Kitabı oku: «Lübeck - ausgeplaudert», sayfa 3

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6. Dänenherrschaft – Fremdherrschaft?

Eigentlich konnten Ratsherren und Bürgermeister ja zufrieden sein: Seit 1188 war Lübeck eine freie Stadt des Reiches, allein der Kaiser war noch Stadtherr, und der war weit und hatte meist andere Sorgen, als ihnen hineinzuregieren. Aber eben darin lag auch ein Problem: Ein ferner und wenig interessierter Stadtherr würde kaum zu Hilfe eilen, wenn wieder einmal der (nun schon dritte) Adolf von Schauenburg sich Lübecks bemächtigen wollte und damit die Stadt auch in seine zahlreichen Händel verwickeln würde.

Kaiser Friedrich hatte ja mit seinen großzügigen Privilegien für Lübeck auch den Holsteiner Grafen geschädigt: Die mancherlei Rechte am umliegenden Land – Weiderechte auf dem anderen Traveufer, Holzeinschlag im Klützer Winkel, Fischereirechte an der unteren Trave, Hoheitsrechte über die Stecknitz bis nach Mölln – das alles ging schließlich zu Lasten der benachbarten Fürsten, auch wenn sie entschädigt werden mußten. Doch Anlaß für Streit gab es für viele Jahrhunderte (noch 1890 dienten die alten Urkunden als Nachweis vor Gericht!) Aber wir wissen ja: Recht haben und Recht bekommen sind oft genug sehr unterschiedliche Dinge, vor allem, wenn der Holsteiner Graf oder ein anderer mächtiger Nachbar seine Truppen aufmarschieren ließ.

Die politische Lage im nördlichen Raum war um das Jahr 1200 schließlich verworren genug. Dabei ist für jeden, der Handel treibt, vor allem eines wichtig: Frieden und geordnete Verhältnisse, Sicherheit der Verkehrswege zu Lande und vor allem auch auf dem Wasser. Und eine starke Hand, die eben das garantiert. Doch der mächtige Sachsenherzog, der Löwe, war ins Exil nach England geflohen.

Allerdings, da war noch der ehrgeizige Holstengraf, Adolf III, und der nutzte die Gunst der Stunde, um sich überall zu bereichern: die Dithmarscher unterwarf er, die Grafschaften Stade und Ratzeburg nahm er in Besitz. Und natürlich lockte eine weitere Beute: die Stadt an der Trave mit ihren hohen Gewinnen, die man abschöpfen konnte. 1192 mußte sie sich ihm notgedrungen ergeben, und der neue Kaiser, Friedrichs Sohn Heinrich VI, war in Sizilien beschäftigt. So war ihm ein starker Mann hoch oben im Norden durchaus willkommen, und bereitwillig überließ er dem Grafen die Einkünfte aus Lübeck, die eigentlich dem Reich zustanden.

Freunde unter den fürstlichen Nachbarn und den adligen Herren in seinen Ländern hat sich Adolf mit alledem nicht gemacht, und als er auch noch in Mecklenburg einfiel, dessen Herren zu Lehnsleuten des dänischen Königs Knut VI geworden waren, griff dieser ins Geschehen ein. Mächtig genug war er, nannte sich stolz nicht nur König der Dänen, sondern auch der Wenden: „Danorum Slavorumque rex.“ Nun aber hatte er einen Grund, auch gegen Nordelbien vorzugehen. Einen Kaiser hatte er nicht zu fürchten, denn nach Kaiser Heinrichs frühem Tod hatten die Fürsten des Reiches gleich zwei Nachfolger gewählt: Philipp von Schwaben, jüngster Sohn Barbarossas, und Otto von Braunschweig, Sohn des Löwen. Und da bekanntlich sich der Dritte freuen kann, wenn zwei sich streiten, ließ Knut seinen Bruder Waldemar, den Herzog von Schleswig, gegen Adolf ins Feld ziehen, und bald hatte er dessen wichtigste Burgen erobert und Holstein besetzt. Adolf selbst wurde am zweiten Weihnachtstag 1201 gefangen genommen.

