DER HEXER

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»Er hat nichts gemerkt«, sagte der andere verdrießlich und versuchte das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken: »Sie haben heute Morgen einen Brief erhalten. Stand etwas über die Perlen darin - sind sie verkauft?«



»Glauben Sie wirklich, dass man Perlen im Werte von fünfzehntausend Pfund in einer Woche verkaufen kann? Wie denken Sie sich eigentlich den Vorgang - dass man sie etwa zu Christie zur Versteigerung gibt?«



Johnny Lenley biss die Lippen zusammen.



»Es ist seltsam, dass Wembury den Fall zur Behandlung hatte - anscheinend hat man jede Hoffnung aufgegeben, den Dieb noch zu fangen. Selbstverständlich hatte die alte Lady Darnleigh keinen Verdacht...«



»Seien Sie nicht allzu sicher!« warnte Messer. »Jeder Gast, der in jener Nacht in Nr. 304 von Park-Lane war, ist verdächtig. Sie mehr als jeder andere, da jedermann weiß, dass Sie arm sind. Außerdem hat Sie ein Diener gesehen, wie Sie kurz vor Ihrem Weggang die Haupttreppe hinaufgingen.«



»Ich sagte ihm, dass ich meinen Mantel holen wollte«, warf Johnny Lenley ein. »Warum haben Sie vor Wembury erwähnt, dass ich dort war?«



Maurice lachte.



»Weil er es wusste, denn ich habe ihn beim Sprechen beobachtet. Ein schwaches Schimmern in seinen Augen verriet es mir. Aber ich will Sie beruhigen. Die Person, die man augenblicklich in Verdacht hat, ist Lady Darnleighs Kellermeister. Glauben Sie aber ja nicht, dass alles vorbei ist, das ist nicht der Fall. Die Polizei ist noch viel zu rührig in der Sache, als dass wir daran denken könnten, die Perlen loszuwerden, und wir müssen eine günstige Gelegenheit abwarten, um sie in Antwerpen unterzubringen.«



Er zog ein goldenes Etui hervor und suchte sich sorgsam eine Zigarette aus, die er anzündete. Johnny beobachtete ihn neidisch.



»Sie sind ein kaltblütiger Teufel. Sie sind sich doch im Klaren, dass, wenn die Wahrheit über die Perlen herauskommen sollte, auch für Sie Zuchthaus in Aussicht steht?« Der Anwalt stieß einen Rauchring in die Luft.



»Ich bin mir vollständig im Klaren, dass Ihnen, mein lieber Freund, Zuchthaus in Aussicht stünde. Ich glaube, es wäre ziemlich schwer, mich mit in die Sache hineinzuziehen. Wenn Sie zu Ihrem Vergnügen ein Räuberbaron werden und sich in betrügerische Abenteuer stürzen, kann das nur Ihr Leichenbegängnis sein. Weil ich Ihren Vater und Sie schon von Kindheit an kenne, laufe ich diese Gefahr. Vielleicht finde ich an dem Abenteuerlichen Geschmack...«



»Blödsinn!«, unterbrach ihn Johnny Lenley grob. »Sie sind, seitdem Sie gehen können, ein Schwindler gewesen. Sie kennen jeden Dieb in London und sind ein Hehler.«



»Gebrauchen Sie dieses Wort nicht!«



Maurice Messers Stimme klang plötzlich sehr schroff. »Wie ich Ihnen schon sagte, sind sie noch sehr unreif. Habe ich den Diebstahl von Lady Darnleighs Perlen angestiftet? Habe ich Ihnen in den Kopf gesetzt, dass Diebstahl mehr abwirft als Arbeit und dass Ihre Erziehung und Beziehungen zu den besten Familien Ihnen Gelegenheiten geben, die einem gemeinen - Dieb versagt bleiben?«



Dieses Wort reizte Johnny Lenley ebenso sehr wie das Wort »Hehler« den Rechtsanwalt.



