Kitabı oku: «Einführung in die philosophische Ethik», sayfa 7
Viertens: Da Normen unmittelbar menschliches Verhalten steuern sollen, kollidieren sie häufiger als Fakten mit persönlichen Interessen. Deshalb fehlt im normativen Bereich öfter die nötige Neutralität, was wiederum eine größere Uneinigkeit gegenüber dem faktischen Bereich erzeugen kann. Einmal mehr läge diese größere Uneinigkeit jedoch nicht an einer fehlenden Wahrheitsfähigkeit. Dies zeigt sich nicht zuletzt darin, dass Faktenfragen, sobald sie doch einmal persönliche Interessen berühren, vergleichbar kontrovers diskutiert werden wie Normfragen. Die Auseinandersetzungen um Kosmologie, Evolutionstheorie, Genetik oder Klimamodelle waren und sind nicht weniger unversöhnlich als die um Bürgerfreiheiten oder Menschenrechte. Das stellt ihren Objektivitätsbezug jedoch keineswegs in Frage.
Fünftens: Skeptizistische Positionen erweisen sich in der konkreten Diskussion oftmals als brüchig, was ihre argumentative Durchhaltbarkeit und ihre diskursiven Hintergründe betrifft. Konfrontiert man einen Vertreter mit einem Extrembeispiel wie Vergewaltigung oder Völkermord und fragt, ob die Richtigkeit bzw. Falschheit solcher Aktionen allein Sache persönlichen Geschmacks oder kultureller Gebräuche sei, gibt er den Skeptizismus nicht selten auf. Stattdessen verweist er auf die Unverletzlichkeit der Person oder auf die Freiheit von Unterdrückung, die selbstverständlich zu gewährleisten seien. Damit werden jedoch Grundsätze angeführt und in ihrer Gültigkeit anerkannt, die unzweifelhaft moralischer Natur sind, wie ungenau und präzisierungsbedürftig sie auch sein mögen. Gelegentlich scheinen subjektivistische oder relativistische Bekenntnisse zudem einer falschen Vorstellung menschlichen Umgangs zu entspringen: Auf moralische Wahrheitsansprüche zu verzichten, gilt oftmals als Zeichen von Toleranz, d.h. als Ausdruck der Bescheidenheit hinsichtlich eigener Ansichten und als Form der Anerkennung gegenüber fremden Überzeugungen. Dies ist allerdings ein Fehler, der bei genauerer Betrachtung rasch zutage tritt. Echte Bescheidenheit besteht im Bewusstsein, sich irren zu können (was Wahrheit voraussetzt), nicht im Glauben, es gebe keine Wahrheit (womit sich niemand irren könnte). Echte Anerkennung meint die Bereitschaft, sich die Meinung des anderen anzuhören (weil er recht haben könnte), nicht die Auffassung, es könne ohnehin niemand recht haben (womit alle Meinungen gleichermaßen belanglos wären).
(3) Skeptizistische Positionen stützen sich zuweilen auf eine bestimmte historische Sicht der Entwicklung von Moral und Ethik: Demzufolge sei normative Ethik in ›moralisch ruhigen‹ Epochen und Gesellschaften entstanden, in denen große Einigkeit in hergebrachten Normen etwa religiösen Ursprungs geherrscht habe. Vor dem Hintergrund dieser Einigkeit habe man naiverweise geglaubt, dass es so etwas wie moralische Wahrheit gebe, und sich entsprechend damit beschäftigt, angebliche ethische Beweise für jene ohnehin allseits anerkannte Moral zu führen. Die moderne globale Erfahrung jedoch zeige, dass erhebliche moralische Divergenzen zwischen verschiedenen Kulturen und auch merkliche moralische Abweichungen innerhalb einer gegebenen Kultur bestehen. Angesichts dessen werde offenbar, dass keine moralische Wahrheit existieren könne, was zu der Einsicht nötige, dass das Geschäft einer normativen Ethik als Suche nach dieser moralischen Wahrheit aufzugeben sei.
Das historische Bild, das hiermit entworfen wird, ist nicht nur überaus klischeehaft, sondern schlichtweg falsch: Normative Ethik ist gerade nicht unter ›moralisch ruhigen‹ Bedingungen entstanden. Denn unter solchen Umständen besteht gar kein Bedarf an ihr. Normative Ethik ist, ganz im Gegenteil, gerade vor dem Hintergrund von moralischen Konfrontationen mit anderen Kulturen und von moralischen Differenzen in der eigenen Kultur entwickelt worden. Sie war immer schon philosophische Reaktion auf die Herausforderung einer Inkohärenz von moralischen Vorstellungen.
