Kitabı oku: «Prozessberatung für die Organisation der Zukunft», sayfa 6

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3. Kapitel:

Aktives Fragen und Zuhören zum Ausbalancieren des Statusgleichgewichts

Es muss nicht erwähnt werden, dass der Berater anfangs vor allen Dingen dem Klienten genau zuhören muss. Allerdings ist Zuhören eine komplexe Tätigkeit, bei der man aktiv oder passiv vorgehen kann. Wenn wir mit dem Flow gehen und mit unserem Nichtwissen arbeiten wollen, müssten wir, so könnte man auf den ersten Blick meinen, relativ passiv und aufmerksam sein, um den Klienten seine Geschichte so erzählen zu lassen, wie er es für richtig hält. Häufig jedoch stellt der Klient einfach eine oder zwei Fragen und verstummt mit einem erwartungsvollen Blick. Und in diesem Augenblick muss der Berater sich hüten, nicht in die Falle zu tappen und sich die gesamte Macht aufzuladen, die ihm angeboten wird.

Zum Beispiel kann der Klient nach einer langwierigen Diskussion über strategische Probleme, denen die Organisation sich gegenüber sieht, die Frage äußern: »Wie soll ich also mein Führungsteam organisieren?« Der Berater, erpicht darauf, sein Fachwissen zur Schau zu stellen, fühlt sich vielleicht versucht zu antworten: »Warum arbeiten Sie nicht mit der Gruppe und bauen ein Team auf? Ich könnte ein Seminar zur Teamentwicklung für Sie planen.« Nicht nur, dass der Klient dieses Angebot möglicherweise nicht versteht, möglicherweise gewinnt sein Bedürfnis nach Abhängigkeit die Oberhand, und er stimmt zu und lässt sich damit auf etwas ein, was unter Umständen gar nichts mit seinem Problem zu tun hat. Oder sein Gefühl, der Unterlegene zu sein, gewinnt die Oberhand, und der Klient zieht insgeheim den Schluss, sein Berater wolle nur sein Lieblingsstandardprodukt verkaufen, weshalb er den Vorschlag ablehnt, obwohl er durchaus die Lösung seines Problems bedeuten könnte. In keinem der beiden Fälle fand eine Hilfe statt.

Ginge man nach der Prozessberatungsphilosophie vor, achtete man vor allem auf die Psychodynamik, die am Werk ist, wenn der Klient erstmals ein Problem darstellt oder eine Frage stellt, und begänne erst dann, Fragen zu stellen. Diese Fragen dienten vielen Zielen, vor allem jedoch ginge es dabei darum, das Selbstwertgefühl des Klienten wiederaufzubauen und seinen Status zu heben. Im Zentrum dieses Aufbau- und Statussteigerungsprozesses steht das Anliegen, dem Klienten zu vermitteln, dass er seine eigenen Probleme besser verstehen (und vielleicht die nächsten Schritte selbst erarbeiten) kann. Dahinter verbirgt sich die Annahme, der Klient müsse beginnen, sich in der Beziehung sicher zu fühlen, um auf die wesentlichen Punkte seiner Geschichte zu sprechen zu kommen und den Helfer nicht auf der Grundlage falscher Informationen arbeiten zu lassen. Der Trick dabei ist, während dieses Prozesses aktiv zu bleiben und die Fäden nicht aus der Hand zu geben, während man eine unterstützende, zuhörende Haltung einnimmt. Der Prozess, diese Situation zu schaffen, lässt sich als aktives Fragen und Zuhören auffassen, das mehr ist als einfaches Zuhören.

Der aktive Frageprozess dient verschiedenen Zwecken:

1. der Steigerung des Selbstwertgefühls und des Status des Klienten;

2. dem Einholen von möglichst vielen Informationen über die Situation;

3. dem Einbinden des Klienten in den Diagnose- und Planungsprozess;

4. der Schaffung einer Situation, in der der Klient sich sicher genug fühlt, angstauslösende Informationen und Gefühle preiszugeben.

