Kitabı oku: «SHIFT», sayfa 2
2 Unsere Vorstellungskraft, was Gott alles tun kann, ist domestiziert worden
Die landläufig verbreitete Ansicht darüber, wie man Gemeinden gründet, spiegelt wider, dass Gott für viele von uns zu klein geworden ist. Traditionell werden Gemeinden von Start-up-Teams, einem Kernteam von Christen, gegründet. Das Start-up-Team ist gewöhnlich eine Gruppe von Glaubenden, die sich zusammengeschlossen haben, um sich gemeinsam auf die Reise zur Gründung einer neuen Gemeinde zu begeben. Ein Teil der Überlegungen, die das Team anstellt, betrifft die Dienstphilosophie der neuen Gemeinde, ihren strukturellen Aufbau, ihre Dienstfelder und die Art und Weise, wie es sich die Durchführung des Gottesdienstes vorstellt. Erst wenn die Gemeinde funktionsfähig und ihr Betrieb am Laufen ist, richtet man den Fokus darauf, zu evangelisieren und Menschen in Jüngerschaft zu führen. Ich glaube, das ist ein schwerwiegender Fehler.
Anstatt zuzulassen, dass das Neue Testament die Art und Weise beeinflusst, wie wir Gemeinden gründen, beugen wir uns dem Diktat gängiger Vorstellungen. Dass Gemeindegründung auf Bekehrung basierte, war im Leben der Urgemeinde die Norm. Aber das ist nach der heutigen Vorstellung von Gemeindegründung selten der Fall.
Stell dir einen Zirkuselefanten vor. Schon in sehr jungem Alter wird er an einen Pfahl im Boden gekettet. So sehr das kleine Geschöpf es auch versucht, es ist der Macht des Pfahls und der Kette nicht gewachsen. Je älter der Elefant wird, desto stärker wird er. Doch obwohl er nun physisch leicht in der Lage wäre, sich aus der Beengung durch den Pfahl zu befreien, schafft er es trotzdem nicht, denn er ist domestiziert worden. Er wurde dazu abgerichtet zu glauben, dass die Kette und der Pfahl für immer sein Leben beherrschen werden. Und genau das tritt ein.
Auch uns wurde eingetrichtert, dass es nur einen Weg gibt, Gemeinde zu gründen, und dass dieser Weg darin besteht, sie zu organisieren, anstatt von Gott zu erwarten, dass er sie mit seinem Geist erfüllt. Wir sind zu einem Elefanten geworden, der an einen Pfahl gekettet ist und nicht begreifen kann, dass Gott einen besseren Weg haben könnte.
3 Uns fehlen Vorbilder für bekehrungsbasierte Gemeindegründung
Hast du jemals eine Gemeinde erlebt, die mit Neubekehrten gegründet wurde, oder warst du sogar Teil von einer? Die meisten von uns haben Derartiges weder von außen beobachtet, noch waren wir Teil einer solchen bekehrungsbasierten Gemeindegründung. In Deutschland sehen wir erste Hoffnungsschimmer.
Der Startschuss für die Freie evangelische Gemeinde im norddeutschen Lüneburg war eine Welle von Bekehrungen. Vor etwa dreißig Jahren fand in der Stadt eine Zeltevangelisation statt. Der Heilige Geist wirkte auf mächtige Weise. Die Ernte war so überwältigend, dass der hauptamtliche Evangelist seinen Dienst aufgab und zum Gemeindegründer wurde. Die Gemeinde gedieh und gründete eine Tochtergemeinde, behielt dabei aber weiterhin ihren Fokus auf Evangelisation.
Durch Gottes überwältigende Gnade sahen meine Frau Jan und ich, wie vor unseren Augen dasselbe in der Gemeinde geschah, die wir in Mannheim gegründet hatten. In sieben Jahren verzeichnete diese evangelische Freikirche eine Bekehrungsrate von sechzig Prozent! Evangelisation war immer der Ruf in unseren Gebeten, das Wort auf unseren Lippen, das Schuhwerk unserer Füße und die Richtung unserer Schritte. Und der Herr segnete uns reichlich.
In Berlin haben Marcus Rose und seine Organisation „Hoffnung Deutschland“ hunderte auf Bekehrung basierende Hausgemeinden gegründet – die meisten von ihnen in städtischen Gebieten, die in ihrer Demografie Berlin ähneln. Marcus und seine Mitarbeitenden gehen in Bars und Nachtclubs, erzählen den Gästen das Evangelium und erleben immer wieder, wie einige von ihnen zum Glauben an Christus kommen.
