Kitabı oku: «Geist & Leben 2/2018»

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Inhalt

Heft 2 | April–Juni 2018

Jahrgang 91 | Nr.

Notiz

Wortlicht. Lectio Divina über Joh 1,1–14

Margareta Gruber OSF

Nachfolge

„Ohne Christus ist Krieg.“ Mystik und Politik bei Max Josef Metzger (1887–1944)

Christian Heß

Gott arbeitet! Eine theopoietische Wende der Seelsorge

Peter Hundertmark Martina Patenge

Pilgern als mystischer Erfahrungsweg

Detlef Lienau

Jesus und die Alleingelassenen im Johannesevangelium

Erhard Kunz SJ

Nachdenken über Karsamstag

Martin Dieckmann

Nachfolge | Kirche

Geistlicher Machtmissbrauch. Kirchenrechtliche Aspekte

Rüdiger Althaus

Das Eine denken. Dionysius Areopagita neu gelesen

Michiel ter Horst

Dingwelt der Passion. Sieben Konkretionen

Nachfolge | Junge Theologie

Eine geschichtliche „Wasserscheide?“ Was von de Lubacs „Surnaturel“ bleibt

Benjamin Bartsch

Reflexion

Der Glaube als Spiegel der Trinität. Zum theologischen Ansatz von H. U. von Balthasar

Rodrigo Polanco

Lektüre

Muttersprache der Liturgie. Die biblischen Bezüge liturgischer Texte

Jörg Müller

Buchbesprechungen

Anna Albinus hat auf eigenen Wunsch Ihren Dienst in der Redaktion von GEIST & LEBEN beendet und eine Stelle im Jüdischen Museum in Wien angetreten. Für Ihren Einsatz sei Ihr von Herzen gedankt! Ab dem 1. Januar 2018 ist Britta Mühl die neue Redaktions- und Lektoratsassistentin.

Impressum

GEIST & LEBEN – Zeitschrift für christliche Spiritualität. Begründet 1926 als Zeitschrift für Aszese und Mystik

Erscheinungsweise: vierteljährlich

ISSN 0016–5921

Herausgeber:

Deutsche Provinz der Jesuiten

Redaktion:

Christoph Benke (Chefredakteur)

Britta Mühl (Lektorats-/Redaktionsassistenz)

Redaktionsbeirat:

Bernhard Bürgler SJ / Wien

Margareta Gruber OSF / Vallendar

Stefan Kiechle SJ / München

Bernhard Körner / Graz

Jörg Nies SJ / Rom

Simon Peng-Keller / Zürich

Andrea Richter / Berlin

Klaus Vechtel SJ / Frankfurt

Redaktionsanschrift:

Pramergasse 9, A–1090 Wien

Tel. +43–(0)664–88680583

redaktion@geistundleben.de

Artikelangebote an die Redaktion sind willkommen. Informationen zur Abfassung von Beiträgen unter www.geistundleben.de. Alles Übrige, inkl. Bestellungen, geht an den Verlag. Nachdruck nur mit besonderer Erlaubnis. Werden Texte zugesandt, die bereits andernorts, insbesondere im Internet, veröffentlicht wurden, ist dies unaufgefordert mitzuteilen.

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Studierendenabonnement € 28,00 (D) / € 28,90 (A)

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Margareta Gruber OSF | Vallendar

geb. 1961, Professorin für Exegese des Neuen Testaments und Biblische Theologie, Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN

mgruber@pthv.de

Wortlicht

Lectio Divina über Joh 1,1–14

1,1 Im Anfang war das WORT, und das WORT war bei Gott, und Gott war das WORT.

1,9 Es war das wahre LICHT, das jeden Menschen erleuchtet, (immer wieder) kommend in die WELT.

1,2 Dieses war im Anfang bei Gott.

1,10 Es (das WORTLICHT) war in der WELT.

1,3 Alles wurde durch es (das Wort), und ohne es wurde nichts, was geworden ist.

1,10 Und die WELT ist durch es (das WORTLICHT) geworden.

1,4 In ihm (dem Wort) war Leben, und das Leben war das LICHT der Menschen.