Strategisch wird Statusausgleich und Aufbau eines Teams mit dem Klienten angestrebt, damit (1) diagnostische Erkenntnisse sinnvoll wirken können, da Klient und Helfer dieselbe Sprache sprechen, und (2) Abhilfemaßnahmen realistisch sind, da der Klient sie gemäß den Regeln seiner eigenen Kultur als wirksam empfindet. Taktisch muss man beim aktiven Fragen und Zuhören bewusst darauf achten, dass die Geschichte des Klienten zur Gänze enthüllt wird und der Klient anfängt, selbst diagnostisch zu denken. Falls die Geschichte des Klienten nicht in dessen eigenen Worten erzählt wird und nicht seine eigenen Vorstellungen und Konzepte zum Vorschein kommen, kann der Berater keinen realistischen Eindruck von den tatsächlichen Vorgängen bekommen. Es ist zu einfach, aus den eigenen Erfahrungen in das, was der Klient berichtet, hineinzuprojizieren. Der Berater muss also durch sein Verhalten am Anfang den Klienten dazu stimulieren, seine Geschichten so vollständig wie möglich zu erzählen, und ihm auf eine möglichst neutrale und nicht beurteilende Art zuhören.

Aktives, nichtbeurteilendes Zuhören versichert dem Klienten zudem, dass seine möglicherweise angstauslösenden Enthüllungen legitim sind. Die Beziehung zwischen Helfer und Klient muss sich zu etwas entwickeln, was Bill Isaacs einen sicheren »Container« (also Behältnis, Umfeld) nennt, der es ermöglicht, Themen anzugehen, die »für normale Verhältnisse zu heiß sind«.8

Dieser Prozess lässt sich mit Hilfe verschiedener Fragen stimulieren, die jedoch sorgfältig formuliert werden müssen, um nicht die Geschichte zu stören. »Die Geschichte« spiegelt wider, was nach Empfinden des Klienten abläuft und möglichst unverfälscht dargestellt werden sollte.




Abb. 1: Formen aktiven Fragens und Zuhörens

Verschiedene Formen des aktiven Fragens und Zuhörens

Reine Tatsachenfragen

Vor den reinen Tatsachenfragen kommt Schweigen. Der Helfer sollte durch seine Körpersprache und Augenkontakt zeigen, dass er zuhört, aber er muss nichts sagen. Der Klient sollte einfach darauf vorbereitet werden, seine Geschichten auszubreiten. Reicht das Schweigen allein nicht, ihn zum Erzählen zu bringen, kann der Berater, wenn ihm das angemessen erscheint, zu einer der folgenden einleitenden Fragen greifen.

»Erzählen Sie mir, was los ist.«

»Wie kann ich Ihnen helfen?«

»So…« (begleitet von einem erwartungsvollen Blick)

»Was bringt Sie zu mir?«

»Können Sie mir Beispiele dafür nennen?«

»Können Sie mir detaillierter erzählen, was geschah?«

»Wann passierte das zum letzten Mal?«

Wichtig ist, in der einleitenden Frage keinesfalls ein Problem zu unterstellen, denn das könnte genau das sein, was der Klient zu verleugnen sucht. Anfangs sollte der Schwerpunkt ausschließlich auf dem Geschehen liegen, damit der Klient die Geschichten nach seinem Dafürhalten strukturieren kann. Wie wir im weiteren Verlauf sehen werden, fördern Warum-Fragen das diagnostische Denken und das könnte der Geschichte vorgreifen, wegen der der Klient überhaupt Hilfe suchte. Zum Beispiel kann der Klient aus seinem Unterlegenheitsgefühl heraus anfangen, den Berater über seine Qualifikationen zu befragen, ohne ein Wort darüber zu verlieren, warum er hier ist. Fragen wie »Was ist Ihr Problem?« unterstellen das Vorhandensein eines Problems, der Klient aber ist vielleicht gar nicht bereit, dieses Problem anzusprechen, solange er sich in der Beziehung nicht wohl fühlt.

Was immer der Klient nun berichtet, zum aktiven Fragen und Zuhören gehört das übliche Aufmerksamkeit bekundende Kopfnicken, ein gelegentliches Brummen oder ein anderes Zeichen dafür, dass der Berater bei der Sache ist und – falls notwendig – sporadisches Nachhaken wie »Erzählen Sie weiter«, »Erzählen Sie mir darüber etwas mehr« und »Was geschah dann?« Das Ziel ist nicht zu strukturieren, wie der Klient seine Geschichte erzählt, sondern ihn dazu zu bringen, die ganze Geschichte zu erzählen, damit der Berater seine Wissenslücken füllen und zu einem umfassenden Verständnis der Situation gelangen kann. Der Bitte um Beispiele kommt als Option eine besondere Bedeutung zu, da die Geschichte häufig auf einer so abstrakten Ebene angesiedelt wird, dass der Berater leicht seine eigenen Hypothesen über die Abläufe auf die Geschichte projiziert und dabei übersieht, was der Klient wirklich zu sagen versucht.

