Kitabı oku: «Sonnenkaiser»

Yazı tipi:

Dirk Meinhard

Sonnenkaiser

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Roman

1.

2.

3.

4.

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6.

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8.

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Quellen und Autor

Impressum neobooks

Roman

Eine europaweite Staatspleite hat zu einer Neuordnung staatlicher Macht und Aufgaben geführt. Kapitalfonds zwangen die Bankrottstaaten zur Begleichung ihrer Schulden durch Verkauf von Staatseigentum und Anpassung von Gesetzen.

Große Energieunternehmen erzeugen einen großen Teil des in Europa benötigten Stroms außerhalb des Kontinents. Das Größte unter ihnen, DesertEnergy, finanziert durch einen der Kapitalfonds, produziert Strom in großen Energieparks in Marokko und Algerien. Sicherheitsunternehmen wie GlobSecure schützen diese für Europa lebensnotwendigen Anlagen vor Anschlägen, aber auch in Europa Stadtbezirke, Unternehmen und sogenannte Residenzen, in denen Vermögende sich abschotten, auch vor kriminellen Bedrohungen, etwa durch die Organisation FreePeople.

Der arbeitslose und durch eine Knieverletzung gehandicapte und arbeitslose Ex-Polizist Daniel Neumann, dem der Rauswurf aus seiner Wohnung und damit der Umzug in eine der vom Staat ignorierten No-Go-Zonen droht, bekommt den Auftrag angeboten, den vermissten Sohn Marc des CEOs von DesertEnergy zu suchen. Doch CEO Frederic Jacobs scheint am Sucherfolg überhaupt kein Interesse zu haben. Er stellt Neumann seinen Leibwächter zur Seite, dessen Aufgabe es eindeutig ist, Daniel zum Aufgeben zu bringen.

Aber der findet schnell eine Spur des Gesuchten, der mit den von ihm gestohlenen Daten eines Brennstoffzellenprototyps Kontakt zur militanten Organisation FreePeople aufgenommen hat. Marc Jacobs scheint gegen das Unternehmen seines Vaters zu agieren. Jemand versucht, Marcs Exfreundin Nisha, maßgebliche Entwicklerin des Prototyps, zu töten.

Nach einem terroristischen Anschlag auf die Seestromkabel des Unternehmens an der marokkanischen Küste präsentiert GlobSecure die vermeintlichen Täter und Daniel begreift, dass es um mehr als nur den Prototypen und den Sohn des CEO geht.

GlobSecure will Daniel und Nisha daran hindern, Marc weiter zu suchen. Ihnen gelingt die Flucht. Sie finden Marc und entdecken so das Geflecht aus Intrigen um den Energiekonzern. Ihr Leben ist in Gefahr und der Leibwächter, der eigentlich auf der falschen Seite steht, scheint ihre einzige Hilfe zu sein.

1.

Vom Beobachtungsturm hatte man trotz der nicht allzu groß geratenen Sichtöffnungen einen guten Ausblick auf die Umgebung. Mit dreißig Metern Höhe befand sich der Aussichtsposten weit unter den Spitzen der nördlich gelegenen Windkraftanlagen, deren gewaltige Rotoren sich gleichmäßig im vom Meer gegen das Land drückenden Wind drehten. Die zahlreichen Rotorblätter dieses künstlichen Waldes verursachten ein vielstimmiges dumpfes Brummen, als würde ein gewaltiger Schwarm überdimensionaler Hummeln am Himmel schweben. Solange Wind wehte, war dieses Geräusch präsent, obwohl die Abstände zwischen den Rotoren beträchtlich waren. Die tief stehende Sonne warf lange Schatten, die sich mit den riesigen Rotorblättern bewegten. Die Schatten legten sich im Osten bereits über die Sicherheitsanlagen, die das Gelände umgaben.

Mehrere Reihen von Panzersperren und ein vier Meter hoher starker Stahlmattenzaun auf einem hohen Betonsockel trennten das Gelände von der Hauptstraße, die an Sidi Ifni vorbei nach Agadir führte. Zwischen dem von Stacheldrahtspiralen gekrönten Zaun und den Panzersperren befand sich ein mehrere Meter tiefer und breiter mit Betonplatten abgestützter Graben. Hinter dem Zaun, innerhalb des gesicherten Geländes, folgte eine drei Meter hohe Betonmauer dem Verlauf des Zauns und bildete mit diesem quasi einen mehrere Meter breiten Kanal.

