Kitabı oku: «Unsere Zukunft auf deiner Haut», sayfa 3
»Ich bin mir nicht sicher, was Sie von mir hören wollen, Mr. Braga. Ich halte mich nur an die Vorgaben.«
»Na schön«, du verdammter Roboter, fügte er in Gedanken hinzu. Er stopfte die Karte in seine Hemdtasche, packte dann die Räder seines Rollstuhls und schob ihn zurück. Sein Rücken schmerzte, und er war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, eine Bar zu finden, um seine Sorgen in einer Flasche Whiskey zu ertränken, und der Sehnsucht, nach Hause zu gehen, um Maisy festzuhalten und sie niemals loszulassen.
Er schaffte es hinaus und in sein Auto, bevor er anfing zu zittern. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und drückte den Kopf ans Fenster, während die Knochen in seinen Beinen anscheinend versuchten, seine Haut einfach abzuschütteln. Die Krämpfe nahmen ihm immer den Atem, also wartete er, bis sie nachließen, bevor er sein Handy hervorzog, um Kat anzurufen, die beim dritten Klingeln abnahm.
»Hey, Babe. Willst du mit dem Zwerg reden?«
Sam biss die Zähne zusammen und atmete durch die Nase aus. »Ich… gleich. Ich habe gerade… ich bin gerade fertig geworden und, äh…«
»Was haben sie gesagt?«, fragte sie und ihre Stimme war leise und klang beinahe gefährlich.
»Nichts. Es ist… ich muss sechs Wochen lang an einem verdammten Kurs teilnehmen, und dann werden sie meinen Fall neu beurteilen«, gestand er. Er schluckte schwer. »Und sie sagten, sie wollen versuchen, ihren leiblichen Vater ausfindig zu machen, um herauszufinden, ob es in seiner Familie jemanden gibt, der das Sorgerecht beantragen möchte.«
»Großer Gott«, hauchte sie. »Sam…«
»Hör mal, es ist ‒ es ist, wie es ist. Ich werde einfach den Mund halten und weitermachen. Das ist alles, was ich im Moment tun kann.«
Nach einem Moment der Stille sagte Kat: »Lass sie heute Nacht hier. Sie spielt mit Jazzy und wir gehen nachher Pizza essen. Du kannst nach Hause gehen und dir etwas Ruhe gönnen. Ich bringe sie morgen Früh nach Hause, okay? Und ich sage Tony, er soll deine Termine morgen verschieben.«
»Nein«, setzte er an.
»Diskutier nicht mit mir«, fuhr Kat auf. »Du weißt, dass du das brauchst.«
Er hasste, dass sie recht hatte, und ließ den Kopf aufs Lenkrad fallen. »Ja. Also gut.«
»Ruf mich einfach an, wenn du zu Hause bist, damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist. Und ruf vielleicht Derek an, damit er dich ein wenig ablenkt, okay? Alles wird gut.«
Er wollte sie zurechtweisen, dass sie kein Recht hatte, das zu sagen, weil er im Moment wirklich keinen Grund hatte zu glauben, dass es so kommen würde. Wäre er ein anderer Mensch ‒ mit weniger Tattoos und einem besseren Ruf, mit einer heldenhaften Vergangenheit, auf die er sich berufen konnte, könnte er sich vielleicht an die Öffentlichkeit wenden und den Staat für diesen Bull-shit an den Pranger stellen. Aber er war bloß ein Niemand. Ein Niemand, dessen Eltern es nicht ertragen konnten, auch nur an ihn zu denken, und der nicht viel mit seinem Leben angefangen hatte, abgesehen davon, sich in einer kleinen Stadt einzurichten und dort Wurzeln zu schlagen.
Aber wenigstens das hatte er. Seine Familie, sein Geschäft und vorerst ‒ sein kleines Mädchen. »Ich rufe dich später an«, versicherte er ihr und legte dann auf, bevor sie noch etwas sagen konnte. Er wollte einfach nur nach Hause und diese kleine Pause, die Kat ihm anbot, na ja, die musste genügen.
