreihundert Kamele die Töpfe, Pfannen und das Geschirr für seine Küche.
Eines Tages wurde er vom Kalifen Ismail gefangengenommen. Aber ein Unglück befreit einen Menschen nicht vom Hunger, und als Amir seinen Küchenchef in der Nähe sah, bat er den guten Mann, ihm ein Mahl zuzubereiten.
Der Koch hatte ein Stück Fleisch übrig, das er in einem Topf aufs Feuer stellte. Dann ging er fort, um Gemüse zu suchen, das dem Gericht etwas Geschmack verleihen sollte.
Ein streunender Hund erschnüffelte das Fleisch und steckte seine Nase in den Topf. Als er jedoch die Hitze des Feuers spürte, sprang er schnell zurück. Dabei war er so ungeschickt, dass der Topf auf seinem Kopf steckenblieb und er in Panik davonrannte, als er ihn nicht mehr abbekam.
Amir brach bei dem Anblick in lautes Gelächter aus.
„Warum lachst du“, wollte der wachhabende Offizier wissen, „wo du jeden Grund hättest, traurig zu sein?“
Amir aber zeigte ihm den Hund, der aus dem Lager lief, und sagte: „Ich lache bei dem Gedanken, dass noch an diesem Morgen dreihundert Kamele nötig waren, um meine Küche zu transportieren, und jetzt genügt ein Hund, um alles fortzutragen!“
Amir gefiel es, fröhlich zu sein, obwohl er sich nicht bemühte, diese Fröhlichkeit auch anderen zu bringen. Doch sollten wir ihm sein heiteres Gemüt hoch anrechnen. Wenn er in solch ernsten Schwierigkeiten zu scherzen vermochte, sollten wir dann nicht imstande sein, angesichts geringerer Sorgen zu lächeln?
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In Persien lebte eine Frau, die Honig verkaufte. Sie besaß eine sehr angenehme Art, und die Kunden drängten sich um ihren Stand. Der Dichter, der ihre Geschichte erzählt, behauptet, selbst wenn sie Gift verkauft hätte, die Leute hätten es von ihr gekauft, als wäre es Honig.
Ein griesgrämiger Mann sah, welch großen Gewinn sie mit ihren süßen Waren machte und beschloss, den gleichen Handel zu beginnen.
Also baute er einen Stand auf, doch hinter den Reihen von Honigtöpfen wirkte sein Gesicht wie Essig. Jeder, der zu ihm kam, wurde mürrisch behandelt. Deshalb ging jeder an ihm vorbei und er blieb auf seinen Waren sitzen. „Nicht einmal eine Fliege wagte sich an seinen Honig“, erzählt der Dichter. Als der Abend kam, hatte er immer noch nichts verdient. Eine Frau bemerkte ihn und meinte zu ihrem Mann: „Ein bitteres Gesicht macht auch den Honig bitter.“
War die Honigverkäuferin nur freundlich, um Kunden anzulocken? Lasst uns lieber hoffen, dass ihre Fröhlichkeit ihrem guten Charakter entsprang. Wir sind nicht bloß auf der Welt, um zu kaufen oder zu verkaufen; wir sollten hier einander Kameraden sein. Die Kunden der guten Frau spürten, dass sie mehr war als eine Honigverkäuferin: Sie war eine fröhliche Bewohnerin dieser Welt.
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In der nächsten Geschichte, die ich euch erzählen werde, ist die Freude wie ein sprudelndes Wasser einer schönen Quelle. Die Person, um die es dabei geht, hat nichts im Sinn mit Profit und Handel: Es ist der berühmte und glorreiche Rama.
Rama erschlug Ravana, den Dämonenkönig mit zehn Köpfen und zwanzig Armen. Ich habe euch bereits den Beginn der Geschichte erzählt. Es war die schrecklichste aller Schlachten. Tausende von Affen und Bären im Gefolge Ramas wurden getötet und die Leichen der Dämonenfeinde häuften sich. Ihr König lag leblos am Boden. Doch wie schwer war es gewesen, ihn zu besiegen! Wieder und wieder hatte Rama seine zehn Köpfe und zwanzig Arme abgeschlagen, doch wuchsen sie sofort wieder nach. Es waren so viele, dass es schließlich schien, als würde es Arme und Köpfe vom Himmel regnen.
Als der schreckliche Krieg vorbei war und die dabei getöteten Affen und Bären wieder zum Leben erweckt worden waren, standen alle da wie eine große Armee und erwarteten ihre Befehle.
