Kitabı oku: «SINFONIE DER SCHMERZEN»

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INHALTSVERZEICHNIS

COVER

TITEL

SINFONIE DER SCHMERZEN

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NACHTANGST

DER FAHRSTUHL

TOD IM GEMÄLDEZIMMER

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NACHWORT

WEITERE TITEL DES AUTORS

LESEPROBE

SINFONIE

DER

SCHMERZEN

1

Der Schmerz beginnt augenblicklich unter seiner Schädeldecke loszuhämmern, als er aus der Bewusstlosigkeit erwacht. Das quälende Dröhnen, das seinen ganzen Kopf ausfüllt und jede andere Empfindung überlagert, macht jeden einzelnen Gedankengang zur Qual und reißt jede neue Überlegung in kleinste Fetzen, noch ehe er überhaupt in der Lage ist, sie gebührend zur Kenntnis zu nehmen.

Er stöhnt, doch der Laut dringt nur gedämpft an seine Ohren. Im gleichen Moment spürt er, dass etwas seine Mundhöhle ausfüllt. Er will es unwillkürlich ausspucken, doch das geht nicht, da etwas über seine Lippen gebunden ist und seinen Mund verschließt. Das Ding in seinem Mund ist nicht hart, sondern nachgiebig und außerdem nass und schleimig von seinem Speichel. Es fühlt sich an wie ein Tuch, das zu einem Ball zusammengeknüllt wurde.

Ein Knebel?

Der Gedanke, der es trotz des Hämmerns schafft, zu seinem bewussten Denken durchzudringen, erschreckt ihn so sehr, dass er die Augen aufreißt. Doch er kann noch immer nichts sehen. Er spürt, dass seine Wimpern etwas streifen, das vor seinem Gesicht hängt. Und nicht nur dort, sein ganzer Kopf wird davon umhüllt. Überall dort, wo es seine bloße Haut berührt, fühlt es sich dünn und rau an.

Ein Sack über dem Kopf?

Ein Knebel und ein Sack!

Es bedarf nicht der detektivischen Fähigkeiten eines Sherlock Holmes, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Er hebt den Kopf, der ihm während der Bewusstlosigkeit auf die Brust gesunken ist und lauscht, kann aber keinen Laut in seiner unmittelbaren Umgebung hören. Die einzigen Geräusche, die er wahrnimmt, stammen von ihm selbst. Das beschleunigte Schlagen seines Herzens, das Rauschen seines Blutes in den Schläfen, sein schnaufendes Atmen durch die Nase.

Ihm ist, als kehren seine Sinne nur nach und nach wieder, so wie bei einer komplizierten Maschinerie, die ganz vorsichtig hochgefahren wird, um die Systeme nicht zu überlasten.

Er blinzelt, wobei seine Lider erneut den rauen Stoff vor seinem Gesicht streifen, und holt durch die Nase ganz tief Luft. In diesem Augenblick, als sich seine Lungenflügel mit mehr Luft als zuvor füllen und aufblähen, spürt er erstmals die Enge um seinen Brustkorb. Obwohl er der Tatsache bisher keine besondere Bedeutung beigemessen hat, ist ihm schon seit seinem Erwachen bewusst, dass er aufrecht sitzt. Und jetzt spürt er auch den harten Holzstuhl, auf dem er sitzt, unter seinem Hintern und die Lehne hinter seinem Rücken, gegen die er gepresst wird. Er versucht, sich zu bewegen, aber der Erfolg ist enttäuschend. Lediglich seine Hände, die Finger, die Füße und den Kopf kann er bewegen. Der Rest seines Körpers ist hingegen an Ort und Stelle fixiert.

An einen Stuhl gefesselt?