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Wütend schlägt Jan Steneke mit der Faust auf sein Pult und wirft das gesiegelte Pergament zur Seite, das ihm eben einer seiner Schreiber hereingereicht hat. Dann greift er nach dem pelzverbrämten Umhang und geht eilig die wenigen Schritte die Mengstraße hinauf zum Haus von Hinrich Wullenpund, den die Ratsleute gerade zu einem der Ihren gewählt haben. Der empfängt den Ältermann der Schonenfahrer sofort, obgleich er gerade im Gespräch mit Herrn Gottfried ist, seines Zeichens seit längerem schon Lübischer Ratsherr.

Schon wieder hat der Däne eines unserer Schiffe aufgebracht,“ poltert Steneke los, kaum hatte man einen ersten Schluck Braunbier zur Begrüßung genossen. „Und unsere Kaufleute auf Schonen sitzen immer noch dort fest, als seien sie Gefangene des Königs. Wann endlich unternimmt unser Rat etwas dagegen?“ Hinrich zieht die Brauen hoch: „Wir sind nicht untätig, lieber Freund,“ sagt er ein wenig beleidigt. „Aber Ihr wißt schon, dass wir erst kürzlich dem Grafen Adolf die Treue aufgekündigt haben, dem Erzgegner des Dänen? König Knut wird es wohlwollend zur Kenntnis genommen haben.“ - „Aber unsere Männer hält er immer noch gefangen; mitten in der Zeit der Heringsschwärme unterbindet er unseren Handel,“ murrt der Schonenfahrer, „trotz all unserer verbrieften Rechte.“

Ihr müßt das alles im großen Rahmen betrachten, Jan Steneke,“ mischt sich nun Herr Gottfried ein. „Der Däne hat ganz Holstein gewonnen, und Adolf ist sein Gefangener. König Knut beherrscht die gesamte Küste, und nicht umsonst nennt man seinen Bruder Waldemar den Sieger. Wir werden die Dänen als neue Großmacht betrachten müssen. Und..“ er wendet sich Hinrich zu, ... bald wird er mit seine Truppen vor unseren Toren erscheinen. Es wäre klug, den Dänen dann als Freund...“ und leise, als könnte ihn jemand belauschen, fährt er fort: „...ja, wohl auch als neuen Stadtherrn zu empfangen.“ Hinrich schaut ihn betroffen an: „Aber wir sind Stadt des Reiches,“ wendet er ein. „Um wie letztlich vom Kaiser an den Grafen Adolf verschachert zu werden,“ bemerkt Herr Gottfried, und man hört seinen Spott. „Und welcher Kaiser ist nun unser Stadtherr? Der Welfe oder der Schwabe? Und der dritte ist weit weg im fernen Sizilien, aber König Knut beherrscht den Norden des Reiches. Er allein kann unsere Kaufleute schützen, unseren Handel fördern, unsere Privilegien erneuern.“

Und unsere Männer auf Schonen?“ Jan Steneke ist die Verwirrung anzumerken. „Hohe Politik, mein Freund,“ antwortet Gottfried gelassen, „Nur ein kleiner Fingerzeig an die Herren unseres Rates: Wenn ihr nicht für uns seid, seid ihr unsere Feinde.“ Er legt dem Schonenfahrer die Hand auf die Schulter: „Seid gewiß, Jan, bald werden die Männer auf Schonen wieder frei sein, wenn der Rat dem König Botschaft schickt, Lubeke erkennt ihn als neuen Stadtherrn an. Und es wird wieder Frieden herrschen auf See - unter Knuts und Waldemars Schutz. Aber noch gilt es, die Zaghaften im Rat davon zu überzeugen.“

War es so? Oder war es so ähnlich? Vielleicht.

