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II.»Über den Zaun springen«: Zu Ziel und Methode der Arbeit

Viele Theologinnen und Theologen, die über orthodoxe Theologie schreiben, und auch Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas20, beschreiben auf den ersten Seiten ihrer Arbeiten folgendes Dilemma: Wer über orthodoxe Theologie schreibt, unternimmt den Versuch, eine wissenschaftliche Arbeit über etwas zu verfassen, das sich eben diesem Versuch im Grunde von vornherein entzieht. Er systematisiert, was eigentlich nicht in ein System gepresst werden kann, was ohne die zu Grunde liegende Erfahrung nicht angemessen verstanden, geschweige denn adäquat ausgedrückt werden kann. Sie bedienen sich der Sprache des wissenschaftlichen Diskurses, wo, wenn man es denn überhaupt in Sprache fassen will, bestenfalls die Poesie eine geeignete Form bieten könnte. Zudem ist - mit den Worten von Ioannis Zizioulas - die orthodoxe Theologie (nicht nur die orthodoxe Tradition!) »im Grunde genommen eine Verherrlichung Gottes (eine Doxologie), eine Liturgie, genauer eine eucharistische Theologie«21. In der Auseinandersetzung mit der Anthropologie von Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas wird deutlich, worin dieses Verständnis von Theologie begründet liegt und warum das Ausgedrückte nicht in seiner Formulierung aufgeht, sondern diese stets übersteigt.22

Die Spannung indes bleibt bestehen. Sie wird noch verstärkt, wenn die Person, die sich mit ostkirchlicher Theologie beschäftigt, nicht einmal selbst in dieser Tradition steht.23 Der evangelische Theologe Friedrich Heyer thematisiert das Problem und kommt für sich zu dem Schluss:

»Dem evangelischen Theologen bleibt so nichts anderes übrig, als sich über den Zaun zu schwingen und die orthodoxe Anthropologie des neuen Menschen als Lutheraner nachzuverstehen.«24

Ein solcher Versuch, sich »über den Zaun zu schwingen« und die theologische Anthropologie von Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas »nachzuverstehen«, soll in dieser Arbeit unternommen werden. Auch aus diesem Grund wird auf eine rein nach systematischen Gesichtspunkten geordnete Darstellung ebenso verzichtet wie auf eine direkte Gegenüberstellung von östlicher und westlicher Anthropologie. Denn eine solche würde ihr eigenes, westliches Raster der orthodoxen Theologie aufdrängen und stünde damit schnell in der Gefahr, allzu pauschal und holzschnittartig »Äpfel mit Birnen zu vergleichen«, dabei jedoch die Eigenart des anderen nicht ernst zu nehmen. Stattdessen sollen die drei ausgewählten Theologen als Vertreter dreier in sich geschlossener Entwürfe gegenwärtiger griechisch-orthodoxer Anthropologie stehen, die als Beiträge zu einer gegenwärtigen christlichen theologischen Anthropologie verstanden und ernst genommen werden wollen.

Wie alle christlichen an der Bibel orientierten Theologinnen und Theologen sprechen auch orthodoxe von Gottebenbildlichkeit, Sünde, Gnade und Erlösung. Auf den ersten Blick scheint es kaum Differenzen zur traditionellen westlichen theologischen Anthropologie zu geben. Zu fragen ist jedoch, ob gleiche Begriffe wirklich gleiches meinen, und ob ihr Stellenwert im Gesamtgefüge tatsächlich der gleiche ist. Die Problematik wird deutlich beim Begriff »Erfahrung«. Er erscheint auf den ersten Blick vertraut, ist bei genauerem Hinsehen aber in der Theologie von Nellas, Yannaras und Zizioulas deutlich anders gefüllt als der neuzeitliche Erfahrungsbegriff des Westens, nämlich als ekklesiale Erfahrung im Unterschied zu einer rein subjektiven. Um der Gefahr solcher Missverständnisse nicht allzu schnell zu erliegen, sollen die drei in den Blick genommenen Entwürfe orthodoxer Anthropologie zunächst einzeln dargestellt werden.25

