Kitabı oku: «Anleitung für ein besseres Leben»
Einleitung
In den letzten Jahren hat sich etwas grundlegend verändert: Viele Menschen arbeiten nicht mehr, um zu leben – für viele ist die Arbeit das Leben. Die Folgen sind dramatisch: Die Zahl der Krankmeldungen wegen psychischer Leiden hat sich seit Anfang der neunziger Jahre fast verdoppelt, auf jährlich knapp eine Million Menschen. Viele arbeiten also, bis der Arzt kommt – nicht nur sprichwörtlich.
Was kann man gegen den nahenden Burn-out tun? Home-Office, Entspannungstraining, Hirndoping – unsere Autoren stellen verschiedene Möglichkeiten vor, mit dem Arbeitsstress besser umzugehen. Ebenso wichtig ist es, für den passenden Ausgleich in der Freizeit zu sorgen. Vom süßen Nichtstun bis hin zu ehrenamtlichem Engagement zeigen wir Ihnen ganz unterschiedliche Wege. Im großen Service-Teil erfahren Sie außerdem das Wichtigste über psychische Probleme rund um den Job und können in Selbsttests prüfen, ob Sie betroffen sind.
Kurzum: Mit diesem E-Book wollen wir Ihnen helfen, die richtige Balance zwischen Arbeit und privater Gelassenheit zu finden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
ARBEITEN
Zufrieden im Job Der Druck, unter dem Berufstätige stehen, steigt. Immer härter an sich selbst zu arbeiten, um die Anforderungen zu erfüllen, ist keine Lösung. Es gibt einfachere und schönere Wege, um in der Arbeitswelt doch noch glücklich zu werden. VON SUSANNE SCHÄFER
Arbeiten, bis der Arzt kommt Burn-out wird zur Volkskrankheit, und noch nie gab es so viele Menschen, die sich wegen psychischer Probleme krankmeldeten. Warum bestimmt die Arbeit so sehr unser Leben, dass sie nach und nach die Seele auffrisst? VON KOLJA RUDZIO UND WOLFGANG UCHATIUS
Der Weg zurück Diagnose Burn-out, und dann? Was nach der Krankschreibung passiert, ist nicht geregelt. Wie Patienten trotzdem gesund werden. VON SUSANNE SCHÄFER
Coach fürs Ich Der Druck in der globalisierten Welt steigt. Wer dort mithalten möchte, nimmt sich einen Lebensberater. Ob Manager, Kreativer oder Kindergärtnerin: Jeder will sich optimieren – aber bitte in möglichst kurzer Zeit. VON CHRISTIAN SCHÜLE
Gebt den Eltern Zeit Noch immer ist es schwer, Beruf und Familie zu vereinen. Zwar nehmen inzwischen viele Mütter und Väter Elternzeit in Anspruch oder können in Teilzeit arbeiten, doch den beruflichen Aufstieg verpassen sie damit oft. Was muss sich ändern, damit das Arbeitsleben familienfreundlicher wird? VON ULRIKE MEYER-TIMPE
Stresskrank Wer auf dem Arbeitsmarkt bestehen will, braucht soziale Kompetenzen, um sich vor Kollegen, Chefs und Kunden zu präsentieren. Die neuen Anforderungen der Arbeitswelt machen viele krank. Wie man sich davor schützt. VON CHRISTIAN HEINRICH
Schneller und schlauer dank Pillen Als vor einigen Jahren Gesunde begannen, ihre geistige Leistungsfähigkeit mit Medikamenten zu steigern, stießen sie auf Empörung. Inzwischen ist Hirndoping weitgehend akzeptiert – Tausende tun es, Wissenschaftler befürworten es. Während die einen sich mit Yoga entschleunigen, nehmen die anderen noch mehr Fahrt auf. VON CHRISTIAN HEINRICH
Arbeit ohne Büro Raus aus den grauen Etagen, weg von den nervenden Kollegen, davon träumen viele Arbeitnehmer. Unternehmen machen das inzwischen möglich und lassen ihre Angestellten arbeiten, wo sie wollen – zu Hause, im Café oder auf der Bahnfahrt. Doch Home-Office kann gefährlich sein: Oft profitieren die Firmen mehr davon als die Mitarbeiter. VON MISCHA DRAUTZ
LEBEN