»Wir befinden uns beide in demselben Boot«, betonte er. »Sie könnten mich nicht verraten, ohne sich selbst zu ruinieren. Ich behaupte nicht, dass Sie irgendetwas angestiftet haben, Maurice, aber Sie haben tüchtig mitgeholfen. Eines Tages werde ich Sie zum reichen Mann machen.«



Messers schwarze Augen wandten sich langsam Johnny Lenley zu. Zu jeder anderen Zeit hätte er über die gönnerhafte Sprache des jungen Mannes gelacht, jetzt aber war er gereizt.



»Mein lieber Freund«, sagte er steif, »Sie sind etwas zu zuversichtlich. Raub mit oder ohne Gewalt ist nicht so einfach, wie Sie es sich vorstellen. Sie glauben, dass Sie gewandt sind...«



»Ich bin etwas tüchtiger als Wembury«, unterbrach ihn Johnny selbstzufrieden.



Maurice Messer unterdrückte ein Lächeln.



Mary führte ihren Besucher nicht in den Rosengarten, sondern nach dem Garten mit den sonderbaren, verwitterten Steinfiguren. Dort stand an einem kleinen Teich eine Marmorbank, Mary setzte sich und bat auch ihren Gast, Platz zu nehmen.



»Alan, ich möchte Ihnen etwas sagen. Ich spreche jetzt zu Alan Wembury und nicht zum Inspektor Wembury«, begann sie.



»Aber selbstverständlich!« Er stockte, beinahe hätte er sie mit dem Vornamen angesprochen. »Ich habe niemals den Mut gehabt, Sie Mary zu nennen, aber ich fühle mich alt genug dazu!«



»Tun Sie es nur! Miss Mary klingt so schrecklich unnatürlich. Von Ihnen klingt es beinahe unfreundlich.«



»Was gibt es also?«, fragte er, indem er sich neben sie setzte.



Sie zögerte einen Augenblick.



»Johnny«, erzählte sie, »spricht in mancher Beziehung so seltsam. Alan, es ist schwer, so etwas zu sagen, aber manchmal scheint es, als wenn er den Unterschied zwischen mein und dein vergessen hat. Oft denke ich, dass er so etwas nur aus Eigensinn sagt, und dann fühle ich wieder, dass er es wirklich ernst meint. Auch über unseren armen Vater spricht er sehr abfällig. Das kann ich nur schwer verzeihen. Vater war sehr leichtsinnig und verschwenderisch, aber er ist Johnny - und mir ein guter Vater gewesen«, setzte sie mit zitternder Stimme hinzu.



»Was meinen Sie damit, wenn Sie sagen, dass er in mancher Beziehung seltsam spricht?«



Sie schüttelte den Kopf.



»Das ist nicht das einzige; er hat auch so eigenartige Bekannte. Vorige Woche war ein Mann hier - ich habe ihn nur gesehen und nicht gesprochen - namens Hackitt. Kennen Sie ihn?«



»Hackitt? Sam Hackitt?«, fragte Wembury erstaunt. »Aber selbstverständlich! Sam und ich sind alte Bekannte!«



»Was ist er?«, fragte sie.



»Einbrecher!« war die ruhige Antwort. »Wahrscheinlich interessierte sich Johnny für ihn und ließ ihn herkommen...«



Sie schüttelte den Kopf.



»Nein, das war nicht der Grund.« Sie biss sich auf die Lippen. »Johnny hat mich angelogen. Er sagte, dass der Mann ein Handwerker sei, der nach Australien fahren wollte. Sind Sie sicher, dass es derselbe Hackitt ist?« Alan gab eine sehr wahrheitsgetreue, wenn auch kurze Beschreibung des Mannes. - »Das ist er!«, nickte sie. »Alan, glauben Sie, dass Johnny - schlecht ist?«



»Selbstverständlich nicht!«



»Aber seine eigenartigen Freunde...«



Diese Gelegenheit durfte er nicht ungenützt vorbeigehen lassen. - »Ich befürchte, Mary, dass Sie eine ganze Menge Leute wie Hackitt und noch schlimmere Leute als Hackitt treffen werden.«



»Warum?«, fragte sie erstaunt.