Eben diese Herausforderung prägt das klassische Griechenland, in dem die Wurzeln der modernen Ethik liegen: Man hat intensiven Kontakt zu fremden Völkern, die abweichende moralische Normen vertreten, man erlebt in den eigenen Staaten eine große Vielfalt, einen raschen Wechsel und eine tiefe Uneinigkeit hinsichtlich dessen, was moralisches Verhalten sei. Tatsächlich ist angesichts dieser Pluralität, dieses Wandels und dieser Konflikte bereits in der griechischen Antike die skeptizistische Vorstellung verbreitet, es gebe keine moralische Wahrheit. Insbesondere die Sophisten vertreten typischerweise die Auffassung, alle Moral sei willkürlich vom Menschen gesetzt, sei also nur Ausdruck persönlicher Interessen oder kultureller Bevorzugungen.
Die normative Ethik entsteht im klassischen Griechenland wesentlich als der Versuch, diesem Skeptizismus zu begegnen: Namentlich Sokrates, Platon und Aristoteles formulieren ihre ethischen Überlegungen, Ansätze und Systeme, um zu zeigen, wie moralische Gültigkeit jenseits von faktischer Geltung ausgewiesen werden kann. Ethische Begründungen wurden also keineswegs aufgestellt, weil ohnehin moralische Einigkeit bestand und es deshalb ein einfaches Geschäft war. Vielmehr wurden ethische Begründungen genau deshalb entworfen, weil moralische Uneinigkeit herrschte und damit eine schwierige Aufgabe zu bewältigen war.
Ob diese Aufgabe von den antiken oder von späteren Philosophen zufriedenstellend gelöst wurde, ist eine andere Frage: Um sie zu beantworten, muss man sich die entsprechenden Entwürfe ansehen und auf ihre jeweilige Überzeugungskraft hin prüfen. Strikte Demonstrationen, wie in der Mathematik oder der Logik, wird man dabei nicht erwarten dürfen. Dies gilt indessen auch für andere Wissenschaften, Naturwissenschaften nicht weniger als Geisteswissenschaften, in denen ebenfalls keine unumstößlichen Beweise möglich sind, aber allemal bessere oder schlechtere Belege und Argumente vorgebracht werden. Genau hieran wird ihre Fähigkeit bemessen, der objektiven Wahrheit in ihrem jeweiligen Bereich näherzukommen.
Letztlich dürfte dies vielleicht die beste Antwort auf die skeptizistische Herausforderung sein: Über die Wahrheitsfähigkeit des Moralischen lässt sich am ehesten entscheiden, indem man niveauvolle Ansätze normativer Ethik studiert. Ehe man sich daher festlegt, ob es moralische Objektivität geben könne, sollte man sich informieren, welche ethischen Entwürfe diesbezüglich entwickelt worden sind. Hierzu bieten die nachfolgenden Kapitel ausgiebig Gelegenheit. Es ist ratsam, sich in diese Entwürfe zu vertiefen und auf ihrer Grundlage zu entscheiden, ob die in ihnen formulierten Prinzipien bzw. die von ihnen untersuchten Urteile allesamt einzig auf persönlichen Geschmack bzw. kulturelle Gebräuche zurückgehen oder ob sie vielleicht doch zuweilen moralische Wahrheiten zu vermitteln vermögen.
Die metaethischen Positionen, die in den folgenden Abschnitten dieses Kapitels behandelt werden, kommen allesamt darin überein, dass sie den Kognitivismus im epistemologischen Sinne befürworten: Sie bejahen die Objektivität moralischer Normen, sehen also insbesondere das Geschäft einer normativen Ethik als sinnvoll an. Unterschiedliche Auffassungen vertreten sie dahingehend, wie jene objektive Moral beschaffen ist, wie sie erfasst werden kann und worauf sie sich bezieht.
Entsprechend haben die Positionen der nächsten Abschnitte einen doppelten Charakter: Zum einen benennen sie Standpunkte metaethischer Art, die in grundlegender Weise Stellung dazu beziehen, wie moralische Normen verfasst sind, wie man sie erkennt und was sie behandeln. Zum anderen kennzeichnen sie aber auch bereits Typen normativer Ethiken, die in ihren konkreten Strukturen, Methoden und Gehalten jene metaethischen Grundüberzeugungen umsetzen.