Die Anlage zog sich vom südlichsten Punkt, den der Turm markierte, zehn Kilometer nach Norden und acht Kilometer nach Westen, umschlossen von einem fast dreihundert Meter breiten Streifen mit Sand, kleinen Steinen und Geröll. Ein Stück neben dem Fuß des Beobachtungsturms blickte Rob auf ein breites Tor in der Absperrung, eins von insgesamt drei, groß genug für die überlangen Trucks, die mehrmals täglich kamen und Bauteile für weitere Windkraftwerke und Solaranlagen lieferten. Das Gelände bot noch genug Platz für weitere Stromerzeuger, denn der Bauplan war erst zu etwas mehr als der Hälfte erfüllt. Am Ende sollten vierhundert Windkraftwerke ihre Rotoren im Wind drehen und alle geeigneten freien Flächen mit Solarpaneelen bedeckt sein.

Vom Tor führte ein Betonkanal mit hohen Wänden auf das Gelände des Energieparks. Am Tor befand sich ein kleines kastenförmiges Häuschen. Fünf bewaffnete Wachtposten kontrollierten hier ankommende Fahrzeuge. Am Ende des Kanals waren Schlitze im Betonboden, aus denen massive Stahlsicheln hochfuhren, wenn ein Fahrzeug die Tordurchfahrt passierte. Erst wenn die Wachen eine Freigabe erteilten, wurde aus dem Kontrollzentrum der Weg wieder freigegeben.

Rob lehnte sich auf die helle Brüstung und schaute durch den knapp halbmeterhohen Sichtschlitz, der sich um den Wachraum herumzog, dem Rotor der nächsten Windkraftanlage beim Rotieren zu. Das war mindestens so unterhaltsam wie seine eigentliche Aufgabe. Der Wachdienst war nicht sonderlich ausfüllend und Rob stellte sich jedes Mal, wenn er hier oben stand, die Frage, warum der Turm überhaupt besetzt sein musste. Über dem Gelände patrouillierten zahlreiche Drohnen und übermittelten Bilder an die Zentrale, die sich knapp einen Kilometer weiter im Energiepark befand. Dort arbeiteten Mitarbeiter von GlobSecure im Schichtbetrieb und analysierten ständig die aus den Überwachungssystemen eingehenden Informationen.

Der Ausblick auf die Umgebung aus der Höhe des Turms hätte an anderer Stelle eine Sensation sein können. Vom Energiepark aus bot sich leider nur die Eintönigkeit von Geröll, Sand, spärlicher Vegetation und großen Türmen mit sich daran drehenden Propellern, dazu die schier endlosen Linien der schwarzblau glänzenden Photovoltaikpaneele. Möglicherweise hätten Menschen mit Höhenangst seinem Aussichtspunkt etwas mehr Nervenkitzel abgewinnen können. Rob langweilte sich eher, während er in der Hitze des frühen Abends schwitzend das Ende seiner Schicht herbeisehnte. Ein Blick auf die Commwatch an seinem Handgelenk mahnte ihn, noch etwas Geduld aufbringen zu müssen. Bis sich seine Ablösung durch das Innere des Turms, das dank der ausgezeichneten klimatischen Lage einer Hochleistungssauna gleichkam, über zahlreiche Leitersprossen bis zum Wachraum hochkämpfen würde, musste Rob noch eine Stunde ausharren und sich langsam in seiner kaum kühleren Position ausdörren lassen. Er schnalzte mit der trockenen Zunge, die sich nur widerwillig vom Gaumen löste, und leckte über seine Zähne, zwischen denen sich ein paar Sandkörner gesammelt hatten. Instinktiv versuchte er, sie auszuspucken. Mit bedingtem Erfolg.