Was sie als nächstes tun, ist brillant. Statt die von neuem geborenen Menschen aus ihrem Kontext (Bars und Clubs) herauszureißen und sie an einen anderen Ort zu verpflanzen, lassen Marcus und seine Freunde sie dort, wo sie sie ursprünglich angetroffen haben. Neue Hausgemeinden werden in einer durch und durch säkularen Umgebung geboren und die Leute, die zum Glauben kommen, werden begleitet, damit sie in diesen Kontexten in Christus wachsen können. Mittlerweile finden sich in vielen ihrer neugegründeten Gemeinden mehr Menschen, die noch keine Christen sind, als Nachfolger Jesu.
Kürzlich wurde in Stockerau (Österreich), einer Kleinstadt mit 15.000 Einwohnern, mit Hilfe eines Kurses namens MyLife-Workshop eine neue Gemeinde gegründet. Der Kurs wurde in einer Lokalzeitung beworben. Zur großen Überraschung der Handvoll Christen, die für ihn warben, meldeten sich völlig Fremde aus Stockerau an, die gar keine Christen waren. Diese Menschen kamen zum Glauben und eine Kleingruppe wurde gegründet. Die Keimzelle wuchs und eine neue Gemeinde wurde geboren.
Wohin wenden wir uns normalerweise, um eine Vorstellung von bekehrungsbasierter Gemeindegründung zu gewinnen? Wir reisen nach Afrika, Asien und Südamerika. Wir steigen ins Flugzeug, tauchen in andere Kulturen ein und sehen uns viele Orte auf anderen Kontinenten an, an denen sich Gottes Wirken auf großartige Weise manifestiert. Und genau darin liegt das Problem. Es scheint so, als müssten wir uns außerhalb unseres Kontinents begeben, um Zeuge einer bedeutenden Bewegung von Gottes Geist zu werden.
Nichtsdestotrotz – was wir so schmerzlich vermissen, können wir erleben. Was hält deine Gemeinde und die Gemeinden in deiner Stadt davon ab, das nächste Vorbild für bekehrungsbasierte Gemeindegründung zu werden? Wir sollten selbst zu dem lebendigen Beispiel werden, das unsere Gesellschaft braucht. Wir müssen anderen zeigen, dass bekehrungsbasierte Gemeindegründung tatsächlich möglich ist – sogar dort, wo wir leben!
4 Unser Ansatz für Gemeindegründung ist eher pastoral, obwohl er missional sein sollte
Die meisten Menschen, die Gemeinden gründen, haben eine Hirtengabe. Sie werden nur gelegentlich missionarisch aktiv. Was wir aber brauchen, sind Personen mit einer Gabe der Mission, die von Zeit zu Zeit pastoral tätig werden. Kein Wunder: Das Phänomen, dass Pastorinnen und Pastoren oft auch als Gemeindegründer fungieren, ist nachvollziehbar. In den meisten Fällen werden wir von einer Professorenschaft ausgebildet, die eine ausgeprägte Gabe für das Lehren haben, denn Menschen mit einer apostolischen und evangelistischen Gabe wählen nur sehr selten pädagogische Berufe. Warum nicht? Weil Personen mit diesen Gaben meist nicht die Geduld haben, die es braucht, um zu unterrichten. Sie stehen lieber selbst an vorderster Linie, anstatt Arbeiten zu benoten und darüber zu sprechen, wie es ist, auf dem Missionsfeld zu sein.
Der pastorale Ansatz, der sich oftmals mit der theologischen Ausbildung verbindet, ist in unsere Vorstellung von Gemeindegründung eingesickert. Daher neigt eine Pastorin oder ein Pastor, die oder der Gemeinden gründet, möglicherweise dazu, einen großen Teil ihrer bzw. seiner Zeit am Schreibtisch zu verbringen. Denn so wurde es gelehrt: sich gut vorzubereiten, die Schafe zu weiden und das Studium des Wortes Gottes nicht zu vernachlässigen. Das Problem daran ist, dass dieser Ansatz – so nachvollziehbar er auch sein mag – oft dazu führt, dass wir uns auf die Erlösten konzentrieren, statt die Verlorenen zu suchen.
5 Unser mangelnder Glaube an das, was Gott tun will, hält uns davon ab, bekehrungsbasierte Gemeindegründung zu erleben
Das ist möglicherweise die schwerwiegendste der fünf Ursachen, warum wir keine Gemeindegründungen aufgrund von Bekehrungen erleben: Wir strecken uns gar nicht danach aus! Wir suchen nicht danach, weil wir nicht von Gott erwarten, dass er es tut. Doch der Herr liebt großen, beharrlichen, kühnen Glauben.
Was ist der Unterschied zwischen großem und kleinem Glauben?