Um »über den Zaun springend nachzuverstehen« wird ein vergleichsweise langer »Anlauf« genommen, und (um im Bild zu bleiben) es wird versucht auch den Boden, die Umgebung und Wachstumsbedingungen der theologischen Früchte in Nachbars Garten in Augenschein zu nehmen. Es soll untersucht werden, welchen Sitz die theologische Anthropologie im Kontext der gesamten Theologie des jeweiligen Theologen hat und innerhalb welcher spezifischen Fragestellungen sie sich bewegt. Aus diesem Grund wird nicht nur das zeit- und theologiegeschichtliche Umfeld skizziert, sondern auch Autor und Werk kurz vorgestellt. Für dieses Vorgehen spricht zum einen der relativ geringe Bekanntheitsgrad von Nellas, Yannaras und Zizioulas innerhalb der westlichen Theologie. Der bedeutsamere und entscheidendere Grund liegt jedoch in der oben genannten Fragestellung: Wie kommt der jeweilige Theologe zu eben dieser theologischen Anthropologie? Welches Anliegen spiegelt sich in der Betonung des einen oder anderen Aspekts? Wogegen grenzt er sich ab? Zeigen sich Zusammenhänge zum zeit- und theologiegeschichtlichen oder zum persönlichen Hintergrund? Dass Theologie und Biographie einer jeden Theologin und eines jeden Theologen eng miteinander verknüpft sind, ist eine eher banale Feststellung. Die zu untersuchenden Ansätze können jedoch eine anthropologische Begründung dafür anbieten, warum dies so ist. Die gewählte Vorgehensweise hat ihren Grund somit letztlich im Denken der untersuchten Theologen selbst.

Aus den genannten Anliegen ergibt sich folgender Aufbau der Arbeit: Im ersten Teil wird das theologische und gesellschaftliche Umfeld beleuchtet, das Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas gemeinsam ist. Anschließend werden die drei Entwürfe theologischer Anthropologie nacheinander, nach Autoren getrennt untersucht. Ausgehend vom Ort der Anthropologie innerhalb des jeweiligen theologischen Ansatzes werden dabei das Menschenbild, seine Grundlagen und die Folgerungen, die sich daraus ergeben, betrachtet. Die Spezifika in inhaltlicher wie in methodischer Hinsicht werden herausgearbeitet.26

Den letzten Teil bildet eine Zusammenschau der drei Ansätze. Anhand zentraler Begriffe werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst. Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse wird die Frage, ob es sich bei den untersuchten Ansätzen orthodoxer Anthropologie um eine andere theologische Anthropologie als die westliche handelt, erneut gestellt und schließlich exemplarisch ein kurzer Ausblick versucht, in welchen Bereichen die gegenwärtige orthodoxe Anthropologie wichtige Anregungen geben könnte.

III.Formale Vorbemerkungen

Panagiotis Nellas, Christos Yannaras und Ioannis Zizioulas haben die meisten ihrer Schriften in neugriechischer, zum Teil auch in englischer, französischer oder italienischer Sprache publiziert. Nur sehr wenige sind auf Deutsch erschienen oder ins Deutsche übersetzt. Der Untersuchung zugrunde gelegt wird hier jeweils die ursprüngliche Fassung eines Artikels. Dies ist nicht in jedem Fall die neugriechische. Weiterhin sind viele Bücher und Artikel mehrfach überarbeitet worden und in mehreren Auflagen erschienen. Dann wird die neueste zugängliche herangezogen.

Ein großes Problem stellt die Terminologie der drei Theologen dar. Zum einen besteht grundsätzlich das Problem der Übersetzung. Viele Begriffe können nicht durch ein einziges deutsches Äquivalent wiedergegeben werden. Wo im griechischen mehrere unterschiedliche Bedeutungen mitschwingen, müssen im Deutschen unterschiedliche Worte gewählt werden. Ein geläufiges Beispiel ist das Wort , das wie das altgriechische auch im Neugriechischen noch »Bild« und »Abbildung« im allgemeinen und im profanen Sinn bedeutet, zugleich aber auch »Ikone«.