Kapitel 4
»Was hältst du davon?«
Niko erschrak und drehte sich um, wo er zwei grinsende Gesichter im Türrahmen entdeckte. Er stieß die Luft aus, fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und ließ die Schultern sinken. »Ich muss euch beiden eine verdammte Glocke umbinden.«
Die beiden in der Tür lachten gleichzeitig und nicht zum ersten Mal schien es, als würden sie dasselbe denken. Jane, die Rothaarige, war mit Max verheiratet, Nikos ehemaligem Mitbewohner aus der Zeit, als er nach Fairfield gezogen war. Holland, die Blonde, gehörte fest zu ihr und Jane war kaum ohne sie anzutreffen. Beide führten nun ein relativ erfolgreiches Maklerbüro, von dem ihm gerade alle zum Verkauf stehenden Objekte gezeigt wurden, und das sogar unter der Hand. Das war der einzige Grund, weshalb er überhaupt eingewilligt hatte, sich tatsächlich ein paar Immobilien anzusehen.
Zu diesem Zeitpunkt war er gezwungen gewesen, seine finanzielle Lage preiszugeben, und obwohl er damit gerechnet hatte, dass sie versuchen würden, ihn über den Tisch zu ziehen, war das nicht passiert. Es war ein weiterer Grund, warum er das Gefühl hatte, dieser Ort könnte zu einem Zuhause werden.
Holland zwinkerte ihm zu, als sie sich an Jane vorbeischob und mit der Hand über die Arbeitsplatte aus Granit fuhr, auf der sich am Rand eine feine Staubschicht gebildet hatte. »Es wären nicht viele Renovierungsarbeiten nötig.«
»Ich würde sie wahrscheinlich trotzdem durchführen«, sagte er und biss sich auf die Unterlippe, während er durch den Raum ging. »Ich möchte, dass es sich neu anfühlt. Anders, versteht ihr?«
»Nicht wie ein Diner aus den Fünfzigern, in dem griechisches Essen serviert wird?«, riet Jane mit einem Schnauben.
Niko grinste sie an. »So in der Art.« Er ging um die Theke herum zur Nachfüllstation. Der Laden war wie ein alter Sodashop aufgebaut, in dem die Bedienung Essen ins Fenster stellte, und Stammgäste an der Theke sitzen und direkt von dort aus bedient werden konnten. Er fand die Gestaltung nicht allzu schlimm, aber das, was er wollte, würde auf diese Art nicht funktionieren. Das alles musste raus.
»Du wirst ein Vermögen investieren müssen«, warnte Holland ihn und legte ihm eine Hand auf den Rücken. »Ich weiß, du hast gesagt, das wäre dir egal, aber…«
»Das war mein Ernst«, sagte Niko und seine Kiefermuskeln spannten sich ein wenig an. Die zweite Reaktion, wenn die Leute von seinem Vermögen erfuhren, war, dass sie übervorsichtig wurden. Wenn sie nicht versuchten, ihn über den Tisch zu ziehen, versuchten sie, ihn zu zügeln und daran zu hindern, sein Geld auszugeben, als wäre sein Leben ohne es ruiniert.
Das hatte ihn früher wütend gemacht. Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte er jeden verdammten Cent auf seinem Konto gegeben, wenn ihn das wieder aufs Eis gebracht hätte, um beweisen zu können, dass er dort hingehörte. Jetzt war er sich da nicht mehr so sicher. Der Schmerz war nicht mehr so überwältigend. Er hatte die letzten Drafts ohne diesen Schmerz in der Magengrube im Fernsehen schauen können und er fragte sich, ob das bedeutete, dass er begann, es hinter sich zu lassen.