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In der Tat: Für die Lübecker war nun guter Rat teuer geworden. Auf ihre Freiheit als Stadt des Reiches zu pochen, wäre ebenso nutzlos wie unklug. Aber Geschäftsleute pflegen realistisch zu denken. Und zur Realität gehörte: Mit der Grafschaft Holstein kontrollierte der Däne den Weg nach Hamburg und in den Westen des Reichs, mit der Grafschaft Ratzeburg die Handelsstraße nach Lüneburg, auf der das kostbare Salz an die Trave kam. Und außerdem die Häfen an und die Wasserwege auf der Ostsee. Ja, hier war sie: die starke Hand, die man für den eigenen Handel als Partner brauchte.

Also - ausgesuchte Vertreter, beauftragt von der gesamten Bürgerschaft, ritten Herzog Waldemar entgegen, als er mit Heeresmacht durch die Grafschaft Ratzeburg zog, ein Angebot in den Satteltaschen: die freiwillige Unterwerfung, wenn – ja wenn der dänische König doch bitteschön die lübischen Privilegien gnädigst bestätigen wolle. Und er wollte! Es ist wohl bezeichnend, dass im gleichen Jahr auch der Begriff „consules“ für die Repräsentanten der Stadt auftaucht, also selbständig handelnde Ratsherren wie einst im antiken Rom. Und dieses Recht, eigene politische Entscheidungen zu treffen, auf Augenhöhe mit den adligen Herren aus der Nachbarschaft zu verhandeln – es ist und bleibt der größte Gewinn, den die Lübecker in diesen Jahren errungen haben.

Im Sommer 1202 bemüht sich der König persönlich in die Stadt, und er wird dort überaus freundlich und ehrenvoll empfangen. Das gleiche gilt für seinen Bruder und Nachfolger Waldemar II., der mehrfach Lübeck besucht, und er gibt es den Lübischen auch schriftlich - in einer Urkunde bestätigt er einfach das, was Herzog Heinrich und Kaiser Friedrich der Stadt zugesichert haben. Punktum und gesiegelt. Warum also sollten die Lübecker unzufrieden sein mit ihrem neuen dänischen Stadtherrn? Das haben erst die Nationalisten des 19. Jahrhunderts erfunden, als würde hier eine ausländische Besatzungsmacht die armen Deutschen unterdrücken.

Gut zwei Jahrzehnte haben die Kaufleute von der Trave von der schützenden Hand des Dänenkönigs profitiert, der ihnen wieder die Handelswege in den Norden eröffnet hat und auch die Stadt selbst nach Kräften förderte, wie wir noch sehen werden. Schließlich brachte sie ihm gutes Geld. Doch irgendwann begann sein Stern zu sinken, und als der Graf von Schwerin ihn mit einem Handstreich gefangen setzte – und den Kronprinzen gleich mit – zerbrach das dänische Großreich, und andere Herren galt es zu beachten. Doch, sind Kaufleute nicht kluge Realisten? So finden wir dann die lübischen Pfeffersäcke – oder genauer deren rasch angeheuerte Söldnertruppe – in der entscheidenden Schlacht zwischen Waldemar und Graf Adolf (nun bereits der Vierte seines Namens) nebst dessen norddeutschen Verbündeten auf der Heide von Bornhöved auch auf der Seite der Sieger. Doch das war erst 1227. Dazwischen lag, trotz einiger Rückschläge, die große Wachstums-Periode der Travestadt.

7. Lübeck – Boomtown des 13. Jahrhunderts

Als König Knut in Lubeke einzieht, bedeckt die Civitas gerade einmal ein Viertel des Hügels – eben jenen Teil, der sich von der Höhe herab etwa zwischen Mengstraße und Holstenstraße zum Traveufer hinabzieht. Und auch der – umschlossen von der hastig aufgezogenen Mauer Herzog Heinrichs – ist immer noch weitläufig bebaut. Hier steht ein Holzhaus mit in den Boden vertieften Pfosten, dort ein Ständerbau, dessen Ständer und Bohlen auf einem Ringbalken sitzen und oben ebenfalls mit Balken beschlossen werden. Viele Häuser haben bereits Keller, meist mit einem Zugang von außen, und manche auch ein Obergeschoß. In den Höfen sieht man gelegentlich Blockhütten für das Vieh. Steinbauten außer Mauer und Kirchen zählen dagegen zu den Raritäten im Stadtbild. Und dennoch: Der Besitz dieser Stadt, die mehrere Landwege aus dem Reich bündelt, um über die untere Trave sie dann wieder weit zu fächern in den Weiten der Ostsee – ihr Besitz also bedeutet, den größten Teil des Handels in Nordeuropa zu kontrollieren und entsprechend sich einen guten Anteil an dessen Gewinnen zu sichern.

