Kitabı oku: «Tarzan – Band 4 – Tarzans Sohn», sayfa 2
Ajax, der dressierte Affe
Mister Harold Moore war ein gebildeter junger Herr, sehr fleißig, aber auch schon ein wenig griesgrämig, er nahm sich selbst sehr ernst, nicht minder sein ganzes Leben und seinen Beruf. Er war als Hauslehrer zur Erziehung des jungen Sohnes eines britischen Lords engagiert worden, und da er bald zu der Überzeugung gekommen war, dass sein Zögling nicht die Fortschritte machte, die dessen Eltern mit Recht erwarten mussten, trug er eines Tages der Mutter des Jungen gewissenhaft seine Bedenken vor.
Ich kann nicht behaupten, dass der Junge nicht geweckt und klug ist, meinte Mr. Moore. Wäre dies der Fall, könnte ich bestimmt auf Erfolge hoffen, denn ich würde alle meine Kräfte dafür einsetzen, um diese Schwächen auszugleichen oder ganz zu beheben. Die Hauptschwierigkeit liegt vielmehr darin, dass der Junge übermäßig geweckt und begabt ist. Er lernt so rasch, dass ich nicht das geringste an dem auszusetzen habe, was er für die Stunden vorbereitet. Es bekümmert mich jedoch, dass er offenbar nicht ein Fünkchen innerer Anteilnahme für das aufbringt, was wir jeweils zusammen durcharbeiten. Er sitzt gewissermaßen nur jede Stunde ab wie etwas, was man sich möglichst schnell vom Halse schaffen will, und ich bin sicher, dass kein Unterrichtsthema ihm eine Minute eher wieder durch den Kopf geht, als bis die Stunden unseres gemeinsamen Studiums und Vortrags wieder herangekommen sind. Das einzige, was ihn wirklich interessiert, scheinen Stoffe zu sein, die von Heldentaten und Beweisen körperlicher Tüchtigkeit berichten. Er liest alles, was er an Büchern über wilde Tiere sowie über Leben und Gebräuche unzivilisierter Völker in die Hände bekommen kann. Den Tiergeschichten gibt er dabei den Vorrang. Er will, dass wir stundenlang zusammen in den Werken einiger Afrikaforscher herumstöbern, und überdies habe ich ihn zweimal dabei ertappt, wie er nachts im Bette sitzend Carl Hagenbecks Buch »Von Tieren und Menschen« las. Die Mutter setzte ihren Fuß nervös auf den Kaminteppich.
Sie haben ihm das natürlich verboten? unterbrach sie ihn.
Mr. Moore wurde etwas verlegen.
Ich – – ja – – ich versuchte ihm das Buch wegzunehmen, erwiderte er – und eine leichte Röte verfärbte sein sonst bleiches Gesicht. Aber … nun … Ihr Sohn ist doch schon recht kräftig für sein Alter …
Er wollte sich das Buch nicht wegnehmen lassen? forschte die Mutter weiter.
Ja, er wollte es nicht, gestand der Hauslehrer. Er war erst im Grunde durchaus gutmütig, erklärte jedoch hartnäckig, dass er ein Gorilla sei und ich ein Schimpanse, der ihm seine Nahrung rauben wolle. Dann sprang er mit wildem Knurren, wie ich es noch nie gehört, auf mich zu, hob mich bis über seinen Kopf hoch und schleuderte mich auf sein Bett. Mit allerhand Grimassen und Bewegungen wollte er dann wohl ausdrücken, dass er mich eigentlich zu Tode würgen müsste. Schließlich stellte er sich auf meinen ausgestreckt daliegenden Körper und stieß einen furchtbaren Schrei aus. Das sollte, wie er erklärte, der Siegesruf der Menschenaffen sein. Darauf trug er mich an die Tür, schob mich hinaus in den Vorraum und sperrte sein Zimmer von innen zu …
Einige Minuten waren beide sprachlos. Die Mutter des Jungen brach schließlich das Schweigen.