Robert Fritz weist darauf hin, dass es beim Zuhören hilfreich sein kann, die Szene, die Beteiligten, das Setting und den Ablauf zu visualisieren und sich von dem Vorgang ein mentales Bild zu schaffen. Durch eine solche aktive Visualisierung beugt der Berater abschweifenden Gedanken oder Tagträumereien vor und behält die Details der Geschichte besser im Gedächtnis. Wie Fritz erklärt, erleichtert die aktive Visualisierung dem Zuhörer, die Wirklichkeit der Strukturen zu erkennen, in denen der Klient lebt.9

Irgendwann, das lässt sich nicht vermeiden, verlangsamt sich der Erzählfluss des Klienten oder er endet ganz. Dann bringt auch weiteres Nachhaken nichts mehr. Nicht selten bricht der Klient mitten in der Geschichte ab und fragt unvermittelt: »Was halten Sie davon?« oder »Was kann ich da machen?« Dann gilt für den Berater wieder äußerste Achtsamkeit, nicht in die Expertenfalle zu tappen, indem er auf diese Frage eingeht. Falls der Berater glaubt, der Klient sei noch nicht bereit für einen Rat oder einen Vorschlag, stehen ihm mehrere Optionen zur Verfügung, ihn am Haken zu behalten und ihn an seinem Problem arbeiten zu lassen. Eine Option ist, dem Gespräch eine Wende in Richtung diagnostische Erhebung zu geben.

Explorative diagnostische Fragen

Bei dieser Frageform beginnt der Berater das Denken des Klienten bewusst zu beeinflussen, indem er den Schwerpunkt auf andere Themen legt als die, die der Klient in seiner Geschichte in den Mittelpunkt rückte. Beachten Sie, dass diese Fragen nicht den Inhalt der Geschichte beeinflussen, sondern den Aufmerksamkeitsfokus in der Geschichte. Es gibt drei grundlegend unterschiedliche Möglichkeiten, diesen umzulenken.

1. Gefühle und Reaktionen

Den Klienten darauf fokussieren, wie er, auch emotional, auf die soeben beschriebenen Vorfälle reagierte:

»Wie fühlten Sie sich dabei?«

»Rief das bei Ihnen irgendwelche Reaktionen hervor?«

»Wie reagierten oder reagieren Sie darauf emotional?«

2. Hypothesen zu den Ursachen

Den Klienten auf seine eigenen Hypothesen dazu fokussieren, warum die Dinge sich so entwickelten, wie sie sich entwickelten:

»Warum geschah das Ihrer Meinung nach?«

»Warum reagierten Sie (sie, er, alle) genau so?«

»Warum taten Sie (sie, er, alle) das?«

3. Durchgeführte oder in Betrachtung gezogene Maßnahmen

Den Klienten darauf fokussieren, was er oder andere in der Geschichte taten, vorhatten zu tun oder in der Zukunft zu tun gedenken; hat der Klient bereits von Maßnahmen berichtet, kann der Berater darauf aufbauen, doch häufig wird die »Geschichte« nichts über vergangene, aktuelle oder zukünftige Schritte enthalten, seien es Schritte des Klienten oder anderer Personen:

»Was unternahmen Sie (er, sie, alle) in dieser Sache?«

»Was ist Ihr (ihr, sein) nächster Schritt?«

»Was unternahmen Sie (er, sie, alle) darauf?«

Diese Kategorien überschneiden sich zweifellos in jeder Geschichte und lassen sich je nach der Spezifik des Einzelfalls sowohl nacheinander als auch auf einmal aufklären. Trotzdem muss sich der Berater darüber im Klaren sein, dass jede Frage den Klienten aus seinen Gedanken reißt und in den Denkprozess des Beraters einbindet. Diese Fragen stellen daher weitaus größere Interventionen als die rein explorativen Fragen dar. Jede Frage à la »Wie fühlten Sie sich dabei?« »Warum geschah das Ihrer Meinung nach?« oder »Was wollen Sie in der Sache unternehmen?« verändert den Denkprozess des Klienten, weil der Klient dabei aufgefordert wird, ein Ereignis aus einer anderen Perspektive, mit einer neuen Brille, zu betrachten.