Als die Stadt sich dann gut zwanzig Jahre später wieder der dänischen Herrschaft entzieht, bietet sie ein völlig anderes Bild: Der Hügel ist jetzt weitgehend bebaut, schmale und tiefe Grundstücke entlang der Straßenzüge sind die Regel, und zumindest die Hauptgebäude darauf haben steinerne Mauern und Dächer aus gebrannten Ziegeln. Auf dem einst leeren Gelände zwischen Civitas und Burg erhebt sich nun an einem weiten Platz der imposante Bau der Jakobikirche, und auch zwischen Dombezirk und Johanniskloster auf dem südöstlichen Hang reihen sich die Häuser vieler Handwerker, allerdings eher in Fachwerk errichtet, um eine vierte Kirche, dem heiligen Ägidius geweiht und von den Lübeckern deshalb Tilgenkark genannt.

Wie ist es dazu gekommen? Begleiten wir einmal den Sohn unseres erdachten Johann von Bardowick, Elver von Bardewik. Einen Mann dieses Namens hat es übrigens wirklich gegeben, auch wenn wir nur das von ihm erfahren: Er war im Jahre 1200 einer der Bürgermeister der Stadt, hat also mindestens seit dieser Zeit im Rat gesessen. Mit diesem Wissen lassen wir ihn teilhaben am Geschehen, rücken ihn als Vertreter des Rats einfach ganz in die Nähe zum dänischen Stadtvogt Albrecht von Orlamünde. Der aber hat einen ehrgeizigen Plan König Waldemars auszuführen: Lübeck gleichsam zur Großstadt zu machen.

Die leeren Flächen auf dem Stadthügel an Siedlungswillige zu vergeben, war keine große Kunst: Immer mehr Menschen drängten sich in die Stadt an der Trave – Fernhändler aus Westfalen und sogar aus dem Rheinland mit guten Beziehungen nach Flandern und England, Kaufleute aus Lüneburg und Braunschweig, aber auch wagemutige Männer aus dem Westen des Reiches, Kleinhändler und vor allem Handwerker wie Helmschmiede und Plattner, Nagelschmiede und Böttcher, Knochenhauer und Bäcker. Dazu kamen die vielen Schifferknechte und die Schiffsführer, die nicht nur Kapitäne, sondern meist auch Reeder waren – nach unseren Begriffen. Und überall brauchte man Knechte und Gesellen, Träger, Handlanger und Gelegenheitsarbeiter – und natürlich auch Mägde für den Haushalt. Unser Elver hatte viel zu tun, allen einen Bauplatz zuzuweisen, soweit nicht die Großkaufleute sich die Grundstücke längst gesichert hatten und nun selber vermieteten.

Bald jedoch war der gesamte Hügel besiedelt, soweit er festen Baugrund bot. Auch die eher bäuerlich-weitläufigen Gehöfte im ältesten Viertel der Stadt wurden nun aufgeteilt, immer häufiger sah man dort steinerne Häuser mit einem großen Saal im Obergeschoß und gewölbten Kellern, auch mancher Speicher wich nun einem turmähnlichen Gebäude aus Backstein. Doch der Platzmangel blieb. Und jetzt lassen wir unseren Elver von Bardewik einfach einmal aktiv werden!