3.3 Generalismus und Partikularismus
Die Unterscheidung von Generalismus und Partikularismus lässt sich als eine primär ontologische Differenzierung verstehen: In ihr geht es wesentlich darum, in welcher Gestalt sich moralische Normen genauer konstituieren bzw. welchen Entitäten moralische Werte überhaupt zukommen.
Definitionen
(1) Gemäß dem Generalismus haben moralische Normen die Form allgemeiner Prinzipien. Ihr ursprüngliches Wesen liegt in Regeln für Handlungstypen, etwa der Art: ›Man soll nicht lügen, stehlen, töten etc.‹ Entsprechend sind jene Handlungstypen die eigentlichen Träger moralischer Werte. Einzelne Handlungen tragen demgegenüber ihren moralischen Wert nur deshalb, weil sie ›Fälle von‹ jenen allgemeinen Handlungstypen sind und damit ihrerseits unter dem allgemeinen Prinzip stehen. Die individuelle Zuordnung einer Handlung zu einem Handlungstyp, und damit die Subsumtion jener Handlung unter das Prinzip, ist dabei eine faktische Aufgabe: Sie entscheidet sich an den natürlichen Eigenschaften der gegebenen Handlung. Alle normative Einstufung leistet demgegenüber die allgemeine Regel: Diese Regel weist dem einzelnen Fall, aufgrund jener faktischen Zugehörigkeit, seinen moralischen Wert zu.
Für den Partikularismus hingegen haben moralische Normen die Form konkreter Einzelfallurteile. Ihr wahres Wesen besteht in Befunden zu Einzelhandlungen, etwa der Art: ›Dass Peter in dieser Situation gelogen, gestohlen, getötet etc. hat, ist schlecht.‹ Genauer sind diese Einzelhandlungen sogar die einzigen Träger moralischer Werte. Sie mögen nachträglich zu ›Mengen von‹ Einzelfällen gruppiert werden, etwa indem man Fälle mit ähnlichem Wert zusammenstellt. Aber das verbindende Merkmal dieser Fälle liegt nicht in einer geteilten natürlichen Eigenschaft: Sie tragen jenen ähnlichen Wert nicht, weil sie einem gemeinsamen Handlungstyp zugehörten, der seinerseits unter ein allgemeines Prinzip fiele. Vielmehr trägt jeder Fall diesen Wert ganz für sich allein, in seiner unverwechselbaren Besonderheit, wie es das jeweilige Einzelfallurteil festhält: Sein verbindendes Merkmal mit anderen Fällen liegt einzig in jenem geteilten moralischen Wert selbst.
Generalismus und Partikularismus (ontologische Ebene der Metaethik)
Generalismus: Moralische Normen konstituieren sich in allgemeinen Prinzipien.
Partikularismus: Moralische Normen konstituieren sich in konkreten Einzelfallurteilen.
Gelegentlich wird der Generalismus auch als ›Prinzipienethik‹ oder als ›Prinziplismus‹ bezeichnet. Zumindest der letztere Begriff ist allerdings doppeldeutig: Vor allem in der modernen angewandten Ethik nennt man Prinziplismus einen ganz bestimmten Typ von generalistischen Ansätzen. Diese gehen davon aus, dass Moral aus einem irreduziblen Satz von mehreren Prinzipien besteht, statt aus einem einzigen Masterprinzip, wie es andere generalistische Ethiken annehmen.
Zuweilen wird der Partikularismus auch als ›Situationsethik‹ oder als ›Kasuistik‹ angesprochen. Wiederum ist zumindest beim letzteren Terminus indessen Vorsicht geboten: In der mittelalterlichen philosophischen Ethik meint Kasuistik ein Verfahren, das gerade auf einer generalistischen Grundauffassung von Moral beruht. Es bezeichnet die Kunst, einzelne Fälle allgemeinen Prinzipien zuzuordnen, oder auch die Kunst, solche allgemeinen Prinzipien zu etwas konkreteren, aber immer noch allgemeinen Sätzen zu spezifizieren, die für festumrissene Situationstypen gelten.