»Sie beabsichtigen, als Messers Sekretärin zu arbeiten Mary, ich wünschte, Sie würden nicht zu dem Anwalt gehen.«



»Warum in aller Welt, Alan...? Ich verstehe allerdings, was Sie meinen. Maurice hat eine große Anzahl von Klienten, und ich werde sicher mit ihnen zusammenkommen, aber ich habe doch nur geschäftlich mit ihnen zu tun.«



»Wegen der Klienten bin ich nicht besorgt«, erwiderte Alan ruhig. »Besorgt bin ich wegen - Maurice Messer.«



»Besorgt wegen Maurice?« Sie mochte kaum ihren Ohren trauen. »Aber Maurice ist doch ein so lieber Mann! Er ist die Freundlichkeit selbst zu Johnny und mir gewesen, und wir kennen ihn unser ganzes Leben lang.«



»Ich kenne Sie auch so lange, Mary«, meinte Alan ruhig, aber sie unterbrach ihn.



»Aber sagen Sie mir, warum? Was könnten Sie gegen Maurice haben?«



Jetzt wurde er einer direkten Frage gegenübergestellt, und er fühlte sich unsicher.



»Ich weiß nichts von ihm«, gab er freimütig zu. »Ich weiß nur, dass Scotland Yard ihn nicht gern hat.«



Sie lachte heiter.



»Weil er es fertigbringt, diese armen, elenden Verbrecher vor dem Gefängnis zu bewahren! Das ist Neid von Berufs wegen. O Alan!« neckte sie ihn. »Das hätte ich von Ihnen nicht gedacht!«



Es wäre unnütz gewesen, wenn er die Warnung wiederholt hätte. Eine Beruhigung hatte er: Wenn sie bei Messer arbeitete, würde sie auch in seinem Bezirk wohnen.





5





Maurice Messer stand hinter einer Eibenhecke und beobachtete sie. Es schien ihm, dass er niemals vorher die Schönheit Mary Lenleys gewahr geworden war. Er musste sich eingestehen, dass es der augenscheinlichen Bewunderung eines Polizeibeamten bedurfte, um sein Interesse an dem Mädchen zu erwecken, das er, im Augenblick eines später bereuten Impulses, anzustellen versprochen hatte. Er bewunderte den Umriss ihrer Wangen, die Haltung ihres dunklen Kopfes, die geschmeidige Gestalt, als sie mit Alan Wembury sprach. Mr. Messer befeuchtete seine trockenen Lippen. Es war merkwürdig, dass er so blind gewesen war. Er liebte blonde Frauen. Gwenda Milton hatte einen goldblonden Kopf. Ein einfältiges Mädchen, das langweilig geworden war und das in einer Tragödie ihr Ende gefunden hatte. Maurice schauderte, als er sich des trüben Tages während der gerichtlichen Vernehmung erinnerte, wie er vor dem Zeugentisch gestanden und gelogen, gelogen und abermals gelogen hatte.



Als Mary den Kopf umwandte, sah sie ihn und winkte ihm zu. Langsam näherte er sich ihnen.



»Wo ist Johnny?«, fragte sie.



»Johnny schmollt. Fragen Sie mich aber nicht, warum, denn ich weiß es nicht.«



Welch wunderbare Haut sie hatte! Wie bewundernswert waren die dunkelgrauen Augen mit den langen Wimpern! Seit ihrer Kindheit hatte er sie gekannt und hatte nun eine Woche lang unter demselben Dach mit ihr zugebracht, und doch hatte er ihren Wert bis jetzt nicht schätzen gelernt. »Unterbreche ich eine vertrauliche Unterredung?«, fragte er. Sie schüttelte den Kopf. Er fragte sich, worüber diese beiden gesprochen haben konnten. Hatte sie Alan Wembury gesagt, dass sie nach Deptford zu kommen beabsichtigte? Früher oder später würde sie es doch sagen, also war es besser, ihm diese Nachricht selbst zuerst mitzuteilen. »Wissen Sie schon, dass Miss Lenley mich beehren will, meine Sekretärin zu werden?«