1,10 Und die WELT erkannte es (das WORTLICHT) nicht.

1,5 Und das LICHT leuchtet in der Finsternis,

1,11 In sein Eigenes kam es (das WORTLICHT).

1,5 Und die Finsternis hat es (das Licht) nicht überwältigt

1,11 und die Seinen nahmen es (das WORTLICHT) nicht auf.

Dieser Text des Johannesprologs ist durcheinandergeraten, aber keineswegs nach dem Zufallsprinzip: Die in Standardschrift gehaltenen Zeilen lesen die ersten 5 Verse des Liedes, die kursiv gedruckten Zeilen die VV. 9–11. Manchmal hilft es, das Gewohnte durcheinanderzubringen, damit es sich in neuer Weise ordnen kann. Denn wenn man den vertrauten Text des Johannesprologs probeweise einmal in dieser Reihenfolge (laut) liest, kann man einige Entdeckungen machen.

In den VV. 1–5 geht es um das Wort, in den VV. 9–11 um das Licht. Bereits in V. 4 wird das Wort jedoch mit dem Licht in Verbindung gebracht, und zwar mit dem Licht für die Menschen. Alles, auch die Menschenwelt, ist durch das Wort/ Licht geworden. Dieses Licht kann von der Finsternis nicht überwältigt werden; es gibt einen Bereich, in dem der Sieg des Lichtes immer klar bleibt. Von diesem Licht wird nun in dem zweiten Abschnitt gesagt, dass es in die Welt kommt. Die griechische Sprache malt mit dem Imperfekt in gewisser Weise ein Bild, in dem dieses Kommen immer wieder geschieht. Wie das Wort im Anfang bei Gott „war“, so „war“ das Licht nun in diesem ständigen, immer wieder neuen Kommen in der Menschenwelt, in vielen Gestalten, vor allem in den Propheten. Ab VV. 10–13 ist das Subjekt nicht klar: Ist es das Wort oder das Licht? Mein Versuch, das Wortlicht als Subjekt zu benennen, lässt bewusst beides zusammenklingen. In der Menschenwelt leuchtet das Wortlicht nicht einfach in seiner unbezwingbaren Weise, sondern es ist darauf angewiesen, dass es die Menschen erkennen und annehmen. Doch diese Welt erkannte das Wortlicht nicht. Eine Scheidung geschieht, ein Kampf findet statt. Das wird dann in V. 11 noch einmal zugespitzt, indem die Welt „sein Eigenes“ genannt wird, in das das Wortlicht kommt. Dieses Kommen malt die Sprache des Liedes als etwas Punktuelles, hier wird sozusagen auf den Punkt in der Geschichte Gottes mit der Welt geschaut, an dem die Scheidung geschieht: Die Menschenwelt ist durch das Wortlicht geworden, sie gehört ihm und ist sein Eigentum, aber sie weist es ab. An dieser Stelle rückt das Kommen des Wortlichts in Jesus von Nazaret in den Blick, den die „Seinen“ nicht aufgenommen haben. Alle? Nein, denn die Menschen, die das Wortlicht aufnehmen und an „seinen Namen“ glauben, werden „Kinder Gottes“ genannt. Die Glaubenden werden eine neue Schöpfung; die Menschenwelt, die durch das Wortlicht geworden ist, wird neu in den Kindern Gottes. Damit die Welt jedoch zu dieser neuen Schöpfung werden kann, muss ein anderes Werden stattfinden: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (1,14). Jetzt wird das Wort als Subjekt wiederbenannt. Der Blick ist nun nicht mehr aus der Perspektive des Wortlichts von oben her auf die Welt gerichtet, sondern sozusagen von unten her auf das Fleisch gewordene Wort, das „wir“ gesehen haben. Die Menschenwelt läuft Gott davon, und er läuft ihr nach. In der Welt begegnen sie sich, das Fleisch gewordene Wort und die „Seinen“.