(2) Mitunter werden die Wörter ›Generalismus‹ und ›Partikularismus‹ in ganz anderen Bedeutungszusammenhängen verwendet, etwa mit Blick auf den Geltungsbereich von Normen (ihren Subjektkreis), d.h. in der Frage, für wen jene Normen maßgeblich sind: ›Generalismus‹ bezeichnet dann die Auffassung, dass die wesentlichen moralischen Pflichten für alle Menschen gleichermaßen verbindlich sind, kultur- und individuenübergreifend, an allen Orten und zu allen Zeiten. ›Partikularismus‹ meint demgegenüber die Einschätzung, dass zentrale moralische Pflichten nur für bestimmte Gruppen oder sogar nur für bestimmte Einzelpersonen bindend sind. Verbreiteter und passender für diese beiden Auffassungen sind allerdings andere Begriffe: Die erste Position, welche die Allgemeingültigkeit bzw. Universalität moralischer Normen hervorhebt, bezeichnet man besser als Universalismus. Die zweite Position nennt man eher Relativismus bzw. Subjektivismus, wenngleich nicht im skeptizistischen Sinne, dass es keine objektive Moral gebe und stattdessen nur gruppen- bzw. einzelpersonbezogene Interessen in den üblichen Normvorstellungen am Werk seien, sondern im positivistischen Sinne, dass objektive moralische Forderungen nur innerhalb einer gegebenen Kultur bzw. für ein jeweiliges Individuum Gültigkeit haben. In jedem Fall stimmen die beiden skizzierten Positionen nicht mit der hier verwendeten Begrifflichkeit von ›Generalismus‹ bzw. ›Partikularismus‹ überein, d.h. beide Standpunkte können generalistisch oder partikularistisch im obigen Sinne sein: Eine Norm, die für alle Menschen Gültigkeit beansprucht, kann in einem allgemeinen Prinzip bestehen (›Niemand darf Unschuldige töten‹) wie auch in einem unhintergehbaren Einzelfallurteil (›Niemand darf Karl töten‹). Ebenso kann eine Norm, die nur für einige oder sogar nur für einen Menschen Gültigkeit haben soll, als ein allgemeines Prinzip auftreten (›Ich darf keine Unschuldigen töten‹) oder als ein unhintergehbares Einzelfallurteil (›Ich darf Karl nicht töten‹).
Manchmal finden die Wörter ›Generalismus‹ und ›Partikularismus‹ auch Anwendung, wenn es um den Gegenstandsbereich von Normen geht (ihren Objektkreis), d.h. um die Frage, gegenüber wem jene Normen zu befolgen sind: ›Generalismus‹ besagt dann, dass die wesentlichen moralischen Pflichten allen Menschen gleichermaßen geschuldet sind. ›Partikularismus‹ bedeutet demgegenüber, dass zentrale moralische Pflichten nicht gegenüber allen Menschen, sondern nur gegenüber bestimmten Gruppen oder Einzelpersonen relevant sind. Auch hier sind andere Termini üblicher und treffender: Im ersten Fall spricht man eher von einer Forderung nach Unparteilichkeit, vor allem als Unabhängigkeit von der persönlichen Stellung, in der sich der Akteur zu den jeweils Betroffenen befindet. Im zweiten Fall geht es um eine Perspektive der Parteilichkeit, die namentlich gegenüber Menschen angebracht sein mag, zu denen der Handelnde in einer besonderen Sozialbeziehung steht, etwa Familienangehörigen, Landsleuten, Vertragspartnern oder Freunden. In jedem Fall stimmt diese Differenz wiederum nicht mit den hier zugrunde gelegten Definitionen von ›Generalismus‹ bzw. ›Partikularismus‹ überein, d.h. beide Pflichtenarten können generalistisch oder partikularistisch im obigen Sinne sein: Eine Norm, die eine Handlung gegenüber allen Menschen gebietet, kann in einem allgemeinen Prinzip bestehen (›Tut immer allen Mitmenschen Gutes‹) oder in einem unhintergehbaren Einzelfallurteil (›Tut heute allen Mitmenschen Gutes‹). Ebenso kann eine Norm, die eine Handlung nur gegenüber einigen oder sogar nur gegenüber einem Menschen vorschreibt, als ein allgemeines Prinzip auftreten (›Tut immer euren Kindern Gutes‹) oder als ein unhintergehbares Einzelfallurteil (›Tut heute euren Kindern Gutes‹).
(3) Auch Universalismus und Unparteilichkeit dürfen ihrerseits nicht miteinander verwechselt werden: Zuweilen liest man, eine universalistische Moral kenne keine speziellen Pflichten gegenüber bestimmten Gruppen oder Einzelpersonen. Umgekehrt heißt es gelegentlich, eine unparteiliche Moral könne keine exklusive Gültigkeit für besondere Gruppen oder Einzelpersonen beanspruchen.