»Ich denke ‒ wenn es dir gefällt«, meinte Jane, »solltest du ein Angebot abgeben. Es gibt eine Menge Leute in Denver, die versuchen werden, sich diesen Laden unter den Nagel zu reißen. Fairfield wird immer beliebter, und wenn du die Chance nicht ergreifst, wird er zu einem Quinoa- und Grünkohl-Smoothie-Schuppen, in dem jeder so tut, als würde er dieses Gesöff lieben, während er es hinunterwürgt, und davon brauchen wir nicht noch mehr.«
Niko schnaubte und erwähnte bewusst nicht, dass er vorhin einen Proteinshake getrunken hatte ‒ das Einzige, was er heute zu sich genommen hatte. »Ja. Okay. Gebt ein Angebot ab und sagt mir dann Bescheid. Ich muss zurück ins Büro und dann gehe ich joggen. Wenn ich also nicht ans Telefon gehe, hinterlasst mir einfach eine Nachricht.«
Er beugte sich vor, um Holland und Jane auf die Wangen zu küssen, dann eilte er hinaus auf den Gehweg. Der Rückweg zum Büro war kurz, das Wetter perfekt, und er winkte ein paar Leuten auf der Straße zu, die er entweder von der Arbeit oder privat kannte. Es war das angenehme Gefühl einer Kleinstadt, aber er war sich stets bewusst, dass er kein Teil der Gemeinschaft war wie die anderen Bewohner der Stadt, obwohl er schon so verdammt lange hier lebte. Niemand lud ihn zu den Feiertagen, zum Superbowl oder zum Taco-Dienstag ein. Es gab niemanden, den er um zwei Uhr morgens anrufen konnte, wenn er aus seinem immer wiederkehrenden Albtraum erwachte, dass eine Schlittschuhkufe sein Knie verfehlte und sich stattdessen direkt in seine Eingeweide grub, die sich auf dem Eis verteilten, während er einfach dort lag und die Welt um ihn herum schwarz wurde.
Es war ein einsames Leben und vielleicht war das der Grund, warum er ernsthaft über Sages Angebot nachdachte, sich auf dieses Blind Date einzulassen.
Kapitel 5
»Willst du darüber reden?«
Niko umklammerte das kalte Bierglas und beobachtete, wie es durch die Wärme seiner Finger ein wenig beschlug. Sages Vorschlag, zusammen ein Bier zu trinken, hatte ihn so überrascht, dass er nicht ablehnen konnte, selbst wenn sein Instinkt ihm riet, er solle die Flucht ergreifen. Stattdessen ließ er das Beintraining ausfallen und lief ein paar Blocks zu der kleinen Sportbar, die nie übermäßig voll war.
Sie fanden einen kleinen Tisch in der Ecke, ein Stück entfernt von den dröhnenden Fernsehern, obwohl er nicht anders konnte, als den Blick zu den beiden Bildschirmen wandern zu lassen, auf denen gerade Eishockey lief. Frühling war die Zeit der Play-offs. Der Frühling bedeutete Stress, geradezu Panik, besonders für diejenigen, die sich in den Farmteams gut präsentiert hatten, denn das konnte bedeuten, dass man in die erste Mannschaft berufen wurde. Es konnte bedeuten, dass einer der Spieler mit großem Namen eins auf die Mütze bekam und das Team Ersatz benötigte. Vielleicht wäre Nikos Karriere nicht direkt den Bach runtergegangen, wenn ihm das passiert wäre.
Nur, dass es nicht so gekommen war. Und sie war den Bach runtergegangen.
»Worüber? Wie sehr ich das Date mit deinem Bruder versaut habe?« Er stieß ein ungnädiges Schnauben aus. »Eigentlich war es nicht der Rede wert.«
Er war hier, weil er es Sage schuldete. Der Mann hatte das Date eingefädelt und, um ehrlich zu sein, hatte er nicht unrecht gehabt, dass Niko Derek wirklich mögen würde. Der Typ war ein bisschen nervös, aber er war lustig und hatte etwas an sich, das in Niko den Wunsch weckte, ihn besser kennenzulernen. Sein Blick wirkte gehetzt ‒ Niko kannte den Blick, hatte zuvor mit diesen Jungs gespielt ‒, aber er drängte nicht darauf, mehr zu erfahren. Er genoss einfach ihre gemeinsame Zeit und die nette Unterhaltung.
Er hatte sogar angefangen zu glauben, dass dieses Date möglicherweise besser ausgehen könnte als seine letzten. Im Sinne von weniger Kleidung und mehr Schwanzberührungen. Doch dann hatte er seinen dummen Mund aufgemacht und einfach ausgesprochen, was ihm durch den Kopf gegangen war. Danach hatte er ganze zwei Stunden gebraucht, um zu erkennen, was er Falsches gesagt hatte.