Who is who in diesem Lied? Bewusst legt es sich nicht fest. Das Wortlicht kommt in die universal gedachte Menschenwelt; konkret ist es jedoch Gottes Eigentumsvolk, Israel, zu dem das Wortlicht immer wieder in den Propheten und auf vielerlei Weise kam, und wo es nicht erkannt wurde. Aufnahme und Ablehnung geschehen immer konkret in der Geschichte, und letztlich im Herzen jedes einzelnen Menschen. Das Johannesevangelium wird viele Menschen zeigen, in denen dieses Drama stattfindet. Manche gehören zum Eigentumsvolk Israel, andere nicht. Die Frage, warum Gottes Volk das Fleisch gewordene Wort nicht aufgenommen hat, kann das Johannesevangelium nicht beantworten. Vielleicht war die Verstörung, der Schmerz oder auch der Zorn darüber noch zu groß. Das Evangelium will an dieser Stelle sicher keine negative Aussage über Israel als Ganzes treffen; ein letzter Verdacht von latentem Antijudaismus lässt sich dennoch nicht ausräumen. Heute muss ein/e Leser(in) umso mehr verstehen, dass „die Welt“ universal zu verstehen ist – das Wort kam zu allen Menschen – und gleichzeitig ganz konkret: Jeder Mensch ist „Eigentum“ Gottes, Ort des Kampfes um Annahme und Ablehnung des Lichts, Ort der erlösenden Begegnung mit dem Wort im (eigenen) Fleisch.



Christian Heß | Freiburg i. Br.

geb. 1975, Dr. theol., Regens des Erzbischöflichen

Priesterseminars Collegium Borromaeum der Erzdiözese

Freiburg, Mitglied der Priestergemeinschaft

Jesus-Caritas

christian.hess@cb-freiburg.de

„Ohne Christus ist Krieg“

Mystik und Politik bei Max Josef Metzger (1887–1944)

Frère Roger Schutz (1915–2005) hat mehrfach „Kampf und Kontemplation“ als die beiden Pfeiler seines Engagements bezeichnet. Wer den friedfertigen Gründer der Gemeinschaft von Taizé und dessen Lebenswerk kennt, weiß, dass dieser Kampf ohne den Einsatz von Waffen geführt wurde. Vielmehr ging es Frère Roger darum, eine Spiritualität zu leben, die Gebet (Kontemplation) und gesellschaftliches Engagement (Kampf) in eine fruchtbare Balance brachte. Mystik und Politik können sich nicht nur ergänzen. Sie sind vielmehr aufeinander verwiesen. Im Geburtsjahr Frère Rogers – mitten im I. Weltkrieg – machte sich ein anderer Geistlicher auf den Weg, um sich in einer kreativen Verbindung von Mystik und Politik in den Dienst des Friedens zu stellen. Die folgenden Überlegungen führen hinein in die ungewöhnliche Lebensgeschichte Max Josef Metzgers (1887–1944).1

Ein Leben im Dienst des Friedens

Max Josef Metzger war Priester der Erzdiözese Freiburg, übte seinen Dienst aber überwiegend außerhalb seines Heimatbistums aus. Als katholischer Geistlicher war er Teil der kirchlichen Hierarchie und befand sich doch oft im Konflikt mit ihr. In einem Anflug patriotischer Begeisterung, der ihn mit vielen seiner Zeitgenossen verband, diente er freiwillig als Militärgeistlicher im I. WK, wandte sich aber später als überzeugter Pazifist gegen den Kriegsdienst. In einer Zeit, in der ökumenische Bemühungen innerhalb der katholischen Kirche noch alles andere als mehrheitsfähig waren, setzte er sich für die Versöhnung zwischen den christlichen Konfessionen ein. Walter Baumeister, ein Weggefährte und Mitarbeiter Metzgers, wusste um dessen weit gefächerte Arbeitsbereiche und um die damit verbundene Schwierigkeit, sein Wirken in bestimmte Kategorien einzuordnen: „Allgemein gesprochen, kennzeichnet ihn [Metzger; CH] zunächst eine geradezu phantastische Universalität in allen Dingen des Lebens und der Wissenschaft. Es war fast beängstigend, alle die Betätigungen zu erleben, die er im Laufe seiner priesterlichen Tätigkeit ausübte. Er war Lehrer, Prediger, Organist, Komponist, Schriftsteller, Verleger, Organisator und tausend anderes zu gleicher Zeit.“2 Metzger war sich bewusst, dass die Vielfalt seiner Tätigkeiten für ihn selbst und seine Mitmenschen eine große Herausforderung darstellten. Diese Vielfalt korrespondierte mit seinem Lebenslauf, der von den Weltereignissen seiner Zeit ebenso geprägt war wie von seinen persönlichen Begabungen und Interessen.

