Kitabı oku: «Mein Klagebuch»
Dominique Crisand
MEIN KLAGEBUCH
Unverschämt ehrliche Poetry-Slam-Texte
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2016
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Das Internet-Date
Meine Freundin wurde verlassen
Du kannst mit mir über alles reden
Schatz, ich schenk dir einen Ring ... Fleischwurst
Der Konflikt
Im Wartezimmer
Ein Brief an die Absender meines Spam-Mail-Postfaches
Quizshows
Was ist schon verrückt?
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag
Depressiv, dick und hässlich
Teigwaren mit Migrationshintergrund
Halt’s Maul und rede mit mir!
Bulimie find’ ich zum Kotzen
Amerikaner sind wie Schildkröten
Meine Katze, das blöde Vieh, hat Asthma
Sieg Heil & Birkenstock – Die Waldorf-Nazis
Ich weiß nicht, was du über mich gehört hast
Ich will keinen Hund, ich will einen Wellensittich
Der glatt rasierte Vollbart
8 gute Gründe, bei der nächsten Bundestagswahl mich zu wählen
Die Polizeikontrolle
Ein Widerspruch an die Münchner Bußgeldbehörde
Als ich bei meiner Therapeutin war
Aufgrund steigender Strompreise zur Prostitution gezwungen
Meine 10 goldenen Regeln der Kindererziehung
Freiheit bei Burger King
Gut
Hunden das Bellen abgewöhnen
Runder Geburtstag
Am Ticketschalter
Ich wollte die Welt verändern
Im Glashaus
Der Zeuge Jehovas
Meine Theorie über den immer wachsenden Fleischkonsum
Ist Facebook kaputt
Als ich im Starbucks eine Latte hatte
Media Markt
Ja, ich spende auch!
Hänsel und Gretel Revival 2.0
Alle Menschen sind gleich
Bonus
Liebe am Hähnchenstand
Wer andere beleidigt, ist ein Vollidiot!
Zwei schlecht gelaunte Ärzte
Tabletten gegen Tabletten
Warum hast du das getan?
Montag, 19.01.
Das Internet-Date
Ich traf mich mit „HeißeBiene83“.
Bis zum Aufeinandertreffen in der „Echt-Welt“ dachte ich, dass das „83“ in ihrem Namen für ihr Geburtsjahr stünde. Doch innerhalb der ersten fünf Minuten wurde mir klar, dass „83“ für die Anzahl der Dinge stand, die sie in ihrem Online-Profil verschwiegen und auf den Fotos erfolgreich wegretuschiert hatte. Zum Bearbeiten ihres Profilbildes hatte sie mehr Filter benutzt als der Melitta-Mann.
Ihre Online-Profil-Selbstbeschreibung: „spontan, verlässlich, naturgeprägt“ hat sie wohl verwechselt mit:
„spontan verlassen und ungepflegt“.
Ihr Motto: „Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken.“
Das sei „voll lyrisch und so“.
Lyrisch? Hätte ich das früher im Deutschunterricht genau so kundgetan, hätte mein Lehrer gesagt: „Nimm die Finger vom Klebstoff!“
Als ich sie kurz darauf mit ihrem Namen „Steffi“ ansprach, so wie sie sich tags zuvor telefonisch vorstellte, erwiderte sie, dass sie zwar gerne „Steffi“ heißen wollen würde, aber eigentlich „Erika Astrid Braun“ hieß. Ich wollte den Small Talk nicht unterbrechen und fragte:
„Braun? Wie die Farbe?“ Sie entgegnete: „Nein, wie die Gesinnung!“
Des Weiteren habe sie keine zwei Golden Retriever, sondern lediglich einen Goldfisch. Wolfgang.
Auch zog sie nicht von Frankfurt in den Harz mit 4. Sondern bezog in Frankfurt Hartz IV.
Weiterhin habe sie bereits 4 Kinder, doch noch eines möchte sie auf keinen Fall, da sie gelesen habe, dass in Deutschland jedes fünfte Kind geschlagen wird.
Was soll ich sagen? Ein IQ von 8 – und bei 9 fängt Wurst an zu riechen und bei 10 fällt die Walnuss vom Baum!
Wäre Ignoranz eine Geschlechtskrankheit, würde sie beim Pinkeln brüllen.
Ihre angegebene Körpergröße von einzweiundsiebzig wurde vermutlich von jemandem gemessen, der das Maßband quer hielt, das Ergebnis mit ihrem IQ multiplizierte und so lange verdoppelte, bis einszweiundsiebzig dabei herauskam.
„HeißeBiene83“ – treffender wäre wohl gewesen:
„HohleHummel3000“!
Die Aufzählung der Lebensmittel, die sie nicht esse, entsprach etwa der Jahresinventurliste von Edeka. Daher änderte ich mein Vorhaben „3-Gänge-Menü bei Antonio“ spontan in: „Uschis Wurst-Bude“. Currywurst mit Pommes, Erika Astrid lächelte zufrieden.