Großer Glaube bedeutet, auch dann mit Gottes Eingreifen zu rechnen, wenn es um das geht, was jenseits unserer menschlichen Möglichkeiten und unserer Fähigkeit liegt. Kleinglaube dagegen lässt uns Gott nur für das vertrauen, was wir gewöhnlich durch menschliche Anstrengung selbst bewerkstelligen können, und reduziert Gemeindegründung auf das, was wir zu tun vermögen. Wenn wir die Sache selbst erledigen können, gibt es wenig Grund für viel Glauben. Großer Glaube zeigt sich darin, dass wir offensiv beten und Gott schon für die Wunder der Wiedergeburt danken, bevor sie geschehen. Kleinglaube dagegen offenbart sich im defensiven Gebet: „Herr, beschütze uns, sei mit uns, bewahre uns, heile uns, hilf uns …“.
Wenn wir an die bahnbrechende Bewegung der Reformation im sechzehnten Jahrhundert denken, haben wir Martin Luther vor Augen. Was viele nicht wissen, ist, dass Luther sich auf die geistigen Fähigkeiten seines jüngeren Freundes Philip Melanchton stützte. Auf die Frage, wie er sich den Apostel Paulus vorstelle, antwortete Luther einmal: „Ich glaube, er war ein dünner Hering wie Melanchton.“ Dennoch wusste Luther, dass er ohne Melanchton an seiner Seite das Werk Christi nicht vorantreiben konnte.
Im Juni 1540 wurde Melanchton durch ein Fieber außer Gefecht gesetzt und er lag sterbend in Weimar. Luther eilte zu seinem Bett. Die Ärzte hatten Melanchton dem drohenden Tod überlassen. Luther war entsetzt. Als er seinen Freund in seinem Elend sah, fiel Luther eine Stunde lang betend auf die Knie und erklärte Gott, dass Melanchton nicht sterben könne, weil er ihn brauche. Gott erhörte Luthers inständiges Gebet und heilte Melanchton, sodass er sogar länger lebte als Luther selbst. So sieht großer Glaube aus – selbst im Angesicht einer drohenden Katastrophe.
Ich denke, du stimmst mir zu, dass sich Kleinglaube in vielen Gebeten äußert, die sich mehr um uns drehen als um Gott und seine Möglichkeiten.
Bei der Gemeindegründung verhält es sich wie mit der Schöpfung. Gott hat unsere Welt zweimal erschaffen. Die erste Schöpfung war das blühende Bild in Gottes Gedanken, wie die vollends erschaffene Welt aussehen würde – sein eigener Traum, seine Vision. Die zweite Schöpfung geschah, als Gott sprach, „und es ward …“. Gemeinden werden immer zweimal gegründet: zuerst in den Herzen der Gemeindegründer und dann im Sichtbaren.
Vision entsteht dort, wo Dinge in Bewegung kommen. Wir müssen lernen, gemäß unserer Vision von Gemeindegründung durch Bekehrung zu beten, statt unseren Blick auf das zu richten, was immer schon war.
Wege zu bekehrungsbasierter Gemeindegründung
All dies bringt uns zu der entscheidenden Frage: Wie können wir zu Gemeindegründern werden, die bekehrungsbasierte Gemeinden gründen? Erlaube mir, drei Wege vorzuschlagen: sehen, in Beziehung stehen und Kontakt herstellen.
1 Sehen: Die Zukunft mit Gottes Augen sehen und „JA!“ dazu sagen
Der Verfasser des Hebräerbriefs schreibt: „Und ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen. […] dass er die belohnt, die ihn aufrichtig suchen“ (Hebr 11,6). Jesus führte seine Jünger in die Erntefelder und erzählte ihnen, dass die Ernte groß sei (Mt 9,35-38). Warum tat er das? Weil seine Jünger (darunter auch wir heute) keine Vision von der Ernte hatten. Die Zukunft des Abenteuers Gemeindegründung liegt in der kommenden Ernte. Glaube sieht die Ernte, bevor sie in den Kornspeichern liegt. Glaube trotzt den momentanen Umständen und vertraut Gott, dass die Dinge künftig so sein werden, wie sie sein sollen. In den Augen Gottes ist die Zukunft voller neugeborener Christen. Sehen wir, was er sieht? Das zu sehen, was Gott sieht, und ihm dafür zu danken, noch bevor wir die Ernte einbringen, nennt man Glaube. Und Glaube beruht auf Hoffnung.