Ihm ist, als habe er bislang noch im Halbschlaf vor sich hingedämmert und werde erst in diesem Moment richtig wach, in dem sein Gehirn alle Informationen, die er in den letzten zwei bis drei Minuten gesammelt hat, zu einem sinnvollen Ganzen verbindet und den einzig richtigen Schluss daraus zieht. Und vielleicht hilft ihm auch der Umstand dabei, konzentrierter nachzudenken, dass seine Kopfschmerzen ganz allmählich auf ein erträgliches Maß zurückgegangen sind und er sich, wie an ein monotones Hintergrundgeräusch, daran gewöhnt hat.

Ein Knebel plus ein Sack über dem Kopf plus an einen Stuhl gefesselt ergibt: Ich wurde das Opfer einer Entführung!

Die Schlussfolgerung versetzt ihn jäh in Panik und Entsetzen. Und nachdem er nun auch die letzten Reste der Bewusstlosigkeit überwunden hat und wieder klar denken kann, erwacht zudem seine Angst vor der Finsternis und breitet sich wellenförmig in seinem Innern aus, indem sie Adrenalin freisetzt und sämtliche Körperfunktionen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Sein Herz schlägt noch schneller als zuvor, während sich gleichzeitig seine Atemfrequenz spürbar erhöht. Plötzlich hat er das Gefühl, nicht mehr genug Luft durch die Nase einatmen zu können und ersticken zu müssen. Kalter Schweiß bricht ihm am ganzen Körper aus und durchnässt in kürzester Zeit seine Kleidung.

Ich bekomme keine Luft mehr! Ich ersticke!

Dann kommt ihm ein neuer, noch furchterregenderer Gedanke. Vielleicht ist es ja gar kein Sack aus luftdurchlässigem Material, den man ihm über den Kopf gestülpt hat, sondern eine luftdichte Plastiktüte, obwohl es sich ganz und gar nicht danach anfühlt, die ihn nun langsam und jämmerlich ersticken lässt.

Die Angst vor dem Erstickungstod steigert die Panik, in der er sich aufgrund seiner Lage ohnehin schon befindet. Er beginnt damit, seinen Körper ruckartig hin und her zu bewegen, sich nach links und rechts zu werfen, um die Fesseln zu sprengen oder wenigstens den Stuhl zum Umkippen zu bringen. Vielleicht schafft er es, das Holz beim Sturz unter seinem Gewicht zu zermalmen und sich auf diese Weise von seinen Fesseln zu befreien. Doch der Stuhl, auf dem er sitzt, lässt sich nicht bewegen. Sosehr er auch zappelt und ruckelt, der Stuhl bewegt sich keinen einzigen Millimeter, als habe man ihn in den Boden einzementiert.

Vielleicht ist es ja tatsächlich so.

Wahrscheinlicher ist allerdings, dass die Stuhlbeine am Boden verschraubt sind. Seine Entführer haben vermutlich damit gerechnet, dass er versuchen könnte, den Stuhl umzukippen, und dem einen effektiven Riegel vorgeschoben.

Nachdem er seinen ganzen Körper noch ein paarmal mit aller Kraft hin und her geworfen hat, so gut es ihm seine eingeschränkte Bewegungsfreiheit gestattet, erkennt er schließlich die Sinnlosigkeit seines Tuns und stellt die fruchtlosen Versuche ein.

Er atmet schwer und mühsam, während ihm der Schweiß in Strömen herunterläuft und vom Stoff seiner Kleidung und dem Sack über seinem Kopf aufgesogen wird, der nun unangenehm an seiner verschwitzten Haut klebt. Immerhin hat er jetzt Gewissheit, dass es tatsächlich nur Stoff ist, den man ihm übergezogen hat und der luftdurchlässig ist.