Geistreiches Nichtstun Wir fühlen, wie unsere Zeit immer knapper wird – fürchten zugleich aber nichts so sehr wie die Langeweile. Dabei braucht unser Geist Muße und schöpferische Pausen, um kreativ sein zu können. Ein Plädoyer fürs Nichtstun. VON ULRICH SCHNABEL
Sehnsucht nach Schlaf Unser hektischer Alltag erzeugt chronischen Schlafmangel. Erwachsene kann er in den Burn-out treiben und Schulkinder zu Zappelphilippen machen. Wir brauchen eine neue Schlafkultur! VON PETER SPORK
Meine Gefühle und ich Wut auf den Kollegen, Angst vor der Präsentation – Emotionen machen uns oft das Leben schwer. Doch wir können lernen, sie in den Griff zu bekommen und schwierige Situationen besser zu meistern. VON CLAUDIA WÜSTENHAGEN
Entspann mich Den Himmel ansingen? In die Unterwelt der eigenen Seele hinabsteigen? Oder lieber sich selbst beschwören? Unsere Autorin hat skurrile und hilfreiche Methoden ausprobiert, die gegen Stress helfen sollen. VON SUSANNE SCHÄFER
Neue Kraft für den Berufsalltag Auch nach Feierabend oder im Urlaub noch über die Arbeit zu grübeln ist normal. Doch um sich gut zu erholen, muss man abschalten. Nur wer es schafft, die ewigen Gedankenkreise zu durchbrechen, bekommt neue Kraft für den Alltag. Abschalten kann man lernen – Fernsehen hilft dabei allerdings nicht. VON LEONIE ACHTNICH
SERVICE
Burn-out Unsere Psyche ähnelt einem Akku: Ist sie erschöpft, lässt sie sich wieder aufladen. Dauerhafte Überlastung aber schadet ihr. VON RAGNHILD SCHWEITZER
Bore-out Auch dauerhafte Unterforderung und Langeweile im Job können quälen. VON RAGNHILD SCHWEITZER
Prüfungs- und Redeangst Meetings werden kurzfristig abgesagt, Prüfungen nicht angetreten – das hat Konsequenzen für Ausbildung oder Beruf. VON RAGNHILD SCHWEITZER
Chronisches Aufschieben Es ist mehr als nur eine schlechte Angewohnheit, wenn man Dinge ständig vor sich herschiebt und nichts schafft. VON RAGNHILD SCHWEITZER
Perfektionismus Erziehung der Kinder, Job, eigenes Aussehen – alles soll perfekt sein. Doch das Streben nach Vollkommenheit kann krank machen. VON RAGNHILD SCHWEITZER
Sozialer Jetlag Unsere innere Uhr steuert wichtige Prozesse im Körper, auch den Schlaf. Sie dauerhaft zu missachten ist nicht gesund. VON RAGNHILD SCHWEITZER
ADHS im Erwachsenenalter Chaos im Alltag, Probleme im Job, Konflikte in Familie und Partnerschaft: ADHS beeinträchtigt viele Lebensbereiche. VON RAGNHILD SCHWEITZER
Häufig gestellte Fragen Vom Gute-Laune-Zwang bis zur Sucht nach Koffein: Die wichtigsten Fakten aus Arbeitsrecht, Psychologie und Medizin VON KATHRIN FROMM
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Impressum
Arbeiten
Zufrieden im Job
Der Druck, unter dem Berufstätige stehen, steigt. Immer härter an sich selbst zu arbeiten, um die Anforderungen zu erfüllen, ist keine Lösung. Es gibt einfachere und schönere Wege, um in der Arbeitswelt doch noch glücklich zu werden.
Von Susanne Schäfer
Wer sich von der Arbeit überlastet fühlt, muss sich einfach mehr anstrengen – besser planen, schneller werden, mehr Entspannungsübungen machen. Selbstoptimierung galt lange als richtige Antwort auf den Druck, unter dem so viele Berufstätige stehen.
Inzwischen zeigt sich jedoch, dass dieser Ansatz die Leiden der arbeitenden Bevölkerung keineswegs lindert, sondern womöglich sogar noch verstärkt. Jedes Jahr werden mehr Angestellte wegen psychischer Beschwerden krankgeschrieben. Und das liegt nicht etwa daran, dass wir alle mit einem Mal wehleidig geworden wären – der Arbeitsdruck steigt tatsächlich, das bestätigen wissenschaftliche Studien.