Max Josef Metzger wurde 1887 im badischen Schopfheim geboren. Nach seinem Theologiestudium in Freiburg und im schweizerischen Fribourg sowie einer abgeschlossenen Promotion im Fach Kirchengeschichte wurde er 1911 zum Priester geweiht. 1914 meldete er sich bei Kriegsausbruch freiwillig zum Dienst als Feldgeistlicher an die Front, wurde aber bereits ein Jahr später nach einer schweren Erkrankung aus dem Militärdienst entlassen. Metzger ging noch im selben Jahr nach Graz und entfaltete dort ein reges soziales und publizistisches Engagement im Dienste des Friedens und der Völkerverständigung.

Während des I. WK gelangte Metzger zu einer Überzeugung, die prägnant zum Ausdruck bringt, auf wen er bei der Lösung der sozialen, politischen und religiösen Probleme seiner Zeit setzte: „Ohne Christus, ohne tiefstes Christentum ist Krieg.“3 Im Ernstnehmen des Christusglaubens in allen Bereichen des Lebens sah er Befriedungs- und Heilungspotenziale für die ganze Gesellschaft.

1919 war er an der Gründung des „Friedensbundes deutscher Katholiken“ beteiligt und nahm an verschiedenen europäischen Friedenstreffen teil. Am Herz-Jesu-Fest desselben Jahres gründete er die „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“, die sich der Verkündigung des Evangeliums widmete. Metzger hatte im Einsatz als Seelsorger in den Schützengräben erlebt, wie sich Christen aus verschiedenen Nationen und Konfessionen gegenseitig umbrachten. Zur Friedensarbeit kamen so folgerichtig auch Aktivitäten im ökumenischen Bereich, mit denen er 1923 begann. 1928 verlegte er den Hauptsitz seiner inzwischen „Christkönigsgesellschaft“ genannten Gemeinschaft nach Meitingen bei Augsburg. Seine regimekritische Haltung brachte ihn ab 1933 in Konflikt mit den Nationalsozialisten. Mehrere Verhaftungen waren die Folge. 1938/39 gründete Metzger die Bruderschaft Una Sancta, die Christinnen und Christen aus dem ganzen damaligen Deutschen Reich in ökumenischen Gebeten und Gesprächsrunden zusammenführte. Ein Jahr vor seinem Tod schrieb er in einem Brief an die Schwestern seiner Christkönigsgesellschaft: „Spätere Zeiten werden mich besser verstehen; es war ja immer mein Verhängnis, daß ich der Zeit etwas voraus war und daher nicht verstanden werden konnte. Es kann aber niemand seinen Auftrag verleugnen.“4 Für diesen Auftrag, den Metzger für sich erkannt hatte, riskierte er viel. Ein von ihm verfasstes Memorandum, in dem er die demokratische Zukunft Deutschlands in einem geeinten Europa voraussah, geriet in die Hände der Gestapo. Nachdem er wegen „Hochverrats und Feindbegünstigung“ vom Volksgerichtshof unter der Leitung des berüchtigten NS-Richters Roland Freisler zum Tode verurteilt worden war, wurde er am 17. April 1944 in Brandenburg-Görden mit dem Fallbeil hingerichtet. Seinen gewaltsamen Tod, den er schon seit längerem vorhergesehen hatte, deutete er in mehreren Schriften als Opfer „für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche“. 2006 wurde in seiner Heimatdiözese Freiburg der Seligsprechungsprozess eröffnet, der nach dem Abschluss auf diözesaner Ebene im Jahr 2014 nun von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan fortgeführt wird.