„Er (der Glaube) ist ein Rechnen mit der Erfüllung dessen, worauf man hofft, ein Überzeugtsein von der Wirklichkeit unsichtbarer Dinge“ (Hebr 11,1). Im Englischen stammt der Begriff „Hoffnung“ (hope) von der alten Wortwurzel „hoppen“ ab. „Hoppen“ (hüpfen) bedeutet, vor Freude zu springen in der Erwartung dessen, was geschehen wird. Springen wir vor Freude im Glauben und der Erwartung dessen, was er hervorbringen wird: eine reiche Ernte?
2 In Beziehung stehen: Christus sein für andere
So vieles im Leben Jesu war auf Beziehungen ausgerichtet. Er verbrachte viel Zeit mit seinen Jüngern – und mit den Sündern. Er lehrte uns, wie wir zu seinen Zeugen werden und andere in Jüngerschaft führen können. Der Mörtel zwischen den Steinen eines stabilen Gemeindebaus sind gesunde Beziehungen.
Ich ermutige jede Leiterin und jeden Leiter eines Gemeindegründungsprojekts dazu, sich erst einmal darauf zu konzentrieren, zu mindestens fünfzig Nichtchristen eine Beziehung aufzubauen, bevor sie überhaupt daran denkt, einen organisierten Gottesdienst abzuhalten. Wir müssen lernen, den Menschen unsere Zeit zu schenken. Aber was tun wir in der Zeit, die wir ihnen schenken? Drei Dinge: wir hören zu (Zuhören ist die Sprache der Liebe, die Menschen in unserer Zeit verstehen); wir verstehen (worin ihre Ziele, Sehnsüchte, Enttäuschungen, Hoffnungen, Ängste bestehen); wir versetzen uns in sie hinein („Ich habe diese Gefühle auch.“).
Als Gemeindegründer lassen wir die verlorenen Menschen wissen, dass wir ihre Hilfe brauchen. Unser Ziel ist es, für eine Gruppe von Menschen eine Gemeinde zu gründen. Also gehen wir zu diesen Menschen und suchen ihre Hilfe und bitten um ihre Meinung: „Was sind eure Träume? Was macht euch wütend? Was macht ihr in eurer Freizeit? Wie sieht für euch ein gutes Leben aus? Was sind für euch die Dinge, für die es sich zu sterben lohnt? Was lest ihr? Wenn ihr Gott nur eine Frage stellen könntet, welche wäre das?“
Bevor wir uns mitteilen, müssen wir den anderen verstehen. Und um verstehen zu können, müssen wir zuerst einmal zuhören. Wenn wir zuhören und verstehen, gewinnen wir wertvolle Einblicke in das Leben der Menschen, die wir erreichen wollen. Die Zeit, die wir uns nehmen, um von ihnen zu lernen, kann zu kostbaren Momenten werden, in denen sich unsere Herzen miteinander verbinden und wir uns näherkommen.
3 Kontakt herstellen: Unseren Freunden außerhalb der Kirche auf bedeutungsvolle Weise das Evangelium bringen
Einige Gemeindegründer können sehr gut mit Nichtchristen umgehen, aber das ist auch alles. Sie laden ihre nichtchristlichen Freunde nicht ein, den nächsten Schritt zu tun, der sie normalerweise zu einem Leben mit Christus führen würde. Wir müssen Gelegenheiten schaffen, die es den Menschen ermöglichen, nicht nur mit uns, sondern auch mit dem lebendigen Gott in Verbindung zu treten.
Wir verwenden dazu gern eine Ressource namens MyLife-Workshop. Er richtet sich an Menschen, die keine christliche Erziehung genossen oder wenig Interesse am Christentum haben (mehr dazu in Kapitel 3). Der Workshop setzt bei der Tendenz von Nicht-Christen an, sich viel um die eigene Person zu drehen. In den meisten Fällen lieben die Menschen sich selbst und reden lieber über sich als über irgendwelche Theorien.
Zum großen Teil laufen unsere Bemühungen zur Gemeindegründung auf nichts anderes hinaus als einen „Transfer der Heiligen“. Es findet kein Wachstum statt, wie es das Neue Testament beschreibt. Wir brauchen dringend, dass der Herr der Ernte selbst in die Felder tritt und Menschen, die gerettet werden, zu der Zahl der Erlösten hinzufügt. Das Lydia-Modell für Gemeindegründung basiert auf Bekehrung. Weil wir dieses Wissen über die Urgemeinden haben, dürfen auch wir es jetzt im Geist ergreifen und Gott vertrauen, dass er sein Erlösungswerk tun wird, wenn wir mit ihm zusammenarbeiten. Dann werden wir sehen, wie sein Reich im Leben von Menschen anbricht und sie von ihm auf neuen Wegen geleitet werden, Gemeinden zu gründen.