Und es war nicht so, als hätte er es wirklich so gemeint. Er hatte kein Problem mit gehörlosen Menschen und fand die Gebärdensprache faszinierend. Um ehrlich zu sein, hatte er einfach nicht darüber nachgedacht, was er sagte. Um ganz ehrlich zu sein, hatte er den Großteil seines Lebens damit verbracht, andere zufriedenzustellen ‒ seine Eltern, seine Trainer, sein Team, seine Kollegen ‒, und einfach angenommen, dass jeder das tat. Dass sich jeder anderen Leuten anpasste.
Er vermutete, dass Derek das gehörlose Paar kannte, das sich im Eisladen in Gebärdensprache unterhalten hatte, und er wusste, dass dieser Fehltritt wahrscheinlich nicht wiedergutzumachen war. Verdammt, das gehörlose Paar war wahrscheinlich auch mit Sage befreundet ‒ mit allen im Laden ‒, was ihm eine weitere Tür vor der Nase zuschlagen würde.
»Hey, es ist in Ordnung, wenn du…«, begann Sage.
Niko unterbrach ihn mit einem Seufzen. »Da war ein gehörloser Kerl ‒ ein gehörloses Paar ‒ in der kleinen Eisdiele, in der Derek und ich uns unseren Nachtisch geholt haben. Ich habe einen wirklich unbedachten Kommentar über die Tochter eures Chefs gemacht, darüber, dass sie sprechen lernen sollte, weil hier sonst niemand taub ist.« Sages Mund klappte auf, wahrscheinlich um ihn zurechtzuweisen, und Niko schüttelte den Kopf. »Glaub mir, ich weiß, es war dumm, das zu sagen. Du musst es mir nicht erklären.«
Sage rieb mit der Spitze seines Daumens über den Rand seines Glases und Niko bemerkte die Tintenflecke unter seinem Fingernagel. »Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass Derek das nicht gut aufgenommen hat.«
»Er ist einfach gegangen«, gab Niko zu. »Ich bin ihm nicht gefolgt. Mir war da noch nicht klar, wie genau, aber ich wusste, dass ich es vermasselt habe. Fünf Minuten auf Google haben gereicht, um es herauszufinden.«
»Er wird dir noch eine Chance geben, wenn er das erfährt«, sagte Sage sanft.
Niko schüttelte den Kopf. Er blickte wieder zum Fernseher, zu den weißen und blauen Trikots, die über den Bildschirm huschten. Der Spielstand interessiert ihn nicht und es ging ihm gut, aber manchmal vermisste er das Gefühl von Eis unter seinen Kufen so sehr, dass er es praktisch schmecken konnte. Er hatte seit dem Abend, an dem er sich verletzt und den Profisport für immer hinter sich gelassen hatte, nicht mehr auf dem Eis gestanden, und der Gedanke, es erneut zu tun, versetzte ihn in Panik.
Er sah wieder zu Sage und spürte, wie seine Schultern hinuntersackten. »Es ist keine große Sache.«
»Würdest du ihn gern wiedersehen?«, fragte Sage.