Eine Drohne näherte sich leise summend in gemächlichem Tempo von Norden dem Turm. Das knapp einen Meter durchmessende graue Fluggerät hatte die Form eines vierblättrigen Kleeblatts, in dessen Blättern sich kleine Rotoren bewegten, die für den Auftrieb und Geschwindigkeit sorgten. In der Mitte des Quadrokopters befand sich seine Ausrüstung. Akkus, GPS-Antenne, Kameras mit Nachtsichtfähigkeiten, Mikrofone und die Flugsteuerung. Die Drohne folgte ihrem programmierten Kurs, wiederholte bis zur Erschöpfung ihrer Akkus ihre Flugroute, die in Koordination mit den anderen über dem Energiepark fliegenden Drohnen für eine vollständige zeitliche und räumliche Überwachung sorgte. Am Ende ihrer Energiereserven würde sie zur Ladestation zurückkehren und durch eine andere Drohne abgelöst werden.

Rob schaute dem Fluggerät nach, das ein Stück hinter dem Turm seine Flugrichtung um neunzig Grad änderte und Richtung Küste weiter schwebte. Er fluchte leise, wischte sich mit einer Hand über die Stirn und tupfte den schweißnassen Handrücken an seiner Hose ab. Es war, als wenn der Wind sich nach der harten Arbeit an den Flügeln der Windanlagen weigerte, auch noch durch den Wachraum zu ziehen. Mehr als eine laue Brise verirrte sich nie hinein.

Langsam nahm Rob seine nächste Runde entlang der Sichtschlitze auf, um sich ein wenig zu bewegen, auch wenn das in der durchgeschwitzten Uniform kein angenehmer Zeitvertreib war. Aber nur auf dem hohen Hocker, der einzigen Sitzgelegenheit hier oben, die Zeit abzuwarten, während ihm das Wasser am Körper entlang lief, gefiel ihm noch weniger.

Seit einem halben Jahr saß er hier fest und verbrachte zu verschiedenen Tageszeiten täglich mehrere Stunden auf diesem Turm, um gegen Bezahlung seine Zeit totzuschlagen. Warum hatte er nur nach Antritt seines Jobs bei GlobSecure laut Hier gerufen, als man ihm eine Ausbildung zum Scharfschützen anbot, statt ein Panzerfahrzeug fahren zu wollen. Immerhin hätte das den eines klimatisierten Arbeitsplatzes gehabt.

Die Tagschichten im Wachraum in dieser Höhe bei optimalem marokkanischem Sommerwetter bewiesen immerhin Robs hervorragenden Gesundheitszustand. Während er die Gesellschaft vorbeikommender Fluggeräte, die intensive Nähe seines Gewehrs und die recht knappen Unterhaltungen per Headset mit Leuten aus der Überwachungszentrale des Energieparks genoss, saßen die Fahrzeugbesatzungen in den gut temperierten Unterkünften und genossen ihre Bereitschaftszeiten bei kalten Getränken. Er fluchte leise und unflätig.

Auf dem Turm hatte Rob pro Fünfstunden-Schicht fünf Literflaschen Wasser, angereichert mit Elektrolyten, in einer elektrischen Kühlbox, deren Akku vor den Temperaturen hier oben spätestens am Nachmittag kapitulierte. Dann schmeckte jeder Schluck aus der Flasche nach irgendetwas zwischen frischer Kamelpisse und verschwitzten Socken nach einer Wachschicht. Er verwünschte seinen starren Blick auf das Gehalt, das man ihm für den Scharfschützenjob in Aussicht gestellt hatte. Es war ein bemerkenswerter Aufschlag auf die übliche Entlohnung gewesen. Hätte ihm jemand vorher erzählt, was der eigentliche Grund für diesen Unterschied war, hätte er wohl sofort dankend abgelehnt.

Für andere höher qualifizierte Jobs hatte man Rob nur bedingt geeignet befunden. Hubschrauberpilot hätte ihm auch gefallen. Die Sicherheitsbesatzung des Energieparks verfügte über zwei bewaffnete Maschinen. Leider entsprach das Ergebnis seines medizinischen Eignungstests nicht seinem Wunsch, hin und wieder mal in die Luft aufzusteigen, obwohl er bereits Hubschrauber geflogen war. Aber das hatte er bei der Einstellung für sich behalten und über eine vierjährige Phase seines Lebens elegant lügen müssen. Aussteigerzeit, Weltenbummler, Findungsphase. Es erschien ihm klüger, über diese Jahre als Soldat in einer burmesischen Söldnerarmee, die zweite Hälfte der Zeit als Hubschrauberpilot, zu schweigen. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit der chinesischen Armee waren damals in grausamen Gemetzeln ausgeartet. Es war besser, diese Zeit nicht zu erwähnen. Einen Pilotenschein hatte er auch nicht vorzuweisen. Offizielle Prüfungen waren bei Söldnern unüblich, ebenso wie ausgefeilte Eignungstests.