? Fragen zur Diskussion
• Stell dir vor, du als Gemeindegründerin oder Gemeindegründer wärst der Zirkuselefant, den ich vorhin in diesem Kapitel beschrieben habe. Welche Faktoren würdest du als Hindernisse identifizieren, die dich wie eine Kette davon abhalten, auf Bekehrung basierende Gemeindemultiplikation anzustreben?
• Womit müsstest du anfangen und womit solltest du lieber aufhören, um Früchte der Ernte zu sehen?
• Inwiefern würde die Perspektive von einer bekehrungsbasierten Gemeindemultiplikation deine Gebete verändern?
1 Frei übersetzt nach E. Stanley Jones, The Christ of Every Road (New York: Abingdon Press, 1930), 248.
2 Das erinnert mich an die geflügelten Worte des Vineyard-Gründers John Wimber, der einmal gesagt hat: „Man kann mit den Prinzipien für Gemeindewachstum auch eine Tankstelle eröffnen“.
3 Bryan R. Wilson, Religion in Secular Society (Baltimore: Penguin Books, 1969), 106.
4 Frei übersetzt nach Andrew Root, Faith Formation in a Secular Age: Responding to the Church’s Obsession with Youthfulness (Grand Rapids, MI: Baker Academic, 2017), xvi.
5 Für eine ausführliche Diskussion siehe Adam Seligman, Modernity‘s Wager (Princeton, NJ: Princeton University Press, 2000).
SHIFT 2 Von Groß zu Klein
Verachte diese kleinen Anfänge nicht, denn der HERR freut sich, die Arbeit beginnen zu sehen …
Sach 4,101
Schaue dir die beiden Bilder unten an. Was fällt dir dabei auf?
Abb. 1: 100-Euro-Schein
Abb. 2: „Ein Sonntagnachmittag auf der Insel La Grande Jatte“, Georges Seurat
Oben sehen wir einen Geldschein von einem Wert, den die meisten von uns gerne in größerer Menge hätten. Das zweite Bild ist ein berühmtes Gemälde von Georges Seurat, das 1884 fertiggestellt wurde. Die Insel La Grande Jatte ist ein öffentlicher Park am Ufer der Seine in der Nähe von Paris. Beide Bilder sind sehr unterschiedlich – und zugleich sehr ähnlich.
Sowohl der 100-Euro-Schein (und übrigens alle Euro-Geldscheine) als auch Seurats Gemälde wurden nach dem Prinzip bzw. der Technik des Pointillismus hergestellt, bei der eine Vielzahl von einzelnen Punkten im Auge zu größeren Strukturen verschmelzen, sodass sich eine Abbildung ergibt. Der Geldschein und das Gemälde bestehen also aus einer Ansammlung von Millionen von Punkten, die strategisch platziert wurden, um die Bilder zu formen, die wir sehen.
Unser Gott liebt die kleinen Anfänge
In der gesamten Heiligen Schrift sehen wir, wie Gott nach dem Prinzip des Pointillismus arbeitet: Er nimmt kleine, scheinbar unbedeutende Mosaiksteine und setzt sie ein, um eine große Rolle in seinem beeindruckenden Erlösungsplan zu spielen.
Der Prophet Sacharja sagt uns, dass Gott die kleinen Anfänge mit großer Wertschätzung betrachtet und seine Pläne darin auf wundersame Weise zur Erfüllung kommen: „Denn wer hat den Tag der geringen Anfänge verachtet? Die werden doch mit Freuden sehen den Schlussstein in Serubbabels Hand.“ (Sach 4,10)
Es begann mit Abraham. Um jede Nation auf der Erde zu erreichen, rief Gott Abram dazu auf, der Kanal des Segens für alle zu sein:
Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. (1Mo 12,1-3)
Samen sind klein und lassen sich leicht übersehen. Aber wenn sie gepflanzt, bewässert und gepflegt werden, können sie enorme Mengen guter Früchte hervorbringen. Ich habe es schon immer geliebt, wie Jesus etwas so Großes wie sein Reich mit etwas so Winzigem wie einem Senfkorn verglich:
Jesus erzählte der Menge ein weiteres Gleichnis: »Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf sein Feld sät. Es ist zwar das kleinste aller Samenkörner. Aber was daraus wächst, ist größer als alle anderen Gartenpflanzen. Ein Baum wird daraus, auf dem die Vögel sich niederlassen und in dessen Zweigen sie nisten. (Mt 13,31-32)
Als Jesus die Menschenmenge am See Genezareth speiste, brauchte er nur ein paar Fische und fünf Brote:
Als alle sich gesetzt hatten, nahm Jesus die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf und dankte Gott dafür. Dann zerteilte er die Brote und die Fische und ließ sie durch die Jünger an die Menge verteilen. Und alle aßen und wurden satt. Am Schluss wurde aufgesammelt, was sie übrig gelassen hatten – zwölf Körbe voll. (Lk 9,16-17)
Fünftausend Männer samt einer Menge Frauen und Kinder wurden allein durch diese geringe Menge an Nahrung vollständig gesättigt.