Es ist hochnötig, Mr. Moore, sagte sie, dass Sie alles, was in Ihrer Macht steht, daransetzen, Jack aus dieser Bahn herauszubringen; er …
Sie kam nicht weiter. Lautes Geschrei drang zum Fenster herein. Sie sprangen beide auf. Das Zimmer lag im zweiten Stock des Hauses, und dem Fenster gegenüber stand ein großer Baum, der einen Ast bis auf etwa einen Meter an den Fenstersims heranstreckte. Eben auf diesem Ast entdeckten beide jetzt den Gegenstand ihrer ernsten Unterhaltung. Der große, kräftig gebaute Junge hielt sich auf dem schwankenden, gekrümmten Ast mit Leichtigkeit im Gleichgewicht und brach, als er die entsetzten Gesichter der beiden gewahrte, in laute Freudenrufe aus.
Die Mutter und der Hauslehrer stürzten beide nach dem Fenster zu, doch noch ehe sie halb dort waren, war der Junge behänd auf den Sims herübergesprungen und im Zimmer.
Der wilde Mann aus Borneo, trällerte er vor sich hin und führte dabei eine Art Kriegstanz um seine entsetzte Mutter und den sichtlich verstimmten Hauslehrer auf. Dann schlang er seine Arme um den Hals seiner Mutter und küsste sie auf die Wangen.
O Mutter, rief er, in einer Musikhalle wird ein wundervoller dressierter Affe vorgeführt. Willy Grimsbay sah ihn gestern Abend. Er sagte, das Tier könne einfach alles, nur nicht richtig sprechen. Der Affe fährt Rad, isst mit Messer und Gabel, zählt bis zehn und kann noch viele andere schöne Kunststückchen. Darf ich auch hin und ihn ansehen? O bitte, Mutter – lass mich hin! Die Mutter strich ihrem Jungen freundlich über die Wangen, schüttelte jedoch ablehnend den Kopf. Nein, Jack, entgegnete sie bestimmt. Du weißt, ich bin nicht für solche Sachen.
Mutter, ich sehe aber nicht ein, warum, unterbrach sie der Junge. Alle meine Altersgenossen gehen hin, sie gehen auch nach dem Zoo …, und du lässt mich nie mit. Jeder meint, ich bin ein Mädel oder … oder … ein Muttersöhnchen. Vater, du …, rief er dem stattlichen Herrn mit den grauen Augen entgegen, der eben zur Tür hereintrat. Vater, darf ich hingehen?
Wohin denn, mein Junge? fragte dieser.
Er will durchaus in eine Musikhalle und sich dort einen dressierten Affen ansehen, warf die Mutter des Jungen ein und gab dabei ihrem Gatten mit einem Blick zu verstehen, dass die Erlaubnis versagt werden sollte.
Was für ein Affe? Ajax etwa? forschte der Herr weiter. Jack nickte.
Gut, ich habe nichts daran auszusetzen, mein Sohn; habe nicht übel Lust, mir die Sache selbst anzusehen. Man sagt allgemein, der Affe sei ein Prachtexemplar und für einen Menschenaffen außergewöhnlich groß. Wir wollen alle zusammen gehen. Meinst du nicht auch, Jane?
Er richtete diese Frage an seine Frau, die aber den Kopf schüttelte. Sie lehnte also glatt ab. Darauf fragte er Mr. Moore, ob er und Jack jetzt nicht bei den Vormittagsstudien zu sein hätten. Die beiden gingen. Die Lady wandte sich sofort an ihren Gatten.