Tatsächlich sind aber auch hier alle Kombinationen beider Normtypen denkbar: Eine Moral kann universalistisch und unparteilich sein (›Niemand soll irgendwem Leid zufügen‹), aber ebenso wohl universalistisch und parteilich (›Jeder soll für seine Familienangehörigen sorgen‹). Eine Moral kann nichtuniversalistisch und unparteilich sein (›Christen sollen niemandem mit Gewalt begegnen‹), oder auch nichtuniversalistisch und parteilich (›Christen sollen ihren Glaubensbrüdern beistehen‹).
Deduktivismus und Induktivismus
Die Frage, ob Moral sich in allgemeinen Prinzipien konstituiert oder aber allein in Form konkreter Einzelfallurteile auftritt, ist, wie erwähnt, ontologischer Art: Sie thematisiert das Wesen, die Beschaffenheit des Moralischen. Sie ist daher insbesondere von der Frage zu unterscheiden, ob man moralische Richtigkeit eher von Handlungstypen oder eher von Einzelhandlungen erkennt: Dies ist eine epistemologische Frage, die mit der ontologischen Ebene zusammenhängt, aber durchaus ein eigenständiges Problem formuliert.
(1) Ein Generalist ist überzeugt, dass Moral aus allgemeinen Prinzipien besteht: Sie konstituiert sich in übergreifenden Regeln der Art ›Q ist gut‹. Zwar bestreitet er nicht, dass es auch konkrete Einzelfallurteile gibt wie ›A ist gut‹. Aber diese gehören zur Moral allein aufgrund des Prinzips: Der Einzelfall A trägt seinen moralischen Wert ›gut‹, weil er an der natürlichen Eigenschaft Q teilhat (›A ist Q‹). Diese allgemeine Eigenschaft Q ist der eigentliche Träger des moralischen Wertes ›gut‹, wie es das Prinzip festhält (›Q ist gut‹). (Es ist hierbei wesentlich für den Generalisten, dass in der Tat eine allgemeine natürliche Eigenschaft Q mit der allgemeinen moralischen Eigenschaft ›gut‹ verknüpft wird, oder auch mit anderen moralischen Eigenschaften, wie ›gerecht‹ oder ›lobenswert‹. Denn nur dann hat man es mit einem moralischen Prinzip zu tun, d.h. mit einer Regel, die einem sagt, was man tun soll, indem sie festlegt, dass alle natürlichen Vollzüge einer bestimmten Art einen moralischen Wert des angegebenen Typs tragen.)
Dabei kann es sein, dass jenes allgemeine Prinzip ›Q ist gut‹ in der Tat auch leichter oder schneller zugänglich ist als das konkrete Einzelfallurteil ›A ist gut‹. In diesem Fall kann man aus dem moralischen Prinzip ›Q ist gut‹, zusammen mit der faktischen Prämisse ›A ist Q‹ (welche die Subsumtion des Falles unter das Prinzip leistet), auf das konkrete Einzelfallurteil ›A ist gut‹ schließen. Diese Ableitung folgt der deduktiven Schlussrichtung, die vom sicher erkannten Allgemeinen zum zu beurteilenden Besonderen führt (›top-down‹). Die allgemeine Eigenschaft Q bestimmt (ontologisch), wie der einzelne Fall A zu bewerten ist, und man kann auch beim Prinzip ansetzen (epistemologisch), um das Einzelfallurteil zu gewinnen. Normative Ethik wäre damit ähnlich wie Mathematik zu betreiben: Auch dort beginnt man mit allgemeinen Axiomen, etwa den formalen Regeln der Addition, und leitet aus ihnen konkrete Sätze her, etwa die Gleichung 3+5=8. Man mag sich zwar mitunter von einzelnen Rechnungen zu höheren Axiomen inspirieren lassen. Aber der wissenschaftliche Beweis muss letztlich immer in deduktiver Richtung verlaufen, vom ursprünglich gewissen Allgemeinen zum hieraus abgeleiteten Besonderen. Er folgt hiermit der inhärenten Logik mathematischer Systeme, die vom Allgemeinen zum Besonderen führt, aus dem höheren Satz die einzelne Gleichung entstehen lässt. (Ein wesentlicher Unterschied zwischen Mathematik und Ethik liegt freilich darin, dass in der Mathematik die obersten Axiome möglicherweise als Definitionen zu verstehen sind. In der Ethik hingegen müssen die obersten Sätze synthetische Sätze der Form ›Q ist gut‹ sein, nicht analytische Sätze der Form ›gut bedeutet Q‹; vgl. Abschnitt 3.1.)