Immer wieder betonte Jesus, welch kleine Zahl er brauchte – seien es zwei, drei oder zwölf –, um seine großen Ziele zu erreichen. Er sandte die Zweiundsiebzig in Zweiergruppen nach ganz Galiläa aus (Mt 10,1). Er nahm nur drei Jünger mit, um Zeugen seiner Verklärung zu werden (Mt 17). Und am Ende seines Dienstes auf Erden legte er den allerersten Auftrag, die Nationen zu Jüngern zu machen, in die Hände seiner auserwählten Zwölf.
Das Geringe ist in den Augen unseres Herrn von großer Bedeutung.
Die stille Macht des Geringen
Es ist für mich immer wieder interessant zu beobachten, wie oft Größe mit Bedeutung gleichgesetzt wird. Wenn Amerikaner etwas Neues anfangen, tun sie dies meist mit großem Tamtam: Unsummen von Geld, ausgeklügeltem Geschäftsplan und übertriebener Werbung.
Das Kleine ist in der Regel nicht das, wonach wir uns ausstrecken. Doch in der Natur birgt das Kleine große Möglichkeiten in sich. In jedem Baby, in jedem Samen und auch in jedem Herzen, das Gott gegeben wird, steckt ein verborgenes Potenzial für Wachstum. Ein einzelner Samen trägt die gesamte genetische Struktur der reifen Pflanze in sich. Wenn ein Landwirt Saatgut von guter Qualität ausbringt, kann er eine große und reiche Ernte erwarten.
Sogar in der Technologie sind die winzigen Dinge von größter Bedeutung. Das Geheimnis leistungsfähiger Computer liegt in ihrer Nanotechnologie – kleinen Chips mit extrem hoher Leistung. Und im Kleinen liegt auch der Schlüssel zur Gemeindemultiplikation, ob wir es zugeben wollen oder nicht. Gemeindegründung besteht im Wesentlichen darin, den Fokus auf die kleinsten soziologischen Einheiten im Organismus der Gemeinde zu legen und zielstrebig auf ihre Vervielfältigung hinzuarbeiten. Wenn wir diese Mikroebene zum Wachsen bringen können, lassen sich von dort aus die höheren Ebenen erschließen – die Entwicklungen auf der Makroebene. Die Bibel bezeugt die Macht des Geringen und wir können das auch.
Wenn wir wollen, dass die Zahl unserer Gemeinden wächst und Bewegungen hervorbrechen, müssen wir unser Augenmerk auf die kleinen Anfänge legen. Meiner Überzeugung nach besteht einer der Gründe, warum Leiterinnen und Leiter zögern, Gemeinden neu zu gründen oder Tochtergemeinden zu bilden, darin, dass in ihrem Umfeld Gemeindegründung nur auf der Makroebene geschieht: Eine reife Gemeinde bringt eine andere Gemeinde hervor. Was sie nicht sehen, ist die Macht der vielen kleinen Einheiten, die es in der Makrogemeinde gibt: unmittelbare Jüngerschaftsbeziehungen zwischen zwei Menschen und Kleingruppen.
Ich möchte folgende Behauptung aufstellen:
Wenn wir bereit sind, unsere konzentrierte Aufmerksamkeit auf diese kleinen Einheiten zu richten und dafür zu sorgen, dass sie sich vervielfältigen, dann haben wir alles, was wir brauchen, um Tausende neuer Kirchen zu gründen und damit den Grundstein für Level-5-Multiplikation zu legen.
Reproduzierbare Systeme
Auch auf die Gefahr hin, Kontroversen auszulösen, würde ich gern folgende Einblicke zu bedenken geben: Ich glaube, wir haben die Rolle der Geistesgaben im Dienst überbetont. Bitte verstehe mich nicht falsch. Ohne Zweifel bergen die Geistesgaben großes Potenzial. Paulus und Petrus betonen den Wert der geistlichen Gaben für das gesunde Wachstum von Ortsgemeinden nicht umsonst an vier verschiedenen Stellen.2 Besonders im Bereich der Gemeindegründung brauchen wir bestimmte Gaben, die oft großen Segen mit sich bringen.
