Kitabı oku: «Tarzan – Band 5 – Der Schatz von Opar», sayfa 2
Der Ruf des Dschungels
An der kleinen Boma aus Dorngestrüpp, das seine Leute einigermaßen vor den Angriffen der großen Fleischfresser schützte, lag der Affenmensch während einer der nächsten Nächte unter dem Eindruck dieser unklaren aber allgewaltigen Triebe wach. Neben dem Feuer, welches gelbe Augen draußen in der Dunkelheit vor dem Lager nötig machten, hielt schläfrig ein einzelner Krieger Wache. Das Heulen und Fauchen der großen Katzen vermengte sich mit den Myriaden anderer Geräusche von den kleineren Bewohnern des Dschungels, um die wilde Flamme in der Brust dieses grimmen englischen Lords noch zu entfachen. Eine Stunde lang wälzte er sich ruhelos auf seinem Graslager umher, dann erhob er sich geräuschlos wie ein Gespenst und, als der Waziri den Rücken drehte, sprang er vor den glitzernden Augen über die Hecke der Boma, schwang sich in einen großen Baum und war verschwunden.
Eine Zeit lang jagte er nur so durch die mittlere Terrasse der Zweige dahin, um seine animalische Stimmung auszutoben, wobei er sich über gefahrvoll weite Lücken zwischen den Dschungelriesen hinüberschwang; dann kletterte er höher in die federnden schwächeren Zweige der oberen Terrasse, wo der Mond voll auf ihn schien, wo ein leichter Windhauch wehte und griffbereiter Tod in jedem gebrechlichen Zweige lauerte. Hier machte er halt und erhob sein Antlitz zu Goro, dem Mond. Mit erhobenem Arm stand er, der Schrei des Affenbullen zitterte schon auf seinen Lippen, aber er blieb ruhig, um seine treuen Waziri nicht zu wecken, welchen der grauenvolle Kampfruf ihres Gebieters nur zu bekannt war.
Von hier ab ging er langsamer und mit größerer Vorsicht und Verstohlenheit weiter, denn jetzt suchte der Affentarzan Beute. Herunter auf den Boden in den rabenschwarzen Schatten der engstehenden Baumstämme und des überhängenden Grüns des Dschungels stieg er. Von Zeit zu Zeit bückte er sich und näherte seine Nase dem Boden. Er suchte und fand eine breite Wildspur und endlich belohnte die Witterung einer frischen Spur von Bara, dem Hirsch, seine Nüstern. Tarzan lief das Wasser im Munde zusammen und ein leises Knurren entwich seinen Lippen. Die letzte Spur von erkünsteltem Standesbewusstsein war abgestreift – er war wieder ganz der Urwaldjäger – der Urmensch – der reinste Vertreter der menschlichen Rasse. Sein Wahrnehmungsvermögen, mit dem er der trügerischen Spur unter Wind folgte, übertraf das eines gewöhnlichen Menschen in einem uns unbegreiflichen Maße. Durch alle Gegenströmungen des schweren Geruchs der Fleischfresser hindurch verfolgte er die Spur von Bara; der süßliche, ekle Geruch von Horta, dem Eber, konnte die Witterung seiner Beute nicht übertäuben – den durchdringenden, weichen Bisamduft vom Huf des Hirsches.
Da! jetzt zeigte schon der körperliche Geruch des Hirsches Tarzan die Nähe seiner Beute an. Also wieder hinauf in die Bäume – auf die untere Terrasse, von wo er den Boden übersah und mit Ohr und Nase die ersten Anzeichen der greifbaren Nähe seiner Beute wahrnehmen konnte. Der Affenmensch brauchte nicht mehr weit zu streifen; da stand Bara wachsam an der Ecke der in Mondschein gebadeten Lichtung. Geräuschlos kroch Tarzan durch die Zweige, bis er gerade über dem Hirsch war. In der Rechten hielt er das lange Jagdmesser seines Vaters, im Herzen kochte die Blutlust des Raubtiers. Nur einen Augenblick schwebte er über dem ahnungslosen Tier, dann stürzte er sich auf den schlanken Rücken. Die Wucht seines Körpers brachte den Hirsch auf seine Knie, und ehe er sich wieder erheben konnte, fand das Messer den Weg zum Herzen. Als sich Tarzan auf dem Rücken seines Opfers aufrichtete, um dem Mond seinen schauerlichen Siegesruf entgegenzusenden, trug der Wind seinen Nüstern etwas zu, das ihn stumm und starr wie eine Bildsäule machte. Seine wilden Augen funkelten nach der Richtung, aus welcher ihm der Wind die Warnung zugetragen hatte, und eben jetzt teilten sich die Gräser am Rande der Lichtung: Numa, der Löwe, schritt majestätisch heraus in das Gesichtsfeld. Mitten auf der Lichtung hielt er, heftete seine gelbgrünen Augen auf Tarzan und blickte neidisch auf seinen Jagderfolg, denn Numa hatte diese Nacht nur Misserfolge gehabt.