Es ist aber auch denkbar, dass nicht das allgemeine Prinzip ›Q ist gut‹, sondern das konkrete Einzelfallurteil ›A ist gut‹ besser oder rascher eingesehen werden kann. In diesem Fall müsste man aus dem moralischen Einzelfallurteil ›A ist gut‹, zusammen mit der faktischen Feststellung ›A ist Q‹, auf das allgemeine Prinzip ›Q ist gut‹ zurückfolgern (was nicht im Sinne einer strengen Verifikation, aber im Sinne einer mehr oder weniger gerechtfertigten Vermutung möglich ist). Eine solche Herleitung folgt der induktiven Schlussrichtung, die vom sicher erkannten Besonderen zum zu erfassenden Allgemeinen führt (›bottom-up‹). Dies würde nichts daran ändern, dass nach wie vor die allgemeine Eigenschaft Q den moralischen Wert des einzelnen Falls A bestimmt (ontologisch), aber es würde bedeuten, dass nun das Einzelfallurteil die moralische Einsichtigkeit des Prinzips liefert (epistemologisch). Normative Ethik hätte hiermit ähnlich wie die Naturwissenschaften vorzugehen: Auch dort setzt man mit einzelnen Beobachtungen an, etwa indem man gezielte Experimente mit schweren Körpern anstellt, und erschließt hieraus die allgemeinen Naturgesetze, etwa das Fallgesetz oder das Gravitationsgesetz. Man mag zwar gewisse Mutmaßungen bezüglich jener Gesetze hegen, falls man beispielsweise Symmetrie oder Einfachheit von ihnen erwartet. Aber ihre tatsächliche Bewährung kann letztlich nur auf induktivem Wege erfolgen, vom beobachteten Besonderen zum unbekannten Allgemeinen. Dies ändert indessen nichts daran, dass das Naturgesetz das Einzelereignis bestimmt, die naturwissenschaftliche Determination vom allgemeinen Gesetz zum einzelnen Geschehen verläuft. (Ein gewichtiger Unterschied zwischen Naturwissenschaften und Ethik besteht freilich dahingehend, dass in der Ethik keine Experimente im üblichen Sinne angestellt werden können. Insbesondere genügt ein faktisches Beobachten der Einzelfälle nicht, sondern es ist ein normatives Urteil über jene Fälle erforderlich; vgl. Abschnitt 3.1.)
(2) Ein Partikularist ist demgegenüber davon überzeugt, dass es keine moralischen Prinzipien gibt: Moral besteht für ihn nicht in allgemeinen Regeln des Typs ›Q ist gut‹. Sie konstituiert sich allein in einzelnen Urteilen wie ›A ist gut‹. Entsprechend kann man als Partikularist keinen der beiden Schlusswege beschreiten: Man kann weder deduktiv bei moralischen Prinzipien ansetzen, noch kann man induktiv moralische Prinzipien erschließen. Denn moralische Prinzipien in einem relevanten Sinne existieren überhaupt nicht. (Zwar leugnet der Partikularist nicht, dass es eine allgemeine moralische Eigenschaft ›gut‹ gibt, die an unterschiedlichen Einzelhandlungen immer wieder auftreten kann, und er mag auch einräumen, dass es allgemeine innermoralische Regeln gibt, nach denen unterschiedliche Wertqualitäten wie ›gerecht‹ oder ›lobenswert‹ in einer festen Rangordnung zueinander stehen. Aber er bestreitet, dass es Prinzipien gibt, d.h. Regeln, die diese allgemeinen moralischen Eigenschaften mit allgemeinen natürlichen Eigenschaften verbinden, indem sie festlegen, welcher Handlungstyp welche dieser Wertqualitäten trägt.)
