Kitabı oku: «Familienglück im zweiten Anlauf», sayfa 2

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3. Wie erleben Kinder die Scheidung ihrer Eltern?

Durch die Scheidung der Eltern verändert sich die gesamte Lebenssituation der Kinder dramatisch. Sie müssen nicht nur die Trennung der Eltern hinnehmen, sondern in der Folgezeit oft auch mit neuen Partnern ihrer Eltern zurechtkommen. Wohnungs- und Schulwechsel, materielle Einschränkungen, Besuchsregelungen und vieles mehr müssen sie verkraften. Dabei sind sie einem Wechselbad von Gefühlen wie Wut, Trauer, Scham, Angst und Schuld ausgesetzt.

Eine Trennung der Eltern bedeutet für das Kind den Verlust der bisherigen Lebensgrundlage, die sich im Zusammenleben mit Mama und Papa manifestierte. Eine Akzeptanz der neuen Situation durch das Kind ist sicher von seinem Alter und seiner Reife abhängig. Für Kinder im Kindergartenalter und darunter ist das Verhalten der Eltern unverständlich und Angst auslösend. Ältere Kinder können die Trennung der Eltern als notwendige Entscheidung erkennen, da sie selbst unter der spannungs- und aggressionsgeladenen Atmosphäre zu Hause leiden. Trotzdem hat jede Veränderung für Kinder jeder Altersstufe etwas Bedrohliches, Unbekanntes und sie sehnen sich nach einer heilen Familie, in der sich Mama und Papa gut verstehen.

Der Prozess der Trennung (bzw. Scheidung) verläuft in drei Phasen:

1 Die Vortrennungsphase: Der Prozess zunehmender Unzufriedenheit mit dem Partner, der schließlich zu der Erkenntnis führt, dass eine Trennung unumgänglich ist.

2 Die Trennungsphase: in der die notwendigen Schritte einer Trennung vollzogen werden wie Hausrats- und Vermögensaufteilung, Sorgerechtsregelung, Wohnungsauflösung usw.

3 Die Nachtrennungsphase: d. h. die Zeit nach vollzogener Trennung.

Die Vortrennungsphase ist für Kinder verunsichernd. Sie haben Angst und glauben sogar, schuld daran zu sein, dass die Eltern sich ständig streiten. Aber auch, wenn sich die Eltern nicht offen streiten, bekommen Kinder schwelende Konflikte und latente Aggressionen der Eltern mit. Dann kommen in ihnen quälende Fragen und beunruhigende Gedanken hoch: Was ist mit meinen Eltern los? Was haben sie vor? Und was habe ich falsch gemacht, dass sie sich so verhalten?

Das Wechselbad der Gefühle der Eltern verunsichert die Kinder. Sie fühlen sich ohnmächtig und spüren, dass sie kaum Einfluss auf das haben, was geschieht. Da die Eltern im kindlichen Denken einfach zusammengehören, wirkt eine mögliche Trennung wie eine unfassbare Bedrohung ihrer eigenen Existenz.

Während der Trennungsphase gehen die dunklen Vorahnungen der Kinder in Gewissheit über, dass sich die Eltern trennen werden. Manche empfinden es fast als eine Erleichterung, dass die Zeit des Zweifelns und der Ungewissheit vorüber ist, andere klammern sich an die Hoffnung, dass die Eltern noch einmal zueinander finden könnten und reagieren mit Ungläubigkeit und Nichtakzeptanz der Situation.

In der Nachtrennungsphase werden Kinder ebenfalls verunsichert, nämlich durch das veränderte Erziehungsverhalten der Eltern: Eltern haben wegen der Scheidung gegenüber ihren Kindern Schuldgefühle, aus denen heraus sie Grenzen nicht konsequent setzen und Dinge durchgehen lassen, die eigentlich einer Korrektur bedürften. Besonders der Elternteil, der seine Kinder nur am Wochenende oder in den Ferien sieht, hat Angst davor, die Liebe seines Kindes zu verlieren, und neigt dazu, sein Kind zu verwöhnen.

Da Kinder ohnehin wie Seismographen auf die Gefühls- und Stimmungslage sowie auf Unsicherheiten der Eltern reagieren, sollten diese in aller Offenheit mit ihren Kindern reden und ihnen klarmachen, dass sie selbst auch die Trennung verarbeiten müssen. Gleichzeitig sollten sie ihnen aber auch die Zuversicht vermitteln, dass man die neue Situation gemeinsam, trotz aller Unsicherheit bewältigen wird.