Konfrontative Fragen

Bei den konfrontativen Fragen ist entscheidend, dass der Berater seine eigenen Ideen über den Prozess oder den Inhalt der Geschichte in das Gespräch einfließen lässt. Statt den Klienten nur zu drängen, an der Geschichte zu arbeiten, macht der Berater nun selbst Vorschläge oder bringt Optionen ein, die der Aufmerksamkeit des Klient möglicherweise entgangen sind.

»Konfrontierten Sie ihn (sie) damit?«

»Könnten Sie nicht … unternehmen?«

»Kam Ihnen nie der Gedanke, er (sie) verhielt(en) sich nur aus einer Nervosität heraus so?«

Die Intervention ist in diesen Fällen konfrontativ, weil der Berater den Klienten auf das Terrain seiner eigenen Vorstellungen und Emotionen lockt. Während die vorherigen Fragen den Klienten nur anhielten, seine eigenen Konzepte und Emotionen zu überprüfen, werden durch die konfrontative Intervention neue Ideen, Konzepte, Hypothesen und Optionen eingeführt, mit denen der Klient sich nun auseinandersetzen muss. Der Helfer beschäftigt sich jetzt auch mit den vom Klienten vorgebrachten Inhalten und beschränkt sich nicht mehr allein auf den Prozess.

Das Ausmaß dieses Schrittes kann nicht überbetont werden, auch wenn die Intervention eine ganz leise daher kommende Frage ist wie »Haben Sie sich Gedanken gemacht über Ihre Rolle dabei?« oder »Ärgerte Sie das?« Denn dem Klient wird dadurch nahegelegt oder ermöglicht, von seiner Geschichte abzurücken und mit dem vom Berater gelieferten Bezugsrahmen zu arbeiten. Die große Gefahr bei diesem Prozess besteht darin, dass weitere Informationen über die Wirklichkeit der Klientensituation verloren gehen, da dieser nun zur Gänze mit den neuen Konzepten beschäftigt ist und kein Interesse daran hat, in alten Erinnerungen zu stöbern. Der springende Punkt beim konfrontativen Fragen ist also, wann man damit beginnt und wie man dabei vorgeht.

Konstruktiver Opportunismus

Bei der Entscheidung, wann man von den reinen Tatsachenfragen in den diagnostischen oder konfrontativen Modus wechseln soll, kommt es ganz besonders auf das Timing an. Manchmal spricht bereits nach ein paar Minuten nichts gegen diesen Wechsel, und manchmal spricht alles dafür, während der gesamten Interaktion nur Tatsachenfragen zu stellen. Häufig ist es angebracht, zwischen den drei Modi hin- und herzuwechseln, je nachdem, wovon gesprochen wird und wie man selbst darauf reagiert bzw. was einem dazu einfällt. Einfache Kriterien für das richtige Timing gibt es hier nicht. Ideal wäre es, den Schwerpunkt auf die in der Geschichte erwähnten Ereignisse zu legen, die vielversprechend für ein besseres Verständnis des Themas oder Problems des Klienten zu sein scheinen oder – falls das Thema offensichtlich ist – den Weg zu möglichen Abhilfemaßnahmen weisen könnten. Die Gefahr besteht natürlich, dass man dabei die vorherigen Prinzipien vergisst – die Bedeutung zu helfen; sich mit der aktuellen Realität auseinander zu setzen; mit dem eigenen Nichtwissen zu arbeiten; zu erkennen, dass jede Frage de facto eine Intervention ist; dem Klienten sein Problem nicht abzunehmen und mit dem Flow zu gehen. Die Versuchung, sich mit seinen Einsichten und Vorschlägen auf den Klienten zu stürzen und seine eigene Version der Wirklichkeit auf ihn zu projizieren, ist gewaltig.

Genauso wenig kann man sich in eine passive Fragemaschine verwandeln, denn während man zuhört, steigen starke Gefühle und Ideen auf. Und was man fühlt und denkt, kann entscheidend dabei sein, dem Klienten zu helfen, seine eigene Realität zu verstehen. Mit dem Flow zu gehen, muss daher mit einem anderen Prinzip, dem des »konstruktiven Opportunismus«, ausbalanciert werden. Mein Hauptkriterium dafür, wann es den Fokus zu verändern gilt, ist, ob der Klient etwas gesagt hat, das offensichtlich für seine Geschichte signifikant und zugleich so eindrücklich ist, dass er sich daran erinnert. Anders ausgedrückt, eine Intervention muss sich erkennbar auf eine Aussage des Klienten zurückführen lassen, nicht nur auf meine Gedanken oder Gefühle.