Diese Übersetzungsprobleme stellen sich verstärkt bei Christos Yannaras, dem sprachgewaltigsten der drei Theologen. Griechische Theologen sehen ein besonderes Verdienst von Yannaras in seiner sprachschöpferischen Tätigkeit. Die theologische Sprache der Gegenwart hat er maßgeblich geprägt, insbesondere durch seine Übertragung heideggerscher Terminologie ins Griechische. Yannaras arbeitet häufig mit schillernden Begriffen und spielt mit unterschiedlichen Wortbedeutungen. Oft handelt es sich dabei um einen spezifischen terminus technicus seiner Philosophie einerseits und um die Bedeutung im alltäglichen Sprachgebrauch andererseits. In einer Übersetzung lässt sich dies, wenn überhaupt, nur sehr unzureichend wiedergeben. Das Problem verschärft sich noch bei den (beinahe unübersetzbaren) Adjektiven, die Yannaras zu zentralen Substantiven seiner philosophischen Sprache bildet. »« beispielsweise bedeutet »logisch« oder »vernünftig«, wird aber auch als Adjektiv zu »« (im Sinne von »logosgemäß«, »logoshaft«) verwendet. »« ist nicht gleichbedeutend mit dem Wort »erotisch« im deutschen Sprachgebrauch, es ist das Adjektiv zu (Liebe), meint also etwa »erosgemäß«, zuweilen auch »liebend«. Es bedeutet aber durchaus auch »erotisch«. Beide Übersetzungsmöglichkeiten sind jedoch keine Bedeutungsalternativen, die einander ausschließen. Die verschiedenen Bedeutungen stehen in einem inneren Zusammenhang zueinander und schwingen gleichzeitig mit.27

Bei den vorhandenen Übersetzungen gibt es, so wünschenswert diese wäre, bisher weder im Englischen noch im Deutschen eine einheitliche Terminologie. Am deutlichsten wird dies am Begriff »«, dem Adjektiv zu (Person), das in Übersetzungen oder Sekundärliteratur teils mit »personal«, teils mit »personhaft«, teils mit »persönlich«, oder auch (sachlich schlichtweg falsch) mit »personell« übersetzt wird.

Ein weiteres Problemfeld liegt in den Formen theologischer Fachbegriffe. In den Schriften von Nellas, Yannaras und Zizioulas finden sich sowohl die neugriechischen Bezeichnungen und grammatischen Formen (z.B. statt statt statt ) als auch die altgriechischen, in der theologischen Tradition gängigen. Die Verwendung der Formen variiert bei Nellas, Yannaras und Zizioulas je nach Zeitpunkt des Erscheinens, Textgattung und angezieltem Leserkreis der Veröffentlichung.28 Bewusst wird in dieser Arbeit darauf verzichtet, die Fachtermini durchgängig dem in der deutschen Theologie gewohnten Sprachgebrauch anzupassen. Denn die Sprache zu verwenden, die ein heutiger Mensch spricht, ist von Nellas, Yannaras und Zizioulas bewusst intendiert. Im Übrigen sind die Begriffe für Theologinnen und Theologen auch in ihrer heutigen Form leicht wiederzuerkennen.

Da nur ein kleiner Teil der untersuchten Werke übersetzt ist, da ihr Bekanntheitsgrad im deutschsprachigen Raum immer noch relativ gering ist und damit die Theologen selbst zur Sprache kommen, wird in der vorliegenden Arbeit häufig und ausführlich zitiert. Dabei werden die Zitate im laufenden Text ins Deutsche übersetzt, griechische auch in den Anmerkungen. Wo keine andere Quelle angegeben ist, handelt es sich um Übersetzungen der Verfasserin. Sofern eine deutsche Übersetzung existiert, wird jedoch aus dieser zitiert, um zu einer einheitlicheren Übersetzung der griechischen Termini beizutragen. Wo die Wortwahl von besonderer Bedeutung ist oder es aus den oben genannten Gründen sinnvoll und nötig ist, wird das originalsprachliche Zitat in den Fußnoten angeführt.

Verbindliche Regeln zur Umschrift des Griechischen in lateinische Buchstaben gibt es nicht. In dieser Arbeit werden die Namen griechischer Autoren entsprechend der neugriechischen Aussprache in lateinischer Umschrift wieder gegeben.29 Sofern sich im außergriechischen Raum eine bestimmte Schreibweise etabliert hat, wird dieser gefolgt, um nicht der äußerst unerfreulichen Verwirrung durch verschiedene Schreibweisen noch weiteren Vorschub zu leisten.30 Ähnliches gilt für theologische Fachtermini. Paraphrasen folgen hier der Praxis des jeweiligen Autors.