Was aber, wenn die Gaben nicht vorhanden sind? Die Wahrheit ist, dass der Missionsbefehl nach wie vor gültig ist – sei es mit oder ohne Gaben. Eine Überbetonung der Geistesgaben kann zum Nadelöhr für den Dienst werden; sie schränkt das Wachstum ein. Ein Dienst kann nur so weit und so stark wachsen wie diejenigen, die ihn mit ihren Gaben leiten. Wie gehen wir mit diesen Hindernissen um?
Das Prinzip der Reproduktion bildet eine Möglichkeit, übermäßige Abhängigkeit von Begabungen zu überwinden. Im Unternehmenssektor bezeichnet der Wirtschaftsprofessor und Autor Robert Quinn diese Abhängigkeit als die „Tyrannei der Kompetenz“.3 Je einzigartiger der Beitrag eines Individuums zu einer Organisation ist, desto abhängiger wird die Organisation von dieser Person. Vermutlich fallen dir viele gute Dienste ein, die sich auf die Gaben ihrer Leiterinnen und Leiter gegründet haben. Doch sobald diese ihr Amt niederlegten, geriet der Dienst ins Stocken und stagnierte. Dahingegen sind Systeme, die auf Reproduktion basieren, in der Regel besser als die Menschen, die sie nutzen, indem sie deren Begabungen einbeziehen und zur größtmöglichen Entfaltung bringen sowie Unzulänglichkeiten ausgleichen. Sie helfen den Leiterinnen und Leitern, ihr intuitives Vertrauen auf ihre eigenen Stärken zu überwinden und den Dienst wachsen zu sehen.
Jede wachsende Bewegung braucht gesunde Systeme zur Reproduktion, die besser sind als die Menschen, die von ihnen Gebrauch machen. Systeme wie diese sind nicht nur praktisch, einfach anzuwenden und fruchtbringend, sie haben auch eine wohltuende Wirkung auf ihre Nutzer. Diese wohltuende Kraft ist die Fähigkeit, Christus immer ähnlicher zu werden und Menschen zu erreichen, die fern von Gott sind.
Mini-Churches
In der Gemeinde, die wir vor Jahren in der Stadt Kaiserslautern (100.000 Einwohner) gegründet haben, begannen wir mit einer Mischform von „Triaden“4 zu experimentieren. Wir nannten sie Mini-Churches. Das Modell ist simpel und lässt sich ebenso leicht reproduzieren.
Wie es funktioniert? Zuerst lädt jemand zwei FAT-Christen (faithful, available, teachable – „treu, verfügbar, belehrbar“) in sein Haus ein, wobei die Gäste dasselbe Geschlecht haben sollten wie der Gastgeber. Der Gastgeber verkündet, dass er mit seinen beiden (FAT-)Freunden eine neue Mini-Church gründen möchte. Sie erklären sich voreinander verbindlich dazu bereit, sich zu einer Übung zu verpflichten, die der Autor Neil Cole „spirituelles Atmen“ nennt. „Einatmen“ bedeutet, das Wort Gottes, das Sauerstoff für die Seele ist, aufzunehmen.
Alle Teilnehmer versprechen, jeden Tag jeweils dasselbe Kapitel aus Gottes Wort zu lesen. Die Bibellese kann aus aufeinander folgenden Kapiteln bestehen (z. B. am Montag Johannes Kapitel eins; am Dienstag Johannes Kapitel zwei usw.). Oder die Teilnehmer können eine ganze Woche lang jeden Tag dasselbe Kapitel lesen (z. B. eine Woche lang täglich Psalm 23).
Die Teilnehmer kommen jede Woche zusammen, um sich darüber auszutauschen, wie Gott durch die Bibellese zu ihnen gesprochen hat. Dann atmen sie aus, legen voreinander Rechenschaft ab und erzählen sich gegenseitig, wie sie in der vergangenen Woche gelebt haben. Anregungen für die Fragen, die sich jede Woche wiederholen, könnten sein: 1) Wo wurdest du letzte Woche in Versuchung geführt und wie hast du auf diese Versuchung reagiert? 2) Hast du der Zeit mit deiner Familie (oder deinen engsten Freunden) Priorität eingeräumt? 3) Wurdest du auf jemanden wütend und bist es noch immer? 4) Hast du jemandem unbemerkt im Verborgenen gedient?
Geistliche Veränderungsprozesse geschehen selten, solange wir über das christliche Leben im Konjunktiv sprechen: so müsstest du leben, so solltest du leben. Vielmehr findet Verwandlung statt, wenn drei Dinge zusammenkommen: Nähe, Offenheit und gegenseitige Rechenschaft. Unter Rechenschaft versteht man, vor jemandem zu bekennen, wie man in der letzten Woche gelebt hat (beachte die Vergangenheitsform).