»Früher orientierten Führungskräfte sich daran, wie viele Mitarbeiter und wie viele Maschinen ihnen zur Verfügung standen, inzwischen führt man Unternehmen aber, indem man seine Ziele an Marktvorgaben ausrichtet«, sagt der Soziologe Nick Kratzer vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung in München. »Heute fragen sich Führungskräfte eher: ›Wie viel Rendite sollte ein Unternehmen dieser Größe abwerfen?‹, so machen sie sich zum Spielball der Märkte.«
Belege dafür hat Kratzer im Rahmen der Lanceo-Studie gefunden – bei diesem Projekt, dessen vollständiger Titel »Balanceorientierte Leistungspolitik« lautet, untersuchen Wissenschaftler die Belastung von Arbeitnehmern. Dafür haben sie zahlreiche Firmenmitarbeiter – einfache Angestellte, Geschäftsführer und Aufsichtsräte – befragt und so herausgefunden, dass die Unternehmensführung den selbst erzeugten Druck oft an die Mitarbeiter weitergibt: Jeder Einzelne bekommt immer mehr Arbeit zugeteilt und steht unter höherem Zeitdruck. Dass sich viele überlastet fühlen und mit ihrem Job unzufrieden sind, hat also eher strukturelle als persönliche Ursachen.
Oft rauben bestimmte Abläufe im Unternehmen wertvolle Zeit: etwa endlose Meetings, in denen man sich nichts sehnlicher wünscht, als zurück an die Arbeit zu dürfen. Dass gerade die unsichtbare Arbeit – Besprechungen, Controlling, Protokolle schreiben – zugenommen hat, bestätigt Kratzer. »30 bis 60 Prozent des Tages beschäftigen sich Angestellte mit Aufgaben, die mit ihrer eigentlichen Arbeit gar nichts zu tun haben«, sagt er. »Für diese Tätigkeiten bekommen Mitarbeiter in der Regel keine Anerkennung, sondern nur Ärger, wenn etwas schiefgegangen ist.« Das führe bei vielen zu Frustration.
Dass ihr Arbeitspensum schleichend erhöht wird, merken Angestellte oft gar nicht, sondern suchen die Ursache der Probleme bei sich. »Viele denken, sie seien selbst schuld an der Überlastung – weil sie sich nicht gut genug organisieren und dann auch noch kein Yoga machen«, sagt Kratzer. Er nennt das eine »Privatisierung des Problems«.
Wir stellen auf den nächsten Seiten Menschen vor, die Wege gefunden haben, auf Belastungen im Arbeitsleben zu reagieren. Sie haben sich Ausgleich oder Freiraum verschafft, Arbeitsstrukturen verändert oder gewagt, endlich das zu tun, was sie schon lange wollten.
Soziales Engagement: Hilfe zur Selbsthilfe
Wer sein Berufsleben angenehmer gestalten will, kann auch außerhalb des Büros ansetzen und sich sozial engagieren. Damit hilft man nicht nur anderen, sondern profitiert auch selbst: Freiwillige Arbeit hilft, Stress zu bewältigen.
Zu tun gäbe es immer genug – man könnte beim Kücheneinbau im Asylbewerberheim helfen, ein Fest im Kinderheim vorbereiten oder den Senioren im Altenheim einen Kuchen backen. Aber wer hat schon Zeit, sich neben seinem stressigen Beruf für andere zu engagieren?
Was wie eine zusätzliche Bürde erscheinen mag, wirkt für manche wie eine Befreiung. Katrin Tamme etwa engagiert sich in München bei der Stiftung Gute Tat, und wenn sie bei einer Ferienfreizeit Jugendliche betreut hat, geht sie anschließend viel motivierter zurück an ihren Arbeitsplatz bei einer Bank.
Wer anderen hilft, tut auch sich selbst etwas Gutes, gerade in Bezug auf das Berufsleben kann soziales Engagement Wunder bewirken: Menschen, die am Feierabend Sinnvolles tun, lassen sich am nächsten Tag im Büro durch stressige Situationen nicht so leicht die positive Stimmung verderben und schaffen es, auch dann noch gut zuzuhören. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Psychologin Sabine Sonnentag von der Universität Mannheim. Sie interpretiert das Ergebnis so, dass Menschen, die außerhalb des Berufslebens Anerkennung bekommen, im Job weniger unter Stress leiden, da sie die Probleme dort als nicht so entscheidend für ihr Wohlbefinden einschätzen.
Tatsächlich ist der Anteil der Menschen, die sich freiwillig engagieren, bei den 40- bis 49-Jährigen besonders hoch. 42 Prozent der Personen in dieser Altersgruppe engagieren sich sozial – obwohl sie ja meist mitten im Berufsleben stehen.