Die Bezeichnung »Kirchenväter« wird in dieser Arbeit nicht auf eine bestimmte Epoche beschränkt. Das heißt, es werden nicht die feineren Unterscheidungen übernommen, die Altaner/Stuiber und Drobner in ihrer Lehrbüchern der Patrologie oder Döpp/Geerlings im Lexikon der antiken christlichen Literatur treffen, um den Begriff der Patrologie, den der Kirchenväter und den der antiken christlichen Literatur zeitlich einzugrenzen.31 Stattdessen wird der Praxis der orthodoxen Theologen gefolgt. Sie gehen von der Kontinuität der kirchlichen Überlieferung von ihren Anfängen bis heute aus und verstehen sich selbst als in dieser Tradition stehend. In diesem Sinn werden unter den »Vätern der Kirche« nicht nur die »Kirchenväter« der ersten Jahrhunderte verstanden, sondern auch spätere Theologen wie Gregorios Palamas oder Nikolaos Kabasilas. Denn auch wenn gemäß der ostkirchlichen Tradition den Vätern aus der Zeit der ersten Konzilien ein besonderer Rang zukommt, so ist dies doch kein grundsätzlich anderer als der der Väter späterer Jahrhunderte. Das Kriterium bleibt die Rechtgläubigkeit und Heiligmäßigkeit. Der Unterschied zwischen früheren und späteren Kirchenvätern besteht lediglich in der Hinsicht, dass sich die späteren Väter auf die der ersten Jahrhunderte stützen und dass jene diejenigen sind, die die verbindlichen Glaubensinhalte, die in den ersten sieben Konzilien ihren Niederschlag fanden, theologisch weiter durchdacht haben.

Bei der Zitation fremdsprachlicher Textpassagen wird, soweit dies die jeweilige Sprache zulässt, eine formal möglichst einheitliche Darstellung gewählt. Die Namen der Kirchenväter werden in der im deutschen Sprachraum gebräuchlichen Weise verwendet. Weitere Einzelheiten zur Zitationsweise fremdsprachlicher Literatur sowie Abkürzungen sind zu Beginn des Literaturverzeichnisses vermerkt. Zitate werden der Neuen deutschen Rechtschreibung angepasst.

1W. Pannenberg: Was ist der Mensch? Die Anthropologie der Gegenwart im Licht der Theologie (1962), Göttingen 71985, 11.

2Zu den Faktoren, die zum Annäherungsprozess der beiden Kirchen beitrugen, s.u. die Hinführung S. 19ff. Im katholischen Bereich schlug sich das gewachsene Interesse schließlich auch im II. Vatikanischen Konzil nieder: Das Ökumenismusdekret Unitatis Redintegratio spricht in Bezug auf die Ostkirchen von der eigenständigen theologischen Tradition des Ostens, deren Reichtum es wieder zu entdecken gelte. Es betont die Notwendigkeit, »den Geist und die Sinnesart der getrennten Brüder [zu] kennen« (UR 9). Bei den orthodoxen Kirchen markiert der Beitritt zum Ökumenischen Rat der Kirchen 1961 ein deutliches Zeichen des Interesses an der ökumenischen Bewegung. Einen Meilenstein der Annäherung setzte die historische Begegnung zwischen Patriarch Athenagoras und Papst Paul VI., die einen »Dialog der Liebe« einleiteten. Die in diesem Kontext verfassten Erklärungen sind unter dem Titel »Tomos Agapis« (Band der Liebe) veröffentlicht: Tomos Agapis. Dokumentation zum Dialog der Liebe zwischen dem Hl. Stuhl und dem Ökumenischen Patriarchat 1958-1976. Deutsche Übersetzung des Dokumentationsbandes über den Austausch von Besuchen, Dokumenten und Botschaften zwischen dem Vatikan und dem Phanar samt einem Anhang über das 10-Jahres-Jubiläum der Aufhebung der Anathemata, hrsg. von Pro Oriente, Innsbruck 1978 (vgl. die griech.-franz. Originalausgabe: Tomos Agapis, Rom-Istanbul 1971). Eine weitere Frucht des vielfältigen Annäherungsprozesses war die Arbeit der 1980 erstmalig zusammentretenden Gemischten Theologischen Kommission. Ihre Arbeit ist seit der Zeit der politischen Umbrüche im Osten insbesondere durch die Vorwürfe des »Proselytismus« in Russland ins Stocken geraten. In den Jahren zuvor hat sie jedoch intensiv gearbeitet und verschiedene gemeinsame Dokumente verabschiedet (Vgl.: DWÜ II, 526-567). Zum orthodox-katholischen Dialog insgesamt vgl. G. Feige: »Schwesterkirchen«? Probleme und Chancen des orthodox-katholischen Dialogs, in: Die Orthodoxe Kirche. Eine Standortbestimmung an der Jahrtausendwende (FS für Anastasios Kallis), Frankfurt am Main 1999, 223–241. S. außerdem auch die Zusammenfassung in DWÜ I, 518-526.