Verlassene Mütter oder Väter sind oft so schwer verletzt oder wütend über den Ex-Partner, dass sie vergessen, dass Kinder beide Elternteile lieben. Wenn Eltern ihren eigenen Frust bei ihrem Kind ablassen, den Partner schlechtmachen, fühlen sich die Kinder noch verzweifelter. Sie verstehen gar nicht, warum Papa oder Mama plötzlich böse sein soll. Einige Eltern erwarten sogar, dass ihr Kind Partei ergreift, setzen es unter enormen psychischen Druck und bringen es in einen Loyalitätskonflikt.

In dieser Phase kann es zu weiteren Abschieden und Verlusten kommen: Meist ist eine Trennung auch mit einem Wohnsitzwechsel verbunden. Dann verliert das Kind wieder ein Stück Vertrautheit: seine Wohnumgebung, die Schule, den Kindergarten und vor allem seine Freunde. Manchmal hat das Kind nun auch mehr Verantwortung z. B. im Haushalt zu übernehmen und ist in manchen Situationen viel mehr auf sich gestellt, weil die Mutter gezwungen ist, für den Familienunterhalt zu sorgen.

In der Nachtrennungsphase erleben Trennungskinder ihre Eltern als Einzelwesen. Das Ende der Elterlichkeit bemerken sie darin, dass Vater und Mutter sie nicht mehr gemeinsam erziehen. Die Übergabe der Kinder an den besuchsberechtigten Elternteil verdeutlicht die unabänderliche Trennung besonders schmerzhaft. Nicht selten haben Kinder dabei das Gefühl, dass sie sich zwischen Fronten bewegen – einschließlich der Risiken, die damit verbunden sind.

Sabrina, 18:

„Nur zu gut kann ich mich erinnern, als mich meine Mama mit Tränen in den Augen ansah und zu mir sagte: „Sabrina, Papa und ich werden uns trennen!“ Ich hatte es irgendwie schon geahnt, dass sich meine Mutter und mein Vater nicht mehr verstehen. Das konnte man auch nur zu gut hören. Immer diese ständigen Streitereien und diese Tränen. Kein Kind will so etwas wahrhaben. Doch irgendwann kommt die Zeit, wo nichts mehr so sein kann wie früher und sich das ganze Leben verändert. Ich war erst 10. Doch schon mit diesem Alter kann sich das ganze Leben verändern, als würde man schon erwachsen sein und ein neues Leben beginnen.

Nichts ist so, wie es früher einmal war. Alles ist anders. Ich bin in ein tiefes, dunkles Loch gefallen, wie viele andere Scheidungskinder auch. Für mich war immer klar, dass ich bei meiner Mama bleiben würde. Ich hatte immer schon den besseren Bezug zu ihr. Diese Zeit war aber trotz allem sehr schlimm für mich, weil ich mit meiner Mutter in einen anderen Ort umzog, meine Freundinnen verlor, mich von meinen zwei Brüdern trennen musste und meinen Vater nur noch selten sah. Zu dieser Zeit war ich froh, dass ich meine Mutter hatte. Wir haben sehr viel zusammen unternommen und wir waren uns sehr nahe.

Meine Eltern wollten mit Geschenken etwas gutmachen. Es ging mir wirklich gut, und bei meiner Mutter fehlte es mir auch an nichts. Alle hatten das Gefühl, dass es mir wieder besser gehen würde und ich alles gut überwunden hätte.

Als ich dann 13 Jahre alt war, kam der nächste tiefe Fall. Meine Eltern fanden beide neue Partner. Ich konnte einfach nicht verstehen, wie jemand nach einer gescheiterten Ehe schon wieder den Versuch wagt, mit einem anderen eine Beziehung einzugehen. Ich habe meinen Vater und meine Mutter dafür gehasst, wurde hart und schwierig und habe mich isoliert. Ich hatte niemanden mehr, der zu mir stand. Mein Verhältnis zu meinem Papa wurde wirklich schlimm. Wir hatten nur noch Streit. Er war so anders, hatte keine Zeit mehr für mich. Ich war einfach vergessen. Und so vergaß ich auch ihn. Ich hatte keinen Vater mehr. Das Einzige, was mir half, war ein kleines Tagebuch, in dem ich alle meine Gedanken, meine Wut und meine Trauer aufschrieb.“