Um bei kurzzeitigen Projekten wie dem Umbau im Asylbewerberheim oder der Feier im Kinderheim zu helfen, können sich Freiwillige spontan bei der Stiftung Gute Tat melden. Die vermittelt sie an soziale Einrichtungen oder gemeinnützige Vereine, die gerade Unterstützung brauchen.
Auch im Urlaub suchen viele Berufstätige nach einem Sinn, den sie im Job offensichtlich nicht finden. Immer neue Anbieter stellen sich auf diese neuen Wünsche ein, die Tourismusbranche nennt den Trend »Voluntourism«, in Anlehnung an den Begriff volunteer, Freiwilliger. Die Urlauber pflanzen im australischen Outback Bäume, betreuen in kolumbianischen Slums Straßenkinder oder setzen ihre handwerklichen Fähigkeiten dazu ein, ein paar Wochen lang bei einem indischen Unternehmen mitzuarbeiten.
Was die Menschen dazu bewegt, in den Ferien zu schuften und dafür oft auch noch Geld auszugeben, kam bei einer Studie heraus, die Harald Pechlaner beaufsichtigte. Er beschäftigt sich an der Universität Eichstätt-Ingolstadt mit Voluntourism.
Befragt wurden Berufstätige, die im Sommer auf kleinen Bauernhöfen in den Alpen bei der schweren Arbeit halfen. »Darunter waren auch wohlhabende, erfolgreiche Manager, Politiker oder höhere Beamte«, sagt Pechlaner. Viele sagten, sie wollten durch die Arbeit ihr Gewissen beruhigen – sie hätten erkannt, dass sie ihre Position auch durch Glück erreicht hatten. »Was sie von der Gesellschaft bekommen hatten, wollten sie ihr zurückgeben.«
»Durch das Ehrenamt habe ich ständig Erfolgserlebnisse«
Katrin Tamme schöpft bei ihrem sozialen Engagement Kraft für die Arbeit.
»Die Stiftung Gute-Tat.de richtet sich an Leute, die wenig Zeit haben und sich trotzdem sozial engagieren wollen. Das galt auch für mich, als ich vor fast drei Jahren dort angefangen habe. Ich musste mich nicht verpflichten, regelmäßig zu helfen, sondern konnte mich melden, wenn ich gerade Zeit hatte. So habe ich für Familien herzkranker Kinder gekocht, eine Versteigerung für einen guten Zweck organisiert und Kinder auf einen Ausflug ins Freibad begleitet. Das Ehrenamt hat mir dabei geholfen, mir über meine beruflichen Ziele klar zu werden: Ich habe den Job gewechselt, weil ich mich nicht mehr so aufreiben wollte. Jetzt habe ich einen besser geregelten Berufsalltag und so viel Zeit fürs Ehrenamt, dass ich mich um die PR des Projekts kümmere: Ich veranstalte Info-Abende für neue Interessenten, kümmere mich um unsere Facebook-Seite und bemühe mich um Spenden. Die positiven Dinge, die ich im Ehrenamt erlebe, kann ich auf meinen Berufsalltag übertragen: Was wir hier schaffen, ist so toll, dass ich ständig Erfolgserlebnisse habe. Das gibt mir oft neue Kraft, um auch für Probleme im Job Lösungen zu suchen. Und nach einem Erlebnis wie zum Beispiel einer Ferienfreizeit am Plattensee, bei der ich Jugendliche betreut habe, gehe ich auch mit einer ganz anderen Energie zurück in den Berufsalltag.«
Bergbauernhilfe
Ohne Unterstützung könnten viele Bauern in Südtirol ihre Höfe nicht mehr bewirtschaften. Freiwillige sollten sich auf harte körperliche Arbeit einstellen. www.bergbauernhilfe.it
The International Ecotourism Society
Auch unseriöse Anbieter versuchen, unter dem Label Voluntourism Geld zu machen. Deshalb sollten Interessenten bei ihrer Wahl vorsichtig sein. Die International Ecotourism Society ist ein Zusammenschluss empfehlenswerter Veranstalter. www.ecotourism.org
Entspannungstrainings: Mehr als Betäubung
Mit Techniken von Yoga bis Meditation versuchen Berufstätige, den Stress im Joballtag zu bewältigen. Wer die Methoden richtig einsetzt, betreibt nicht nur Schmerzlinderung, sondern kann sein Berufsleben angenehmer gestalten.