Von den Lippen des Affenmenschen kam ein rollendes Warnungsknurren. Numa antwortete ohne vorzurücken; langsam mit seinem Schweif hin und her peitschend blieb er stehen. Tarzan hockte sich auf seine Beute nieder und schnitt ein ordentliches Stück aus der Keule. Während der Affenmensch zwischen einzelnen Bissen sein warnendes Knurren ausstieß, beäugte ihn Numa mit zunehmender Verachtung und Wut. Da gerade dieser Löwe noch nie bisher mit dem Affentarzan in Berührung gekommen war, kam er sich gänzlich angeführt vor. Dies Ding da war doch nach Aussehen und Witterung ein Menschlein, und Numa hatte Menschenfleisch gekostet und festgestellt, dass es zwar nicht am besten schmeckte, aber dafür sicher am leichtesten zu haben war. Allerdings lag in dem tierischen Knurren des merkwürdigen Geschöpfes etwas, das ihn an irgendwelchen gefährlichen Gegner erinnerte. Er wartete daher noch ab, während ihn der Hunger und der Duft von Baras warmem Fleisch fast toll machten. Tarzan erriet, was in dem kleinen Gehirn des Raubtieres vor sich ging und war ständig auf der Hut. Es war sein Glück, dass er das tat, denn Numa konnte es endlich nicht mehr aushalten. Als der Schweif senkrecht in die Höhe schoss, wusste der vorsichtige Affenmensch nur zu gut, was das Zeichen bedeutete. Er packte den Rest der Hirschkeule mit den Zähnen und sprang gerade auf den nächsten Baum, als sich Numa mit schnellzugsähnlicher Gewalt und sausendem Schwung auf ihn stürzte.
Tarzans Rückzug war kein Zeichen von Furcht. Das Leben im Dschungel hat andere Gesichtspunkte wie wir, und andere Regeln gelten dort. Hätte Tarzan Hunger gehabt, er hätte zweifellos seine Stellung behauptet und wäre Numas Angriff begegnet. Er hatte das schon bei mehr als einer Gelegenheit getan, genau so wie er früher selbst auf Löwen losgegangen war. Aber heute Nacht war er keineswegs sehr hungrig und die mitgenommene Keule hatte mehr Fleisch, als er essen konnte. Aber er sah doch nicht gleichgültig von oben zu, wie Numa sich das Fleisch von Tarzans Beute riss. Die Anmaßung dieses fremden Numa verlangte Strafe. Und Tarzan ging denn auch gleich daran, der großen Katze das Dasein zu verleiden.
Zahlreiche Bäume in der Nähe trugen große, harte Früchte und auf einen solchen schwang sich der Affenmensch mit der Gewandtheit eines Eichhörnchens. Und nun begann eine Beschießung, auf welche Numa mit markerschütterndem Gebrüll antwortete. Eine nach der anderen, so schnell er sie pflücken und schleudern konnte, sausten die harten Früchte hinab auf den Löwen. Unter diesem Hagel von Wurfgeschossen war es der gelben Katze unmöglich, zu fressen – sie konnte nur immer brüllen, knurren und beiseitespringen, und manchmal wurde sie gänzlich von Baras, des Hirsches, Körper weggetrieben. Brüllend und wutschnaubend wich der Löwe. Aber plötzlich erstarb seine Stimme mitten auf der Lichtung. Tarzan sah, wie sich der Kopf senkte und die Ohren sich breit stellten, wie der Körper sich duckte und der lange Schweif zitterte, als das Tier vorsichtig auf der anderen Seite drüben durch die Bäume schlich.