Gregor, 16:

„Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, egal wie es Eltern machen, in den Augen der Kinder ist es irgendwie immer falsch!“

Das Kinderbuch von Nina Schindler „Wenn meine Eltern sich trennen“3 ist gut geeignet, um sich in die Seele von Kindern (im Grundschulalter) vor, während und nach der Scheidung einzufühlen. Sie reagieren mit Wut, Angst, Depressionen und Schuldgefühlen. Dieses Bilderbuch ist comicartig aufgemacht und beinhaltet Fragebögen für Eltern und Kinder zur Analyse. Rechte und Wünsche der Kinder werden besprochen und es werden „Verträge“, die sie mit ihren Eltern aushandeln können, als Muster vorgegeben. Keinesfalls sollten Kinder dieses Buch alleine lesen. Nur ein gemeinsames Lesen mit einem Elternteil oder mit vertrauten Personen kann den gewünschten Erfolg bringen, dass Scheidungskinder begreifen, was bei der Scheidung ihrer Eltern passiert.

Wegen der vielen nicht abweisbaren Schäden für Trennungs- und Scheidungskinder fragen sich verantwortungsvolle Eltern, ob sie sich wirklich trennen dürfen. Es ist aber erwiesen, dass es keinen Sinn ergibt, an einer einmal zerrütteten Ehe festzuhalten. Die Atmosphäre eines solchen Zuhauses ist für Kinder Gift.

Wenn sich die Eltern aber zu einer Scheidung durchgerungen haben, dann ist es wichtig, den Kindern in allen Trennungsphasen eine Stütze zu sein. Voraussetzung dafür sind ein faires, verlässliches und ehrliches Umfeld und Verständnis für die Gefühle und Reaktionen der Kinder.

Zur Fairness gehört es, den Kindern ein zumindest neutrales Bild von dem abwesenden Elternteil zu vermitteln. Ein verlässliches und ehrliches Beziehungsnetz kann geschaffen werden, indem Großeltern, Freunde und Verwandte – auch die des Ex-Partners – mit einbezogen werden. Zur Ehrlichkeit gehört, dass die Kinder altersentsprechend über die Trennung der Eltern informiert werden. Man kann Kindern erklären, warum Mama und Papa nicht mehr zusammen leben können und dabei betonen, dass daran auf keinen Fall die Kinder schuld sind.

Harald, 54:

„Nach dem Tod meiner Frau versuchte ich, mich wieder neu zu orientieren und lernte eine geschiedene Frau mit einem 9-jährigen Sohn kennen. Für mich war der Sohn willkommen, ich konnte aber nicht ahnen, dass der noch sehr an seinem geschiedenen Papa hing und sich keinen anderen Mann an der Seite seiner Mutter vorstellen konnte. Ich hatte keine Ahnung, warum der Sohn sich renitent und abwehrend verhielt. Am deutlichsten ist mir seine Ablehnung in der Wohnung seiner Mutter aufgefallen, wo er offenbar das Revier gegen mich, den fremden Eindringling, verteidigte.

Heute weiß ich, dass ein neuer Mann in einer Mutter-Sohn-Beziehung keine Chance hat und auch, dass seine Mutter und ich dieses Kind mit unseren Zukunftsplänen überfordert haben. Wir haben nur an uns gedacht und nicht an die Gefühle dieses Kindes.“

Noch vor kurzem vermutete man zwangsläufig Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten bei Scheidungskindern. Inzwischen gilt es als gesicherte Erkenntnis, dass weniger die Familienstruktur als vielmehr die Qualität der Beziehungen der Kinder zu ihren nun getrennt lebenden Eltern und deren jeweiligen Herkunftsfamilien ausschlaggebend dafür ist, ob die Kinder die Chance haben, zu stabilen Persönlichkeiten heranzuwachsen.4

Die Qualität der Beziehungen kann eher positiv oder eher negativ sein. Im positiven Fall bleiben nach der Scheidung der Eltern die Beziehungen zwischen den Elternteilen und den Kindern unbelastet und den Kindern bleibt darüber hinaus das Beziehungsnetz aus väterlicher und mütterlicher Familie erhalten. Im negativen Fall führt die Scheidung der Eltern zu einem jahrelangen Krieg nicht nur zwischen den Eltern, sondern auch zwischen den Familien, wodurch die Kinder zwischen die Fronten geraten und auch ihre erweiterte Familie (Opa, Oma, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins) verlieren. Derart belastete Scheidungskinder können unter vielfältigen Symptomen leiden, wie etwa unter psychosomatischen Beschwerden, emotionaler Labilität, Schlafstörungen, Leistungsabfall und Kontaktängsten.