Der ruhmreiche Rama, der auch nach dem Sieg bescheiden und ruhig blieb, blickte seine treuen Kameraden freundlich an.
Vibhishan, der Ravana auf den Thron folgen sollte, hatte einen Wagen voll Juwelen und kostbaren Gewändern für die Krieger gebracht, die sich so heldenhaft geschlagen hatten.
„Höre, Freund Vibhishan“, sprach Rama, „steige hoch in die Lüfte auf und schütte deine Gaben vor den Kriegern aus.“
Der König tat, wie ihm geheißen wurde und verstreute von seinem schwebenden Streitwagen glitzernde Juwelen und prächtig gefärbte Gewänder aus.
Die Affen und Bären purzelten übereinander, als sie sich beeilten, die fallenden Kostbarkeiten zu erhaschen. Es war eine lustige Balgerei.
Rama lachte herzlich bei diesem Anblick, und seine Gemahlin Sita und sein Bruder Lakshman stimmten in sein Lachen ein.
Denn die Mutigen verstehen es, so herzlich zu lachen. Es gibt nichts Herzlicheres als eine gutmütige und aufrichtige Heiterkeit. Und das Wort „herzlich“ besitzt den gleichen Ursprung wie das Wort „mutig“. In schwierigen Augenblicken ist Fröhlichkeit, die aus dem Herzen kommt, wahrhaft ein Ausdruck von Mut.
Natürlich muss man nicht ständig lachen; aber Lebendigkeit, Heiterkeit und gute Laune sind nie fehl am Platz. Und wie hilfreich können sie sein! Mit ihnen schafft die Mutter ihren Kindern ein glückliches Heim; die Krankenschwester beschleunigt die Genesung ihrer Patienten; der Herr erleichtert die Arbeit seiner Diener; der Arbeiter fördert den guten Willen seiner Kollegen; der Reisende hilft seinen Gefährten, die Mühen der Reise zu überstehen; der Bürger nährt die Hoffnung in den Herzen seiner Landsleute.
Und ihr, glückliche Jungen und Mädchen, gibt es irgend etwas, das ihr mit eurer Fröhlichkeit nicht erreichen könnt?
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Selbstvertrauen
Hatim Tai war im alten Arabien wohlbekannt für die verschwenderische Fülle, mit der er Geschenke und Almosen verteilte.
„Bist du jemals jemandem begegnet, der noch vortrefflicher ist als du?“ fragte ihn einmal ein Freund.
„Ja“, antwortete Hatim Tai.
„Wer war das?“
„Eines Tages hatte ich vierzig Kamele geopfert und lud jeden, der kommen wollte, zu einem großen Fest ein. Daher zog ich mit einigen Familienoberhäuptern aus, um Gäste von nah und fern einzuladen. Auf dem Weg trafen wir einen Holzfäller, der gerade ein Bündel Dornenzweige geschnitten hatte. Auf diese Weise verdiente er sich seinen Lebensunterhalt. Da ich sah, dass er arm war, fragte ich ihn, warum er nicht zu den vielen Festmählern ginge, die von Hatim Tai gegeben wurden. Er antworte mir folgendes: Wer sich seinen Lebensunterhalt verdient, braucht keine Gaben von Hatim Tai.“
Warum also behauptete Hatim Tai, dass der Holzfäller ein besserer Mensch war als er selbst?
Weil er dachte, es sei edler, zu arbeiten und für sich selbst zu sorgen, als an andere Geschenke zu verteilen, die weder Mühe noch Opfer kosten, und die Beschenkten überdies auch noch den Mut nehmen, ihren eigenen Fähigkeiten zu vertrauen.
Natürlich ist es ganz selbstverständlich, dass Freunde einander Geschenke machen; es ist auch richtig, dass starke Hände den Armen und Bedürftigen zur Hilfe kommen; aber ein gesunder Mensch sollte mit seinen eigenen Händen arbeiten und sie nicht für Almosen aufhalten. Das gilt natürlich nicht für diejenigen, die sich einem Leben in innerer Einkehr und der Suche nach Weisheit verschrieben haben.
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Obwohl die Haltung des Holzfällers edel war, war sie doch weniger bewundernswert als die des persischen Prinzen, von dem ich euch erzählen möchte.
Dieser Prinz lebte in alten Zeiten, und sein Name war Gushtasp.