 



»So höre ich«, versetzte Alan und schaute dem Rechtsanwalt in die Augen. »Ich habe Miss Lenley gesagt...« Er sprach mit Überlegung, jedes Wort war von Bedeutung. »...dass sie in meinem Bezirk wohnen wird... sozusagen unter meiner väterlichen Obhut.«



Eine Warnung und eine Drohung klangen aus diesen Worten. Messer war zu klug, um eins von beiden zu überhören. Alan Wembury hatte sich zum Beschützer des Mädchens gemacht. Unter anderen Umständen hätte es ihn belustigt, sogar vor einer Stunde noch hätte er Alan Wemburys Bemerkung als einen Scherz aufgefasst. Aber jetzt...



Er schaute Mary an, und sein Puls fing an zu rasen. »Das ist sehr interessant!« Seine Stimme klang etwas heiser, und er räusperte sich. »Sehr interessant. Ist das eine der Pflichten Ihres Amtes?«



Alan bemerkte den leisen Spott, der aus Messers Stimme klang.



»Die Pflichten des Polizeibeamten«, entgegnete er ruhig, »werden ziemlich genau durch die Überschrift über dem Old Bailey, unserem ehrwürdigen Gerichtsgebäude, beschrieben.«



»Und was besagt die?«, fragte Messer. »Ich habe mir noch nicht die Mühe genommen, sie zu lesen.«



»Beschützt die Kinder der Armen und bestraft die Übeltäter!«, sagte Alan Wembury ernst.



»Ein edles Wort!«, meinte Maurice. »Das muss für mich sein«, fügte er hinzu und ging schnell einem Telegrafenboten entgegen, der am Gartenende erschien. »Ist Maurice auf Sie böse?«, fragte Mary.



Alan lachte.



»Jeder wird früher oder später auf mich böse. Ich muss befürchten, dass meine Umgangsformen jämmerlich werden.«



»Alan«, sagte sie halb belustigt und halb ernst, »ich glaube, ich werde niemals mit Ihnen böse sein. Sie sind der netteste Mann, den ich kenne.«



Einen Augenblick fanden sich ihre Hände, und dann sahen sie Maurice mit dem ungeöffneten Telegramm in der Hand zurückkommen.



»Für Sie!«, rief er heiter. »Es muss doch schön sein, wenn man so eine wichtige Persönlichkeit ist, dass man das Amt nicht fünf Minuten verlassen kann, ohne dass man telegrafisch zurückgerufen wird.«



Alan nahm mit gerunzelter Stirn das Telegramm in Empfang. »Für mich?«



Er hatte nur wenige Freunde, und es war nicht anzunehmen, dass sein Urlaub vom Amt gekürzt werden würde. Er öffnete das Telegramm und las:





Sehr eilig. Kommen Sie sofort zurück und melden Sie sich in Scotland Yard. Bereiten Sie sich vor, Ihren Bezirk morgen früh zu übernehmen. Australische Polizei berichtet, Hexer verließ vor vier Monaten Sydney. Es wird angenommen, dass er jetzt in London ist.





Das Telegramm trug die Unterschrift Walford.



Alan schaute vom Telegramm auf das Mädchen, das ihn mit besorgtem Gesicht betrachtete.



»Ist etwas nicht in Ordnung?«, fragte sie.



Er schüttelte langsam den Kopf.



Der Hexer war in England. Artur Milton, der schonungslose Mörder seiner Feinde, schlau, verwegen und furchtlos. Alan Wemburys Gedanken eilten nach Scotland Yard und zum Büro des Kommissars zurück. Gwenda Milton - war tot, ertrunken, eine Selbstmörderin!



Trug Maurice Messer die Verantwortung, dass diese junge Seele unaufgefordert vor den Richterstuhl Gottes getreten war? Wehe, Maurice Messer, wenn das wahr wäre, wenn das auf deinem Gewissen lastet!