Hat der Berater den Eindruck, das Timing ist richtig, muss er das Wagnis eingehen und die Gelegenheit nutzen, eine neue Erkenntnis, Alternative oder Sichtweise vorzustellen. Wie die nachfolgende Fallgeschichte illustriert, wird dem Berater dabei auch ein Fehler unterlaufen – entweder liegt er nicht richtig mit dem Timing oder er hat die Interventionsebene falsch eingeschätzt, weshalb der Klient ablehnend reagiert und die Beziehung zeitweise angespannt ist. Gerade dann ist es für den Berater wichtig zu erkennen, dass die Reaktion des Klienten nicht nur auf einen möglichen Fehler seinerseits schließen lässt, sondern auch neue Informationen liefert dazu, wie er bei bestimmten Inputs reagiert. Anders ausgedrückt, was immer passiert, kann als Information aufgefasst werden, die man für die weitere Arbeit nutzen kann.

In Konversationen unterlaufen uns ständig Fehler. Wir sagen das Falsche, sagen es auf die verkehrte Weise oder zum verkehrten Zeitpunkt. Statt uns von solchen Fehlern entmutigen zu lassen, müssen wir uns klar machen, dass wir aus ihnen lernen können. Wir sollten sie also begrüßen.10 Dabei lernen wir unsere Lektion, vielleicht »Drück dich vorsichtiger aus« oder »Halte dich mit Mutmaßungen zurück, arbeite mit deinem Nichtwissen«, aber wir müssen stets über diese Lektion hinausgehen und uns fragen, was wir dabei über die Situation selbst Neues erfahren. Wir lernen also auf zwei Gebieten hinzu: Durch die Reaktion auf den Fehler erfahren wir Neues über uns selbst und was wir anders hätten machen können und über den Klienten – wie er über die Dinge denkt und wozu er bereit ist. Das lässt sich in drei weiteren Prinzipien zusammenfassen.

SIEBTES PRINZIP

Das Timing ist entscheidend.

Jede Intervention kann zu einem bestimmten Zeitpunkt greifen, zu einem anderen Zeitpunkt dagegen nicht. Daher muss ich ständig diagnostisch vorgehen und auf die Phasen achten, wann der Klient ansprechbar zu sein scheint.

ACHTES PRINZIP

Sei konstruktiv opportunistisch und arbeite mit konfrontativen Interventionen.

In allen Klientensystem gibt es instabile und offene Bereiche, in denen eine Bereitschaft zur Veränderung vorhanden ist. Diese vorhandene Motivation und kulturelle Stärke gilt es zu finden und als Grundlage zu benutzen. Gleichzeitig müssen Gelegenheiten genutzt werden, neue Erkenntnisse und Alternativen vorzustellen. Zwar sollte man mit dem Flow gehen, dabei aber die Balance halten und auch gewisse Risiken bei seinen Interventionen eingehen

NEUNTES PRINZIP

Alles liefert Daten; Fehler wird es immer geben, sie sind die wichtigste Quelle neuer Erkenntnisse.

Wie sorgfältig ich auch die hier genannten Prinzipien beachte, ich werde dennoch das eine oder andere tun oder sagen, das zu unerwarteten und unerwünschten Reaktionen seitens des Klienten führt. Aus diesen muss ich lernen und um jeden Preis eine Abwehrhaltung, Scham- oder Schuldgefühle vermeiden. Ich kann nie genug über die Wirklichkeit des Klienten wissen, um Fehler vollkommen ausschließen zu können. Doch Fehler führen zu Reaktionen, aus denen ich wiederum sehr viel über die Wirklichkeit des Klienten lernen kann.

Elemente des Entscheidungsprozesses

Das folgende Beispiel zeigt einige Elemente dieses Entscheidungsprozesses, die Wichtigkeit des Timings und wie man aus seinen Fehlern lernt.

Fallbeispiel 3.1

Ein Kollege, Jim, wollte herausfinden, warum er in seiner Rolle als Managementberater viermal hintereinander hinnehmen musste, dass sein Bericht beim Management schlecht aufgenommen wurde und er diese vier Kunden anschließend verlor. Jims Aufgabe war, sie bei der Organisation der Informationsfunktion in ihrem Unternehmen zu beraten. Unser Gespräch begann mit meiner Bitte, Jim möge mir über diese Fälle erzählen. Ich stellte nur reine Tatsachenfragen. Nach etwa 15 Minuten war klar, dass er mit seinen Klienten nur aus dem Arzt-Patient-Modell heraus gearbeitet hatte. Er glaubte, eine sorgfältige Diagnose und gute Empfehlungen geliefert zu haben, und konnte daher nicht verstehen, wie diese so schnell vom Tisch gewischt werden konnten.