Sofort war Tarzans Aufmerksamkeit geweckt. Er hob den Kopf und zog das leichte Dschungellüftchen ein. Was hatte wohl Numas Spannung erregt und ihn auf so sanften Pfoten vom Schauplatz seiner Empörung weggebracht? Gerade als der Löwe jenseits der Lichtung unter den Bäumen verschwand, bekam Tarzan durch den Wind die Erklärung seiner neuen Absichten. Die Witterung eines Menschen wehte deutlich in seine empfindlichen Nasenflügel.
Der Affenmensch packte den Rest seiner Hirschkeule in eine Baumgabel, wischte die fettigen Handflächen an den nackten Schenkeln ab und schwang sich zur Verfolgung Numas davon. Von der Lichtung aus führte eine breite, stark ausgetretene Elefantenfährte in den Wald. Parallel zu ihr schlich Numa und über ihm zog Tarzan wie ein Schattengespenst durch die Bäume. Die wilde Katze und der wilde Mann sahen fast gleichzeitig Numas Beute, obgleich beide, schon ehe sie ihnen zu Gesicht kam, wussten, dass es ein Neger war. Ihr empfindlicher Geruch hatte ihnen so viel gesagt, aber Tarzan wusste außerdem, dass es die Witterung eines Fremden war und zwar eines alten Mannes, denn sowohl Rasse wie Geschlecht und Alter haben ihre unterschiedliche Witterung.
Es war ein alter Mann, der sich allein seinen Weg durch den düsteren Dschungel brach, ein verschrumpeltes, ausgetrocknetes, altes Männchen mit hässlichen Schmarren und Tätowierungen. Dazu trug er einen merkwürdigen Aufputz, ein Hyänenfell hing ihm um die Schultern und der getrocknete Kopf davon war über seinen grauen Schädel gestülpt. Tarzan erkannte ihn an seinen Abzeichen als Zauberer und wartete mit befriedigtem Vorgefühl auf Numas Angriff, denn der Affenmensch hatte für die Zauberer nicht viel übrig. Aber eben als Numa vorsprang, fiel dem Weißen plötzlich ein, dass der Löwe ihm vor einigen Minuten seine Beute gestohlen hatte und Rache ist süß. Erst als Numa kaum zwanzig Schritte hinter ihm krachend durch die Büsche auf den Wildpfad herausbrach, merkte der Neger, dass er in Gefahr war. Als er sich herumdrehte, konnte er gerade noch bemerken, dass ein mächtiger, schwarzmähniger Löwe auf ihn losschnellte, aber noch im Herumdrehen packte ihn Numa auch schon. Gleichzeitig fiel der Affenmensch von einem überhängenden Zweig genau auf des Löwen Rücken. Als sich der Löwe aufrichtete, stieß er ihm sein Messer hinter dem linken Schulterblatt in das braune Fell, wühlte die Finger der rechten Hand in die lange Mähne, grub die Zähne in Numas Nacken und schlang seine kräftigen Beine um des Tieres Rumpf. Unter Schmerz- und Wutgebrüll stieg Numa hoch und fiel nach hinten über auf den Affenmenschen. Aber das mächtige menschliche Wesen hielt fest und tauchte wiederholt blitzschnell das lange Messer in seine Flanke. Numa, der Löwe, überkollerte sich, kratzte, biss in die Luft und versuchte unter schrecklichem Geheul das Ding auf seinem Rücken zu fassen. Tarzan fühlte sich mehr als einmal beinahe von seinem Griff losgerissen. Aber so zerbeult und gequetscht er war, mit Numas Blut und dem Schmutz der Wildfährte beschmiert, nicht für einen Augenblick ließ die Wildheit seines tollkühnen Angriffs oder das grimme Haften am Rücken seines Gegners nach. Wenn er auch nur einen Augenblick den Griff gelockert hätte, wäre er in den Bereich jener reißenden, schlagenden Fänge gekommen und die wilde Laufbahn des im Dschungel aufgewachsenen englischen Lords hätte für immer ihr Ende gefunden.
Der Zauberer lag noch an derselben Stelle, wo er unter dem Löwen niedergestürzt war. Zerfleischt und blutend, war er nicht mehr imstande, sich wegzuschleppen und musste bei dem schrecklichen Kampfe der zwei Dschungelbeherrscher Augenzeuge sein. Mit glänzenden Augen starrend murmelte er wirre Anrufungen der Teufel seiner religiösen Bräuche zwischen runzeligen Lippen und zahnlosen Kiefern.