Damit kam er aus Sicht der Führungsebene auch für die Bedienung der Kampfdrohnen nicht in Frage. Die GlobSecure-Mannschaft verfügte über vier Stück, die wie geschrumpfte Hubschrauber aussahen und mit Maschinengewehren und je acht Raketen ausgestattet waren. Bedient wurden diese Drohnen von Piloten im Kontrollzentrum, für die jeder Einsatz so sicher war wie ein Ego-Shooter auf einem Computer. Eine im Einsatz verlorene Drohne entsprach einem virtuellen Spielerleben, eine beruhigende Vorstellung für Piloten, die sich auch den Luxus gönnen konnten, Höhenangst zu haben und eine Brille tragen zu müssen. Zusätzlich standen auf dem Flugfeld zwei Jetkopter, die richtige Piloten benötigten. Die beiden Maschinen besaßen kleine Strahltriebwerke für höhere Fluggeschwindigkeiten und als Bewaffnung ebenfalls Maschinengewehre und lasergesteuerte Raketen. Immerhin gehörte Rob nicht mehr zum reinen Fußvolk, das auf dem Gelände patrouillierte und sich die Beine an den Zufahrten platt stand, um in der sengenden Hitze ein- und ausfahrende Fahrzeuge zu kontrollieren.

Nun erwartete man also von ihm, dass er nicht nur sein eigenes Scharfschützengewehr, ein rückstoßarmes Heckler & Koch MSG 94, regelmäßig säuberte und pflegte, sondern auch, wenn es erforderlich war, Menschen tötete. Nicht nur, indem er den Lauf ungefähr in die Richtung eines Gegners hielt, abdrückte und hoffte, nur die Kugeln der anderen würden treffen. Seine Aufgabe war es, sich im Ernstfall einzelne Ziele auszusuchen, ihren Kopf oder Oberkörper anzuvisieren, abzudrücken und ihnen durch das Zielfernrohr für einen Moment beim möglichst schnellen Sterben zuzuschauen.

Rob beendete seine Runde am Hocker, griff zu seinem Fernglas und beobachtete die Straße. Das Fernglas hatte eine Funkverbindung zur Zentrale und lieferte nach Bedarf seine Bilder dorthin. Anders herum erhielten die Wachleute auf den Türmen, die in mehreren hundert Metern Abstand entlang der Befestigungsanlagen aufgestellt waren, Bildinformationen der Drohnen über die Zentrale auf einen Touchscreen im Wachturm. Der Bildschirm neben Robs Standplatz zeigte jedoch nur das, was er auch selbst sehen konnte, Sand und Geröll. Eigentlich hätte man erwarten können, einer Anlage in dieser dünn besiedelten kargen Gegend drohe keine besondere Gefahr, wenn man von den klimabedingten Risiken absah.

In den kleinen Siedlungen im Umland lebten überwiegend Menschen, die hauptsächlich damit beschäftigt waren, ihren Lebensunterhalt mit Viehzucht zu verdienen, friedliche Menschen, die sich über das dank des Energieparks stabile Stromnetz freuten, weil es ihr Leben einfacher machte. Aber das Gelände befand sich auf Höhe des unteren Endes der Ausläufer des Atlasgebirges, das den größten Teil Marokkos einnahm. Und damit bot dieser Bereich des Landes geländegängigen Fahrzeugen gute Voraussetzungen, um von der algerischen Grenze oder der Westsahara bis zur marokkanischen Küste vorzudringen. Der afrikanische Kontinent befand sich zu einem großen Teil in der Hand von radikalen Kräften, die die Kooperation der marokkanischen und algerischen Regierung mit Europa aufs Äußerste ablehnten und kontinuierlich versuchten, ihre Anhängerschaft in diesen Ländern zu vergrößern. Tarfaya am südlichen Ende Marokkos war seit Jahren ein Stützpunkt militanter Gruppen, die von dort aus immer wieder in das Land vordrangen und sich dabei bis zum gut dreihundert Kilometer entfernten Sidi Ifni vorwagten. Das war allerdings nicht der einzige Weg für schwerbewaffnete Einheiten bis zum am weitesten südlich gelegenen Energiepark, den das Unternehmen DesertEnergy im Land aufbaute und betrieb.