Der ideale Arbeitnehmer geht am Morgen joggen, um fit zu werden. Dann fährt er zur Arbeit, treibt sich mit Kaffee an, arbeitet den ganzen Tag lang voller Energie, motiviert, konzentriert, leistet etwas. Abends entschleunigt er sich mit Entspannungsübungen, damit er gut schläft und am Morgen wieder Tempo aufnehmen kann.
Der Markt der Entspannungsangebote hat sich inzwischen etabliert und ausdifferenziert: Yoga im Schwitzbad oder auf dem Trockenen, mit viel oder wenig Power, Techniken, mit denen man das Gehirn neu programmieren soll, Ferien im Kloster mit oder ohne Religion. Die gestresste Bevölkerung nimmt all diese Angebote gerne an.
Da oft die Arbeitgeber den Druck auf den Einzelnen immer weiter erhöhen und so für die zunehmende Überlastung der Arbeitnehmer verantwortlich sind, wäre es eigentlich sinnvoll, bei ihnen anzusetzen. Weil das aber bisher nur selten passiert, kümmern sich vorerst nur die Berufstätigen selbst darum, dass sie bei Laune bleiben. Statt aufzubegehren, stellen sie sich ruhig. Die einen machen sich selbst verantwortlich für das Gefühl der Überforderung, die anderen ärgern sich vielleicht über die Firmen, die zu viel Druck ausüben, halten aber still.
Betreibt also eine ganze Gesellschaft bloß Symptombekämpfung, statt die Ursache der Probleme im System Arbeit zu beheben?
Nicht unbedingt. Mit der richtigen Methode kann man beides erreichen.
Ein gutes Beispiel ist die Achtsamkeitsmeditation. Ihre Wirkung ist wissenschaftlich belegt: Das Training reduziert Stress und Ängste, macht es leichter, ständiges Grübeln zu unterbrechen, hilft bei chronischen Schmerzen und beugt Depressionen vor.
Wer meditiert, lernt, sich selbst und seine Umgebung zu beobachten, und versucht, das, was einem auffällt, nicht zu bewerten. Auf diese Weise können Menschen wahrnehmen, dass sie zum Beispiel unter Arbeitsstress leiden und eine Pause brauchen. Genau dies merken viele nicht, wenn sie in der Mühle der täglichen Bürotätigkeit von einer To-do-Liste zur nächsten hetzen.
»Das Ziel ist natürlich nicht, Ärger wegzumeditieren und sich ruhigzustellen, sondern erst einmal wahrzunehmen, dass man sich überhaupt ärgert«, sagt Elke Popp, die in München gestresste Menschen in Achtsamkeitsmeditation trainiert. »Man beobachtet, wie körperliche Reaktionen kommen und wieder vergehen, bei Wut vielleicht ein Druckgefühl im Magen und angespannte Schultern. Danach kann man doch viel überlegter handeln als in der Wutphase selbst.«
In ihren Kursen fänden die Teilnehmer oft heraus, was sie wollten, sagt Popp. »Oft merken sie, dass sie sich mehr unter Druck setzen lassen, als es nötig wäre.« Sie erzählt von Teilnehmern, die nach dem Kurs endlich einmal Urlaub nehmen, öfter pünktlich nach Hause gehen oder in eine weniger stressige Abteilung wechseln.
Auch Eva Sperger ist davon überzeugt, Techniken wie die Achtsamkeitsmeditation könnten dabei helfen, sich zumindest kleine Freiräume innerhalb des häufig einengenden Arbeitsalltags zu schaffen. Sperger ist Verhaltenstherapeutin, viele ihrer Patienten leiden an Burn-out, zur Behandlung setzt sie auch die Achtsamkeitsmeditation ein. Aus den Gesprächen mit ihren Patienten weiß die Therapeutin: »Viele Unternehmen vermitteln ihren Mitarbeitern zwar offiziell die Botschaft ›Pass auf dich auf‹, gleichzeitig fördert die Firmenmentalität aber einen Wettkampf darum, wer mehr arbeitet.«
Die Meditationsübungen würden den Burn-out-Patienten helfen, wieder ein Gefühl dafür zu bekommen, wann sie überlastet seien, sagt Eva Sperger. Manche vereinbarten daraufhin Zeiten, in denen die Sekretärin niemanden ins Büro lasse oder keine Anrufe mehr durchstelle.
Der Architekt Oliver Mitgutsch hat nach einem Meditationskurs gleich sein ganzes Leben umstrukturiert – und verkauft heute Antiquitäten.