Während er diese Geschichte erzählte, hatte er über seine Reaktionen gesprochen. Wie es ihm dabei emotional ergangen war, brauchte ich ihn daher nicht zu fragen. Er fühlte sich frustriert und inkompetent und er wusste nicht, was er tun sollte. Die Versuchung, den ganzen Frageprozess abzukürzen und ihm zu diesem Zeitpunkt meine Reaktion und meine Hypothese mitzuteilen, dass er die Abwehrhaltung durch seine Vorgehensweise vielleicht mit herbeigeführt hatte, war groß. Er hatte offizielle, allen zugängliche Berichte an Hierarchie übergreifende Managementgruppen abgegeben, in denen er heftig Kritik am Unternehmen übte. Mir war jedoch klar, dass ich damit genauso vorgehen würde wie er: ihn mit direkter Kritik konfrontieren. Mit dieser Art von Feedback würde ich sein Gefühl, unterlegen zu sein, nur verstärken und damit riskieren, ihn in eine Abwehrhaltung zu drängen.

Ich unterdrückte den Impuls und stellte ihm statt dessen eine diagnostische Frage: »Wie sieht Ihre Theorie dazu aus, warum Ihre Präsentation so schlecht aufgenommen wurde?« Eigentlich lautete meine Frage: »Warum, denken Sie, ist das passiert?« Damit legte ich den Schwerpunkt auf die Hauptereignisse und regte ihn an, gemeinsam mit mir die Situation zu diagnostizieren. Er kam schnell auf die Möglichkeit zu sprechen, dass die Klienten ungern Negatives über sich hören und ihre Abwehrhaltung wahrscheinlich legitim war. Aber er ging nicht so weit, in Betracht zu ziehen, seine Entscheidungen darüber, was und wie er berichtete, könnten zu dieser defensiven Reaktion geführt haben. Seine Analyse lieferte mir jedoch Information dazu, wo seine blinden Stellen zu finden waren, und regte ihn an, sich mehr Gedanken über die tatsächlichen Abläufe zu machen.

Die Frage »Warum« ist eine gewaltige Intervention, da sie den Klienten nicht selten zwingt, sich etwas bisher als gegeben Hingenommenes genau anzusehen und es aus einer neuen Perspektive zu untersuchen. Durch eine sorgfältige Wahl des Subjekts, auf das sich die Warum-Frage bezieht, kann der Berater einen ganz neuen mentalen Prozess einleiten, der zu vollkommen anderen Erkenntnissen führt. Entscheidend bei der Wahl ist unter anderem, ob man den Klienten darauf fokussiert, warum er so handelte wie er handelte oder warum ein oder mehrere andere an den Vorgängen Beteiligte(r) so handelte(n), wie er (oder sie) handelte(n). Oder warum ein bestimmtes Ereignis eintrat, an dem weder der Klient noch eine andere Person in der Geschichte beteiligt war.

Während er darüber spekulierte, warum er so negative Reaktionen bekam, erzählte Jim von einem besonders unangenehmen Meeting, in dem der CEO,11 nachdem Jim seine Ergebnisse dem Führungsteam präsentiert hatte, ihn direkt vor allen anderen anzugreifen und ihn zu dem Eingeständnis zu zwingen versuchte, er habe sein Mandat übertreten, indem er darauf hinwies, die Kultur des Unternehmens sei nicht im Einklang mit den langfristigen Zielen, die man sich für die Informationsfunktion gesetzt habe. Der CEO hielt fest, Jim sei niemals gebeten worden, sich zur Unternehmenskultur zu äußern, einer Kultur, mit der sich der CEO als einer der Unternehmensgründer identifizierte. Jim erklärte, dies tue ihm außerordentlich leid, und entschuldigte sich öffentlich vor dem CEO. Doch zu seiner Überraschung kamen ihm mehrere Mitglieder des Teams zu Hilfe und äußerten, es sei durchaus gerechtfertigt, ja, werde sogar geschätzt, wenn er sich mit der Kultur das Unternehmens beschäftige und darüber hier berichte.