John, begann sie, es muss etwas getan werden, um Jacks Neigung für alles, was mit der Wildnis zusammenhängt, einzudämmen. Ich fürchte übrigens, er hat das von dir geerbt. Du weißt ja aus eigener Erfahrung, wie stark sich bisweilen die Sehnsucht nach der Urgewalt des Dschungellebens bei dir geltend macht. Du weißt, wie es dich oft einen harten Kampf kostet, dem fast wahnsinnig heftigen Verlangen zu widerstehen, wenn es dich peinigt, und du dich wieder in das Land der Gefahren stürzen möchtest, das dich so viele, viele Jahre an sich kettete. Und du weißt auch – besser als irgendjemand anderes – wie furchtbar es für Jack wäre, sollte ihn eines Tages der Dschungel ernstlich locken, oder ihm der Weg dahin gar irgendwie geebnet werden.
Ich bezweifle, ob überhaupt zu befürchten ist, dass der Junge eine besondere Sehnsucht nach dem Dschungelleben von mir geerbt haben könnte, erwiderte Lord Greystoke. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass derlei Besonderheiten vom Vater auf den Sohn übergehen. Bisweilen will es mir aber scheinen, liebe Jane, dass du in deiner Sorge um Jacks Zukunft etwas zu weit gehst, wenn du ihn von dem und jenem fern hältst. Seine Liebe zu Tieren – zum Beispiel der jetzige Wunsch, diesen dressierten Affen zu sehen – ist bei einem gesunden, normalen Jungen seines Alters etwas ganz Natürliches. Wenn er Ajax sehen will, so sagt das doch noch lange nicht, dass er einen Affen heiraten will, und, selbst wenn er das wollte, liebe Jane, würdest du nicht das recht haben, ihm zu sagen: Schäme dich doch!
John Clayton, der Lord Greystoke, schlang einen Arm um seine Gattin. Sie blickte zu ihm auf; ein gütiges Lächeln breitete sich über sein Gesicht, er neigte sein Haupt zu ihr nieder und küsste sie.
Dann fuhr er mit ernsterer Betonung fort: Du hast Jack nie etwas von meinem früheren Leben erzählt und hast es auch mir nicht gestattet. Ich glaube, du hast damit einen Fehler gemacht. Hätte ich ihm von den Erfahrungen des Affen-Tarzan berichten können, ich würde ihm zweifellos viel von der zauberhaften Romantik genommen haben, in der das Dschungelleben sich in den Köpfen derer malt, die nicht selber alles durchgemacht haben. Meine Erfahrung würde ihm zugute gekommen sein, aber so? Wenn ihn jetzt eines schönen Tages der Dschungel geradezu unwiderstehlich locken sollte, wird er sich nur von seinen Impulsen leiten lassen, und ich weiß, wie mächtig die uns zuzeiten gerade in die falsche Bahn abdrängen können. Allein Lady Greystoke schüttelte nur wieder den Kopf, wie sie es hundert und mehr Male getan, so oft man auf die Vergangenheit zu sprechen gekommen war.
Nein, John! Sie blieb bei ihrer Ansicht. Ich werde niemals meine Zustimmung dazu geben, dass Jack genaueren Einblick in das Leben der Wildnis erhält, vor dem wir ihn beide bewahren wollen. Ich möchte nicht, dass ihm dies gewissermaßen eingeimpft wird. –
Am Abend tauchte das Thema von Neuem auf, und zwar wurde es von Jack selbst angeschnitten. Er hatte sich bequem in einem großen Lehnstuhl eingehuschelt und las. Plötzlich blickte er auf und wandte sich an seinen Vater.
Weshalb, fragte er und ging damit gerade auf das Ziel los, darf ich mir Ajax nicht ansehen?
Deine Mutter billigt das nicht, erwiderte der Vater. Und du?
Darum handelt es sich jetzt nicht, wich Lord Greystoke geschickt aus. Es genügt, dass deine Mutter dagegen ist. Ich werde doch hingehen, kündigte Jack an, nachdem er ein paar Sekunden schweigend und in Gedanken versunken gewartet hatte. Ich bin nichts anderes als Willy Grimsby oder irgendeiner meiner Kameraden, die Ajax gesehen haben. Das hat ihnen nichts geschadet – und mir wird es auch nichts schaden. Ich hätte ja auch gehen können, ohne dir etwas davon zu sagen, doch das wollte ich nicht. Ich sage es dir also jetzt vorher, dass ich mir den Ajax ansehen werde.