Die Folgen von Scheidung sind für betroffene Kinder verheerend und mindestens so schmerzhaft wie für die Eltern. Ein Großteil der Scheidungskinder ist sogar emotional dermaßen beeinträchtigt, dass sie unter Lern- und Konzentrationsstörungen leiden und oft eine Klasse wiederholen müssen. Insbesondere leiden sie daran, dass ein Elternteil „abwesend“ ist.

4. Wie erleben Kinder
die Abwesenheit eines Elternteils?

Als „abwesender Elternteil“ ist der Elternteil zu verstehen, in dessen Haushalt sich die Kinder zu einem Zeitpunkt nicht befinden. Beim alleinigen Sorgerecht leben die Kinder meistens bei der Mutter und leiden darunter, dass sie ihre Väter im Rahmen des Besuchsrechtes nur alle zwei Wochen am Wochenende oder in den Ferien sehen. Auch im Fall des gemeinsamen Sorgerechtes und dem ständigen Wechsel zwischen den Elternhaushalten sehnen sie sich nach dem Elternteil, der gerade nicht anwesend ist.

Sehr treffend zeigte das der Film „Woche für Woche“ (ARD, 10. Februar 2010, 20.15-21.45 Uhr), der mit dem Deutschen Fernsehpreis 2009 ausgezeichnet wurde. Es ist ein Film über ein Scheidungskind und sein chaotisches Leben zwischen Mama und Papa:

Felix Weingarten ist sieben Jahre alt und Einzelkind. Seine besorgte Mutter tut alles, um ihren Sohn zu fördern. Sie besorgt ihm eine Therapie gegen seine Rechtschreibschwäche und meldet ihn wegen seiner schlechten Körperhaltung beim Yogakurs an. Sein Vater arbeitet als Alleinverdiener viel in der eigenen Schreinerei. Dann passiert das, was statistisch gesehen in jeder dritten Ehe in Deutschland vorkommt: Felix΄ Eltern trennen sich, einvernehmlich, wie sie nie vergessen zu betonen. Aus Gründen der Fairness entscheiden sie sich, eine gerechte Lösung hinsichtlich ihres einzigen Sohnes zu finden. „Woche für Woche“ heißt das Modell, nach dem Felix abwechselnd bei seiner Mutter und bei seinem Vater lebt. Was für die Eltern zunächst eine faire, salomonische Lösung ist, bedeutet für den Jungen absolutes Chaos und Orientierungslosigkeit. Zwei materielle Identitäten prallen aufeinander, im Wochenwechsel ist der Junge gezwungen, nicht nur umzuschalten zwischen Mama und Papa, sondern zwischen zwei Kinderzimmern, zwei Betten, zwei Zahnbürsten.

Während sich seine Familie halbiert, verdoppelt sich seine materielle Existenz. Felix erlebt einen wechselvollen Alltag in verschiedenen Milieus: Bei der Mutter lebt er in bevorzugter Wohngegend in einem schönen Jugendstilhaus, bei seinem Vater in einem wenig repräsentativen Wohnviertel mit hohem Ausländeranteil, wo er aber Carem kennenlernt, einen Jungen aus einer türkischen Großfamilie mit zahlreichen Geschwistern, Cousins und Cousinen. Dort ist immer etwas los und Felix fühlt sich nicht mehr allein.

Während Felix immer noch hofft, dass seine Eltern wieder zusammenfinden, sehen gerade diese sich mit immer größeren Problemen konfrontiert. Sein Vater stößt schnell an seine Grenzen, als er versucht, Beruf und Kindererziehung unter einen Hut zu bekommen. Yoga- und Legasthenietermine fallen öfter aus und statt Vollwertkost gibt es eher mal Pizza, was seiner Ex-Frau natürlich gar nicht gefällt: Ein Psychotherapeut soll die Trennung des Elternpaares begleiten, damit der Sohn keinen Schaden davonträgt, aber gerade in der Therapiestunde verschärft sich der Machtkampf der Eltern durch gegenseitige Schuldzuweisungen.