Eine Zeit lang war er nicht im Zweifel über den Ausgang – der fremde weiße Mann musste sicher dem schrecklichen Simba erliegen – wer hörte je, dass ein einzelner Mann nur mit einem Messer ein so mächtiges Tier erlegt hätte! Aber bald riss der Schwarze die Augen auf und bekam Zweifel und Besorgnis. Was war das für ein wunderbares Geschöpf, das Simba bekämpfte und sich gegen die riesigen Muskeln des Tieres behauptete? Langsam dämmerte in den eingefallenen Augen, die so hell aus dem runzeligen, vernarbten Gesicht hervorleuchteten, die Erkenntnis. Die Hand der Erinnerung griff zurück in die Vergangenheit, bis sie ein mit den Jahren verblasstes und vergilbtes Bild fasste: Ein geschmeidiger, weißhäutiger Jüngling schwang sich in Gesellschaft einer Horde von Riesenaffen durch die Bäume. In die alten Augen trat große Angst, die abergläubische Angst des Menschen, welcher an Gespenster, an Geister und Dämonen glaubt. Und als dann der Zauberer über den Ausgang des Zweikampfes nicht mehr zweifelhaft war, denn entgegen seiner vorherigen Überzeugung wusste er nun, dass der Dschungelgott Simba töten würde, da hatte der alte Neger noch mehr Angst um sein bevorstehendes Geschick aus der Hand des Siegers als vorher vor dem sicheren und schnellen Tod, welchen ihm der Löwe bereitet hätte. Er sah, wie matt der Löwe vom Blutverlust wurde, wie die mächtigen Glieder zitterten und wankten und er sah zuletzt das Tier niedersinken, um sich nicht mehr zu erheben. Und dann sah er, wie der Waldgott oder Teufel sich Von dem besiegten Gegner erhob: er setzte einen Fuß auf den noch zuckenden Körper, hob das Antlitz zum Mond und stieß einen schauerlichen Schrei aus, dass dem Zauberer das klopfende Blut in den Pulsen gefror.
Prophezeiung und Erfüllung
Tarzans Aufmerksamkeit wendete sich nun dem Manne zu. Er hatte keineswegs Numa erschlagen, um den Neger zu retten – er wollte sich nur an dem Löwen rächen. Aber als er den alten Mann hilflos und sterbend vor sich liegen sah, rührte so etwas wie Mitleid sein raues Herz. In der Jugend hätte er den Zauberer ohne die geringsten Bedenken getötet. Aber die Zivilisation hatte ihre besänftigende Wirkung auf ihn so wenig wie auf von ihr berührte Rassen und Nationen verfehlt, obgleich sie noch nicht so weit gekommen war, ihn feige oder weichlich zu machen.
Er sah einen alten Mann unter Schmerzen sterben und er bückte sich, untersuchte dessen Wunden und hemmte das strömende Blut.
Wer bist du? fragte der Greis mit zitternder Stimme. Ich bin Tarzan, der Affentarzan! erwiderte der Affenmensch mit vielleicht größerem Stolz als er gesagt haben würde: Ich bin John Clayton, Lord Greystoke. Der Zauberer schüttelte sich krampfhaft und schloss die Augen. Als er sie wieder öffnete, zeigten sie Ergebung in das wenn auch noch so schreckliche Geschick, das ihn aus der Hand dieses gefürchteten Teufels der Wälder erwartete. Warum tötest du mich nicht? fragte er.
Weshalb sollte ich dich töten? forschte Tarzan. Du hast mir nichts getan und außerdem liegst du schon im Sterben. Numa, der Löwe, hat dich getötet.
Du würdest mich nicht töten?! Überraschung und Zweifel lagen im Tone der zittrigen, alten Stimme.
Wenn ich könnte, würde ich dich retten, erwiderte Tarzan. Aber das geht nicht mehr. Warum dachtest du, ich würde dich töten?