Seit der massiven Ausweitung des solaren Energiegewinnungsprogrammes kam es immer wieder zu Übergriffen verschiedener militärischer Fraktionen auf die Energieparks von DesertEnergy. Einheiten in offenen Geländewagen mit aufmontierten Maschinengewehren oder auch mit Raketenwerfern fielen immer wieder aus Aufmarschgebieten in der Westsahara, Mauretanien und dem südwestlichen Algerien nach Marokko ein und griffen gezielt die Baustellen von DesertEnergy und die Versorgungskonvois an, die Anlagenbauteile zu den im Aufbau befindlichen Energieparks brachten. Je weiter der Ausbau in den Süden des Landes voranschritt, umso häufiger und extremer wurden diese Attacken.

Konsequenterweise hatte DesertEnergy reagiert, um seine Investitionen angemessen zu schützen. Leider hatte die marokkanische Armee den ihr erteilten Auftrag nur bedingt erfüllt. Die Motivation der Soldaten, sich ernsthafte Auseinandersetzungen mit gut bewaffneten Extremisten zu liefern, entsprach nicht den Erwartungen, ihre Ausrüstung ebenso wenig. Also ging der Schutzauftrag mit Billigung, sozusagen, der marokkanischen Regierung an GlobSecure.

Seit Rob hierher versetzt worden war, war es jedoch ziemlich ruhig gewesen. Ein paar Mal waren Trucks mit Bauteilen ein kleines Stück nördlich des Parks auf der Straße überfallen worden. Die Angreifer hatten sich schnellstens zurückgezogen, wenn sie von den bewaffneten Begleitfahrzeugen der Trucks attackiert wurden, die für sie eine Nummer zu groß waren.

Die Stromtrasse, die von hier Elektrizität in den Norden lieferte, war mehrfach Ziel von Sprengstoffanschlägen gewesen, deren Schaden sich jedoch in Grenzen gehalten hatte, da die Trasse bereits weitgehend unterirdisch in einer Betonröhre verlief. Nur dort, wo die Röhre noch nicht fertiggestellt war und die Kabel der Trasse offen lagen, fand sich für Anschläge noch ein gut sichtbares und leicht erreichbares Ziel. Ein wild entschlossener Selbstmordattentäter war zwei Wochen zuvor an der mittleren Zufahrt zum Park dank der effizienten Überwachung nicht zu seinem Ziel gekommen. Ein anderer Scharfschütze hatte durch die Drohnenüberwachung einen Hinweis auf den Mann bekommen, der versuchte, sich mit einem uralten VW Bus als fliegender Händler auszugeben. Ein gezielter Schuss stoppte ihn vor dem Tor, bevor er den Sprengsatz in seinem Wagen zünden konnte.

Rob kannte sich mit der Technik nicht aus, die GlobSecure einsetzte, um sogar Sprengstoff auf Distanz in Fahrzeugen zu erkennen, aber sie funktionierte, was auf ihn eine sehr beruhigende Wirkung hatte, insbesondere in Bezug auf seine Idee, die Sicherheitsmannschaften bezögen tatsächlich ein monatliches Gehalt und nicht nur eine Restlebenszeitprämie.