Die größte Panik hat sich nach seinem Ausbruch wieder ein wenig gelegt. Er hat auch nicht mehr das Gefühl, zu ersticken, obwohl die Angst vor der Dunkelheit und die Ungewissheit über seine Situation und sein Schicksal noch immer in seinem Hinterkopf lauern und jederzeit wieder unkontrollierbar werden und ausbrechen können. Dennoch bemüht er sich, sich zu beruhigen und dadurch seine Körperfunktionen in den Griff zu bekommen. Da er seinen Herzschlag oder seine Schweißabsonderung nicht so leicht und direkt beeinflussen kann, konzentriert er sich stattdessen auf seine Atmung. Er atmet tief und gleichmäßig durch die Nase ein und wieder aus. Die Luft fühlt sich unter dem schweißdurchtränkten Stoff des Sacks zwar verbraucht an, als enthalte sie nicht genügend Sauerstoff, doch ihm ist bewusst, dass es sich dabei nur um eine rein subjektive Wahrnehmung handelt.

Ich kann nicht ersticken! Wäre der Sack luftdicht, oder enthielte die Luft, die ich atme, nicht mehr genügend Sauerstoff, dann wäre ich vermutlich längst erstickt.

Schließlich zeigen seine Bemühungen erste Erfolge, denn seine Atmung beruhigt sich allmählich, als seine Atemzüge flacher und gleichmäßiger werden. Gleichzeitig schlägt sein Herz langsamer, auch wenn die Frequenz noch immer höher ist als im Normalzustand.

Je mehr sich seine körperlichen Funktionen beruhigen, desto eher gelingt es ihm auch, sachlich und nüchtern über seine Lage nachzudenken.

Er ist gefesselt und sitzt auf einem Stuhl, der vermutlich am Boden festgeschraubt ist. Zusätzlich ist er geknebelt und hat einen Stoffbeutel über dem Kopf. Das sind die wenigen Fakten, die er bislang sammeln konnte.

Was noch?

Er lauscht noch einmal angestrengt, kann aber mit Ausnahme der Laute, die er selbst verursacht, noch immer nichts hören.

»Mmmmmhhhh! Mmmhhh mmhhh mmmmmhhhhh?«

Wegen des Knebels fällt es ihm schwer, laute Geräusche zu erzeugen. Die Töne, die er von sich gibt, klingen sogar in seinen eigenen Ohren dumpf. Er horcht erneut, kann jedoch keinen Widerhall hören, der ihm etwas über die Größe des Raumes verrät, in dem er sich befindet. Entweder ist der Raum zu groß, oder seine Knebellaute sind zu leise, um die Wände zu erreichen und von ihnen zurückgeworfen zu werden.

Er blinzelt mehrmals, doch die Dunkelheit vor seinen Augen lichtet sich auch dadurch nicht.

»Mmmhhh!«

Entweder ist der Stoff über seinem Kopf lichtundurchlässig, woran er nicht wirklich glaubt, oder er ist in einem stockdunklen Raum gefangen. Er tippt auf Letzteres. Daraus folgert er zudem, dass er momentan allein ist, denn wenn jemand in seiner Nähe wäre, bräuchte diese Person Licht. Und außerdem müsste die Person Geräusche verursachen, selbst wenn sie sich möglichst still verhalten würde. Trotz des Stoffes über seinem Kopf, der ihn Umgebungsgeräusche nur gedämpft wahrnehmen lässt, müsste er etwas hören können.

Erneut spürt er, wie die Furcht nach seinem Herzen greift und es rascher schlagen lässt. Es ist nicht nur die Angst vor der Dunkelheit, die er, wie ihm nun klar wird, schon immer hatte, sondern auch die Angst vor dem, was ihm hier widerfährt. Er ist ein Gefangener und den Launen seiner Kidnapper ausgeliefert. Warum hat man ihn gefesselt und geknebelt? Und was hat man noch mit ihm vor?

Um sich abzulenken und nicht erneut in im wahrsten Sinne des Wortes blinde Panik zu verfallen, führt er eine kurze Bestandsaufnahme seines eigenen Zustands durch. Abgesehen davon, dass er gefesselt und geknebelt ist und dadurch in eine unbequeme Haltung auf dem harten Holzstuhl gezwungen wird, fühlt er sich körperlich ganz gut. Der einzige Teil seines Körpers, der richtig wehtut, ist sein Kopf. Ansonsten scheint er jedoch unverletzt zu sein.