6





Der Hexer hatte seinen Namen vom Volksmund erhalten. Er änderte seine Verkleidung so oft, dass die Polizei noch nie in der Lage gewesen war, eine Beschreibung des Mannes in Umlauf zu setzen. Er war ein Meister der Verkleidung und ein unbarmherziger Feind, der ohne Gnade den Mann erschlug, der seinen Hass heraufbeschworen hatte.



Der Hexer war in London! Und nur ein Grund konnte ihn nach England zurückgetrieben haben: Rache an Maurice Messer, dem er seine Schwester anvertraut hatte.



In welchem Winkel der Riesenstadt würde der Hexer unterzutauchen suchen?



Für Wembury gab es nur eine Antwort: Deptford - der Stadtteil, den der kühne Verbrecher kannte wie seine eigene Tasche, in dem der Mann wohnte, der ihm so Schweres zugefügt hatte.



Deptford! Wembury fuhr erschrocken zusammen.



Mary Lenley begann ja ihre Tätigkeit im Büro Maurice Messers - und Gefahr für den Anwalt würde auch Gefahr für Mary bedeuten.





*





»Sie haben also mein Telegramm erhalten?«, fragte Walford, als er den eintretenden Alan erblickte. »Es tut mir leid, Ihren Urlaub unterbrochen zu haben, aber ich möchte, dass Sie Ihr Amt in Deptford sofort übernehmen, damit Sie möglichst schnell mit Ihrem neuen Bezirk vertraut werden.«



»Ist der Hexer zurück, Sir?«



Walford nickte.



»Warum er zurückkam und wo er steckt, weiß ich nicht. Ein direkter Bericht über ihn liegt eigentlich nicht vor, und wir nehmen nur an, dass er zurückgekehrt ist.«



Walford nahm aus einem Korb auf seinem Tisch ein langes Kabel.



»Der Hexer hat eine Frau. Nur wenige Leute wissen das!«, sagte er. »Er hat sie vor ein oder zwei Jahren in Kanada geheiratet. Nach seinem Verschwinden hat auch sie das Land verlassen, und man hat sie bis nach Australien verfolgt. Das konnte nur auf eins hinweisen. Der Hexer war dort. Jetzt hat sie Australien ebenso schnell wieder verlassen und kommt morgen früh in England an.«



Alan nickte langsam.



»Ich verstehe. Das bedeutet also, dass der Hexer entweder schon in England oder auf dem Weg hierher ist?«



»Sie haben doch mit niemand darüber gesprochen?«, fragte der Kommissar. »Sagten Sie nicht, dass Messer in Lenley-Court war? Sie haben doch nichts davon erwähnt?«



»Nein, Sir!«, antwortete Alan. »Eigentlich bedauere ich es. Ich hätte gern die Wirkung auf ihn beobachtet!«



»Der Hexer ist das Lieblingsgespenst Londons«, sagte Oberst Walford ernst, »und eine Andeutung, dass er nach England zurückgekehrt ist, wird genügen, um sämtliche Zeitungsmenschen von Fleet Street auf mich zu hetzen. Durch ihn hatten wir mehr Fehlschläge als durch jeden anderen Verbrecher auf unseren Listen! Die Nachricht, dass er sich frei in London bewegt, wird einen Sturm heraufbeschwören, den auch ich nicht werde aufhalten können!«



»Glauben Sie, dass der Fall meine Kräfte übersteigen wird?«, fragte Alan.



»Nein«, meinte Walford überraschenderweise, »ich habe auf Sie große Hoffnungen gesetzt-auf Sie und Dr. Lomond. Haben Sie übrigens Dr. Lomond kennengelernt?«



»Nein, wer ist das?«



Oberst Walford nahm ein Buch in die Hand, das auf dem Tisch lag.



»Vor vierzehn Jahren hat er das einzige Buch über Verbrecher geschrieben, das sich zu lesen lohnt. Er war jahrelang in Indien und in Tibet, und ich glaube, der Unterstaatssekretär kann froh sein, dass Lomond das Amt annahm.«



»Welches Amt, Sir?«



»Das Amt des Polizeiarztes des R-Bezirkes - also Ihres Bezirkes«, bemerkte Walford.