Der Film zeigt, dass die Eltern zwar das Beste für ihr Kind wollten, Felix aber mit der Situation, Woche für Woche bei dem einen oder anderen Elternteil zu leben, überfordert war. War er bei der Mutter, hatte er Heimweh nach seinem Vater, war er bei seinem Vater, hatte er Heimweh nach seiner Mutter. Felix kam mit seinen getrennt lebenden Elternteilen nicht gut zurecht und empfand es als Defizit, seine Eltern nicht mehr gleichzeitig zu haben.

Der kleine Felix hat theoretisch zwei „Zuhause“ und deshalb gar keins, weil er weder hier noch dort so richtig Wurzeln schlagen kann. Das „Zwei-Zuhause-Modell“ ist bei Psychologen umstritten.

Aber es gibt auch Kinder, die sich durchaus in zwei Familien zu Hause fühlen und keine Probleme mit ihrer „Doppelresidenz“ haben. Positive Beispiele habe ich in dem Ratgeber „Glückliche Patchworkkinder – Zuhause in mehreren Familien“5 beschrieben.

Während manche Kinder nach der Scheidung ihrer Eltern zwei Zuhause haben und sich beide Elternteile regelmäßig um sie kümmern, haben andere Scheidungskinder nicht selten den Verlust eines Elternteils – in der Regel des Vaters – zu verkraften. Nur wenige aller geschiedenen Väter kümmern sich regelmäßig um ihre Kinder und nicht alle Scheidungskinder bleiben in Kontakt mit dem abwesenden Elternteil.

Manche Kinder interpretieren das Desinteresse ihres abwesenden Elternteils an ihnen so, als ob sie nichts wert und nicht liebenswürdig seien. Solche Gefühle werden verstärkt, wenn der abwesende Elternteil keinen Unterhalt zahlt oder sein Umgangsrecht nicht wahrnimmt, häufig Besuche absagt oder zu den vereinbarten Terminen nicht erscheint.

Viele Konflikte, in die Kinder mit hineingezogen werden, beziehen sich auf Unterhaltszahlungen, die gar nicht oder nur unregelmäßig geleistet werden. Das kann dazu führen, dass die Mutter ihre Enttäuschung und Verbitterung bei den Kindern ablädt und sie als Klagemauer missbraucht.

Insa, 32:

„Ich bin ein Scheidungskind, inzwischen 32 Jahre alt und beginne ganz langsam damit, mich selbst anzunehmen und mein Leben auf eigene Beine zu stellen.

Jahrelang habe ich mich vergeblich nach der Liebe meiner Eltern gesehnt, aber meine Eltern waren zu sehr mit sich selbst und ihren Scheidungsauseinandersetzungen beschäftigt, und insofern unfähig, meine Bedürfnisse wahrnehmen zu können.

Nach der Scheidung erfolgten verspätete Ehekriegsspiele ohne Ende. Alles drehte sich um den Unterhalt, den mein Vater für mich zu zahlen hatte, aber gar nicht oder nur unregelmäßig zahlte. Meine Mutter ließ mich einen Brief an meinen Vater schreiben wegen des nicht geleisteten Unterhaltes. Ich weiß nicht, was genau ich da schreiben sollte, für mich klang es so, als ging es nur um eine Bescheinigung. Ich war aufgeregt, denn schließlich hatte ich seit Jahren nichts von ihm gehört.

Eines Tages war ein Brief von meinem Vater im Briefkasten. Ich zitterte vor Aufregung am ganzen Körper und hatte Schmetterlinge im Bauch. Mein Papa hatte geschrieben, „weiß ich nun endlich, wessen Geistes Kind du bist“. Das ist der einzige Satz, an den ich mich erinnere. Immer wieder klingt er nach, ich sehe noch die schwarze Tinte auf dem weißen Papier und kann noch heute den Schmerz fühlen, der mir dabei die Tränen in die Augen schießen ließ. Meine Mutter tröstete mich, um dann wieder auszuholen und mir davon zu erzählen, wie grausam dieser Mensch zu ihr gewesen war, dass er mich nie wollte, weil ich ein Mädchen war, dass nur Jungs etwas für ihn zählten. Sie erzählte stundenlang, immer und immer wieder. Mein Gefühl starb dabei. Ich durfte nicht traurig sein. Bis heute weiß ich nicht, was in diesem Brief an meinen Vater gestanden haben muss, was ihn so wütend hat werden lassen. Zwischendurch gab es gelegentlich Kontakt zu meinem Vater, der aber immer abbrach, wenn ich mich nicht mehr meldete. Er selbst meldete sich nie. Und ich tat es dann irgendwann auch nicht mehr.“