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Wie so oft, geht der Bürgermeister Elver die Mengstraße zum Hafen hinunter, um das Entladen seiner Waren zu beaufsichtigen. Doch diesmal schweifen seine Gedanken ab. Es herrscht wieder einmal unübersichtliches Gedränge an der kurzen Kaimauer, die man am Ufer gezogen hatte. Schließlich ist sie gerade einmal knapp vierhundert Schritte lang, denn rechts und links dehnt sich sumpfiges Gelände, schilfbewachsen bis weit zum Fuß des Stadthügels. Nicht umsonst haben unsere Vorfahren die Straßen dort fossae, Gruben, genannt, denkt Elver. Und wieder kommt ihm dieser Gedanke, der ihn schon lange bewegt: Man müßte den Hafen dorthin verlängern, den morastigen Boden trockenlegen. Doch das würde nicht reichen, jedes Hochwasser im Frühling wird ihn überschwemmen. Das Ufer muß auch hier höher werden. Plötzlich bleibt er stehen: Und wenn nun gleich das ganze Gelände bis hinauf zum Hügel aufgeschüttet würde? Das gäbe viel Raum für neue Häuser, neue Grundstücke.

Ja,“ sagte er leise vor sich hin: „So könnte es gehen.“ Entschlossen wendet er sich um, geht wieder die Straße hinauf, wendet sich nach links und eilt über den Koberg auf das prächtige Haus des Stadtvogtes zu, läßt sich Herrn Albrecht von Orlamünde melden.

Erstaunt über den unerwarteten Besuch, läßt Graf Albrecht den Gast in sein Schreibgemach bitten. „Ihr scheint etwas Wichtiges im Schild zu führen, Bürgermeister,“ sagt der Stadtvogt. „Entschuldigt, wenn ich so unangemeldet erscheine, Herr Albrecht, es mag nicht eilig sein, aber wichtig ist es in der Tat.“ - „So laßt mich hören!“ Der Stadtvogt lädt seinen Gast ein, sich zu setzen.

Ihr wißt selbst, wie eng es unten am Hafen geworden ist. Es wäre gut, das Bollwerk zu verlängern. Dazu müßte man allerdings den feuchten Torfboden befestigen und aufschütten.“ Der Däne schaut sein Gegenüber erstaunt an: „Das ist ein hochfliegender Plan, Bürgermeister!“ Elver holt tief Luft, ehe er antwortet: „Könnten wir dieses Gelände trockenlegen, hätten wir für Jahre hinaus ausreichend Bauland, und außerdem würde nicht nur der Hafen um ein Vielfaches verlängert. Auch der Bereich jenseits unserer Brücke über die Trave ließe sich aufschütten. Dort könnten die Prähme anlegen, die vor allem das Lüneburger Salz über die Stecknitz heranschaffen.“

Graf Albrecht hört mit wachsendem Interesse zu. Damit würden sich auch die Einnahmen aus der Stadt wesentlich steigern lassen. Doch er erkennt ebenso, welchen Aufwand ein solches Vorhaben kosten würde, und so fragt er zurück: „Das ist ein gewaltiges Unternehmen, Bürgermeister, wie wollt Ihr es in die Tat umsetzen?“ Elver von Bardewik spürt, dass Graf Albrecht neugierig geworden ist, und wagt, seinen Plan genauer zu erläutern: „Es gibt zwei Dinge zu bedenken: Das eine ist – wir benötigen viele Hände für ein solches Werk, auch wenn wir es nur nach und nach verwirklichen. Das bedeutet Frondienst der Bürger über eine lange Zeit, und nur, wenn er die sonstige Arbeit in der Stadt nicht hindert, und wenn jeder einzelne sich auch einen Vorteil davon versprechen darf, wird er auch ohne großes Murren geleistet werden. Das zweite ist dies: Wir bauen dort auf dem Torf des Flusses, darum muß die Schicht darüber mächtig genug sein, um die Last auch von steinernen Häusern zu tragen. Wir werden viele Last Erdreich heranschaffen müssen, und nur ein kleiner Teil steht uns auf dem Stadthügel zur Verfügung – dort, wo nun immer häufiger Keller, Brunnen und Kloaken ausgehoben werden. Der weitaus größere Rest kann nur von den Feldern und Wiesen in der Umgebung stammen.“