Alan Wembury blätterte in dem Buch.



»Eigentlich merkwürdig, dass der Mann einen so untergeordneten Posten annimmt«, sagte er, und Walford lachte. »Er hat sein Leben lang nichts anderes getan. Wollen Sie seine Bekanntschaft machen? Er ist im Haus.«



Er drückte auf den Klingelknopf und gab der eintretenden Ordonnanz Anweisung.



»Wird er uns helfen, den Hexer zu fassen?«, fragte Alan lächelnd und war erstaunt, als der Kommissar nickte. »Ich habe das Gefühl«, versetzte er.



Die Tür öffnete sich in diesem Augenblick, und eine große, gebeugte Gestalt kam herein.



Alan taxierte ihn auf etwas über Fünfzig. Sein Haar war grau, ein kleiner Schnurrbart hing ihm über den Mund, und ein Paar bewegliche Augen schauten Alan freundlich an. Sein Anzug saß schlecht, und sein hoher Filzhut gehörte schon den Siebzigern an.



»Darf ich Sie mit Inspektor Wembury bekannt machen, der Ihrem Bezirk vorstehen wird?«, fragte Walford, und Wemburys Hand wurde kräftig gedrückt.



»Haben Sie einige interessante Exemplare in Deptford, Inspektor?«, fragte Dr. Lomond im reinsten schottischen Dialekt. »Ich möchte gern einige Köpfe vermessen.« Alan lachte über das ganze Gesicht.



»Ich bin in Deptford ebenso unbekannt wie Sie. - Ich bin seit Anfang des Krieges nicht dort gewesen«, erklärte er. Der Arzt kratzte sein Kinn, während seine scharfen Augen auf den jungen Mann gerichtet waren.



»Ich glaube nicht, dass sie so interessant wie die Lelos sein werden. Das ist eine wunderbare Rasse, mit einer seltsamen Kopfform und einer eigenartigen Entwicklung des Scheitelbeines...«



Wenn er auf sein Lieblingsthema geriet, sprach er schnell und mit großer Begeisterung.



Während der Arzt seine Meinung über die Abstammung eines seltsamen tibetanischen Stammes erklärte, verschwand Alan geräuschlos aus dem Zimmer.



Eine Stunde später traf er Walford, der aus seinem Zimmer kam, und ging mit ihm nach dem Embankment hinunter. »Ja - ich bin den Doktor losgeworden«, sagte der Oberst lachend, »er ist zu gescheit, als dass man ihn einen langweiligen Menschen nennen könnte, aber er hat mir Kopfschmerzen gemacht.« Dann fuhr er plötzlich fort: »Übergeben Sie Burton die Perlensache - ich meine die Darnleigh-Perlen. Einen neuen Anhaltspunkt haben Sie nicht gefunden?«



»Nein, Sir!«, antwortete Alan.



Der Kommissar runzelte die Stirn.



»Da Sie gerade nach Lenley-Court fuhren, fiel mir ein, dass der junge Lenley am Abend des Diebstahls auf dem Ball der Lady Darnleigh war...« Er bemerkte den Ausdruck im Gesicht seines Untergebenen und fuhr schnell fort: »Ich will damit selbstverständlich nicht sagen, dass er etwas damit zu tun hat, aber es ist doch ein eigenartiger Zufall. Ich möchte gern, dass wir diesen Fall bald erledigen, denn Lady Darnleigh hat mehr Freunde in Whitehall als mir lieb ist, und ich erhalte jeden zweiten Tag einen Brief vom Minister des Innern, worin er über den Fortgang der Sache anfragt.« Alan Wembury ging mit schweren Gedanken seinen Weg weiter. Er hatte gewusst, dass Johnny am Abend des Raubes dort gewesen war, aber er hatte niemals daran gedacht, ihn mit dem rätselhaften Verschwinden von Lady Darnleighs Perlen in Zusammenhang zu bringen. Er rief sich nochmals die nur allzu kurze Unterredung mit Mary ins Gedächtnis zurück.