3Vgl. die Vision, die Ioannis Zizioulas entwirft: »After a rather long experience in ecumenical discussions, I have come to the conclusion that instead of trying to agree on concrete theological theses we should try to agree on theological principles. After that it is only a matter of applying pure logic, i.e. of drawing the consequences, until we all come to see and say the same things. The result may be surprising, for we may well discover that suddenly we all speak a language different from the one that has been dividing us for centuries, that, in other words, our confessional theological formulations which we inherited from the past have now become irrelevant and useless - which may in fact be the subconscious fear that prevents us from attacking the presuppositions rather than the concrete theses, the fear, that is, that our confessional identities may die.«, The Mystery of the Church in Orthodox Tradition, OiC 24 (1988), 293-303, 294f. Hervorhebungen DG. Vgl. auch Zizioulas, The Ecclesiological Presuppositions of the Holy Eucharist, Nicolaus 10 (1982), 333-349.

4Vgl.: D. Papandreou: Das orthodoxe Verständnis des Menschen in der neuzeitlichen Theologie, in: Orthodoxie und Ökumene. Gesammelte Aufsätze von Damaskinos Papandreou, hrsg. von W. Schneemelcher, Stuttgart 1986, 94- 110, 96. So fordert auch Wolfgang Beinert schon 1996 (allerdings eher im Blick auf den katholisch-evangelischen Dialog): »Die konfessionellen Theologischen Anthropologien müssen in ausdrücklicher Weise Dialoggegenstand werden. Das ist bisher, von einigen eher beiläufigen Absätzen abgesehen, noch nicht geschehen.«, W. Beinert: Die Theologische Anthropologie in ökumenischer Perspektive, Cath(M) 50 (1996), 331-353, 333.

5Beispiele hierfür sind die von die Stiftung Pro Oriente und der Wiener katholischtheologischen Fakultät in Kooperation mit der Russländischen Orthodoxen Universität zum hl. Johannes (Moskau) und dem Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik (Paderborn) in Moskau und Wien durchgeführten Symposien. Vgl.: A. Lorgus (Hrsg.): Die Bedeutung der christlichen Anthropologie angesichts der heutigen gesellschaftlichen Aufgaben und Probleme, Moskau 2003 (Tagungsmaterialien der ersten Russisch-österreichischen Theologischen Tagung in Wien, Oktober 2002, Russisch/Deutsch); A. Lorgus (Hrsg.): Das Leben des Menschen im Angesicht des Todes, Moskau 2006 Tagungsmaterialien der zweiten Russisch-österreichischen Theologischen Tagung in Moskau, Oktober 2003, Russisch/Deutsch); Stiftung Pro Oriente, Russländische Orthodoxe Universität zum Hl. Johannes dem Theologen (Hrsg.): Sinn und Grenzen menschlicher Freiheit, Bialystok 2007 (Tagungsmaterialien der dritten Russischösterreichischen Theologischen Tagung in Moskau, Oktober 2007, Russisch/Deutsch). Als eine Frucht dieser Tagungen entstand auch das von Andrej Lorgus und Bertram Stubenrauch herausgegebene Handwörterbuch Theologische Anthropologie. Es enthält zu jedem Stichwort zwei Artikel in direkter Gegenüberstellung, einen aus römisch-katholischer, einen aus russischorthodoxer Perspektive. A. Lorgus, B. Stubenrauch (Hrsg.): Handwörterbuch Theologische Anthropologie. Römisch-katholisch / Russisch-orthodox. Eine Gegenüberstellung, Wien 2013.