Man mag als Partikularist nachträgliche Zusammenstellungen von ähnlich beurteilten Fällen anfertigen. Man mag Urteilssammlungen der Form ›A1, A2, A3 … sind gut‹ erstellen, als Hilfsmittel für die moralische Heuristik, als Übungsmaterialien für den moralisch Unerfahrenen, als Quellen von moralischer Einsicht. Aber solche nachträglichen Zusammenstellungen haben für den Partikularisten keine eigenständige moralische Bedeutung. Die in ihnen versammelten Fälle teilen keine natürliche Eigenschaft, die originärer Träger eines moralischen Wertes wäre, so dass sie ein moralisches Prinzip, eine gesetzhafte Allaussage wie ›Q ist gut‹ vermitteln könnten. (Man kann ebenso Sammlungen von gelben Dingen zusammenstellen, um an diesen Beispielen einem Unkundigen die Farbe Gelb zu erläutern und sein Urteil über Gelbes zu trainieren. Aber hierhinter verbirgt sich kein gesetzhafter Zusammenhang dieser gelben Dinge, kein Prinzip der Gelbheit, aufgrund dessen alle Dinge, die irgendeine sonstige natürliche Eigenschaft teilen, auch in der speziellen natürlichen Eigenschaft übereinkommen müssten, von gelber Farbe zu sein. Vielmehr trägt jedes dieser Dinge seine gelbe Farbe ganz für sich allein. Und folglich wird man diese gelbe Farbe auch in jedem neuen Einzelfall ganz für sich allein feststellen müssen.)
Für den Partikularisten benennt der Satz ›A ist gut‹ einen moralischen Sachverhalt. Der Satz ›Q ist gut‹ tut dies nicht. Eine konkrete Lüge mag schlecht sein. Lügen allgemein hat keinen moralischen Wert. (Entsprechend gleicht nach Auffassung des Partikularisten die normative Ethik weder der Mathematik noch den Naturwissenschaften. Diese mögen auf das Allgemeine ausgehen, sei es in deduktiver oder sei es in induktiver Weise. Ethik hingegen ähnelt eher der Geographie oder den Geschichtswissenschaften. Diese suchen das Einzelne in seiner Unverwechselbarkeit und Besonderheit zu erfassen.)
(3) Auch die Debatte um Deduktivismus oder Induktivismus bildet einen wichtigen Fokus metaethischer Auseinandersetzungen. Und manchmal wird sie mit dem Streit um Generalismus und Partikularismus verwechselt: Der Generalismus wird dann als deduktive, der Partikularismus hingegen als induktive Auffassung moralischer Begründung dargestellt.
Wie gesehen ist dies ein Irrtum, der sich nicht zuletzt mit Hilfe der Unterscheidung von ontologischen und epistemologischen Perspektiven aufklären lässt: Tatsächlich kann der Generalismus, indem er in ontologischer Hinsicht moralische Prinzipien annimmt, sowohl deduktive als auch induktive Zugänge zu diesen Prinzipien vertreten. Der Partikularismus hingegen, indem er solche Prinzipien rundweg ablehnt, kann auch in epistemologischer Hinsicht keinerlei Zugang zu Prinzipien gelten lassen.
Argumente und Positionen
(1) Generalisten machen gern geltend, dass die Überzeugung, es gebe so etwas wie moralische Erkenntnis, auch den Standpunkt nahelege, es ließen sich hierfür moralische Begründungen angeben. Begründungen müssten aber letztlich immer auf allgemeine Prinzipien bzw. allgemeine Eigenschaften Bezug nehmen. Sie charakterisierten eine Einzelhandlung als ›Fall von‹ und ordneten sie damit einem Handlungstyp zu. Sie brächten sie unter eine allgemeine Regel und begründeten hierdurch ihren moralischen Wert. Eine zufriedenstellende Erklärung dafür, weshalb A gut sein sollte, könne folglich nur darin bestehen, dass A ein ›Fall von‹ Q ist und dass Q generell gut ist. Schon wenn man einzelne Fälle überhaupt sprachlich fassen, einander mitteilen, miteinander vergleichen wolle, müsse man sie unter allgemeine Begriffe bringen. Eine Handlung lasse sich nur angemessen schildern, indem man sie als eine Lüge, einen Diebstahl, eine Tötung etc. kennzeichne. Es erschiene seltsam, wenn keine dieser Zuordnungen, mit geeigneten Verfeinerungen, den moralischen Wert der Handlung festlegen sollte. Im Grunde müssten dann zwei Handlungen in ihren natürlichen Eigenschaften beliebig ähnlich sein können, ohne dass irgendeine Übereinstimmung ihres moralischen Wertes impliziert wäre. Dies laufe auf eine völlige Willkür des moralischen Urteils hinaus.