Er schlussfolgert daraus, dass er vermutlich einen Schlag auf den Kopf bekommen hat, der ihn das Bewusstsein verlieren ließ, ehe er an diesem Ort wieder zu sich kam.

Aber wie konnte das geschehen?

Er versucht sich daran zu erinnern, was passiert ist, bevor er erwachte, doch als seine Gedanken an den Ort in seinem Bewusstsein vordringen, wo seine Erinnerungen verwahrt werden, stoßen sie nur auf gespenstische Leere. Er fühlt sich wie ein Astronaut, der im luftleeren Raum des Weltalls schwebt, oder wie jemand, der in sein Zuhause zurückkehrt und feststellen muss, dass in seiner Abwesenheit die ganze Wohnung leergeräumt wurde.

Seine tastenden Gedanken suchen in allen Richtungen, stoßen jedoch nirgends auf Widerstand. Alle Erinnerungen, so scheint es, sind so spurlos verschwunden wie die Daten auf einer Festplatte, die gelöscht und neu formatiert wurde. Er überlegt fieberhaft, kann sich aber nicht einmal mehr an seinen Namen erinnern. Aber wie kann das sein? Wie kann man etwas so Elementares wie den eigenen Namen vergessen?

»Hhmm!«

Das Stöhnen, das er in seiner Frustration ausstößt, klingt wegen des Knebels noch verzweifelter. Er schüttelt den Kopf, weil er nicht glauben kann, dass er tatsächlich alles vergessen haben soll. Die Bewegung löst intensive, schmerzhafte Stiche an der rechten Seite seines Kopfes aus. Vermutlich hat ihn dort der Schlag erwischt.

Als habe dieser Gedanke ihn ausgelöst, erhascht er plötzlich einen Erinnerungsfetzen, der wie ein einsamer Stern im grenzenlosen Weltall vor ihm schwebt. Seine Gedanken greifen danach, bevor er sich ebenfalls in Nichts auflösen kann.

Es handelt sich tatsächlich um eine isolierte Erinnerung, die wie ein einzelnes Puzzlestück Teil eines größeren Bildes ist. Doch als er sie betrachtet, entsinnt er sich plötzlich auch einer ganzen Reihe weiterer Dinge, die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehen.

2

Nachdem er das Parkticket aus dem Schlitz gezogen hatte, öffnete sich die Schranke vor der Motorhaube des Audi. Er warf das Ticket achtlos auf den Beifahrersitz und fuhr ins Parkhaus.

Er war pünktlich, denn es war genau zwei Minuten vor 22 Uhr. Ab 22 Uhr war es nicht mehr möglich, ins Parkhaus zu fahren. Dann konnte man nur noch hinausfahren. Er fuhr langsam, um sich zu orientieren, da er zuvor noch nie hier gewesen war. Sein Ziel lag auf Parkebene 3, und momentan befand er sich auf Ebene 1. Also musste er noch weiter nach oben.

Er folgte den weißen Pfeilen auf der Fahrbahn und kam an zahlreichen leeren Parkplätzen vorbei. Am Ende der Geraden kam eine halbkreisförmige Auffahrt zum nächsthöheren Stockwerk. Er fuhr hinauf und musste erst wieder durch die ganze Parkebene fahren, ehe er noch weiter nach oben fahren konnte.

Parkebene 3 stand in weißer Schrift auf dem blauen Schild. Hier war er richtig. Jetzt musste er nur noch das Treppenhaus am Ausgang Ost finden und dort seinen Wagen parken. Er folgte erneut den Pfeilen und sah schließlich eine rot gestrichene Stahltür mit einem Schild, auf dem Ausgang Ost stand. Da alle Stellplätze auf dieser Ebene leer waren, hatte er freie Auswahl. Er wählte einen Parkplatz, der etwa zehn Meter von der Tür zum Treppenhaus entfernt war, und stellte den Audi dort ab. Dann löschte er die Scheinwerfer und stieg aus.