Die diagnostische Frage brachte neue Daten zum Vorschein, die bisher nicht erwähnt worden, dabei jedoch offensichtlich signifikant waren. An dieser Stelle entschloss ich mich, mehr über die diversen Maßnahmen herauszufinden, die in die Wege geleitet worden waren. Dazu ging ich zu handlungsorientierten Fragen über. Diese Art Fragen treibt nicht nur die Diagnose voran, sie enthüllt auch weitere Details über die mentalen Prozesse des Klienten sowie mögliche Handlungsoptionen. Handlungsorientierte Fragen wären z.B.: »Was taten Sie dann?« im Gegensatz zu der reinen Tatsachenfrage »Was geschah dann?« oder Fragen dazu, was die anderen Beteiligten unternahmen. Im Zentrum kann dabei die Vergangenheit stehen, um den Klienten anzuhalten, die Geschichte weiter zu erzählen; oder man kann auch Fragen zur Gegenwart oder Zukunft stellen wie »Welche Schritte planen Sie als nächstes?« oder »Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?« Man kann auch nach den Plänen der anderen fragen »Was wird der oder die unternehmen?« oder, um den Prozess noch mehr zu komplizieren, anfangen, Fragen zu stellen, die Familientherapeuten als »zirkuläre Fragen« beschreiben. Dabei erkundigt man sich danach, was andere tun könnten als Reaktion auf eine Maßnahme des Klienten. Zum Beispiel hätte ich meinen Kollegen fragen können, was geschehen wäre, wenn er dem CEO widersprochen hätte, statt sich einfach zu entschuldigen. In diesem Fall entschloss ich mich dazu, mich auf den CEO zu konzentrieren, da mir sein Verhalten am meisten Kopfzerbrechen bereitete.

Ich fragte Jim, was die Gründe für das Verhalten des CEO hätten gewesen sein können. Jim konnte sich keinen Reim auf das Verhalten des CEO machen. Daher wechselte ich die Gangart und fragte ihn, warum er das Gefühl hatte, sich beim CEO entschuldigen zu müssen, was er denn falsch gemacht habe? Tatsächlich überprüfte ich meine Hypothese, dass Jim einen Entwurf seiner Präsentation zuerst dem CEO hätte vorlegen sollen, um ermessen zu können, wie er die Kritik an der Unternehmenskultur aufnehmen würde. Jims Erklärung spiegelte nur sein Schuldgefühl wider, seinen Eindruck, einen Fehler gemacht zu haben, was mich nur beflügelte, eine konfrontative Intervention zu wagen. Ich fragte Jim direkt, warum er mit seiner Analyse nicht zum CEO gegangen sei.

Beachten Sie, dass ich mit dieser Frage zum ersten Mal durchschimmern ließ, was ich über diese Situation und das, was dahinter stecken könnte, dachte. Das zwingt den Klienten, über andere inhaltliche Elemente der Geschichte nachzudenken, und wird daher zu Recht als »konfrontativ« betrachtet. Diese Art von Konfrontation lässt sich noch immer in Fragen kleiden wie: »Hatten Sie daran gedacht, den CEO unter vier Augen zu treffen, um ihm die Passagen über die Unternehmenskultur zu zeigen?« Oder man kann sie als ein Angebot mehrerer Alternativen formulieren, um den Klienten nicht vom Haken zu lassen: »Hätten Sie nicht mit einem Entwurf entweder zuerst zum CEO oder der Gruppe gehen können?«

Wie gefährlich es ist, nicht mit seinem Nichtwissen zu arbeiten, zeigte Jims Antwort auf meine Frage, ein leidenschaftliches: »Ich habe mit dem CEO unter vier Augen gesprochen und ihm das Material gegeben, aber offensichtlich war ich nicht gut oder schaffte es nicht, meinen Punkt rüberzubringen.« Was Jim so aufbrachte, war die Tatsache, dass der CEO in der Öffentlichkeit negativ reagierte, während er bei ihrem Gespräch unter vier Augen geschwiegen hatte.