Partikularisten entgegnen hierauf zumeist, dass verlässliche Urteile im moralischen Bereich, nach aller Erfahrung, erst dann gefällt werden könnten, wenn man direkte Kenntnis des konkreten Einzelfalls habe. Jeder Einzelfall sei anders, und nur, wenn man ihn in seiner Spezifität und Kontextualität betrachte, bestehe eine Aussicht, ihm gerecht zu werden. Generalistische Urteile aufgrund von allgemeinen Eigenschaften blieben demgegenüber äußerlich und pauschal. Entsprechend müssten sie regelmäßig revidiert werden, sobald man sich auf eine ernsthafte Beurteilung der konkreten Einzelhandlung einlasse. Dies belege, dass der moralische Wert eines Einzelfalls eben in seiner einzigartigen Gestalt A liege, nicht in seiner Teilhabe an irgendwelchen natürlichen Eigenschaften Q. Generalistische Ansätze versuchten dieses Problem aufzufangen, indem sie immer feinere Unterscheidungen und Ausnahmeregeln einführten. Statt einer simplen Norm wie ›Q ist gut‹, die der moralischen Wirklichkeit niemals angemessen sein könne, nähmen sie Zuflucht zu komplexeren Normen, etwa der Art ›Q ist gut, aber nur, wenn es nicht zugleich P ist, es sei denn, es ist zudem R, außer, es ist überdies T …‹. Beispielsweise würden Lüge, Diebstahl, Tötung etc. sinnvollerweise nicht generell verboten, sondern nur unter zahlreichen Einschränkungen und Bedingungen. Tatsächlich sei diese Kette von Relativierungen aber nicht abschließbar. Darin zeige sich, dass der moralische Wert überhaupt nicht von allgemeinen Eigenschaften abhänge, sondern ganz in der unhintergehbaren Besonderheit des konkreten Falls wurzle.
Angesichts dieser Konstellation ist es selbstverständlich denkbar, generalistische und partikularistische Aspekte miteinander zu verbinden. So könnten gewisse übergreifende Prinzipien einen moralischen Beurteilungsrahmen abstecken, innerhalb dessen die praktische Urteilskraft immer noch irreduzible Einzelfallurteile zu treffen hätte. Beispielsweise ließen sich allgemeine Sätze des Typs ›K ist gut‹ aufstellen, wobei der Begriff K jedoch nicht rein deskriptiv, sondern anteilig normativ wäre, ohne sich durch irgendwelche weiteren Prinzipien vollständig auf natürliche Eigenschaften Q herunterbrechen zu lassen. Damit wäre auch die Subsumtion ›A ist K‹ keine rein faktische Bestimmung, sondern enthielte ein unhintergehbares moralisches Einzelfallurteil, aufgrund dessen die Handlung A erst ihren endgültigen Wert zugeschrieben bekäme.
(2) Die meisten Ethiker bekennen sich zu einer generalistischen Moralauffassung. Nicht zuletzt sehen viele normative Ethiker ihre eigene Aufgabe gerade darin, allgemeine Prinzipien für das moralische Urteil anzugeben und zu begründen. Oftmals stellen sie ein einziges höchstes Masterprinzip auf, aus dem spezifischere Normen oder auch einzelne Urteile abzuleiten seien (monistischer Generalismus). Gelegentlich nehmen sie eine irreduzible Vielzahl von allgemeinen Prinzipien an, die unterschiedliche Handlungstypen betreffen und in etwaigen Konfliktfällen gegeneinander abzuwägen sind (pluralistischer Generalismus).
Generalistisch sind etwa die meisten deontologischen Ethiken verfasst, d.h. jene Entwürfe, die den Schwerpunkt der moralischen Beurteilung auf den jeweiligen Handlungsvollzug legen (vgl. Kapitel 5): Kant benennt mit dem kategorischen Imperativ eine allgemeine Bewertungsregel, nach der sich die Moralität konkreterer Handlungsmaximen bestimmt. Habermas formuliert als obersten Grundsatz ein übergeordnetes Diskursprinzip, aus dem sich die Legitimität nachfolgender Normregularien ergibt. Rawls wählt als höchste Reflexionsregel ein abstraktes Urzustandsmodell, dem die Gültigkeit nachgeordneter Gerechtigkeitsgrundsätze entspringt. Jeweils steht ein einziges höchstes Prinzip an der Spitze dieser Ethiken, aus dem sich der moralische Status spezifischerer Regeln und zuletzt auch einzelner Handlungen ableitet (monistischer Generalismus).
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.