Metzger vertrat in seinem Wirken eine konsequent christozentrische Sicht. Bereits nach dem Ende des I. WK und somit einige Jahre vor der Einführung des Christkönigsfestes (1925) stellte er die „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“ unter ein Leitwort, das sich an 1 Kor 15,25 anlehnt: „Christus muss König sein.“ Nach der Einführung des Christkönigsfestes wurde diese Gemeinschaft 1927 in „Christkönigsgesellschaft“ umbenannt. Dies war ein in Deutschland einmaliger Schritt. Metzger nahm in den 30er Jahren aktiv an den in verschiedenen europäischen Ländern stattfindenden Christkönigs-Weltkongressen teil und gab der offiziellen Zeitschrift der Gemeinschaft den Namen „Christkönigsbote“. Als sein geistliches Vermächtnis schrieb er in der Todeszelle in Brandenburg-Görden eine „Theologische Abhandlung über das Königtum Christi“.

Wie kann derselbe Mensch, der in seiner Zeit mit seinem Handeln aneckte und letztendlich dadurch den Tod fand, für heute lebende Christ(inn)en ein Vorbild sein für eine Spiritualität, die Mystik und Politik verbindet?

Das Christkönigsfest und die Ideologiekritik

Ein kurzer Blick in den zeitgeschichtlichen Kontext hilft zum besseren Verständnis. Als Pius XI. am 11. Dezember 1925 das Christkönigsfest einsetzte, war in Deutschland und Österreich, d.h. in den Ländern, in denen Metzger vorrangig wirkte, die monarchische Ordnung bereits aufgehoben. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass die bisherigen Vorstellungen vom Königtum im religiösen wie auch politischen Raum präsent blieben und weiterhin ihre Prägekraft entfalteten. Die Christkönigsverehrung ging aus der Herz-Jesu-Verehrung hervor, die sich ab dem 19. Jh. zu einer der wichtigsten Formen katholischer Spiritualität entwickelte. Das Symbol des Herzens setzte emotionale Akzente: Nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen wollten sich die Katholiken in die Gesellschaft einbringen. An der Wende zum 20. Jh. wurde diese emotional akzentuierte Spiritualität zunehmend von einem Christusbild abgelöst, in dem vor allem dessen monarchische Attribute Berücksichtigung fanden.

Während des I. WK wurde die eigentlich friedfertige Herz-Jesu-Spiritualität in Frankreich und Deutschland dazu genutzt, um die katholischen Soldaten auf beiden Seiten zum möglichst engagierten Fronteinsatz und somit auch zum Töten ihrer Glaubensgenossen zu mobilisieren. Nach dem Kriegsende erstrebte Papst Pius XI. im Sinne seines Leitmottos Pax Christi in regno Christi5 die Veränderungen in Kirche und Gesellschaft mit friedlichen Mitteln, aber in offensiver Weise aktiv mitzugestalten. Mit der Einführung des Christkönigsfestes wurde eine dezidiert christozentrische Anthropologie verkündet, die den Menschen ihre von Christus herkommende Würde zusprach, aber zugleich säkularen und totalitären Allmachtsphantasien ihre Grenzen aufzeigte. Trotz der weltweiten Gültigkeit des neuen Hochfestes ist zu beachten, dass dieses auf dem Staatsgebiet des faschistischen Italiens entstand – die katholische Kirche unterzog ihr Verhältnis zum säkularen Staat angesichts des real existierenden Totalitarismus einer Positionsbestimmung.

In Italien lotete die katholische Kirche Kooperationsmöglichkeiten mit dem Regime Mussolinis in Bereichen gemeinsamen Interesses (z.B. in der Bildungs- und Jugendarbeit) aus, stellte sich aber überall dort dem faschistischen Regime entgegen, wo die freie Ausübung des christlichen Glaubens eingeschränkt oder gar gefährdet wurde. Aus den Vorgängen in Italien lässt sich allerdings keine generelle Bevorzugung totalitärer Bewegungen durch die katholische Kirche schlussfolgern, wie die Ablehnung der Action Française in Frankreich und des Kommunismus sowjetischer Provenienz zeigten. Die drei päpstlichen Enzykliken des Jahres 1937, von denen insbesondere das Lehrschreiben Mit brennender Sorge weltweite Berühmtheit erlangt hat, sind ein deutlicher Beleg dafür, dass sich die Kirche in ihrer ideologiekritischen Zielrichtung gegen alle totalitären politischen Systeme weltweit wandte und im Protest gegen die ideologische Verabsolutierung des Staates auf dem Fundament ihrer Soziallehre die untrennbare Verbindung von Gemeinwohl und Wohl des Einzelnen betonte. Das positive Anliegen der Enzykliken war der Ausdruck der Entschlossenheit der katholischen Kirche unter der Leitung Pius‘ XI., im Zeichen der Königsherrschaft Christi neue missionarische Initiativen zu starten (Stichwort Katholische Aktion), die vor allem von engagierten Laien getragen wurden.