Rob versuchte zu verstehen, warum sich ein Unternehmen, dessen Ziel die Erzielung von Profit war, in dieser militärisch prekären Gegend engagierte und dafür einen immensen Aufwand betrieb, seine Investitionen zu sichern. Die einzige sinnvolle Schlussfolgerung war, Elektrizität war das neue Gold. Sein eigener Arbeitgeber GlobSecure, machte bestimmt einen ordentlichen Schnitt. Eigentlich war GlobSecure, entgegen jeglichen Mutmaßungen, die sich aus seinem Namen ableiten ließen, nur in Europa tätig, dort aber immerhin das größte Unternehmen für Dienstleistungen im Sicherheitsbereich, hauptsächlich ausgerichtet auf Objektsicherung und Personenschutz, vornehmlich für die Wohlhabenden des Kontinents. Die Kooperation mit DesertEnergy hatte jedoch dazu geführt, dass sich GlobSecure eine kleine Armee zulegte, im Stil der amerikanischen Söldnerunternehmen wie Blackwater, die sogar immer wieder die USA bei Feldzügen unterstützten. Das Einsatzgebiet dieser Truppe mit dem Namen Support Team Military Services, harmlos klingend STMS abgekürzt, lag in Marokko und die Aufgabe war die Sicherung der Anlagen von DesertEnergy, Energieparks, Stromtrassen, Wasserstoffspeicher und der dazugehörigen Kraftwerke, die nachts den mittels Sonnenenergie erzeugten Wasserstoff aus den riesigen Speichern wieder zur Stromerzeugung einsetzten. Der Gewinn aus diesen Energieparks musste gewaltig sein, wenn DesertEnergy es sich leisten konnte, eine dreitausend Mann starke Truppe und ihre Ausrüstung zu finanzieren.

Rob legte das Fernglas auf die Ablage unter dem Touchscreen und griff in die linke Beintasche seiner sandfarbenen Hose. Umständlich nestelte er nach einer kleinen Plastikbox mit Kaugummis. Eine Zigarette wäre ihm auch recht gewesen, aber im Dienst galt striktes Rauchverbot. Dazu erzeugte das Kaugummi einen erfrischenden Geschmack und, was noch wichtiger war, es verbreitete keine zusätzliche Hitze. Sobald er die Mannschaftsgebäude verließ, drang ihm der Schweiß aus allen Poren und seine Uniform saugte sich allmählich voll, was nach einem langen Tag auch für dunkle Flecken an unpassenden Körperstellen, etwa zwischen den Beinen, sorgte.

Rob genoss den Minzgeschmack im Mund, der den Speichelfluss ein wenig anregte. Die Schweißtropfen, die ihm vom Kopf über das Gesicht liefen, wischte er zum wiederholten Mal mit einer Hand weg. Von seinem Wasservorrat war nur noch eine halbe Flasche übrig. Erst am Ende seiner Schicht würde er die Kühlbox in den kleinen Lastenaufzug stellen, der außen am Turm angebracht war, und seine Ablösung würde im Austausch volle Flaschen für die eigene Zeit auf dem Turm erhalten.

In einiger Entfernung sah Rob auf der Straße eine Staubwolke aufwirbeln. Am nördlichen Ende des Parks führte eine planierte Piste zur Hauptstrecke, die von der südlichen Landesgrenze entlang der Küste bis auf die Höhe von Marrakesch reichte. Von dort kamen die Trucks mit den Bauteilen für den Park. Dem Anlieferplan nach, den Rob auf dem Bildschirm abrufen konnte, stand für diesen Tag noch eine Kolonne mit drei Trucks aus.

Im Fernglas erkannte Rob vor einem großen dunklen Schatten einen Radpanzer, der mit seinen fast mannshohen Rädern den Sand von der Strecke hochwirbelte. In Robs Headset erklang eine nuschelnde Stimme, die ihn zusammenzucken ließ. Die Stimme gehörte jemandem in der Zentrale, der sich wahrscheinlich gerade noch einen großen Schluck kühle Coke gegönnt hatte und nun vielleicht auf einem frischen Sandwich mit Gemüse und Schinken herumkaute. Rob schluckte bei dem Gedanken.

>>Zentrale an Posten Sechs. Autorisierung Alpha Zwei Omega Vier.<<

Das war der korrekte Code für diese Stunde, wie der Touchscreen ihm anzeigte. Keine Ahnung, wer das war. Die Mannschaft war überwiegend aus Männern und nur wenigen Frauen zusammengewürfelt, die aus nahezu allen Ländern Europas kamen. Der Akzent der Stimme ließ auf einen Spanier oder Franzosen schließen, mit denen Rob außerhalb der Arbeitszeiten nur wenig Kontakt hatte, obwohl er neben gutem Englisch auch ein recht ordentliches Französisch sprach.