Der alte Mann schwieg einen Augenblick. Als er wieder sprach, hatte er anscheinend erst seinen Mut zusammengenommen: Ich kenne dich von früher, sagte er, von damals, als du in des Häuptlings Mbonga Gebiet im Dschungel haustest. Ich war schon Zauberer, als du Kulonga und die anderen erschlugst und unsere Hütten und unseren Gifttopf beraubtest. Ich erkannte dich erst nicht. Aber jetzt weiß ich es – du bist der weißhäutige Affe, der unter den haarigen Affen lebte und das Leben in Mbongas Dorf zur Hölle machte, der Herr – der Waldgott – der Munango-Kiwati, welchem wir immer Opfer an Nahrung vor das Tor setzten und der dann kam und es aß. Sage mir, ehe ich sterbe – bist du Mensch oder Teufel? Tarzan lachte: Ich bin ein Mensch!
Der Alte seufzte und schüttelte den Kopf. Du suchtest mich vor Simba zu retten. Ich will dich dafür belohnen. Ich bin ein großer Zauberer. Höre auf mich, weißer Mann! Ich sehe, dass dir böse Tage bevorstehen. In meinem eigenen Blut, das mir über die Hand läuft, steht es geschrieben. Ein Größerer als du selbst wird erstehen und dich niederschlagen. Kehre um, Munango-Kiwati! Kehre um, ehe es zu spät ist. Gefahr liegt vor dir, Gefahr lauert hinter dir; aber größer ist die Gefahr vor dir. Ich sehe … Er machte eine Pause, und atmete lang und röchelnd. Dann krümmte er sich zu einem kleinen, schrumpeligen Haufen zusammen und starb. Tarzan hätte gerne gewusst, was er noch weiter gesehen hatte.
Als der Affenmensch die Boma wieder betrat und sich zwischen seinen schwarzen Kriegern niederlegte, war es ziemlich spät geworden. Keiner hatte bemerkt, dass er gegangen war und keiner sah seine Rückkehr. Im Einschlafen dachte er noch an die Worte des Zauberers und beim Erwachen waren sie sein erster Gedanke. Aber er hatte deswegen keine Absicht, umzukehren, denn er kannte keine Furcht. Hätte er allerdings geahnt, was der Frau bevorstand, welche er über alles in der Welt liebte, er würde wie auf Flügeln durch die Bäume an ihre Seite geeilt sein und das Gold von Opar hätte für immer verborgen und vergessen in seinem Schatzhause liegenbleiben können.
Und in dem Lager hinter ihm sann an jenem Morgen ein anderer weißer Mann auch über etwas nach, das er nachts gehört hatte, und wenig fehlte, so hätte er seinen Plan aufgegeben und wäre umgekehrt. Werper hatte in der stillen Nacht aus weiter Entfernung auf der Fährte einen Laut gehört, der seine feige Seele mit Schrecken erfüllte. Er hatte noch nie in seinem bisherigen Leben eine solche Stimme gehört und hätte nicht im Traume gedacht, dass die Lungen eines Gottesgeschöpfes solch fürchterliche Töne hervorbringen könnten. Er hatte den Siegesschrei des männlichen Affen vernommen, welchen Tarzan ins Angesicht von Goro, dem Mond, geschleudert hatte und Werper hatte zitternd sein Gesicht verhüllt. Noch jetzt im hellen Tageslicht zitterte er, wenn er daran dachte. Angesichts der namenlosen Gefahr, welche das Echo jener fürchterlichen Laute zu künden schien, wäre er am liebsten umgekehrt, aber er hatte vor seinem Befehlshaber Achmed Zek noch mehr Angst.
Während also der Affentarzan stetig seinen Weg nach Opars verfallenen Wällen weiterzog, schlich Werper wie ein Schakal hinterdrein und nur Gott konnte wissen, was die Zukunft für beide barg.
Tarzan hielt am Rande des öden Tales, von dem aus man die goldenen Kuppeln und Türmchen von Opar erblickte. Heute Nacht würde er zur Erkundung allein nach der Schatzkammer gehen, denn er war entschlossen, dass die Vorsicht jeden seiner Schritte auf dieser Unternehmung bestimmen sollte.
Als die Nacht herniedersank, brach er auf. Werper hatte allein die Klüfte kurz nach dem Trupp des Affenmenschen erstiegen und sich tagsüber zwischen den rauen Felsen des Berggipfels aufgehalten. Jetzt schlich er verstohlen hinter jenem her. Auf der felsenübersäten Ebene zwischen dem Talrand und dem mächtigen Granitkopje außerhalb der Stadtmauer, da wo der Eingang zum Stollen nach der Schatzkammer lag, fand Werper reichlich Deckung, während er Tarzan nach Opar folgte.