Auf einmal fing sie jedoch an, mit ihren langen künstlichen Fingernägeln nervös an ihrer Wurst herumzupfriemeln. Als ich neugierig nach dem Hintergrund jener Handlung frug, sagte sie: „Ich mache die Haut ab, die schmeckt mir nicht!“
Ich entgegnete ihr: „Das ist keine Haut, das ist Darm! Da war mal Kacke drin!“
Ihrem Blick entnahm ich, dass ihr Humor-Sumpf bereits erfolgreich trockengelegt wurde.
Weniger trocken, dafür umso feuchter war ein plötzliches und durch die ganze Wurst-Bude hallendes Rülpsen – von Erika Astrid. An der Stelle, an der ich nun ein zutiefst beschämtes „Entschuldigung“ erwartete, rief sie jedoch nur laut: „Schulz!“, fasste sich an die eigene Stirn, und als ich dies nicht erwiderte, schlug sie mir auf selbige.
Ich möchte ja per se nichts Schlechtes über das Online-Dating sagen, aber nach knapp einem halben Jahr kann ich zusammenfassend zusammenfassen: Die Wahrscheinlichkeit, beim Wasserkochen etwas anbrennen zu lassen, liegt weit, ganz weit über der Wahrscheinlichkeit, beim Online-Dating eine Frau zu treffen, die ihre Sätze nicht nach dem Prinzip aufbaut: „Subjekt, Provokation, Objekt“ oder bei der du nicht das Gefühl loswirst: Die hat doch im Spiegellabyrinth laufen gelernt!
Nächste Woche treffe ich mich mit „HoneyBunny69“. Ich bin gespannt, für was die Zahl diesmal steht.
Mittwoch, 28.01.
Meine Freundin wurde verlassen
Meine Freundin wurde verlassen. Jetzt bin ich also wieder Single und überlege mir, mit einem Mann zusammenzuziehen. Das würde einiges erleichtern. Bestimmt auch das Sexleben. Ohne ständige Ausreden wie „Migräne“, „Menstruation“ oder „Ich hatte gerade einen Autounfall“.
Ein Mann wäre die ideale Lösung. Aber ich mag Penisse nicht! Ich mag sie wirklich nicht. Ich mag ja noch nicht mal Calippo-Eis – den Penis unter den stiellosen Eissorten.
Ich wäre gerne beim Meeting des Produktmanagements von Langnese dabei gewesen, als sie das Calippo-Eis vorgestellt, ausgeteilt und getestet haben. Ein Raum voller studierter Anzugträger, vermutlich primär männlich, die alle an einem eiskalten Schwanz lutschen.
„Mmmh, lecker! Pimmel-Eis!“
Die erste Sorte: Calippo Cola.
„Mmmh lecker! Schwarzes Pimmel-Eis.“
Man kann dieses Eis gar nicht normal essen. Man muss es tief in den Mund nehmen. Und dann entweder daran saugen oder vorsichtig reinbeißen. Lecker!
Wenn ich ein Date habe, kaufe ich ihr immer ein Calippo-Eis und beobachte sie dabei ganz genau. Man erspart sich spätere unangenehme Überraschungen. Wenn sie den Calippo-Test bestanden hat, empfehle ich Stufe 2. Wir alle kennen noch den Flutschfinger.
Du sitzt also Händchen haltend im Park, während sie ihre Lippen an einem eisigen Zeigefinger schamlos in der Öffentlichkeit hoch und runter bewegt. Aber zu Hause dann: „Ich hab Migräne, ich mag nur kuscheln.“ Wo ist da bitte die Relation?
„Bum-Bum“! Das Konkurrenz-Eis von Schöller. Ein Raum voller hochbezahlter Produktmanager sowie dem gesamten Vorstand. Die Namensfindung einer neuen Eissorte steht auf der Tagesordnung.
Herr Schmitt startet seine PowerPoint-Präsentation, stellt ein knallrotes Eis mit Kaugummi im Arsch vor und ruft laut: „Bum-Bum!“ Der Vorstand applaudiert und zahlt Herrn Schmitt eine extra Prämie für die kreative Namensfindung.
Lieber Herr Langnese, lieber Herr Schöller,
ich möchte mich bewerben! Ich habe da ein paar sehr gute Ideen. Ein Eis in Form einer riesen Brust, Geschmacksrichtung „Deine Mudda-Milch“. Ich nenne es „Uuuuuuh!“.
Ich freue mich, von Ihnen zu hören!
Mit freundlichen Grüßen
PS: Das Calippo-Eis hat mein Bild der Frau revolutioniert. Vielen Dank dafür.
Dienstag, 03.02.