Tina, 36:

„Ich bin selbst Scheidungskind. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich neun Jahre alt war. Ich habe sehr unter der Abwesenheit meines Vaters gelitten. Ich habe erlebt, dass die wenigsten geschiedenen Väter sich umfassend um ihre Kinder kümmern. Bei einigen meiner Freundinnen habe ich das auch beobachten können. Meistens sind es die Mütter, denen alles überlassen wird.

Vor einiger Zeit befragte ich meinen Vater, warum er sich kaum um mich gekümmert habe. Seine Antwort: „Ich hatte eine neue Familie.“

So oder ähnlich verhält sich auch mein Freund, der Vater meines Sohnes, seit unserer Trennung.

Auf eine Mitverantwortung bei Betreuung und Erziehung lassen sich Männer kaum ein. Auch bei Freunden und Bekannten sehe ich diesen Zustand oft.

Für mich steht das Wohl meines Sohnes im Mittelpunkt. Er liebt seinen Vater bedingungslos. Zurückweisungen schluckt er und leidet. Leider kann man niemanden zur Liebe zwingen. Doch wenn man seinen Kindern täglich in die Augen sieht, ihnen zuhört und mit ihnen ist, merkt man, wie sehr ihnen diese Liebe fehlt. Sie brauchen einfach beide – Mama und Papa. Und jede Geste, jedes Wort, jede Berührung und Zuwendung saugen sie auf. Ich wünschte mir sehr, dass die Väter kämpfen würden, um jede Sekunde mit ihnen.“

Es ist ein großer Verlust für Kinder, deren Väter „abtauchen“ und sich ihrer Verantwortung entziehen, denn Kinder brauchen Mütter und Väter. Der Gesetzgeber hat das erkannt und überträgt im Regelfall beiden Eltern das gemeinsame Sorgerecht, damit sie – trotz gescheiterter Beziehung – gemeinsam zum Wohle des Kindes kooperieren.

Im neuen Kindschaftsrecht ist die gemeinsame elterliche Sorge und Verantwortung verankert, d. h., Väter und Mütter behalten als Eltern das gemeinsame Sorgerecht und auch die gemeinsame Sorgepflicht für ihre Kinder (s. Anhang: „Neufassung des Kindschaftsrechtes“ Seite 139).

Nur dann, wenn Eltern völlig zerstritten sind und um alles prozessieren, wird einem Elternteil das alleinige Sorgerecht übertragen, während der andere Elternteil das Besuchsrecht erhält. Es gibt aber auch Fälle, in denen das gemeinsame Sorgerecht nicht durchführbar ist, weil z. B. der Vater monatelang auf Montage im Ausland arbeitet. Dann wird aus Zweckmäßigkeitsgründen das alleinige Sorgerecht der Mutter übertragen.

Für ein Kind bedeutet es aber auch den schmerzlichen Verlust eines abwesenden Elternteils, wenn ihm dieser durch den anwesenden Elternteil entfremdet wird. Nicht selten versucht der anwesende Elternteil den anderen aus dem Leben des Kindes auszugrenzen und es kommt zur Entwicklung eines PAS-Syndroms („Parental Alienation Syndrome“ – PAS – Elterliches Entfremdungs-Syndrom) beim Kind: Es spaltet seine Eltern in einen geliebten (guten) und einen angeblich gehassten (schlechten, bösen) Elternteil auf.

Bei der Entfremdungsproblematik werden Kinder von einem Elternteil – meistens der Mutter – instrumentalisiert. Solche Mütter versuchen, ihren Ex-Mann zu strafen oder sich an ihm zu rächen. Diese Frauen betrachten ihre Kinder als ihr persönliches Eigentum, über das sie die alleinige Verfügungsgewalt anstreben. Sie programmieren (bewusst oder unbewusst, offen oder getarnt) das Kind gegen den Ex-Partner.