Nikos Augen weiteten sich überrascht, denn damit hatte er nicht gerechnet. Das Date mit Derek hatte ihm gefallen. Es hatte zwischen ihnen nicht gefunkt, aber es hatte ihm zu schaffen gemacht, dass er etwas ruiniert haben könnte, das gut hätte sein können. »Würde ich schon gerne. Ich meine, wenn er interessiert wäre, aber, Mann, es steht mir echt nicht zu, ihn darum zu bitten. Was ich gesagt habe, war absolut nicht cool, und ich habe es nicht einmal so gemeint. Nach der Aktion schuldet er mir gar nichts.«
Sage lachte. »Gib die Hoffnung noch nicht auf. Lass ihm ein oder zwei Tage Zeit.« Er zögerte eine Sekunde und zuckte dann mit den Schultern. »Wir könnten das hier wiederholen, wenn du willst. Zusammen ein Bier trinken. Es ist, äh… es ist irgendwie nett, zur Abwechslung mal nicht mit den Leuten im Laden abzuhängen.« Er rieb sich den Nacken und stieß einen leisen Seufzer aus, eher ein halbes Lachen. »Es fühlt sich seltsamerweise gut an, jemanden zu haben, der mit all dem nichts zu tun hat.«
»Das verstehe ich«, sagte Niko, und das tat er wirklich. Denn jahrelang hatte es für ihn ebenfalls nur Mitspieler und deren Freundinnen, die Trainer und die PR-Leute gegeben, aber niemanden außerhalb der Eishockeywelt. Danach hatte er so viele Jahre damit verbracht, andere Leute auszuschließen, dass er nicht mehr wusste, wie er diese Angewohnheit ablegen sollte. »Manchmal braucht es einen Fremden, um einem klarzumachen, dass die Dinge gar nicht so verkorkst sind, wie man denkt.«
Sage blinzelte und lachte auf. »Ja, so in der Art. Ich meine, ich liebe meine Familie. Wirklich, aber sie kann ein wenig überwältigend sein. Du, äh…« Geistesabwesend strich er mit den Fingern über seine andere Hand, die aussah, als hätte er dort ein frisches Tattoo. »Hast du Tattoos?«
Niko errötete und berührte unbewusst mit dem rechten Fuß seinen linken Knöchel. »Eins. Aber es ist ziemlich alt und wirklich, wirklich beschissen.«
Sages Augenbrauen schossen hoch. »Ach ja?«
»Ich habe es machen lassen, als ich in ‒«, dann stockte er, denn er war noch nicht bereit, über Eishockey zu sprechen, »als ich jünger war. Siebzehn. Ich war mit einigen Leuten in Montreal und war leicht angetrunken. Ich hätte nicht unterwegs sein dürfen, aber einer der Jungs hatte es sich in den Kopf gesetzt, dass wir uns alle das gleiche Tattoo stechen lassen sollten. Also haben wir diesen kleinen Laden ausfindig gemacht, der so aussah, als hätte er noch nie bessere Tage gesehen, und den Mann hinter der Theke bestochen, uns welche zu machen. Da waren lauter, äh… diese Zeichnungen an der Wand?«
»Flash Sheets«, erklärte Sage. »Sie sind wie Schablonen. Wir benutzen sie kaum noch, aber früher waren sie eine große Sache.«
Nikos Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. »Sie hatten da einen Löwen ‒ von einer Mannschaft aus der Gegend ‒ und wir haben ihn uns alle am Knöchel stechen lassen. Er sah von Anfang an scheiße aus. Ganz blass und undeutlich. Vor ein paar Jahren habe ich versucht, ihn weglasern zu lassen, aber es hat nicht richtig funktioniert.«
»Darf ich es sehen?«
Niko spürte, wie er in der Gegenwart des Mannes errötete, der nicht nur wunderschöne Arbeiten am ganzen Körper trug, sondern sie auch selbst erschuf. »Oh Mann, Alter, es ist wirklich hässlich. Es ist… das willst du dir nicht antun.«
Sage gluckste und schüttelte den Kopf, dann nahm er einen Schluck von seinem Bier. »Es ist meine Aufgabe, so etwas zu reparieren, weißt du? Glaub mir, meine Arme haben nicht immer so ausgesehen.« Er fuhr sich mit der rechten Hand über den linken Arm. »Viele schlechte Entscheidungen und stundenlange Cover-up-Sitzungen.« Als Niko immer noch zögerte, legte er beide Hände auf den Tisch und schaute ihn an. »Komm nächste Woche in den Laden. Ich bin meistens da, wenn wir öffnen. Ich kann es mir ansehen und wir können überlegen, welche Möglichkeiten es gibt. Ich meine, es sei denn, du willst es behalten.«
Niko biss sich auf die Unterlippe. »Will ich nicht. Es ist nur… ich denke, einem Teil von mir wäre es lieber, wenn es ganz weg wäre, statt es umzuarbeiten.«
Sage musterte ihn aufmerksam. »Warum?«
Niko stieß den Atem aus, lehnte sich in seinem Stuhl zurück und legte beide Hände hinter den Kopf, während er sich streckte. Sein Blick zuckte zurück zum Fernseher und plötzlich verspürte er den Drang, sich jemandem zu offenbaren, der kaum mehr als ein Fremder war. Früher hatte er kein Problem damit gehabt, fremden Reportern gegenüber, die er noch nie getroffen hatte, alles auszuplaudern, obwohl er wusste, dass es auf allen Sportkanälen und Webseiten zu sehen sein würde. Nach seinem Unfall, nachdem sie sein Trikot an die Hallendecke gehängt hatten, fühlte es sich an, als würde sich seine Kehle zuschnüren, wenn er darüber sprach.