Er ärgerte sich sehr darüber, dass sein Vater ihn nicht so behandelte, wie es einem Thronerben zugestanden wäre, und verließ deshalb sein Heimatland und wanderte gen Westen. Einsam und hungrig, wie er war, erkannte er, dass er von nun an für sein Überleben arbeiten musste. Daher ging er zum Herrscher dieses Landes und sprach zu ihm:
„Ich verstehe die Kunst des Lesens und des Schreibens und ich würde gerne als Schreiber für dich arbeiten.“
Es wurde ihm gesagt, dass er einige Tage warten müsse, da zu diesem Zeitpunkt keine Schreiber gebraucht würden. Aber er war zu hungrig, um zu warten, und so ging er zu den Kameltreibern und fragte dort nach Arbeit. Jedoch brauchten auch sie keinen neuen Gehilfen, da sie aber seine Not erkannten, gaben sie ihm etwas zu essen.
Ein wenig später hielt Gushtasp an der Tür eines Schmiedes und bot ihm seine Dienste an.
„Hier“, sagte der Mann zu ihm, „du kannst mir helfen, dieses Eisenstück zu formen.“ Und er gab Gushtasp einen Hammer in die Hand.
Der Prinz verfügte über eine enorme Kraft. Er hob den schweren Hammer, schlug ihn nieder auf den Amboss und zerschmetterte diesen beim ersten Schlag. Der Schmied raste vor Zorn und warf den Prinzen sofort hinaus.
Und so wanderte Gushtasp in großer Not weiter umher.
Wohin auch immer er sich wandte, nirgends konnte er sich nützlich machen.
Schließlich traf er einen Bauern, der auf einem Kornfeld arbeitete. Dieser hatte Mitleid mit Gushtasp und gewährte ihm Essen und Obdach.
Eines Tages verbreitete sich die Neuigkeit, dass die Tochter des Königs von Rum im heiratsfähigen Alter sei und alle jungen Männer von königlichem Geblüt zu einem Festmahl am Hofe des Königs eingeladen seien. Gushtasp entschloss sich, ebenfalls hinzugehen, und saß mit all den anderen zu Tisch. Die Prinzessin Kitaban verliebte sich auf den ersten Blick in ihn und gab ihm als Zeichen ihrer Gunst einen Strauß Rosen.
Der König empfand eine heftige Abneigung gegen den armen Gushtasp. Er wagte zwar nicht, seiner Tochter die Heirat mit ihm zu verbieten, kaum, dass die beiden jedoch verheiratet waren, vertrieb er sie aus seinem Palast. So kam es, dass die beiden in den tiefen Wald zogen und sich eine Hütte nicht weit von einem Fluss erbauten.
Gushtasp war ein großer Jäger. Jeden Tag überquerte er den Fluss mit einem Boot, erlegte einen Hirsch oder einen wilden Esel, gab die Hälfte der Jagdbeute dem Fährmann und brachte die andere Hälfte nach Hause zu seiner Frau.
Eines Tages brachte der Fährmann einen jungen Mann namens Mabrin, der Gushtasp sprechen wollte.
„Mein Herr“, sprach Mabrin, „ich möchte die zweite Tochter des Königs, die Schwester deiner Gemahlin, heiraten. Ich bekomme sie aber erst zur Frau, wenn ich den Wolf getötet habe, der die Ländereien des Königs heimsucht. Und ich weiß nicht, wie ich das anstellen soll.“
„Ich werde es für dich tun“, sprach Gushtasp, der Jäger.
Er zog in die Wüste hinaus, und als er das Untier fand, erlegte er es mit zwei Pfeilen und schnitt ihm mit seinem Jagdmesser den Kopf ab.
Der König kam, um die tote Bestie zu sehen, und in seiner Freude gab er Mabrin seine zweite Tochter zur Frau.
Einige Zeit später brachte der Fährmann wieder einen jungen Mann, genannt Ahrun, der Gushtasp sehen wollte. Ahrun wollte die dritte Tochter des Königs heiraten, musste jedoch zuerst einen Drachen töten. Gushtasp versprach, auch diese neue Heldentat zu vollbringen.
Er nahm einige Messer und band sie so zusammen, dass die Klingen wie ein Ball mit Stacheln nach allen Richtungen zeigten. Dann ging er auf die Suche und fand den feuerspeienden Drachen. Er schoss viele Pfeile auf das Ungeheuer ab, wobei er hin und her sprang, um den Klauen zu entgehen. Dann befestigte er die Kugel aus Messern an einem Speer und stieß sie dem Drachen in den Schlund. Der Drache schloss sein Maul und stürzte zu Boden, wo ihn der Prinz mit seinem Schwert erlegte.