Da sich Kinder normalerweise mit dem Elternteil identifizieren, bei dem sie leben und von diesem abhängig sind, übernehmen sie auch dessen Bedürfnisse und Emotionen. Der ehemals geliebte Vater wird plötzlich abgelehnt, weil die Mutter es so will und weil das Kind nicht riskieren kann, den Zorn oder die Enttäuschung der Mutter auf sich zu ziehen. Meist wird dann ohne Überprüfung der Umgang mit dem Vater für diese Probleme verantwortlich gemacht und nicht die Programmierung durch die Mutter und deren Umgangsboykott. Die gängige Argumentation ist, „Es muss Ruhe einkehren“ oder es wird sogar eine Umgangspause verordnet, in der sich die Entfremdung dann fast automatisch vollzieht. Wenn danach Kontaktprobleme zwischen Vater und Kind entstehen, werden diese wiederum dazu benutzt, den Umgang weiterhin zu vereiteln.

Dazu ein Beispiel:

Claras Eltern sind geschieden. Die Achtjährige lebt bei ihrer Mutter. Obwohl beide Eltern das Sorgerecht haben, bekommt der Vater seine Tochter so gut wie gar nicht mehr zu sehen. Die ersten Monate nach der Scheidung war zunächst alles gut gelaufen. Clara besuchte ihren Vater regelmäßig und kehrte fröhlich von den gemeinsamen Wochenenden zurück. Doch dann fielen ihre Treffen immer häufiger aus: Mal war sie krank, mal auf einer Sportveranstaltung, mal bei einem Kindergeburtstag. Schließlich erfährt der Vater, dass Clara sich weigert, ihn zu besuchen.

Wenn ein Kind seine Bedürfnisse hinsichtlich des abgelehnten Elternteils nicht mehr äußert, bedeutet das nicht, dass es ihn nicht (mehr) lieb hat. Seine Liebe für den Vater oder die Mutter besteht weiter, wird aber verleugnet, um den manipulierenden Elternteil nicht zu verlieren. Auch beim Kind ist Angst ein wesentlicher Faktor für das Entstehen des Syndroms. Dem Kind fehlt die Freiheit, auch den abgelehnten Elternteil lieben zu dürfen. Damit wird dem Kind die Grundvoraussetzung für die eigene gesunde Persönlichkeitsentwicklung entzogen. Der Verlust der zweiten Elternbeziehung hat Identitäts-, Selbstwert-, Bindungs- und Beziehungsprobleme zur Folge.

Es ist Fakt, dass das Engagement vieler Väter für ihre Kinder nach der Scheidung kontinuierlich abnimmt. Ein Grund für den Rückzug der Väter ist auch, dass sie den Kontakt zu den Kindern reduzieren, um Streit mit der geschiedenen Frau zu vermeiden.

Viele Kinder entwickeln Mitleid mit dem getrennten Vater und verbünden sich mit ihm, wodurch sie in einen Loyalitätskonflikt geraten können. Andererseits verwöhnen Scheidungsväter oft aus Schuldgefühlen ihre Kinder und setzen ihnen keine klaren Grenzen, wo diese gefragt wären.

Nach einer Scheidung zerfällt das einstige familiäre Gefüge. Die Rollen müssen neu verteilt und besetzt werden. Geschiedene Eltern versuchen aus Schuldgefühlen heraus nach der Trennung eine besonders intensive Bindung zu den Kindern herzustellen, indem sie den Kindern ein besonderes, partnerschaftliches Verhältnis anbieten oder sie fallen in das andere Extrem, indem sie ihre Kinder überbehüten.

Psychologen meinen, dass der Tod eines Elternteils für die Entwicklung eines Kindes nicht so schlimm sei wie eine Scheidung. Echte Halbwaisen seien in der Lage, sich mit dem unwiderruflichen Schicksalsschlag abzufinden und Gegenkräfte zu entwickeln, Scheidungskinder hingegen hätten Schwierigkeiten, zu begreifen, dass das geliebte Wesen noch existiert, aber den Kontakt abbricht oder stark reduziert. Von Bedeutung ist also weniger, dass ein Elternteil fehlt, sondern warum er fehlt.

Wenn man weiß, wie viel Kummer und Verzweiflung eine Scheidung oder der Tod für den verlassenen bzw. hinterbliebenen Partner und die betroffenen Kinder bewirken, erscheint es nicht nur verständlich, sondern wünschenswert, wenn nach Wegen gesucht wird, aus dem „Tal der Tränen“ herauszukommen und dem Leben einen neuen Sinn zu geben.

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Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
140 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783941435940
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Telif hakkı:
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