Im Ton und in der ganzen Art, wie Jack seinen Entschluss vorbrachte, lag nichts Unehrerbietiges oder Herausforderndes. Leidenschaftslos klang alles, wie eine rein sachliche Feststellung. Sein Vater vermochte kaum ein leichtes Lächeln und eine gewisse Hochachtung vor der mannhaften Art seines Sohnes zu unterdrücken.
Ich freue mich über deine Aufrichtigkeit, sagte er. Ich werde nun ebenso offen sein. Wenn du ohne unsere Zustimmung fortgehst und dir den Ajax ansiehst, werde ich dich bestrafen. Ich habe dich nie schlagen müssen, aber ich warne dich. Wenn du dich den Wünschen deiner Mutter nicht fügst, werde ich es tun.
Gut, Vater! Ich werde es dir sagen, wenn ich Ajax gesehen habe. –
Mr. Moores Zimmer lag neben dem seines jungen Zöglings, und der Lehrer war gewöhnt, allabendlich noch einmal einen Blick in das Zimmer des Jungen zu werfen, ehe er sich zurückzog. Heute Abend nahm er es mit dieser seiner Aufgabe besonders genau. Er war gerade von einer Besprechung mit den Eltern Jacks zurück, in der man ihm die größte Achtsamkeit dringend ans Herz gelegt hatte; er sollte auf alle Fälle verhindern, dass Jack die Musikhalle besuchte, in der man Ajax vorführte. Als er so gegen halb neun Uhr abends die Tür zu Jacks Zimmer öffnete, war er zwar nicht gerade völlig überrascht, aber doch sofort aufs höchste aufgebracht. Er fand den künftigen Lord Greystoke fix und fertig zum Ausgehen angekleidet und musste sehen, wie er gerade dabei war, zum offenen Schlafzimmerfenster hinauszuklettern.
Mr. Moore sprang rasch hinzu, doch hätte er sich diese unnütze Kraftvergeudung schenken können. Als Jack hörte, dass der Lehrer ins Zimmer trat und ihn ertappt hatte, kehrte er um. Es schien, als ob er das geplante Abenteuer aufgeben wollte. Wohin wolltest du eben? forschte Mr. Moore, außer sich vor Aufregung.
Ich will mir den Ajax ansehen, erwiderte der Knabe ruhig, als ob nichts vorgefallen wäre.
Ich finde keine Worte, schrie Mr. Moore. Doch im nächsten Augenblick sollte er sich noch ganz anders wundern: Der Junge trat dicht an ihn heran, packte ihn an den Hüften, hob ihn hoch und schleuderte ihn mit dem Gesicht nach unten auf das Bett nieder. Dann presste er das Gesicht seines Opfers tief in das weiche Kissen.
Ruhig! gebot der Sieger mit warnender Stimme. Oder ich werde Sie einfach erwürgen.
Mr. Moore wehrte sich mit Händen und Füßen, doch vergeblich. Mochte der Sohn des Affen-Tarzan nun nach seinem Vater geraten sein oder nicht, auf jeden Fall hatte er aber von ihm eine geradezu unglaubliche Körperkraft ererbt. Der Lehrer war in der Hand des Jungen gleichsam Teig, den er kneten konnte, wie er wollte. Jack kniete jetzt auf ihm, riss schmale Streifen aus dem Leinentuch des Bettes und band damit seinem Opfer die Hände auf dem Rücken zusammen. Dann wälzte er ihn herum und stopfte ihm einen Leinenknebel zwischen die Zähne, den er auch noch durch einen Streifen um den Mund und Hinterkopf sicherte. Dabei sprach er mit leiser Stimme, wie wenn er eine harmlose Geschichte zu erzählen hätte, vor sich hin.