Es kommt also darauf an, wie man Entspannungsübungen einsetzt: Versucht man, sich mit Psychotechniken selbst weiter zu optimieren, tut man vor allem dem Arbeitgeber einen Gefallen. Nutzt man sie, um Abstand vom täglichen Wahnsinn zu bekommen, können sie hilfreich sein.
Dann kann die Besinnung auf sich selbst sogar strukturell etwas verändern. Die Managerin Mira Czutka geht regelmäßig pilgern. Sie hat damit eine Methode gefunden, für begrenzte Zeit aus ihrem fordernden Berufsalltag auszusteigen und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Die Gelassenheit, zu der sie auf dem Jakobsweg findet, kann sie auf den Joballtag übertragen. So nimmt sie aus Projekten von vornherein den Druck heraus.
In ihrem Fall hat das Entspannungstraining nicht nur zu einer Schmerzlinderung in einem ungesunden Arbeitssystem beigetragen, sondern das System selbst ein klein wenig verändert.
Mira Czutka glaubt, dass die gelassene Art des Managements sich in Zukunft durchsetzen wird. Als eine Art Mentorin begleitet sie heute junge Mitarbeiter in ihrem Unternehmen und gibt ihre Philosophie weiter. Von ihr können die Kollegen lernen, dass Management ein bisschen wie pilgern sein kann.
»Ich hatte das Gefühl, dass ich auf einmal mehr Zeit habe«
Oliver Mitgutsch ordnete nach einem Meditationskurs sein Berufsleben neu.
»Ich bin Architekt, Geschichtenerzähler und Antiquitätenhändler. Diese drei Berufe zu vereinbaren hat mich überfordert. Von meinen Lehrern wurde ich schon während des Studiums als zukünftiger Stararchitekt gehandelt. Später verbrachte ich viel Zeit mit meinen Kindern und versuchte zugleich, gute Architektur zu machen, was mir meistens gelungen ist. Aber ich habe viel Energie verbraucht, weil ich mir die falschen Projekte ausgesucht und mein Team nicht gut zusammengestellt habe. Vor vier Jahren dachte ich: Entweder du änderst jetzt etwas, oder du arbeitest dich zu Tode. Dann habe ich einen Kurs in Achtsamkeitsmeditation gemacht, das hat mir gut getan. Ich hatte das Gefühl, dass ich auf einmal mehr Zeit habe. Ich war weniger gehetzt und habe Abstand zum Alltag bekommen, sodass ich klarer sehen konnte. So habe ich mir eingestanden, dass ich als Stararchitekt unglücklich wäre. Deshalb habe ich meine Tätigkeit in dem Bereich stark eingeschränkt und konzentriere mich auf meine anderen Berufe. Es macht mir Spaß, Geschichten zu schreiben und sie in Kneipen, Kirchen oder Theatern zu erzählen. Als fliegender Händler verkaufe ich in anderen Ländern auf Märkten Antiquitäten. Auch dabei hilft mir die Meditation: Wenn ich den Kunden achtsam begegne, verkaufe ich mehr.«
»Man kann nicht alles steuern«
Mira Czutka wendet als Managerin an, was sie beim Pilgern gelernt hat.
»Vor neun Jahren bin ich zum ersten Mal in Spanien gepilgert. Das war für mich eine so positive Erfahrung, dass ich seitdem jedes Jahr den Jakobsweg gehe. Dort reduziert sich alles auf das blanke Leben. Ich muss kaum Entscheidungen treffen – höchstens, ob ich mich jetzt ausruhe oder später. Da ist mein Alltag sonst ganz anders: Als Produktmanagerin bei W. L. Gore & Associates mache ich Marktanalysen und entwickle Arbeitskleidung, da muss ich ständig Entscheidungen treffen. Die Arbeit ist so intensiv, dass man sich leicht in den Tätigkeiten verliert. Aber inzwischen bemerke ich es rechtzeitig, wenn die Seele langsam abstirbt. Das habe ich beim Pilgern gelernt, weil ich da so aufblühe. Auch von einer weiteren Erfahrung profitiere ich im Joballtag: Alles funktioniert auch ohne eine durchgetaktete Organisation. Natürlich setze ich mir bei der Arbeit Ziele, so wie ich auch beim Pilgern weiß, dass ich abends an einer Herberge ankommen will. Aber auf dem Weg dahin gebe ich mich dem Fluss der Dinge hin. Wenn ich auf dem Jakobsweg nicht weiß, in welche Richtung ich weitergehen muss, treffe ich sicher jemanden, der es mir sagen kann. Und bei der Arbeit geht doch ein minutiöser Zeitplan sowieso nie auf, bei der Entwicklung eines neuen Produkts muss jeder seine Planung immer wieder nachjustieren. Man kann eben nicht alles steuern. Ich bezeichne mich zwar nicht als religiös, glaube aber, dass etwas Größeres uns beeinflusst. Davon lasse ich mich lenken.«
Mira Czutka: »Out of Office. Als Managerin auf den Spuren des Franziskus«
Die Autorin erzählt, was sie auf dem Jakobsweg erlebt hat und welche Erkenntnisse ihr das für das Berufsleben gebracht hat. Mitunter sehr spirituell. Kösel, 192 Seiten, 16,99 Euro
Runterschalten: Weniger Stress, mehr Sinn
Inzwischen sind nicht nur die überlasteten Berufstätigen unzufrieden, sondern auch diejenigen, die mit ihrer Arbeit gut zurechtkommen. Ihnen fehlt der Sinn. Weniger zu arbeiten und sich neu zu orientieren kann ein Anfang sein.