Nachdem er den Wagen verriegelt hatte, verharrte er ein paar Sekunden und horchte auf Geräusche. Doch alles, was er hören konnte, war das leise Rauschen vorbeifahrender Autos auf der Straße vor dem Parkhaus. Hier drinnen war es hingegen geradezu gespenstisch still.

Er seufzte leise, ehe er sich in Bewegung setzte und die Treppenhaustür ansteuerte. Seine Schritte auf dem schmutzig grauen Beton hörten sich in der leeren Parkebene unnatürlich laut an und hallten von den kahlen Wänden wider. Als er die Tür erreichte, griff er mit der rechten Hand unter seine Jacke und umfasste den Griff des Jagdmessers, das er in einer Lederscheide am Gürtel trug. Sein Herz schlug schmerzhaft schnell in seiner Brust, und sein Mund war ganz trocken.

Doch er durfte weder umkehren noch zögern, sondern musste durch diese Tür. Also legte er die freie Hand auf den kühlen Stahl des Türblatts und stieß sie auf. Er schlüpfte durch die Öffnung und versuchte, sich in aller Eile zu orientieren und einen Überblick zu verschaffen. Vor ihm führten Stufen nach oben und nach unten. Links befanden sich die Türen eines Fahrstuhls, die geschlossen waren.

In diesem Augenblick spürte er, dass er nicht allein war und jemand hinter ihm stand. Er wollte herumwirbeln und dabei das Messer ziehen, doch noch ehe er zu einer dieser Bewegungen ansetzen konnte, hörte er ein Pfeifen und spürte er einen Luftzug. Dann prallte etwas so schmerzhaft gegen seinen Kopf, dass er unwillkürlich aufstöhnte. Seine Knie wurden weich und gaben unter ihm nach. Seine letzte Wahrnehmung war der schmutzige Betonboden, der in rasender Geschwindigkeit auf ihn zukam. Dann wurde alles pechschwarz.

3

Er stöhnt, als spüre er den Schlag, der ihn bewusstlos werden ließ, noch einmal.

Nun erinnert er sich wenigstens wieder, was vor seinem Erwachen geschehen ist und warum sein Kopf schmerzt. Alles andere ist jedoch noch immer weg und damit seinem Zugriff entzogen. So weiß er beispielsweise noch immer nicht, warum er überhaupt in dem Parkhaus war und ein Messer bei sich hatte. Auch sein Name und alle anderen persönlichen Daten sind ihm noch immer ein Rätsel.

Immerhin weiß er jetzt, wann er ins Parkhaus gefahren und den Schlag auf den Kopf bekommen hat. Das war um kurz nach 22 Uhr gewesen. Seine innere Uhr, die trotz seiner Bewusstlosigkeit nicht in Mitleidenschaft gezogen zu sein scheint und einen zuverlässigen Eindruck erweckt, sagt ihm, dass er vermutlich nur wenige Stunden bewusstlos war. Daher geht er davon aus, dass es noch immer Nacht ist, etwa zwischen drei und vier Uhr morgens.

Er runzelt die Stirn so sehr, dass er spüren kann, wie sich der frische Wundschorf auf seiner Kopfhaut spannt, wo ihn der Schlag getroffen hat, als er krampfhaft überlegt, wie er heißt, was er beruflich macht und ob er verheiratet ist und Kinder hat. Doch bevor er noch einmal in die mentale Leere hinabtauchen kann, in der sich eigentlich seine Erinnerungen befinden müssten, hört er einen Laut, der ihn jäh innehalten und seinen Körper vor Schreck erstarren lässt.

Knarrend öffnet sich irgendwo ganz in der Nähe eine Tür.