Ich bin Waja, der Häuptling der Waji, erklärte er, und du bist Mohammed Dubn, der Araberscheich, der meine Leute morden und mein Elfenbein rauben wollte.
Er hob behände Mr. Moores gefesselte Füße hoch zurück, um sie mit den gefesselten Handgelenken zu verbinden.
So Schurke! Jetzt habe ich dich endlich doch in meiner Gewalt. Ich gehe; aber ich werde zurückkommen.
Und Tarzans Sohn sprang durch das Zimmer, schlüpfte zum Fenster hinaus und glitt an den Dachrinnen in die Freiheit hinab.
Mr. Moore bewegte sich unter großen Anstrengungen auf dem Bett hin und her, um seine Lage zu verbessern; denn er befürchtete, dass er ersticken müsste, wenn nicht rasche Hilfe käme. In seiner Verzweiflung wälzte er sich vom Bett herunter, und Erschütterung und Schmerzen dieses Sturzes brachten ihn wenigstens dahin, dass er seine Lage nüchterner betrachtete. War er vorher ganz im Banne einer geradezu wahnsinnigen Furcht und absolut unfähig, klar nachzudenken, so blieb er jetzt erst einmal ganz ruhig liegen und überlegte, wie er am leichtesten aus dieser Klemme herauskäme. Schließlich fiel ihm ein, dass sich das Zimmer, in dem er vorhin mit Lord und Lady Greystoke zusammengesessen hatte, gerade unter Jacks Schlafzimmer befand, auf dessen Diele er jetzt lag. Er wusste, dass immerhin einige Zeit verstrichen war, seit er sich nach oben zurückgezogen. Die beiden würden inzwischen auch gegangen sein; denn es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, seit er auf dem Bette gelegen und sich dort wie ein Verzweifelter zu befreien gesucht hatte. Das Allerbeste, was sich tun ließ, war, dass er zusah, ob er nicht irgendjemanden aus dem unteren Stock auf sich aufmerksam machen konnte. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen hatte er sich endlich soweit gebracht und gewendet, dass es ihm gelang, mit der Fußspitze auf die Diele zu pochen. Er wiederholte das Pochen in kurzen Abständen mit größter Ausdauer. Endlos lang kam ihm die Zeit vor, aber schließlich schien die Belohnung nahe. Tritte nahten von unten, es stieg jemand die Treppe nach oben und klopfte an die Türe. Mr. Moore pochte nur wieder kräftig mit dem Fuß auf den Boden, denn er konnte ja nicht anders antworten. Einen Augenblick war es draußen still, dann wurde wieder geklopft – und Mr. Moore stieß wieder mit dem Fuß auf den Boden. Warum man nur nicht einfach die Tür öffnete! Mühsam wälzte er sich in der Richtung weiter, aus der die Hilfe winkte. Wenn er sich jetzt mit dem Rücken gegen die Tür lehnte, würde er an die Türfläche pochen können und dann müsste er doch sicher gehört werden. Man klopfte draußen etwas stärker, und schließlich rief jemand: Mr. Jack! Es war einer der Hausangestellten. Mr. Moore erkannte ihn an der Stimme. Die Adern drohten dem Lehrer zu zerspringen, als er jetzt durch den fest in den Mund gepressten Knebel hindurch »Herein« zu schreien versuchte. Wieder vergingen ein paar Minuten, dann klopfte der Mann draußen ganz laut und rief den Jungen beim Namen. Als er erneut keine Antwort bekam, drückte er die Türklinke nieder …
Schlagartig durchschoss Mr. Moore der entsetzliche Gedanke, dass er ja selbst die Tür hinter sich verriegelt hatte, als er in Jacks Zimmer eingetreten war.