Nur wenige Monate nach der Enzyklika Mit brennender Sorge und mitten in die staatlichen Repressionsmaßnahmen gegen deren Verbreiter setzte die Christkönigsgesellschaft ein religiöses Zeichen, mit dem sie sich in die Opposition der Kirche gegen den Nationalsozialismus einreihte: Die Entscheidung für das Christkönigsfest als neues Hauptfest der Christkönigsgesellschaft ab 1937 bedeutete in den politischen Auseinandersetzungen der NS-Zeit eine deutliche Verweigerung totalitärer Machtansprüche.

Die Christkönigsthematik im Leben und Wirken Metzgers

Max Josef Metzger lebte schon früh aus einer christozentrischen Spiritualität. Die Erfahrung des I. WK im Fronteinsatz am Hartmannsweilerkopf stellte eine wichtige Zäsur in seinem Leben dar: Fortan strebte er danach, in Graz, das von tiefgehenden sozialen und konfessionellen Differenzen und Spannungen geprägt war, die Impulse der Christkönigsverehrung für eine friedliche und demokratische Entwicklung der Gesellschaft im Kontext der Völkerverständigung herauszuarbeiten und in die Tat umzusetzen.

Metzgers Friedensprogramm von 1917, in dem der Aufruf zum Frieden mit der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit verbunden wurde, forderte auf dem Fundament der „Kommunion mit dem Friedenskönig Christus“ die Rückkehr zum Christentum, dessen Grundsätze seiner Meinung nach durch den Krieg verlassen worden waren.6 Metzger bezog sich also bereits während des I. WK – und somit mehrere Jahre vor der offiziellen Einführung des Christkönigsfestes – auf die Glaubensüberzeugung von der Königsherrschaft Christi. Dies führte 1919 zur Gründung des Weißen Kreuzes, einer ordensähnlichen Kommunität. Bereits durch die Namensgebung, die sich auf das Kreuz bezog, das auf die weißen Hostien aufgeprägt war, verwies diese Gemeinschaft auf die eucharistische Grundlegung ihrer Tätigkeit. Mithilfe missionarischer und caritativer Tätigkeiten sollte in universaler Weise möglichst die ganze Welt für das Königtum Christi gewonnen werden.

Als weiterführende Erkenntnis aus den Erfahrungen des I. WK gelangte Metzger allerdings zu der Überzeugung, dass die Konkretisierung universaler Ideen wie die des Friedenskönigtums Christi nur mit gleichgesinnten Menschen in der eigenen Kirche und in der Gesellschaft realisierbar ist. Dies suchte er in den Organisationen Friedensbund deutscher Katholiken (FDK) und Katholische Internationale (IKA), die er beide mitbegründete, in die Tat umzusetzen.

Sein Blick über den Denkhorizont der eigenen Konfession hinaus zeigte sich in seiner Wertschätzung für die protestantisch geprägte Heilsarmee. Bemerkenswert war auch, wie Metzger schon wenige Jahre nach dem Ende des Krieges zu einer friedlichen Verständigung zwischen deutschen und französischen Katholiken beitrug. Metzger radikalisierte seine pazifistischen Überzeugungen, indem er sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung engagierte. Unter Rückgriff auf die jesuanische Botschaft der Bergpredigt rief er dazu auf, allen gesellschaftlichen Akteuren, die sich für den Krieg einsetzten, eine Gewissensentscheidung für den Frieden entgegenzuhalten.