Er sah, wie sich der riesige Affenmensch behänd über die glatte Fläche des großen Felsens hinaufschwang.
Werper kletterte in Schweiß gebadet mit krampfhaften Griffen über den gefährlichen Aufstieg und war vor Angst halb gelähmt, aber die Habsucht spornte ihn an, zu folgen, bis er endlich auf dem Gipfel des Felshügels stand.
Tarzan war nirgends zu sehen. Eine Zeit lang hielt sich Werper hinter einem der kleinen Felsblöcke, mit welchem die Spitze des Hügels bestreut war, aber als er von dem Engländer nichts sah oder hörte, kroch er aus seinem Versteck hervor, um eine planmäßige Untersuchung der Umgebung zu beginnen. Der Belgier hoffte, die Lage des Schatzes rechtzeitig vor Tarzans Rückkehr festgestellt zu haben, um vorher zu verschwinden, denn er wollte nur den Ort des Goldes wissen, damit er nach Tarzans Abzug mit seinen Leuten ohne Gefahr kommen und so viel wie möglich wegschleppen konnte.
Er fand auch die schmale Kluft, welche zu den stark verwitterten Granitstufen in das Innere des Hügels hineinführte. Bis in die dunkle Mündung des Tunnels, in der er verschwand, rückte der Landstreicher vor, aber weiter wagte er nicht einzudringen aus Furcht, Tarzan könnte zurückkehren.
Der Affenmensch, weit vorausgedrungen, tastete derweil seinen Weg durch den Felsengang entlang, bis er an die alte Holztüre kam. Einen Augenblick später stand er in der Schatzkammer, in welcher die Hände längst Vermoderter vor vielen Jahrtausenden für die Herrscher des großen Kontinents, der nun unter den Gewässern des Atlantischen Ozeans versunken liegt, jene hohen Stapel aus kostbaren Gußblöcken errichtet hatten.
Kein Laut unterbrach die Stille des unterirdischen Gewölbes. Kein Zeichen deutete an, dass ein anderer die vergessenen Schätze entdeckt hatte, seit der Affenmensch ihr Versteck besuchte.
Befriedigt drehte sich Tarzan um und lenkte seine Schritte wieder nach dem Gipfel des Kopje. Werper belauschte ihn von der Deckung einer großen, vorspringenden Granitschulter aus, wie er aus dem Dunkel der Treppe heraufkam und nach dem Kamm des Hügels ging, welcher nach dem Talrande zu lag, wo die Waziri auf das Zeichen ihres Gebieters warteten. Jetzt schlüpfte Werper vorsichtig aus seinem Versteck, tauchte in den düsteren Schatten des Eingangs und verschwand.
Tarzan machte auf dem Kamm des Hügels halt und erhob seine Stimme zum donnernden Gebrüll eines Löwen. Zweimal wiederholte er den Ruf in regelmäßigen Abständen. Als das Echo des dritten Rufes erstorben war, lauschte er einige Minuten aufmerksam. Dann kam schwach von jenseits des Tales ein Brüllen als Antwort: – Einmal, zweimal, dreimal! Basuli, der Wazirihäuptling, hatte gehört und geantwortet.
Tarzan nahm wieder seinen Weg nach der Schatzkammer, weil er wusste, dass in wenigen Stunden seine Schwarzen bei ihm sein würden, bereit, ein neues Vermögen in Gestalt der merkwürdig geformten Goldbarren von Opar fortzubringen. Inzwischen wollte er schon von dem kostbaren Metall so viel wie möglich auf den Gipfel des Kopje schaffen.
In den fünf Stunden, bis Basuli das Kopje erreichte, hatte er den Weg sechsmal gemacht und am Ende dieser Zeit achtundvierzig Barren auf den Kamm des großen Felsens gebracht, wobei er bei jedem Gang ein Gewicht getragen hatte, das zwei normale Menschen zum Wanken gebracht hätte. Aber seine Riesengestalt zeigte keine Spur von Ermüdung, als er mit dem dazu mitgebrachten Seil half, seine Krieger auf die Bergspitze zu holen.