Er hörte noch, wie der Diener mehrmals klinkte und schließlich fortging, dann fiel Mr. Moore in tiefe Ohnmacht. –
Inzwischen genoss Jack in vollen Zügen das erschlichene Glück, nun doch in der Musikhalle sein zu können. Er war noch rechtzeitig in das Vergnügungslokal gekommen; die Vorführung mit Ajax begann erst.
Jack nahm einen Logenplatz und lehnte sich in atemloser Spannung über das Geländer. Seine Augen waren weit geöffnet und verfolgten staunend jede Bewegung des großen Affen. Der Dompteur bemerkte bald den Jungen mit dem hübschen Gesicht, der so ganz Feuer und Flamme für den Affen zu sein schien. Nun gehörte es zu den Glanzleistungen des Affen, dass er gewöhnlich während der Vorstellung eine oder mehrere Logen betrat und dort offenbar nach einem lange vermissten Bekannten suchte, wie der Dompteur jedes Mal erklärend vorausschickte. Der Mann nahm sich diesmal fest vor, den Affen in die Loge mit dem hübschen Jungen zu schicken, der zweifellos zu Tode erschrecken würde, wenn der zottige, wuchtige Affenkoloß so nahe an ihn heranrückte.
Als dann schließlich der Affe die Schwingschaukel verließ, und Beifallsstürme eine Wiederholung oder Zugabe heischten, lenkte der Dompteur die Aufmerksamkeit des Affen auf den Jungen, der zufällig als einziger in seiner Loge saß. Mit einem Satz sprang der große Menschenaffe von der Bühne zu dem Jungen. Doch wenn der Dompteur sich auf eine komische Szene gespitzt hatte, die durch die Todesangst des Knaben besonders gewürzt werden sollte, hatte er sich gewaltig geirrt. Ein Lächeln hellte die Züge des Jungen auf, als er seine Hand auf den zottigen Arm seines Besuchers legen konnte; der Affe fasste sein Gegenüber bei beiden Schultern und forschte mit ernsten, fast durchbohrendem Blick lange in dessen Gesicht, während der Junge den Kopf streichelte und mit leiser Stimme auf ihn einredete.
Niemals hatte Ajax jemanden so lange gemustert wie jetzt. Er schien zwar ein wenig unruhig, aber nicht im Geringsten gereizt, murmelte dem Jungen irgendetwas Unverständliches zu und liebkoste ihn dann, wie der Dompteur es nie bei Ajax mit einem anderen Wesen erlebt hatte. Schließlich kletterte der Affe in die Loge hinein und schmiegte sich dort dicht an den Jungen. Das Publikum war begeistert, und der Jubel wuchs erst recht, als der Dompteur, da die für die Vorführung des Ajax bestimmte Zeit verstrichen war, den Affen aus der Loge herauslocken wollte, und das Tier darauf einfach nicht reagierte.
Der Direktor, wütend ob dieser Störung seines Programms, ließ dem Dompteur sagen, er solle sich mehr beeilen. Doch als dieser nun die Loge betrat, um den widerspenstigen Ajax herauszuzerren, wurde er mit weitgeöffnetem Rachen und drohendem Geknurr empfangen.
Das Publikum raste vor Entzücken. Der Affe wurde mit Beifallsstürmen überschüttet, man jubelte dem Jungen zu und ließ Spott und Hohn auf den Dompteur und den Direktor niederprasseln, der unglücklicherweise auch noch vor das erregte Publikum getreten war, um dem Tierbändiger beizustehen.