»Mmmhhh! Mmh mh mhmmhh?«

Er bekommt keine Antwort. Das Knarren verstummt allerdings. Dann wird es plötzlich hell. Er kneift die Augen zusammen und blinzelt mehrmals, als ihn die Helligkeit blendet, obwohl das Licht durch den Stoff über seinem Kopf nur gedämpft an seine geweiteten Pupillen dringt.

»Mmmhhh, mmh mh! Mmmhh …«

Die einzige Reaktion auf seine unverständlichen Laute sind weitere Geräusche. Er verstummt, horcht aufmerksam und versucht gleichzeitig, die Laute zu analysieren und zu identifizieren. Es hört sich so an, als würden mehrere Personen den Raum durch die Tür links von ihm betreten, an ihm vorbeimarschieren und sich auf seiner rechten Seite versammeln. Obwohl sie sich verstohlen und nahezu geräuschlos bewegen, kann er dennoch vereinzelte schlurfende Schritte, das Rascheln von Kleidungsstücken, das Aneinanderreiben von Stoff, unterdrücktes Hüsteln und leises Schnaufen hören. Außerdem kann er feine Duftnuancen verschiedener Parfums und Rasierwasser und Schweißgeruch riechen. Er schätzt, dass sich nun mindestens ein halbes Dutzend Menschen in seiner Nähe aufhalten. Das Rascheln und Füßescharren, das rechts von ihm noch immer andauert, deutet zudem darauf hin, dass sich dort Stühle oder Bänke befinden, auf denen die Personen Platz genommen haben. Dann verstummen die Geräusche ganz allmählich wieder. Er zuckt erschrocken zusammen und wendet rasch den Kopf, denn die Tür knarrt erneut laut, als sie geschlossen wird. Eine weitere Person befindet sich nun links von ihm. Und obwohl er angestrengt lauscht, kann er nicht hören, dass sie ebenfalls an ihm vorbeigeht und sich zu den anderen gesellt.

»Mmmhhh! Mmh mmmhh mmh mmh mmhh?«

Die Ankunft der Leute und das Lauschen auf die Geräusche, die sie verursacht haben, hat ihn abgelenkt. Doch als nun wieder Stille herrscht, obwohl er weiß, dass er nicht länger allein ist, kehrt die Angst zurück. Wenigstens sitzt er nicht länger in absoluter Finsternis. Allerdings ist er noch immer gefangen und kann seine Umgebung nicht erkennen. Außerdem weiß er auch noch immer nicht, warum er überhaupt gekidnappt wurde. Was wollen die Leute von ihm, die ihn in diesem Moment vermutlich beobachten, ohne dass er sie sehen kann? Sind sie seine Kidnapper? Aber warum?

Da in seiner Umgebung momentan ohnehin nichts geschieht – zumindest kann er nichts davon hören – und er keine Antwort auf seine erstickten Laute erhält, kehrt er gedanklich zu den einzigen Erinnerungen zurück, die ihm momentan zur Verfügung stehen. Er lässt noch einmal seine Fahrt durchs Parkhaus auf die 3. Parkebene Revue passieren und achtet dieses Mal auch auf die Details, die er vorher nur beiläufig registriert hat. An der Stelle, als er aus dem Wagen steigen will, stoppt er den mentalen Film, als würde er die Stopptaste eines Videorekorders drücken, denn sein herumschweifender Blick hat ein Objekt gestreift, das in der Mittelkonsole zwischen den Vordersitzen liegt. Als er sich darauf konzentriert, sieht er, dass es sich um einen weißen Notizzettel handelt, der einmal in der Mitte gefaltet wurde. Instinktiv ahnt er, dass dieses Stück Papier von Bedeutung ist und vermutlich auch der Grund war, weswegen er in das Parkhaus gefahren ist.

Und genau in dem Moment, als ihm dies bewusst wird, überwältigt ihn eine weitere Erinnerung und entführt ihn in seine Vergangenheit, die für ihn zum größten Teil noch immer ein Mysterium ist.

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