So konnte Ahrun die dritte Tochter des Königs heiraten.
Es wird euch nicht überraschen zu hören, dass solch ein tapferer Prinz wie Gushtasp schließlich seinem Vater, dem König von Persien, auf den Thron folgte. Und es war während der Regierungszeit von Gushtasp, dass der heilige Prophet Zarathustra kam und den Persern den Glauben an Ormazd lehrte, den Herrn des Lichts, der Sonne und des Feuers sowie der Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit.
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Ihr seht, dass Gushtasp nicht sofort seinen Platz und seine Bestimmung in der Welt gefunden hat.
Er versuchte sich ohne Erfolg in vielen Dingen und erfuhr sogar die Feindseligkeit vieler Menschen, wie zum Beispiel die des guten Schmiedes.
Schließlich erwarb er sich jedoch seinen rechten Platz im Leben und war in der Lage, anderen zu helfen, bis die Zeit für ihn kam, weise zu regieren. Und eben in der Hilfe, die er anderen zuteil werden ließ, zeigte er einen edleren Charakter als der Holzfäller, von dem wir vorhin hörten; der Holzfäller nämlich war damit zufrieden, nur für sich selbst zu arbeiten. Gushtasp war auch besser als der großzügige Hatim Tai, denn statt vom Übermaß seines Reichtums abzugeben, setzte der persische Prinz die Stärke seiner Arme ein und riskierte sogar für andere sein Leben.
Niemand verdient mehr Hochachtung als jemand, der durch eigene Kraft nicht nur für seine eigenen Bedürfnisse, sondern auch für das Wohlergehen und das Glück derer sorgt, die um in sind.
Achtet den Vater, ob Ingenieur oder Holzfäller, Schriftsteller oder Arbeiter, Händler, Schmied oder Forscher, der durch seiner Hände Arbeit, welche es auch immer sein mag, seinen Lebensunterhalt verdient und für das Wohlergehen seiner Familie sorgt.
Achtet den Arbeiter, der sowohl seinen Interessen als auch denen seiner Kollegen dient, indem er sich mit ihnen zu Arbeitsgemeinschaften oder Gewerkschaften zusammenschließt, die dem Einzelnen ermöglichen, sein Recht zu wahren, indem nicht die einsame schwache und hilflose Stimme eines Einzelnen sich erhebt, sondern der mächtige Chor von Vielen.
Diese Arbeitnehmervereinigungen lehren die Werktätigen, sich auf ihre eigene Stärke zu verlassen und einander zu helfen.
Auch ihr, liebe Schulkinder, bereichert euren Verstand, indem ihr euch auf die Aufgaben konzentriert, die euch euer Lehrer stellt. Und während ihr nach besten Kräften die Stufen des Wissens erklimmt, lernt auch, dem Freund zu helfen, der weniger flink und geschickt ist als ihr.
Im Märchen braucht man nur ein Zauberwort auszusprechen oder an einer Lampe zu reiben oder mit einem Zauberstab zu schwingen, um gute Geister herbeizurufen, die Menschen durch die Lüfte tragen, mit einem Augenzwinkern Paläste bauen und Armeen von Elefanten und Reitern aus dem Boden wachsen lassen.
Aber unsere eigenen Bemühungen vollbringen noch viel größere Wunder: Sie schenken dem Boden reiche Ernten, zähmen wilde Tiere, graben Tunnel durch Berge, bauen Deiche und Brücken, errichten Städte, lassen Schiffe die Meere durchqueren und Flugzeuge den Himmel durchfliegen; kurz, sie bringen Wohlergehen und Sicherheit für alle.
Des Menschen Bemühen macht ihn edler, gerechter, gütiger; und darin liegt der wahre Fortschritt.
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Geduld und Ausdauer
Ein Lied der Menschen von Punjab hat folgenden Text:
Die Nachtigall singt nicht immer im Garten,
Und der Garten blüht nicht immer;
Glück herrscht nicht immer,
Und Freunde sind nicht immer zusammen.
Die Lehre aus diesem Lied ist, dass wir nicht erwarten können, immer glücklich zu sein, und dass man verstehen muss, sich in Geduld zu üben. Denn es gibt nur wenige Tage in unserem Leben, an denen wir nicht die Gelegenheit hätten, noch mehr Geduld zu lernen.
Ihr möchtet zum Beispiel einen sehr beschäftigten Mann besuchen, um ihn etwas zu fragen. Ihr geht zu seinem Haus. Da sind schon viele Besucher und ihr müsst sehr lange warten, bevor ihr vorgelassen werdet. Ihr wartet jedoch ganz ruhig, auch wenn es mehrere Stunden dauert. Ihr habt Geduld.