Schließlich wusste der Dompteur vor Verzweiflung keinen anderen Ausweg, als sich die Peitsche aus seiner Garderobe zu holen; denn so viel war ihm klar, dass diese offensichtliche Widerspenstigkeit das wertvolle Tier für künftige Schaustellungen unmöglich machte, wenn er sich nicht auf der Stelle Gehorsam erzwang. Er kehrte also mit der Peitsche in die Loge zurück, doch, als er Ajax damit nur einmal drohte, musste er sich im selben Augenblick auch schon zwei wütenden Feinden gegenübersehen: Der Junge war aufgesprungen, hatte einen Stuhl gepackt und stand kampfeslustig neben dem Affen – bereit, seinen Freund zu verteidigen. Kein Lächeln spielte mehr auf seinem schönen Antlitz, in seinen grauen Augen flackerte ein unbestimmtes Etwas und machte den Dompteur unsicher. Neben ihm stand der riesige Menschenaffe, brummend und nicht minder kampfbereit. Was bei dem geringsten Anzeichen eines offensichtlichen Angriffs geschehen musste, mag sich jeder selbst ausmalen. Dass der Dompteur auf jeden Fall gehörig durchgebleut worden wäre, wenn es damit überhaupt abging, war bei der Haltung seiner beiden Gegner mehr als klar.
*
Der Diener war leichenblass, als er in das Greystoksche Bibliothekzimmer hineinstürzte und meldete, dass er die Tür zu Jacks Zimmer verschlossen gefunden habe. Mit zitternder Stimme berichtete er weiter, er habe auf sein wiederholtes Anklopfen und Rufen keine Antwort bekommen. Es sei nur ein ganz eigenartiges Pochen vom Zimmer her zu vernehmen gewesen, und dann habe es so geklungen, als bewege sich ein Körper unten auf dem Fußboden.
Lord Greystoke nahm vier Stufen auf einmal, als er die Treppe zum oberen Korridor hinaufstürmte. Die Lady und der Diener folgten in größter Eile. Der Lord rief seinen Sohn einmal laut bei seinem Namen, und, als keine Antwort kam, warf er sich mit der ganzen Wucht seines Körpers und unter Einsatz aller seiner Muskeln, die nicht das geringste von ihrer alten Kraft eingebüßt hatten, gegen die schwere Tür. Krachend barsten die Eisenteile, das Holz splitterte in großen Fetzen auseinander, und das »Hindernis« flog nach innen und deckte dumpf dröhnend Mr. Moore, der noch immer bewusstlos dicht hinter der Tür lag.
Tarzan sprang hinein, und im nächsten Augenblick flutete das grelle Licht von einem halben Dutzend elektrischer Lampen durch das Zimmer.
Es dauerte immerhin einige Minuten, bis man den Lehrer entdeckt hatte, da er unter den Trümmern der Tür nahezu völlig verschüttet lag. Man zog ihn hervor, befreite ihn aus seinen Leinenfesseln und entfernte den Knebel aus dem Munde. Durch reichliche Kaltwasserumschläge wurde er auch bald zum Bewusstsein zurückgebracht.
Wo ist Jack? war Tarzans erste Frage. Wer hat das getan? fuhr er sogleich fort; er dachte an Rokoff, und blitzartig war die Befürchtung in ihm aufgetaucht, es könne sich hier um eine zweite Entführung seines Sohnes handeln.
Langsam und zitternd stand Mr. Moore auf. Seine Blicke wanderten wie irr durch das Zimmer, und erst nach und nach schienen Gedanken und Begriffe wieder wach zu werden. Die Einzelheiten seines jüngsten qualvollen Erlebens mochten ihm wieder vor Augen stehen. Ich vermelde Ihnen meinen Verzicht, einmal etwas mit dem Jungen zu erreichen, mein Herr! waren seine ersten Worte. Sie brauchen keinen Hauslehrer und Erzieher für Ihren Sohn … er braucht einzig und allein einen … Dompteur.
Aber wo steckt der Junge denn? warf Lady Greystoke mit lauter, erregter Stimme ein.
Er ist fortgegangen; er sieht sich den Ajax an.
Tarzan wurde es nicht leicht, ein Lächeln zu verbergen. Er stellte noch zu seiner Genugtuung fest, dass der Hauslehrer in der Hauptsache nur unter dem großen Schrecken gelitten hatte, sonst aber nicht irgendwie verletzt war, und fuhr dann sofort in seinem geschlossenen Auto nach der bekannten Musikhalle.