Es ist wichtig, dass Mini-Churches nach Geschlechtern getrennt sind. Durch eine Durchmischung der Geschlechter, die in vielen Kleingruppen vorkommt, bleiben die Teilnehmer eher reserviert. Kaum ein Mann wird offen über seinen Hang zur Pornographie sprechen, wenn eine Frau anwesend ist. Wenn aber Männer mit anderen Männern zusammenkommen, ist der Schamfaktor gemildert. Dasselbe gilt für Frauen.
Wenn die beiden anderen FAT-Christen zustimmen, die Mini-Church ins Leben zu rufen, gibt der Gastgeber jedem eine kleine Portion Joghurt zu essen und bittet die beiden Christen, Parallelen zwischen dem Joghurt und ihrer Mini-Church herzustellen:
„Schmeckt nahrhaft. Unsere neue Gruppe verspricht, kraftspendend zu sein.“
„Der Joghurt enthält lebende Organismen. Unsere Mini-Church wird auch lebendig sein.“
Nachdem wir die lebensverändernde Kraft unserer Mini-Church erfahren haben, wollen wir eine vierte Person in unsere Gruppe einladen. Diese Person soll einer oder eine von unseren Freunden sein, die noch keine Christen sind. Wir werden sie einladen, dasselbe zu tun, wie wir, aber zunächst nur für zwei Wochen. Dieser Freund oder diese Freundin, die noch nicht Christ ist, zögert vielleicht, weil er oder sie noch keine Ahnung hat, was eine Teilnahme genau bedeuten würde. Die zwei Wochen verschaffen der Person genug Zeit, um das auszuprobieren und dann zu entscheiden, ob sie bleiben oder gehen will.
Auf diese Weise gebt ihr dem Suchenden genügend Zeit, die Gnade Gottes zu erleben. Zugleich hat er die Möglichkeit für einen bequemen Ausstieg, bei dem er sein Gesicht wahren kann, falls er sich entschließen sollte, die Suche abzubrechen. Die Gruppen sind dazu gedacht, dass Nichtchristen zum Glauben an Christus kommen und in den Mini-Churches weitere lebensverändernde Schritte tun können. Am Ende der vier Monate gehen die vier Mitglieder der Mini-Church zum Essen in ein örtliches Restaurant aus und teilen sich danach in zwei Zweiergruppen auf. Jede dieser Gruppen lädt noch einen weiteren FAT-Christen in die neu formierte Mini-Church ein und der Prozess beginnt von vorn.
Was sind nun die charakteristischen Merkmale eines reproduzierbaren Systems, wie es hier durch die Mini-Churches veranschaulicht wird? Erstens ist das Format einfach zu verstehen und anzuwenden. Geistliches Atmen, eine noch nicht glaubende Person in die Gruppe einladen, Einhalten einer zeitlichen Frist und Multiplikation – das sind leicht verständliche Prinzipien, die bei bewusster Vorgabe auch leicht umzusetzen sind. Zweitens, reproduzierbare Systeme sind nicht von bestimmten Geistesgaben abhängig. Jeder, der ein hingegebener, lernwilliger Christ ist und etwas Zeit erübrigen kann (FAT), ist in der Lage, sie anzuwenden. Drittens dienen sie zur Multiplikation. Dass sie sich vermehren, gehört zu der DNA reproduzierbarer Systeme. Viertens basieren diese Systeme nicht auf Leiterschaft. Sie können auch von Menschen angewendet und immer wieder durchgeführt werden, die keine Leitungsbegabung besitzen. Fünftens: Mini-Kirchen machen sowohl diejenigen zu Jüngern, die sich noch vor dem Schritt der Bekehrung befinden, als auch diejenigen, die Jesus bereits innerhalb dieses reproduzierbaren Systems nachfolgen. Das Schöne an dieser Art, Menschen in Jüngerschaft zu führen, ist, dass keine Leitung gebraucht wird. Die Methode ist zudem nicht von Begabungen abhängig, damit sie funktioniert. Das ist äußerst bedeutsam, denn in einer durchschnittlichen evangelikalen Gemeinde haben nur etwa zehn Prozent der Menschen die Gabe der Evangelisation. Doch was bedeutet das für die anderen neunzig Prozent, die die Gabe nicht haben, aber dennoch aufgerufen sind, den Missionsbefehl zu erfüllen? Das Format der Mini-Kirchen dient an dieser Stelle als eine geistliche Disziplin, die den Auftrag, Menschen zu Jüngern zu machen und zu evangelisieren, in sich vereint.
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