Abwesend kratzte er über die gezackten Narben an seinem Knie und schaute Sage schließlich wieder an. »Ich habe früher Eishockey gespielt.«
Sage hob die Augenbrauen. »Ja? Also als Kind?«
Niko musste ein Auflachen unterdrücken. »Ja, als Kind. Und als Teenager. Ich wurde von der Junior League in Quebec angeworben. Kurz danach wurde ich gedraftet.«
Sage, der gerade einen weiteren Schluck von seinem Bier genommen hatte, verschluckte sich und stellte sein Glas mit einem Ruck ab. »Moment mal. Gedraftet. Du meinst von der NHL gedraftet?«
Niko zuckte mit den Schultern. Er spürte, wie seine Wangen brannten, und rieb sich über die Seite seines Halses. »Ja, von Florida. Ich meine, ich bin sofort ins Farmteam gekommen ‒ ich musste mich hocharbeiten, weißt du? Aber, äh… es lief gut. Es lief wirklich gut. Ich habe ein paar Rekorde gebrochen und es sah so aus, als würde ich ganz groß rauskommen.«
»Nur, dass du jetzt Buchhalter bist und im tiefsten Colorado lebst, also schätze ich, dass du wohl doch nicht groß rausgekommen bist«, sagte Sage unverblümt.
Niko wusste zu schätzen, dass er nicht um den heißen Brei herumredete, denn das machte es ihm leichter, davon zu erzählen. »Ungefähr zwei Minuten nach Beginn meines ersten offiziellen NHL-Spiels wurde ich von den Füßen gerissen. Zwischen meinem Schienbeinschützer und meinem Knieschoner war eine Lücke ‒ die Schoner sind keine Garantie dafür, dass man sich nicht verletzt, aber die Ausrüstung war fehlerhaft ‒ ein Produktionsfehler. Eine Kufe hat praktisch alle Bänder in meinem Knie durchtrennt und es komplett zerstört. Damit war meine Karriere vorbei. Zwei Minuten, nachdem sie begonnen hat.« Er erzählte nicht, dass sein Agent seinen Anwalt angerufen und eine Klage eingereicht hatte, noch während er nach der Operation von Schmerzmitteln benebelt gewesen war, und die Summe erstritten hatte, die er verdient hätte, wenn er seine Karriere mit einem Standardvertrag für Rookies hätte fortsetzen können. Plus einen Bonus als Schmerzensgeld, aber Niko war sich bewusst, dass keine noch so große Anzahl von Nullen auf seinem Bankkonto es schaffte, das niederschmetternde Gefühl zu lindern, dass alles, wofür er gearbeitet hatte, nun vorbei war.