6Ein charakteristisches Beispiel ist B. Zenkowsky, H. Petzold: Das Bild des Menschen im Licht der orthodoxen Anthropologie, Marburg 1969.

7Zu den bekanntesten dieser orthodoxen Theologen zählen die russischen Theologen der Diaspora Vladimir Lossky, Georges Florovsky, Sergej Bulgakov und Paul Evdokimov, der Rumäne Dumitru Staniloae und auch die Griechen Nikos Nissiotis, Christos Yannaras und Joannis Zizioulas.

8K. Ch. Felmy, Die orthodoxe Theologie der Gegenwart. Eine Einführung, Darmstadt 1990, XII.

9T. (Timothy, später, nach seiner Konversion und Ordination: Kallistos, Bischof von Diokleia) Ware: The Orthodox Church, Harmondsworth 1963; J. Meyendorff: The Orthodox Church, London 1962.

10Die orthodoxe Theologie der Gegenwart. Eine Einführung, Darmstadt 1990.

11R. Williams: Eastern Orthodox Theology, in: The Modern Theologians. An introduction to Christian Theology in the twentieth Century. Vol. II, hrsg. von D. F. Ford, New York 1989, 152-170 stellt Florovsky, Bulgakov und Lossky vor; A. Nichols: Light from the East. Authors and Themes in Orthodox Theology, London 1995 neben anderen auch Ioannis Zizioulas und Christos Yannaras.

12La teologia ortodossa neogreca, Bologna 1992 mit einer umfangreichen Einführung und Literaturangaben. Spiteris stellt alle drei in dieser Arbeit untersuchten Theologen vor.

13Der theologie- und zeitgeschichtliche Hintergrund wird im Ersten Teil der Untersuchung nachgezeichnet. S.u. S. 19ff.

14So sind beispielsweise im Handbuch der Ostkirchenkunde der theologischen Anthropologie gerade einmal sieben Seiten gewidmet: G. Mantzaridis: Skizze einer orthodoxen Anthropologie und Soziologie, in: HOK Bd. III (1997), 134-142.

15Als Beispiel können die theologischen Anthropologien von Wolfhart Pannenberg und Otto Hermann Pesch dienen. In beiden wird kaum Bezug auf orthodoxe Theologen genommen. S. W. Pannenberg: Anthropologie in theologischer Perspektive, Göttingen 1983 und O.H. Pesch: Frei sein aus Gnade. Theologische Anthropologie, Freiburg 1988. Auch Michael Schneider, dessen Anthropologie eine sehr große inhaltliche Nähe zu den orthodoxen Theologen der neopatristischen Synthese aufweist, bezieht sich zwar häufig auf dieselben Kirchenväter wie diese, aber doch vergleichsweise selten auf zeitgenössische orthodoxe Theologen. Vgl. z.B. M. Schneider: Theologie als Biographie. Eine dogmatische Grundlegung, St. Ottilien 1997 (Schriftenreihe des Patristischen Zentrums Koinonia – Oriens; 44).