Den Menschen, die zu Wiebke Sponagel kommen, geht es eigentlich gut: Sie haben oft hohe Positionen in Banken, im Marketing oder bei IT-Anbietern, verdienen gut, manche haben die Aussicht, in den Firmen weiter aufzusteigen. Und trotzdem suchen sie Hilfe, weil es ihnen eben doch nicht gut geht.
Wiebke Sponagel hat sich als Coach unter anderem auf das sogenannte Downshifting spezialisiert: Sie hilft Menschen, die ihr Berufsleben ruhiger, langsamer und selbstbestimmter gestalten wollen. »Manche sind überlastet und im Hamsterrad ihres Arbeitslebens gefangen«, sagt Wiebke Sponagel. »Andere sehen in ihrer Arbeit einfach keinen Sinn.« Sie erzählt von einem Produktmanager, der schimpfte, er könne das ewige Streben nach Gewinnmaximierung in seinem Job nicht länger ertragen. Lieber wolle er mit Menschen arbeiten.
Für manche mag derartiges Gejammer nach Luxusproblemen klingen, doch viele werden sich in der Frustration der Erfolgreichen wiederfinden. Die Zeit der unbedingten Leistungsbereitschaft ist offenbar vorbei – je mehr Druck Unternehmen auf Mitarbeiter ausüben, desto mehr scheinen die sich zu fragen, wozu sie sich eigentlich so aufreiben.
Nur: Wie lässt sich der Wunsch nach Entlastung erfüllen? Und, noch schwieriger: Wie findet man Sinn im eigenen Tun?
Manchmal hilft es schon, weniger zu arbeiten. Jürgen Dinse hat seine Arbeitszeit als Unternehmensberater stark reduziert und widmet sich nun lieber eigenen Projekten und seiner Familie. Ihn habe die Veränderung zufriedener und gelassener gemacht, sagt er.
Teilzeitarbeit löst das Problem der Überlastung allerdings nicht automatisch: Wer Pech hat, arbeitet am Ende genauso viel wie in Vollzeit, verdient nur weniger dafür. Wer sich für Teilzeit entscheidet, sollte also lernen, Nein zu sagen, und nur so viele Aufgaben annehmen, wie in der vereinbarten Arbeitszeit zu schaffen sind. Und er sollte sich darauf einstellen, dass er im Job als weniger leistungsfähig betrachtet wird und weniger Anerkennung bekommt. Manchen helfe ein Tagebuch, in dem sie jeden Tag festhalten, was gut gelaufen ist, sagt Wiebke Sponagel. »Auf diese Weise kann man selbst für seine Anerkennung sorgen.«
Trotzdem rät Sponagel ihren Klienten in der Regel nicht zu Teilzeit. Lieber sucht sie mit ihnen gemeinsam nach neuen Wegen auf dem Arbeitsmarkt, die zwar nicht gleich die große Karriere versprechen, dafür aber mehr Sinn. Diesen finden manche ihrer Klienten, indem sie sich selbstständig machen und selbstbestimmter arbeiten.