»Scheiße, Mann«, sagte Sage nach einem Moment. »Wie lange ist das her?«
Niko nahm einen großen Schluck von seinem Bier und leerte es damit. Er zuckte mit den Schultern und fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Eine Weile. Ich wurde sechs Tage vor meinem achtzehnten Geburtstag gedraftet. Nach dem Unfall habe ich mich eine Weile im Selbstmitleid gesuhlt, aber ich glaube, meine Mutter war es irgendwann leid, mein Gesicht zu sehen, da hat mir ein Kumpel von der Universität hier erzählt. Er hatte ein Zimmer für mich frei, und letztendlich habe ich meinen Masterabschluss gemacht und mein Leben wieder auf die Reihe gekriegt.«
Sage starrte ihn lange an, dann lehnte er sich zurück und schüttelte den Kopf. »Ich muss dich wirklich besser kennenlernen.«
Da lachte Niko überrascht auf und schaute ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an. »Ernsthaft?«
»Du musst doch wissen, dass du wie ein hohler Muskelprotz wirkst, der sich für nichts interessiert, abgesehen von deinen beschissenen Proteinshakes und Zahlenspielereien. Und deinen schrecklichen Ansichten über Obst.«
Niko war baff und er bemühte sich, nicht zu grinsen, als Sage kicherte. »Es war schwer, sich davon zu erholen«, sagte er schließlich. »Es hat lange gedauert, bis ich darüber sprechen konnte, und ich fühle mich immer noch nicht wirklich wohl dabei, dass andere Leute Bescheid wissen. Es ist… ich hatte bestimmte Ziele. Mein Vater starb, bevor er miterleben konnte, wie ich sie erreicht habe, und an dem Tag, als ich zum ersten Mal auf NHL-Eis stand, hatte ich das Gefühl, ich würde es für ihn tun. Sekunden nach Spielbeginn ausgeschaltet zu werden ‒ das hat mir einen schweren Schlag versetzt. Ich wusste nicht, was ich mit mir anfangen sollte. Zum Teufel, ich weiß es immer noch nicht. Ich meine, ich bin gut in Buchhaltung, aber es ist nicht so, als würde es mir irgendetwas bedeuten.«
»Aber Eishockey hat dir etwas bedeutet«, sagte Sage.
Niko schnaubte. »Alter, man lässt sich nicht von einhundertdreißig Kilo purer russischer Muskelmasse durch eine frostige Arena werfen, weil man nichts Besseres zu tun hat.« Er tippte mit den Fingern an sein Glas und überlegte, ob er sich ein zweites bestellen sollte. »Ich habe eine Weile gebraucht, um überhaupt wieder etwas zu fühlen, nachdem es vorbei war. Ich, äh…« Er leckte sich die Lippen und sah sich um, obwohl es ihm eigentlich egal war, ob jemand zuhörte. »Ich habe in meinem zweiten Collegejahr einen Kochkurs besucht, weil ich versucht habe, Stress abzubauen, und es hat sich herausgestellt, dass ich wirklich gut darin bin. Und es war das erste Mal seit dem Eishockey, dass ich in etwas gut war, das mir auch etwas bedeutet hat.«
Sage wirkte verblüfft, aber nicht unbedingt überrascht. »Willst du daraus etwas machen?«
»Ich denke darüber nach«, sagte er und war dankbar, dass Sage ihn nicht weiter ausfragte.
Sie bestellten sich jeder noch ein Bier, und als sie ausgetrunken hatten, ging Sage mit ihm hinaus. Abends war die Frühlingsluft immer noch kühl, doch bei Weitem nicht so kalt wie noch vor ein paar Wochen. Niko zog seinen Pullover über und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.
»Es war mein Ernst, als ich sagte, dass wir das hier öfter tun sollten«, sagte Sage zu ihm, als sie auf ihre Mitfahrgelegenheiten warteten. »Und das mit dem Tattoo war auch mein Ernst. Ich werde dich nicht verurteilen und ich würde gern sehen, ob uns vielleicht etwas einfällt, das sich für dich richtig anfühlt.«
Niko nickte. »Ja. Warum nicht?«
»Ich werde auch noch einmal mit Derek über dich sprechen. Vielleicht ist da nichts zwischen euch, aber ich denke, ihr beide habt es verdient, es wenigstens zu versuchen.«
Niko wollte Nein sagen, aber sein Bauchgefühl riet ihm, es nicht zu tun. Vielleicht würde es ihn nicht in Dereks Arme führen, aber es könnte der Beginn von etwas sein ‒ Freundschaft oder Bekanntschaft. Er wollte unbedingt etwas Tieferes empfinden, als nur zu existieren, und vielleicht waren die Brüder sein Weg dorthin.
»Ich komme vorbei«, versprach er schließlich.
Sages Mitfahrgelegenheit kam zuerst an. Er winkte Niko zu, bevor er einstieg und um die Ecke verschwand. Niko überprüfte den Status seines Fahrers und sah, dass er noch zehn Minuten warten musste, aber die Zeit allein fühlte sich nicht mehr so erdrückend an.