16Auf eine überblicksartige Darstellung der Grundlinien orthodoxer Anthropologie allgemein wird somit ebenso verzichtet wie auf eine Darstellung der griechischen patristischen Anthropologie. Beides würde die Themenstellung der Arbeit sprengen. Zudem liegen zu beidem eine Reihe von Darstellungen vor. Zur orthodoxen Anthropologie allgemein vgl. außer den bereits genannten kurzen Überblicksaufsätzen von Papandreou und Mantzaridis sowie den Artikeln im »Handwörterbuch Theologische Anthropologie. Römisch-katholisch / Russischorthodox« (a.a.O.) die fundierte Darstellung von P. Chrestou mit Schwerpunkt auf den Kirchenvätern (P. Chrestou: Partakers of God, Brookline, Mass. 1984) sowie Ch. Stavropoulos: Partakers of Divine Nature, Minneapolis 1976. Zu nennen sind weiterhin die »Klassiker« von V. Lossky: À l'image et à la rassemblance de Dieu, Paris 1967 (Engl. Ausg.: In the image and Likeness of God, Crestwood, N.Y. 1976) und M. Lot-Borodine: La déification de l’homme selon la doctrine des pères grecs, Paris 1970 (= Bibliothèque œcumenique; 9). Unter den älteren Veröffentlichungen die Beiträge im Sammelband des Theologischen Seminars Thessaloniki : (Ansichten christlicher Anthropologie), Thessaloniki 1970, s. darin P. Lialampis: (Der Mensch gemäß der gegenwärtigen griechisch-orthodoxen Theologie), 161-206. Eine gute neuere deutschsprachige Zusammenfassung der patristischen Tradition mit Fokus auf die Geschlechterdifferenz und ausführlichen Quellenangaben bieten (aus westlicher Perspektive) M. Parmentier: Griechische patristische Elemente zu einer theologischen Anthropologie der Frau als Mensch und als Frau in ihrer Differenz zum Mann, in: Bild Christi und Geschlecht. Gemeinsame Überlegungen und Referate der Orthodox-Altkatholischen Konsultation zur Stellung der Frau in der Kirche und zur Frauenordination als ökumenischem Problem, 25. Februar - 1. März in Levadia (Griechenland) und 10.-15. Dezember 1996 in Konstancin (Polen), hrsg. A. von Arx und A. Kallis, Sonderdruck IKZ 88,2 (1998), 132-174 und (aus östlicher Perspektive) K. Yokarinis: Patristische Elemente zu einer theologischen Anthropologie der Frau als Mensch und als Frau in ihrer Differenz zum Mann, in: Bild Christi und Geschlecht, 175-203, dort auch weitere Beiträge zum Thema.

17Ware, Foreword, in: P. Nellas: Deification in Christ. Orthodox Perspectives on the Nature of the Human Person, Crestwood, N.Y. 1997, 9f. Näheres zu dieser Theologengeneration und zu ihrer Charakterisierung als »mittlere« Theologengeneration s. u. S.19ff..

18Vgl. Williams, 153. S. auch Spiteris, 11: »In occidente la teologia ortodossa è conosciuta quasi esclusivamente attraverso la voce dei teologie russi della diaspora e in genere attraverso quella della teologie ortodossa slava. Nomi come Bulgakov, Afanasieff, Florovskij, Evdokimov, Lossky, Meyendorff, suonano famigliari negli ambienti della teologia occidentale. Per questo si ha la tendenza a identificare la teologia ortodossa con quella russa.«

19Ausführlicheres zu Person, Werk und Anliegen von Nellas, Yannaras und Zizioulas im Zweiten Teil dieser Arbeit zu Beginn des jeweiligen Kapitels.

20Vgl. Yannaras' Einleitung zum (»Glaubensfibel«), Athen 21984, Nellas' Einleitung zum . (»Wesen, das zur Vergöttlichung bestimmt ist. Perspektiven eines orthodoxen Verständnisses des Menschen«), Athen 1982, Zizioulas: Die Welt in eucharistischer Schau und der Mensch von heute, US 25 (1970), 342-349, 343.

21Die Welt in eucharistischer Schau, 343. Im griechischen Sprachgebrauch wird mit dem Begriff »Liturgie« immer und ausschließlich die »Göttliche Liturgie«, d.h. die Eucharistiefeier bezeichnet, nicht jedoch andere liturgische Formen wie z.B. die Tagzeitenliturgie.

22Deutlich zu betonen ist an dieser Stelle, dass es sich bei dem formulierten Dilemma nicht lediglich um den Unterschied zwischen Dichtung und wissenschaftlicher Prosa handelt, und dass es auch nicht um eine Ablehnung der Rationalität geht. Christos Yannaras hebt hervor, dass hier nicht verschiedene Denksysteme sondern verschiedene Haltungen einander gegenüberstehen: »Wir sprechen vom Vorrang der personalen Erfahrung und vom Überwinden der begrifflichen Definitionen und benützen dennoch begriffliche, systematisch definierende Darstellungen. So könnte der Leser meinen, es handele sich um zwei verschiedene Denksysteme, nicht aber um zwei radikal gegensätzliche Lebensweisen oder Lebenseinstellungen.« Person und Eros: eine Gegenüberstellung der Ontologie der griechischen Kirchenväter und der Existenzphilosophie des Westens, Göttingen 1982, 70185, Hervorhebungen Yannaras.