Die meisten Leute beherrschten das vorgeschriebene Englisch gerade gut genug um ihre Befehle und das dienstliche Prozedere verstehen und ausführen zu können. In der Freizeit bildeten sich so automatisch Gruppen, in denen man sich in seiner Muttersprache unterhielt. Viel mehr Beschäftigung blieb ohnehin nicht. Es gab zwei Fußballplätze, auf denen tagsüber aus nahe liegenden Gründen selten jemand zu sehen war. Der Kinosaal, dessen fünfzig Quadratmeter mit dieser Bezeichnung geadelt waren, war gut besucht, ebenso die sogenannte Bar, in der es Alkohol nur rationiert gab. Rob vertrieb sich seine Freizeit meist mit den wenigen Engländern in der Bar, bei Dartspiel oder beim Pokern, aufgrund der Dienstvorschriften ohne Einsätze.

Rob schickte dem Typ in seiner Komfortzone in Gedanken eine Verwünschung.

>>Transport Dreihundertvier ist im Anmarsch! Zwei Radpanzer, drei Trucks. Korrekte Anmeldung ist erfolgt! Der Transport wird an Ihrem Tor reinkommen.<<

Die Stimme blieb schwer verständlich. Entweder hatte die Sprechverbindung ein Problem oder es hatte sich nie jemand die Mühe gemacht, die Aussprache dieses Wortewiederkäuers einmal über die Funkverbindung zu testen.

Rob nickte. Eine Antwort wurde von ihm nicht erwartet, denn die Mitteilung war hauptsächlich für die Wachen am Tor bestimmt. Er schaute nach unten, wo sich fünf schwitzende Uniformierte in ihren schusssicheren Westen an der Zufahrt verteilten. Das Brummen der Motoren schallte bis zum Turm hinauf, als die fünf Fahrzeuge abbremsten und auf die Zufahrt zum Tor einschwenkten. An den Seiten der in mattem Grau lackierten Trucks war das DesertEnergy-Logo aufgemalt, ein silberner dreistrahliger Rotor vor einer stilisierten Sonne. Darunter stand in roten Buchstaben DesertEnergy.

Der erste Radpanzer, ein wuchtiges dreiachsiges beige lackiertes Modell, hielt vor dem Tor. In einer Dachöffnung stand, ebenso wie im zweiten Radpanzer, ein behelmter SecGuard mit Gesichtsschutz an einem aufmontierten Maschinengewehr. Die Kolonne dahinter stoppte. Einer der Wachmänner ging zur Fahrerseite des Radpanzers und kletterte die Einstiegsleiter hoch. Der Fahrer öffnete sein Fenster.

Rob ließ seinen Blick über die anderen Wagen gleiten. Auf den Trucks befanden sich Rotorblätter und Teile eines Windturms. Beim nächsten Mal würden möglicherweise wieder Solarpaneele angeliefert werden, oder Trommeln mit Kabeln und anderem Material, das auf so einer Baustelle benötigt wurde. Die Versorgungswagen für die Mannschaft kamen ohne solchen Schutz aus. Lieferungen von Bier, Steaks, Obst, Zigaretten wurden in einfachen Kleinlastern geliefert und nie angegriffen. Vielleicht hatten die heimlichen Herrscher des Kontinents mit ihren Pick-ups und Kalaschnikows Angst davor, die Wachmannschaften richtig zu verärgern.

Der Wachmann sprang wieder von dem Panzer runter und drehte sich zum Tor herum. Mit einer Handbewegung signalisierte er, der Konvoi könne die Zufahrt passieren. Der Radpanzer setzte sich in Bewegung und rollte in den Zufahrtskanal.

>>Zentrale an Posten Sechs. Autorisierung Alpha Zwei Omega Vier.<<

Wieder die nuschelige Stimme. Rob stöhnte leise auf. Was wollte der Typ denn nun?