Noch einmal kam der Affenmensch und diesmal brachte er seine fünfzig Krieger mit, die sich nur aus Hingabe für ihn zu Lastträgern hergaben, aber er war der einzige Mensch auf der Welt, der von ihren feurigen und hochmütigen Naturen solche niedrigen Frondienste verlangen durfte. Abermals verließen zweiundfünfzig Barren das Gewölbe, um die Summe von einhundert Stück aufzufüllen, welche Tarzan mitnehmen wollte.
Als der letzte Waziri die Kammer verließ, wandte sich Tarzan zurück, um einen letzten Blick auf die fabelhaften Schätze zu tun, in welchen zwei Eingriffe keine merklichen Spuren hinterlassen hatten. Die einzige Kerze, welche Tarzan dazu mitgebracht hatte, warf mit ihrem flackernden Licht die ersten Strahlen in die undurchdringliche Finsternis der in Vergessenheit begrabenen Kammer. Ehe Tarzan die Kerze auslöschte, dachte er wieder an die erste Gelegenheit, bei welcher er die Schatzkammer betreten hatte, damals als er auf der Flucht aus den Tempelgewölben, in welchen ihn La, die Hohepriesterin der Sonnenanbeter, verborgen hatte, zufällig auf sie gestoßen war.
Er rief sich die Szene im Tempel zurück, wie er ausgestreckt auf dem Opferaltar lag, während La mit erhobenem Dolche über ihm stand, indes die Reihen der Priester und Priesterinnen in verzücktem Fanatismus auf den ersten Strom warmen Blutes warteten, um es in ihren goldenen Bechern aufzufangen und zur Ehre ihres Feuergottes zu trinken.
Dann zog die tierische und blutige Störung durch Tha, den tollgewordenen Priester, lebhaft vor Tarzans Erinnerung vorbei; er sah wieder die Flucht der Andächtigen vor dem irren Blutdurst der scheußlichen Kreatur, den brutalen Angriff auf La und seinen eigenen Anteil an der grausen Tragödie, als er mit dem wütenden Oparier kämpfte und ihn tot zu Füßen der Priesterin niederwarf, die er hatte entehren wollen.
Das und mehr zog durch Tarzans Erinnerung, als er auf die langen Reihen des mattgelben Metalls starrte. Ob wohl La noch in den Tempeln der zerstörten Stadt herrschte, deren verfallende Mauern sich auf den Felsen um ihn herum erhoben? War sie schließlich doch zu einer Ehe mit einem der grotesken Priester gezwungen worden? Für ein so schönes Wesen musste das ein furchtbares Geschick sein! Kopfschüttelnd trat Tarzan zu der flackernden Kerze, löschte ihre schwachen Strahlen und wendete sich zum Ausgang.
Der Späher hinter ihm wartete auf seinen Aufbruch. Er hatte das Geheimnis, um dessentwillen er gekommen war, kennengelernt. Nun konnte er ohne Übereilung zu seinen harrenden Leuten zurückkehren. Nachher wollte er sie dann zur Schatzkammer herbringen, und sie sollten ihm so viel Gold wegschleppen, dass sie wankten.
Die Waziri hatten längst das äußere Ende des Tunnels erreicht und stiegen hinauf an die frische Luft und das willkommene Sternenlicht auf dem Berggipfel, ehe Tarzan die ihn zurückhaltende Hand der Träumerei abschüttelte und ihnen langsam nachging.
Noch einmal, wie er dachte, zum letzten Male schloss er das massive Tor der Schatzkammer. Hinter ihm in der Dunkelheit erhob sich Werper und reckte seine krampfmüden Muskeln, dann streckte er die Hand aus und liebkoste den Goldbarren auf dem nächsten Haufen. Er lüftete ihn von seiner uralten Unterlage und wog ihn auf den Händen, ja, er drückte ihn mit dem Entzücken des Geizhalses an die Brust.
Tarzan träumte von seiner bevorstehenden glücklichen Heimkehr, von liebenden Armen, die ihn umfingen, von einer weichen Wange, welche sich an die seine presste. Aber um diesen Traum zu verscheuchen, erstand vor seinem Auge die Erinnerung an den alten Zauberer und seine Warnung.
Und im Zeitraum weniger Sekunden waren die Hoffnungen der beiden Männer zerschmettert. Der eine vergaß in Schreck und Angst seine Habgier – dem anderen schlug ein scharfes Felsstück eine tiefe Wunde in sein Haupt und stürzte ihn in völliges Vergessen aller Vergangenheit.