So hat Sponagel eine Physiotherapeutin begleitet, die ihre Festanstellung gekündigt und sich mit einer eigenen Praxis selbstständig gemacht hat. Eine Unternehmensberaterin ließ sich, unterstützt durch das Coaching, zur Weinkennerin ausbilden, um einen eigenen Laden zu eröffnen. Und der Produktmanager, der so angewidert war vom Gewinnstreben in seiner Branche, leitet jetzt eine private Arbeitsvermittlung und verhilft anderen Menschen zu – hoffentlich sinnvollen – neuen Jobs.
»Die Kollegen reagierten verwundert«
Der Unternehmensberater Jürgen Dinse hat seine Arbeitszeit radikal reduziert.
»Früher habe ich 50 bis 60 Stunden pro Woche gearbeitet, und das gerne. Aber irgendwann hatte ich den Wunsch, an einem sonnigen Tag in einem Café zu sitzen oder spontan segeln zu gehen und trotzdem noch genug Zeit für die Familie zu haben. Wenn man so intensiv arbeitet, muss man Termine aufwendig koordinieren, um auch mal zum Arzt gehen oder das Auto zur Reparatur bringen zu können. So bat ich vor zwölf Jahren bei Ernst & Young darum, meine Arbeitszeit reduzieren zu dürfen. Zunächst stieß ich auf sehr viele Fragen, aber ein Jahr später bekam ich das Einverständnis. Weniger zu arbeiten war damals noch nicht üblich. In meiner Abteilung war ich der Erste, der diesen Schritt ging. Die Kollegen reagierten teils mit Verwunderung, teils mit Anerkennung. Ich glaube, viele von ihnen hätten auch gerne weniger gearbeitet, zögerten aber. Trotzdem reduzierte bald auch ein Kollege seine Arbeitszeit, inzwischen bietet das Unternehmen den Mitarbeitern viele Möglichkeiten von Teilzeit bis zu Sabbaticals. Manchmal arbeite ich mehrere Wochen durch und nehme anschließend die freien Tage. Dazu muss ich auch mal Nein sagen – sonst könnte es passieren, dass ich doch wieder Vollzeit arbeite. In der freien Zeit kümmere ich mich um eigene Projekte, ich bin Teilhaber an Start-ups. Im Café sitze ich gar nicht so oft, war aber dieses Jahr schon segeln. Gleich bringe ich meine Tochter zum Flughafen, mitten am Nachmittag. Privatmensch sein zu dürfen, genieße ich sehr.«
Wiebke Sponagel: »Runterschalten. Selbstbestimmt arbeiten – gelassener leben«
Nicht auf die reine Arbeitszeit kommt es an, sondern darauf, selbstbestimmt das zu tun, was man wirklich will. Haufe, 207 Seiten, 19,80 Euro
Raus hier: Von der Festanstellung in die Freiheit
Viele Angestellte sind müde vom ewig gleichen Büroalltag und träumen davon auszubrechen. Sich selbstständig zu machen kann schiefgehen – oder aber glücklich machen.
Wie wäre es wohl, einfach nicht mehr hinzugehen? Morgens auf der anderen Seite des Bahnsteigs in die S-Bahn zu steigen und wegzufahren, irgendwohin, nur nicht ins Büro, ins Neonlicht, in die Kantine. Heute mal von niemandem hören, dass er ganz schnell was braucht, niemanden treffen, der »Mahlzeit« sagt.
Davon träumen die Deutschen. Das darf man zumindest vermuten, wenn man sich ein paar Fakten anschaut: 66 Prozent der Beschäftigten machen nur noch Dienst nach Vorschrift. Mehr als jeder zweite will nicht mehr ins Büro gehen, sondern von zu Hause aus arbeiten. Tausende lassen sich von Sachbuchautoren dabei beraten, wie sie einen anderen, besseren Job finden, wie sie ihr Angestelltendasein beenden und sich selbstständig machen können – oder gleich ganz aussteigen.
Aber macht es wirklich glücklich auszubrechen? »Kündigen bringt nichts«, lautet die Botschaft von Volker Kitz und Manuel Tusch, Psychologen, Coaches und Autoren des Frustjobkillerbuchs. »Es ist egal, für wen und wo Sie arbeiten«, schreiben sie. Denn die Probleme seien in jedem Büro dieselben – auch der nächste Chef werde einen nicht loben, prophezeien sie, auch im neuen Job werde man Überstunden machen, wahren Gestaltungsspielraum bei der Arbeit habe doch sowieso niemand, und ein höheres Gehalt mache letzten Endes auch nicht glücklich. Als Lösung schlagen sie vor: aufhören zu jammern, mehr Entspannungsübungen machen und zufrieden werden mit dem, was man hat.