>>Von Süden nähert sich eine Fahrzeuggruppe von acht Wagen. Pick-ups mit hohem Laderaumaufbau. Wir schicken eine Drohne und schauen uns das an. Warnstufe!<<

Eine Drohne, die sich gerade wieder dem Turm näherte, wich von ihrer Route ab und hielt auf die Straße zu. Rob griff zu seinem Gewehr, das in einer Halterung an der Wand klemmte, und entsicherte es. Vorschriftsmäßiges Verhalten beim Ausrufen einer Warnstufe. Möglicherweise waren die Pick-ups mit Kämpfern irgendeiner Fraktion besetzt und auf einen Angriff aus.

Zumindest ein wenig Ablenkung von der Warterei, dachte Rob, während er die Waffe in einer Auflage im Fenster platzierte, die beim Zielen für die nötige Ruhe sorgen sollte. Er bewegte die Waffe in die genannte Richtung und schaute durch das Zielfernrohr. Im Sucher fand er schnell die Fahrzeuge, die sich dem Energiepark mit hohem Tempo näherten. Die Wolken aus hochgewirbeltem Sandstaub waren wegen ihrer Geschwindigkeit noch höher als vorher bei dem Konvoi. Unter ihm dröhnten die Motoren der Trucks. Die Kolonne fuhr auf das Gelände. Die Wachen hatten auch die Warnstufenmeldung erhalten und würden sich beeilen, das Tor hinter dem Transport zu schließen.

Noch bevor die Pick-ups die Abzweigung zum Energiepark erreichten, wurde unten der Torflügel auf seiner Schiene elektrisch in die Einfahrt geschoben. Irgendwo knallten Schüsse, eine schnelle Schussfolge. Das Geräusch war beunruhigend nahe, viel zu nahe. Laute schmerzgequälte Schreie untermalten das harte Waffengeräusch.

Rob löste den Blick vom Zielfernrohr. Suchend beugte er sich vor und schaute durch den Sichtschlitz. Sein Puls peitschte sofort hoch. Der letzte Radpanzer stand mitten im Zufahrtskanal. Der Schütze auf dem Dach hatte sein Maschinengewehr auf die Wachmannschaft gerichtet. Aus der Mündung der Waffe zuckten in schneller Folge kleine Flammenstöße. Die Geschosse durchschlugen das Wachhäuschen. Staub und Steine wirbelten auf. Drei leblose Körper lagen am Tor, die Wachleute, niedergestreckt von zahlreichen Treffern. Ein vierter Mann lag auf dem Rücken, an Kopf und Beinen blutend, und bewegte hilflos seine Arme. Der fünfte Wachposten hockte vermutlich im Wachhaus und wartete darauf, dass das Feuer aus dem Maschinengewehr ihn erreichen würde.

Rob war für einen Moment paralysiert. In seinem Kopf versuchten sich die Gedanken zu sortieren, und das, was er sah, in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Unvorstellbar, GlobSecure-Mitarbeiter würden die eigenen Leute hinterhältig angreifen. Schlussfolgerung, das hier waren keine SecGuards.

Rob schwenkte sein Gewehr auf der Auflage herum. Er musste nicht weiter nachdenken. Diesen Vorgang hatte er unzählige Male geübt. Stillhalten, ausatmen, abdrücken. Ein scharfer Knall zuckte durch Robs Ohren. Die Kugel traf den Bordschützen des Radpanzers in den Kopf. Es sah aus, als wenn ihn eine nicht sichtbare Keule getroffen hätte. Der Oberkörper des Schützen sackte zur Seite. Die helle Mütze, die der Mann über seiner schwarzen Staubmaske getragen hatte, fiel ihm vom Kopf und landete direkt vor einem der Räder des Panzers.

Rob suchte nach dem anderen Radpanzer der Nachhut, der gerade den Zufahrtskanal verließ. Der Schütze auf dem anderen Fahrzeug verstand sofort, was passiert war. Er legte seinen Kopf in den Nacken und schaute zur Spitze des Wachturms hoch. Der Lauf seines Maschinengewehrs ruckte nach oben.

Rob konnte die dunkle Staubmaske mit dem Schlitz, aus dem zwei Augen blitzten, viel zu deutlich erkennen. Der Zoom des elektronischen Zielfernrohrs zeigte ihm sogar die Augenfarbe. Aber dafür fehlte Robs weiteres Interesse an dem Mann.

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9783754172469
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