Du kannst mit mir über alles reden
Ich habe für vieles kein Verständnis
Es gibt Menschen, die behaupten, ich sei intolerant. Nur, weil ich keine Laktose vertrage. Ich und intolerant!? Ich traue mich ja noch nicht mal, ein „Dingens da“ zu essen, ich weiß ja gar nicht, wie ich es nennen soll. Eine „nicht sesshafte Fleischspeise“. „Zigeunerschnitzel“ darf man ja nicht mehr sagen.
Tolerant oder nicht tolerant. Das fängt doch schon beim Italiener um die Ecke an.
Wenn der eine keinen Käse in den Pizzarand einarbeitet, ein anderer aber schon, dann kann man doch nur von dem einen behaupten: toller Rand.
Ich bin mehr so der Typ für die bodenständigen Dinge des Lebens. Ich gehe gerne in den Wald, suche mir einen Stock und beobachte ihn. Vielleicht umarme ich auch einen Baum und spiele mit meinen Fingern an seiner Rinde. Oder ich ahme den Balzruf eines Kolibris nach. Und sobald sich das erste geile Kolibri-Weibchen auf meine Schulter gesetzt hat, ändere ich meinen Facebook-Status von „Single“ auf „Es ist kompliziert“.
Einfach mal anstatt erhobenen Hauptes mit gesenktem Kopf durchs Leben gehen. Bodenständig. Denn so schaut man auf den Boden ständig.
Einfach mal ein Snickers kaufen, die Erdnüsse herauspulen und auf Facebook posten: „Lecker. Mars.“
Wer mich als Freund nicht will, weiß, was er verpasst. Ich schwimme nicht mit dem Strom. Ich bin ein gesellschaftlicher Geisterfahrer.
Wenn du jemanden willst, der dir Honig ums Maul schmiert, such dir ’n Imker!
Es kommt immer auf die Sichtweise an. Wer „After Shave“ falsch übersetzt, braucht sich nicht zu wundern, wenn der Arsch brennt.
Apropos Übersetzen.
Vor noch nicht allzu langer Zeit hat die CSU gefordert, dass Migranten zu Hause Deutsch sprechen sollen. Am Anfang habe ich gedacht: Was für eine scheiß Idee!
Dann habe ich mich mal näher damit befasst und festgestellt: Was für eine scheiß Idee!
Und Deutschlands größtes bunt bebildertes Käseblatt schlachtet diese geistige Unzurechnungsfähigkeit auch noch bis aufs Letzte aus und greift täglich immer tiefer in die Niveau-Schublade auf Knöchelhöhe.
„Mallorca soll deutsch werden!“ und „Macht Harry Potter schwul?“ sind keine erfundenen Schlagzeilen, sondern gingen millionenfach an die Leser.
Was für eine Bullshit-Scheiße kommt als Nächstes? „Skandal an Berliner Grundschule: Rollstuhlfahrer zum dritten Mal sitzen geblieben!“ oder: „Vierzehnjährige Pfälzerin schwanger, weil Pille gerissen!“
Auf einer Skala von Mannheim bis Heidelberg ist das Ludwigshafen.
Da fühle ich mich doch als zumindest in regelmäßigen Abständen vernünftig denkender Mensch komplett verarscht!
Genauso, als wenn OBEN auf einem Lebensmittel steht: „haltbar bis: siehe UNTEN“.
Und unten steht: „siehe Seitenaufdruck“!
Bis du herausgefunden hast, wie lange die Eier noch haltbar sind, sind sie durch die Rotationsbewegungen geplatzt oder hart gekocht.
Bloß nichts mehr selbst entscheiden. Entscheide niemals eigenständig und individuell, ob der grüne Erdbeerjoghurt noch gut ist.
Dabei sehnen wir uns doch aber alle nach Individualität. Obwohl darin das Wörtchen „Indivi“ steckt. Das gibt es zwar nicht, aber dessen muss man sich erst mal bewusst werden. Das Bewusstmachen mancher Dinge verändert oft die Sichtweise um 370 Grad. Ohne Umluft.
Wenn ich beispielsweise meine Exfreundin und den Rotwein, den ich gestern Abend trank, beschreiben müsste, hätte das einen großen Vorteil, denn ich könnte es mit den drei gleichen Worten tun: schwer, trocken und sauer.
Ich will ja öffentlich gar nicht schlecht über sie reden – aber ich muss! Wenn man ihre Intelligenz verdoppeln würde, würde sie anfangen zu bellen! Ich muss die anderen doch warnen, während sie in ihrer Pippi-Langstrumpf-Welt auf einem Einhorn reitet und Glitzer verstreut.
Wäre die Menschheit ein Blumenmeer, wäre sie … Moos!
Meine Oma hat immer gesagt: Es gibt Dinge, die kannst du ändern, und es gibt Dinge, die kannst du nicht ändern.
Okay, sie war Schneiderin.
Aber eines steht fest:
Wenn man Scheiße einfriert, wird sie zwar haltbarer, aber nicht besser.