Albrecht von Orlamünde beugt sich vor: „Ihr sagt selbst, dass der Boden dort ein wahrer Sumpf ist. Glaubt Ihr, er könnte Häuser tragen, wieviel Erde Ihr auch herbeischaffen würdet?“

Elvers hebt beide Hände: „Ihr habt recht, Herr Albrecht, es wird nicht reichen, nur Erde aufzuschütten. Ich stelle mir vor, dass wir dort eine Art bodenlose Holzkisten versenken, dicht an dicht und miteinander verbunden, auch mehrfach übereinandergeschichtet, um den Boden stabil zu halten. Erst dann können wir diese Kisten verfüllen – übrigens auch mit allem Unrat, der in der Stadt anfällt und sowieso fortgeschafft werden müsste. Für die Kisten lässt sich sicher manche Bohle verwenden, die von den Holzhäusern stammt, die bald den Steinhäusern weichen werden. Dennoch werden wir kräftig Holz einschlagen müssen, und auch dafür brauchen wir weitere Schenkungen Eures königlichen Herrn.“ - „Ich sehe, Ihr habt alles bereits wohldurchdacht, und König Waldemar wird das alles sicher mit großem Wohlwollen prüfen. Doch seid Ihr sicher, Ihr könnt auch den Rat und die Bürgerschaft überzeugen? Ihr werdet damit nicht nur Freunde gewinnen. Aber Ihr habt recht: Lubeke braucht dieses Wachstum, und spätere Geschlechter werden es Euch danken.“

War es so? Oder war es doch so ähnlich? Vielleicht.

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Es war ein gewaltiges Vorhaben, und es gelang, dank der straffen Anordnungen von Rat und Stadtvogt, es in wenigen Jahrzehnten zum Abschluß zu bringen. Unsere gründlichen Historiker haben genau nachgerechnet und staunenswerte Zahlen geliefert: Im Schnitt waren es fünf Meter, um die das Niveau angehoben werden mußte, um nicht mehr vom Hochwasser erreicht zu werden. Die so gewonnene Fläche betrug etwa 40 Hektar, also ist ein Drittel der heutigen Altstadt damals hinzugewonnen worden. Und auch die Mengen lassen sich dadurch errechnen: Etwa zwei Millionen Kubikmeter Füllmaterial wurden gebraucht und mußten zumeist draußen vor den Toren abgebaut werden. Zweihunderttausend Kubikmeter Holz sind damals verbaut worden. Alle Achtung, lieber Elver von Bardewik! Oder wer auch immer dafür die Verantwortung getragen hat.

König Waldemar setzte dem Werk dann den Kronreif auf – man kann es fast wörtlich nehmen: Auf seinen Befehl hin wurde nun die gesamte Halbinsel mit einer durchgehenden Mauer umgeben, Tore und Wehrtürme eingefügt. Noch einmal also eine große gemeinschaftliche Anstrengung der Stadtbewohner. Damit war nicht nur ein Schutz gegen äußere Feinde geschaffen, sondern auch ein einheitlicher Siedlungsraum vom Burgtor im Norden bis zur Mühle an der Mündung der Wakenitz in die Trave – eine Stadt, ein Rechtsraum, ein gemeinsamer Rat an der Spitze. Nein, nicht ganz! Denn der Domhof und die Kurien der Kapitelherren unterstanden ihm nicht, das war bischöfliches Gebiet und nur der hatte hier das Sagen. Und der königliche Stadtvogt in seiner Burg war natürlich ebenfalls sein eigener Herr. Dafür baute auch er dort nun ein repräsentatives Haus, natürlich in Backstein. Und – es steht noch immer, eingebaut in die Gebäude des späteren Klosters. Wer wollte nun noch sagen, die Dänen seien nur ungeliebte Besatzer gewesen?

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