Zu diesem Zeitpunkt wurde mir klar, dass meine Frage rhetorisch gewesen war. Eigentlich hatte ich zum Ausdruck gebracht, dass er zu dem CEO hätte gehen sollen, und war dabei davon ausgegangen, dass er dies nicht getan hatte. Der Fehler lag auf meiner Seite, da ich angenommen hatte, er habe nichts unternommen, statt ihn einfach danach zu fragen. Jims Antwort zeigte, dass ich einen Fehler gemacht hatte, er geriet sofort in eine Abwehrhaltung und begab sich in die Rolle des Schuldigen. Aber wichtige Information waren zum Vorschein gekommen, wodurch sich für mich die Frage stellte, wie ich weiter vorgehen sollte. Ich beschloss, meine Fragen in Zukunft vorsichtiger zu stellen, und dachte über mögliche Ursachen für meinen Fehler nach, z.B. Zeitdruck, Ungeduld oder Arroganz. Gleichzeitig hatte ich sehr viel Neues über den Fall erfahren und die Tendenz Jims, sich selbst die Schuld dafür zu geben, keine perfekte Leistung erbracht zu haben. Des Weiteren fragte ich mich, warum er dieses entscheidende Treffen in seiner Geschichte nicht erwähnt hatte, und was das wohl über seine Einstellung darüber, was wichtig oder unwichtig war, aussagte. Das Muster, sich selbst die Schuld aufzuladen, führte zu einer Situation, in der sich eine konfrontativere Intervention als ausgesprochen hilfreich erwiesen hatte.

Nachdem Jim erzählt hatte, dass er sich mit dem CEO unter vier Augen getroffen hatte, der Ausbruch in der Öffentlichkeit aber trotzdem stattfand, formulierte ich eine neue Hypothese, nach der das Problem möglicherweise war, dass der CEO keine Kritik an der Kultur seines Unternehmens vor seinem Team ertrug. Jim antwortete, das könne schon sein, aber er sei davon ausgegangen, das Team zöge bei diesem Projekt »an einem Strick«. Jim schien kein Gespür zu haben für das Status- und Machtgefälle zwischen dem CEO und dem restlichen Team. Er betonte auch nachdrücklich, er sehe sich als Berater verpflichtet, die Ergebnisse seiner Interviews so klar und getreu ohne Rücksicht auf die Zusammensetzung seines Publikums wiederzugeben. Sein Verständnis seiner Rolle als Experte war offensichtlich stärker als sein Gespür für die Vorgänge im Klientensystem.

Merke: Fehler passieren, aus Fehlern muss man lernen, und es gilt, einen klaren Unterschied zu machen zwischen inhaltlichen Fehlern und Timing- und Präsentationsfehlern. Ich hatte vielleicht Recht mit meiner Vermutung, da sei etwas mit dem CEO, aber der Zeitpunkt und die Art und Weise, wie ich diese Vermutung zum Ausdruck brachte, waren nicht richtig. Ich ging konfrontativer vor, als notwendig gewesen wäre, indem ich nur eine Hypothese in den Raum stellte, statt mehrere Optionen dazu zu bieten, was sich zwischen Jim und dem CEO abspielte. Ich hatte auch den Eindruck, mit meiner Hypothese nicht ganz falsch zu liegen, dass das Problem sehr viel mit der öffentlichen Kritik vor den Untergebenen zu tun hatte.

Hinweise auf Statusgleichgewicht

Im weiteren Verlauf des Gespräches bemerkte ich, dass Jim sich zunehmend wohler zu fühlen begann, als er mit mir über die möglichen Hintergründe spekulierte. Er fing an, offener über diese Ereignisse zu denken, auch wenn er bei der Sache mit dem CEO weiter in einer Abwehrhaltung verharrte. Ich spürte, dass unsere Beziehung ausgeglichen zu werden begann und Jim sich weniger abhängig und verletzlich fühlte, was es mir wiederum ermöglichte, ihn verstärkt zu konfrontieren. Sobald der Berater das Gefühl hat, die Beziehung habe ein gewisses Maß an Ausgeglichenheit erreicht, kann er das Gespräch in weitaus tiefere Gewässer lenken, ohne Gefahr zu laufen, eine Abwehrhaltung auszulösen, da der Klient nun daran interessiert ist, aktiv zu lernen und Neues zu erfahren. Ein »gewisses Maß an Ausgeglichenheit« ist nicht insofern wortwörtlich zu verstehen, als dass die beiden Parteien nun den gleichen Status hätten. Es bedeutet vielmehr, dass der implizite Vertrag zwischen ihnen, das Maß ihrer Abhängigkeit, die Rolle des Beraters und das Maß, in dem sich der Klient angenommen fühlt, die Erwartung beider erfüllen. Beide sind einverstanden mit dem, was sie geben und erhalten.

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