23Drastisch, aber anschaulich beschreibt Pavel Florensky die Situation der »Außenstehenden«: »Es wird erzählt, dass man das Schwimmen im Ausland jetzt an Geräten, auf dem Boden liegend lernt. Genau so kann man auch Katholik oder Protestant werden – nach Büchern, ohne irgendwie mit dem Leben in Berührung zu kommen – im eigenen Arbeitszimmer. Aber um orthodox zu werden, muss man augenblicklich in das Element der Orthodoxie selbst eintauchen, orthodox zu leben beginnen – einen anderen Weg gibt es nicht.«, P. Florenskij, Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit, in: Östliches Christentum. Dokumente, hrsg. von N.v. Bubnoff und H. Ehrenberg, Bd. II, Philosophie, München 1925, 28-193, 21, zitiert nach Felmy, Einführung, 1. Auch wenn man nicht gleich selbst orthodox werden möchte und auch wenn Florenskijs Thesen über Katholiken und Protestanten fragwürdig sein mögen, so wird in diesem Bild doch recht gut deutlich, dass es nach dem Selbstverständnis der Orthodoxie bei dem beschriebenen Dilemma nicht um »unterschiedliche Bücher« geht, die es zu lesen gilt.

24F. Heyer: Orthodoxe Anthropologie der Gegenwart in der Sicht eines evangelischen Theologen, in: Das Bild vom Menschen in Orthodoxie und Protestantismus. Drittes Theologisches Gespräch zwischen dem Ökumenischen Patriarchat und der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 2. –5. Oktober 1973 in Chambésy/Schweiz, hrsg. vom Kirchlichen Außenamt, Korntal 21975, 31-43, 34.

25Die nach Autoren getrennte Darstellung wird auch gewählt, weil bisher nur wenige ihrer Werke in deutscher Sprache zugänglich sind. Als Monographie zur Anthropologie ist nur Yannaras' »Person und Eros« ins Deutsche übersetzt. Anthropologische Texte von Zizioulas und Nellas sind bisher nur in englischer, französischer, italienischer und rumänischer Übersetzung erschienen.

26Das Vorgehen, den Blick auch auf das »Wie« zu richten, greift auch das oben genannte Anliegen von Ioannis Zizioulas auf, auf die zugrundeliegenden (Denk-)-Voraussetzungen (»presuppositions«) zu achten.

27Es handelt sich bei dieser Terminologie von Christos Yannaras um Schwierigkeiten, die sich bei der Übersetzung stellen, nicht um verschiedene Wortbedeutungen in dem Sinn, dass dasselbe Wort einmal für dieses und dann für etwas ganz anderes verwendet würde. Nach Christos Yannaras hat, was »logisch« im herkömmlichen Sprachgebrauch ist, immer teil am Logos, ist also in diesem Sinne »logoshaft«. Was »erotisch« ist, steht in Beziehung zum Eros, es ist »erotisch«, weil es »eroshaft« ist.

28Die drei Theologen wachsen in der Zeit der »Zweisprachigkeit« von Alltagssprache (»Dhimotiki«) und Hochsprache (»Katharevousa«) auf. Eine wissenschaftliche Abhandlung wie eine Dissertation wurde selbstverständlich in der Hochsprache verfasst und hätte zu dieser Zeit nicht in der Volkssprache eingereicht werden können. Die Aktualisierung der Theologie in eine zeitgemäßere Form war nicht zuletzt auch eine sprachliche Aufgabe. Vgl. dazu auch S. 2239.

29In der Zitation griechischer Titel zeigt die Sekundärliteratur ein breites Spektrum. Wir schließen uns hier der Praxis von Spiteris u.a. an, die – wegen der schnelleren Identifikation von Autoren, die in mehreren Sprachen veröffentlicht haben - Autorennamen in lateinischer Umschrift, Titel aber in griechischen Schriftzeichen wiedergeben.

30Deshalb z.B. »Yannaras« statt »Giannaras«, aber »Panagiotis« statt »Panayiotis«.

31Vgl. B. Altaner/A. Stuiber; Patrologie. Leben, Schriften und Lehre der Kirchenväter, Freiburg 91980; S. Döpp / W. Geerlings (Hrsg.): Lexikon der antiken christlichen Literatur, Freiburg, 32002, VIII.

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