Ein anderes Mal ist derjenige, den ihr besuchen wollt, nicht zuhause. Ihr kommt am nächsten Tag wieder, aber seine Tür ist immer noch verschlossen. Als ihr beim dritten Mal hinkommt, ist er krank und kann euch nicht empfangen. Ihr lasst also ein paar Tage verstreichen und versucht es dann noch einmal. Und wenn ihr wieder davon abgehalten werdet, ihn zu treffen, seid ihr trotzdem nicht entmutigt, sondern versucht es erneut, bis ihr ihn schließlich trefft. Diese Art von Geduld nennt man Ausdauer.
Ausdauer ist aktive Geduld, eine Geduld, die Dinge vorwärtstreibt.
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Kolumbus, der berühmte Seemann aus Genua, machte sich von Spanien aus daran, die unbekannten Meere im Westen zu durchqueren.
Tage- und wochenlang beharrte er ungeachtet des Murrens seiner Mannschaft darauf, ein neues Land zu entdecken; trotz Rückschlägen und Schwierigkeiten gab er nicht auf, bis er die ersten amerikanischen Inseln erreichte. So entdeckte er die Neue Welt.
Was verlangte er von seinen Gefährten? Er bat sie nur um Geduld, denn sie mussten nichts weiter tun, als ihm zu vertrauen und ihm zu erlauben, sie zu führen. Aber was benötigte er selbst, um sein Ziel zu erreichen? Er benötigte die anhaltende Energie und den unermüdlichen Willen, den wir Ausdauer nennen.
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Der berühmte und gefeierte Töpfer Bernard Palissy wollte das verlorengegangene alte Geheimnis der Herstellung von wunderschönem, in leuchtenden Farben glasiertem Porzellan wiederentdecken.
Über Monate und Jahre hinweg setzte er unermüdlich seine Experimente fort. Seine Versuche, die Glasur zu finden, blieben lange Zeit fruchtlos. Er opferte alles, was er hatte, seiner Suche; tage- und nächtelang saß er vor dem Brennofen, den er selbst gebaut hatte, und probierte endlos viele neue Verfahren aus, um seine Töpferwaren herzustellen und zu brennen. Nicht nur, dass er dabei von niemandem Hilfe oder Ermutigung erhielt, nannten ihn seine Freunde und Nachbarn auch noch einen Verrückten, und selbst seine eigene Frau machte ihm Vorwürfe.
Mehrmals musste er seine Experimente aus Geldmangel unterbrechen, aber sobald er konnte, setzte er sie mit neuem Mut fort. Schließlich hatte er eines Tages nicht einmal das nötige Holz, um seinen Brennofen zu heizen; so warf er ungeachtet der Schreie und Drohungen seiner Frau seine eigenen Möbel bis zum letzten Stück Holz ins Feuer. Und als alles verbrannt war, öffnete er den Ofen und fand darin eben jenes leuchtend glasierte Porzellan, das ihn berühmt machen sollte, und für dessen Entdeckung er so viele Jahre geopfert hatte.
Was fehlte also seiner Frau und seinen Freunden, dass sie nicht auf die Stunde seines Erfolges warten konnten, ohne ihn zu schikanieren und seine Aufgabe so noch zu erschweren? Einfach nur Geduld. Und was war die eine Eigenschaft, an der es ihm nie mangelte, die ihn nie verließ und die es ihm schließlich ermöglichte, über alle Schwierigkeiten und Spott zu triumphieren? Es war Ausdauer, die mächtigste aller Kräfte.
Denn nichts in der Welt kann sich gegen Ausdauer behaupten, und selbst die größten Errungenschaften sind das Ergebnis vieler kleiner und unermüdlicher Bemühungen.
Riesige Felsblöcke wurden schon durch Regentropfen völlig zerstört, die einer nach dem anderen auf dieselbe Stelle fielen.
Ein Sandkorn ist wirklich nichts Mächtiges, aber wenn viele zusammenkommen, bilden sie eine Düne und halten den Ozean auf.
Und in der Naturgeschichte lernt ihr, wie sich Berge unter dem Meeresspiegel geformt haben, die aus mikroskopisch kleinen Tieren bestehen, die sich übereinandersetzen und schließlich gemeinsam herrliche Inseln und Inselgruppen formen, die sich aus den Wellen erheben.
Glaubt ihr nicht, dass eure kleinen, wiederholten Bemühungen auch Großes vollbringen können?