Die von ihm gegründete Missionsgesellschaft mit caritativem Schwerpunkt widmete sich der Erhaltung bzw. Wiederherstellung des sozialen Friedens, indem sie Solidarität mit den Ärmsten der Gesellschaft praktizierte und durch ihre Arbeit dazu beitrug, die infolge des Krieges zunehmend säkularisierte Gesellschaft von neuem mit dem christlichen Glauben in Verbindung zu bringen und zu prägen. Menschen aus den verschiedensten Berufen und sozialen Schichten kamen in der Missionsgesellschaft zusammen, um im Dienst des Königtums Christi in der Gesellschaft zu wirken.

Dieser Dienst schloss auch Gesellschaftskritik mit ein. In den gesellschaflichen Umbrüchen, die Österreich nach dem I. WK durchmachte, sprach sich Metzger für einen „christlichen Sozialismus“ aus, der sowohl kapitalismuskritische Züge trug als auch gegen die religionsfeindlichen Tendenzen eines klassenkämpferischen Kommunismus gerichtet war. Weil Christus nach der Überzeugung Metzgers über den Parteien stand, hielt er sich von parteipolitischem Engagement fern. Zugleich versuchte er, zwischen den konkurrierenden Parteien und der katholischen Kirche Brücken zu bauen – was ihm allerdings den massiven Widerstand von Vertretern der verfeindeten politischen Lager einbrachte.

Metzgers Gesellschaftskritik offenbarte die politische Dimension der Christkönigsthematik. Katholische Spiritualität diente bei Metzger und dessen Missionsgesellschaft nicht nur der Selbstvergewisserung der eigenen Anhängerschaft, sondern tendierte zur Analyse und Behebung der Missstände in allen Bereichen der Gesellschaft, die nicht vom Königsweg der Nächstenliebe geprägt waren, wie sie in der Bergpredigt Jesu aufscheint. Metzger widerstand hierbei der Versuchung, die Rede vom Königtum Christi als polemisches Mittel gegen Andersdenkende zu missbrauchen. Wenn allein Christus König ist, kann sich niemand zum absoluten Herrscher über seine Mitmenschen stilisieren.

Soziale und politische Implikationen der Christkönigsfrömmigkeit

Metzgers „Missionsgesellschaft vom Weißen Kreuz“ und spätere Societas Christi Regis verwendete als Leitmotto einen Satz, der betonte, wer das Zentrum dieser Gemeinschaft bildete: „Christus muss König sein!“ (vgl. 1 Kor 15, 25). Metzger ließ sich bei seinem Engagement für die Königsherrschaft Christi von den Worten und Taten des Völkerapostels Paulus inspirieren, der für die Ausbreitung dieser Botschaft seine Missionsreisen unternommen hatte, und nannte sich ab 1919 innerhalb seiner Gemeinschaft „Bruder Paulus“.

Metzgers Christkönigsverehrung tendierte niemals zu einer Erlangung politischer Macht – dies hätte auch die Herrschaft eines Königs konterkariert, der seine Macht gerade in der Machtlosigkeit am Kreuz ausübte. Wer diesem König nachfolgte, wollte selbst den Armen und Notleidenden beistehen und wurde für deren Nöte sensibilisiert.7 Daraus musste zwangsläufig auch eine politische Haltung erwachsen, die an der Behebung dieser Missstände interessiert war – motiviert durch die Vision von der Königsherrschaft Christi.

Hier liegt auch der Schlüssel zu Metzgers Verständnis von Politik: Der Generalleiter der Christkönigsgesellschaft suchte den Kontakt zu den gesellschaftlichen Strömungen seiner Zeit. Dabei sollte jegliches sozial-caritative Engagement der missionarischen Verkündigung der Königsherrschaft Christi dienen. Diese Herrschaft ist bereits in der Gegenwart wirksam, ihre Vollendung durch Gott steht aber unter einem eschatologischen Vorbehalt. Im Dienst eines Königs, dessen Herrschaft nicht geteilt ist, suchte Metzger danach, dort zu vermitteln, wo Menschen durch materielle Not, soziale Ausgrenzung, konfessionelle Spaltungen oder politisch motivierte Unterdrückung zu leiden hatten. Der Glaube an den Christuskönig sollte alle Lebensbereiche durchdringen.