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Der berühmte Weise Shankara, dessen Name dem Land Malabar Ruhm brachte und der vor etwa 1200 Jahren gelebt hat, war von Kindheit an entschlossen, ein Sannyasin [Mönch] zu werden.
Lange Zeit erlaubte ihm seine Mutter nicht, diesem Lebensweg zu folgen, obwohl sie seinen edlen Wunsch würdigte.
Eines Tages gingen Mutter und Sohn in einem Fluss baden. Shankara tauchte ins Wasser und fühlte plötzlich, wie ein Krokodil seinen Fuß packte. Der Tod schien nahe. Aber selbst in diesem schrecklichen Augenblick dachte das tapfere Kind nur an sein großes Ziel und rief seiner Mutter zu: „Ich bin verloren! Ein Krokodil zieht mich herab. So lass mich wenigstens als Sannyasin sterben!“
„Ja, mein Sohn, ja“, schluchzte seine Mutter vor Verzweiflung.
Shankara fühlte sofort solche Freude, dass er die Kraft fand, seinen Fuß zu befreien und sicher ans Ufer zu gelangen.
Von dieser Zeit an wurde er nicht nur an Jahren reifer, sondern auch an Gelehrtheit. Er wurde ein Guru [spiritueller Lehrer] und blieb seinem großen Lebenswerk, Philosophie zu lehren, bis zum Ende seines wunderbaren Lebens treu.
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Jeder, der Indien liebt, kennt die wunderschöne Dichtung des Mahabharata.
Sie wurde vor vielen hundert Jahren in Sanskrit niedergeschrieben. Bis vor kurzem konnte kein Europäer sie lesen, es sei denn, er beherrschte diese Sprache, und das war selten der Fall. Die Übersetzung in eine europäische Sprache war notwendig.
Babu Pratap Chandra Rai entschloss sich, sein Leben dieser Aufgabe zu widmen. In seinem Heimatland fand er einen gelehrten Freund, Kishori Mohan Ganguly, der das in Sanskrit geschriebene Buch in die englische Sprache übersetzen konnte. Nach und nach wurden die hundert Teile des Mahabharata veröffentlicht.
Zwölf Jahre lang setzte Pratap Chandra Rai seine selbstgewählte Aufgabe fort. Er widmete all sein Geld der Veröffentlichung des Buches. Und als nichts mehr übrig war, reiste er durch ganz Indien, um von jenen, die willig waren zu geben, Hilfe zu erbitten. Er erhielt Unterstützungen von Prinzen und Bauern, von Gelehrten und einfachen Menschen, von Freunden in Europa und Amerika.
Bei einer seiner Reisen zog er sich ein bösartiges Fieber zu, an dem er schließlich starb. Während seiner Krankheit waren alle seine Gedanken auf die Fertigstellung seines Werks gerichtet. Und selbst als es ihm schon schwerfiel zu sprechen, sagte er noch zu seiner Frau:
„Das Buch muss beendet werden. Gib kein Geld für meine Bestattungszeremonie aus, wenn es für den Druck benötigt wird. Lebe so einfach wie möglich, um Geld für die Mahabharata zu sparen.“
Er starb, erfüllt von seiner Liebe für Indien und dessen große Dichtung.
Seine Witwe, Sundari Bala Rai, erfüllte getreu seinen großen Wunsch. Ein Jahr später schloss der Übersetzer seine Arbeit ab, und die elf Bände der Mahabharata wurden der europäischen Öffentlichkeit präsentiert, die nun die achtzehn Parvas [Abschnitte] der großartigen epischen Dichtung kennenlernen und bewundern konnte. Auf diese Weise lernten sie Hochachtung für die sprachliche Kunstfertigkeit und Weisheit der großen Denker und Weisen, den Dichtern des alten Indiens.
Dies sind die Früchte, entstanden aus den Bemühungen all jener, die wie Pratap Chandra Rai und so viele andere Ausdauer und Beharrlichkeit zeigten.
Und ihr, ihr tapferen Kinder, wollt ihr nicht auch Teil des großen Heeres all der Männer und Frauen werden, die niemals ermüden, Gutes zu tun, und die ihre Arbeit niemals aufgeben, bevor sie sie beendet haben?
In unserer weiten Welt mangelt es niemals an edlen Aufgaben, die zu verrichten sind, und niemals an Menschen, die sie verrichten; doch oft fehlt es an Ausdauer, all diese Aufgaben auch zu Ende zu führen.
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Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.