Im Gefolge des Reichskonkordates von 1933 strebten die Nationalsozialisten hingegen danach, die Kirche aus der Gesellschaft zurückzudrängen und somit zu entpolitisieren. Metzgers Beharren auf einem Laienapostolat mit dem Ziel einer Rechristianisierung der Gesellschaft auch unter den Bedingungen des NS-Staates gewann in diesem Kontext eine dezidiert politische Bedeutung – und die darauf folgenden Repressionen durch die Machthaber zeigten, dass diese die Sprengkraft einer solchen Intention erkannt hatten. Die Hinrichtung nach dem Todesurteil durch Freislers Volksgerichtshof beendete Metzgers Leben und bedeutete zugleich eine Kapitulation der Staatsmacht vor dessen Engagement. Die intendierte Gleichschaltung war gescheitert. Metzgers Bekenntnis zur Königsherrschaft Christi ließ ihn gegen den nationalsozialistischen Totalitarismus standhalten. Der Christkönig blieb für Metzger „Herrscher seines Lebens“ bis zu seinem irdischen Ende. Dies verband ihn mit vielen Widerstandskämpfern des Dritten Reiches, die sich aus ihrer christlichen Grundhaltung heraus gegen die nationalsozialistische Diktatur wandten. Deren konfessionsübergreifendes Bekenntnis zu Christus ließ eine Ökumene entstehen, die den späteren Dialoggesprächen schon weit voraus war: „An die Stelle einer Engführung des Märtyrerbegriffs, die diesen Ehrentitel für die Glaubenszeugen des eigenen Bekenntnisses reservierte, trat eine Entkonfessionalisierung, die zu der Einsicht führte, dass die jeweiligen Märtyrer der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirchen Märtyrer der gesamten Christenheit sind. Mehr noch: In den gemeinsamen Märtyrern ist die ungeteilte Christenheit präsent und die Spaltung der Kirche im Ansatz überwunden.“8

Die Christkönigsverehrung, die ab der Einführung des entsprechenden Hochfestes ihre lehramtliche Bestätigung und weltweite Verbreitung erfuhr, war nicht nur eine Frömmigkeitsform, die im rein liturgischen Kontext praktiziert worden ist. Sie führte bei vielen Christinnen und Christen zu einem dezidierten Christusbekenntnis. Die Christkönigsthematik inspirierte Max Josef Metzger in seinem theologischen Denken und wurde zur Leitidee in dessen kirchlich-gesellschaftlichem Wirken. Aus dem Bekenntnis zu Christus als König gewann Metzger die Kraft zum Einsatz für den Frieden in der Welt und für die Einheit der Kirche – bis zur letzten Konsequenz, der Hingabe seines eigenen Lebens.

Wer sich einsetzt, setzt sich aus

Gemäß eines Diktums des evangelischen Theologen Friedrich Schorlemmer (geb. 1944) gilt: „Wer sich einsetzt, setzt sich aus.“ Menschen wie Metzger, die sich auf der Grundlage ihres Christusglaubens politisch engagieren und exponieren, tragen dazu bei, dass sich der Glaube nicht auf den Kirchenraum beschränkt, sondern vielmehr Mystik und Politik in eine produktive Spannung gebracht werden. Metzger hat diese Spannungen in seinem eigenen Leben erfahren und ausgehalten. Besser als ein Schlusswort bringt ein Gedicht, das er noch in der Todeszelle verfasst hat, zur Sprache, wie er diese Erfahrung in seinem Leben fruchtbar gemacht hat – im Dienst einer Spiritualität, die Mystik und Politik verbindet:

Ich muss gestehn, ich hab‘ sie nie gelernt,

die Kunst, das Krumme – krumm zu lassen!

Ich konnt‘ im ganzen Leben nicht erfassen,

dass man bei Notstand höflich sich entfernt (…)

Was war und bin ich doch ein armer Tor!

Ich bin kein Arzt, musst‘ immer Kranken helfen;

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