Warum in aller Welt sollte Johnny, und doch - die Lenleys waren ruiniert... und Mary war sichtlich nervös gewesen...



Blödsinn!, dachte Alan, als sich ihm ein hässlicher Gedanke aufdrängte. Blödsinn!



Am nächsten Morgen übergab er die Akten in der Perlensache Inspektor Burton und verließ Scotland Yard mit einem gewissermaßen erleichterten Gefühl.



In der folgenden Woche war Alan Wembury sehr in Anspruch genommen.



Mary schrieb ihm nicht, wie er erwartet hatte, und er wusste nicht, dass sie in London war, bis sie ihm eines Tages aus einem vorüberfahrenden Taxi zuwinkte. Er beauftragte einen seiner Untergebenen, festzustellen, wo sie und Johnny wohnten, und erfuhr, dass sie sich in der Nähe der Malpas Road in einem modernen Häuserblock niedergelassen hatten, der von besseren Handwerkern bewohnt wurde.





7





Ich sah heute Morgen deinen Polypen«, sagte Johnny aufgeräumt, der zum Lunch zurückgekehrt war.



Sie schaute ihn mit großen Augen an.



»Meinen Polypen?«, wiederholte sie.



»Wembury«, erklärte Johnny. »Wir nennen diese Leute so.« Er sah, wie sie ihr Gesicht veränderte.



»Wir nennen diese Leute so?«, wiederholte sie. »Du meinst doch man nennt sie so, Johnny?«



Das schien ihn zu belustigen, als er sich an den Tisch setzte.



»Mach dich nicht lächerlich, Mary«, rief er. »Wir oder man ist doch kein Unterschied. Im Grunde genommen sind wir alle Diebe, ob es ein Kaufmann in einem Rolls-Royce oder ein Arbeiter auf der Straßenbahn ist. Jeder versucht, den anderen übers Ohr zu hauen.«



»Wo hast du denn Alan gesehen?«



»Warum, zum Kuckuck, nennst du ihn beim Vornamen?«, fuhr Johnny sie an. »Der Mann ist Polizist, und du tust, als wenn er auf derselben gesellschaftlichen Stufe mit dir stünde.«



Mary lächelte. Sie schnitt das Brot ab und erwiderte: »Unser Nachbar hier im Haus ist Schlosser, und über uns wohnt ein Bahnarbeiter mit einer sechsköpfigen Familie.«



Er schob seinen Stuhl gereizt zurück.



»Diese Wohnung ist für uns nur ein vorübergehender Notbehelf. Du glaubst doch nicht etwa, dass ich mein ganzes Leben in diesem finsteren Loch zubringen werde? Einmal werde ich Lenley-Court zurückkaufen.«



»Womit, Johnny?«, fragte sie ruhig.

 



»Mit dem Geld, das ich verdiene«, antwortete er. »Übrigens ist Wembury nicht ein Mann, mit dem du verkehren solltest«, bemerkte er. »Ich habe heute Morgen mit Maurice über ihn gesprochen, und Maurice ist auch der Meinung, dass wir diese Bekanntschaft aufgeben sollten.«



»Wirklich?« Marys Stimme klang kalt. »Und Maurice denkt es auch - das ist sehr eigenartig.«



Er schaute sie misstrauisch an.



»Wieso eigenartig?«, brummte er. »Jedenfalls wünsche ich den Verkehr mit ihm nicht und...«



Sie stand ihm auf der anderen Seite des Tisches gegenüber und hatte beide Hände leicht aufgestützt.



»Und ich«, versetzte sie ruhig, »lasse mir darüber keine Vorschriften machen. Es tut mir leid, wenn du oder Maurice dies nicht billigt, aber ich habe Alan gern und...«



»Ich hatte meinen Kammerdiener auch gern«, unterbrach sie Johnny gereizt, »habe ihn aber trotzdem entlassen.«



»Alan Wembury ist nicht dein Diener, Johnny«, sagte sie kopfschüttelnd. »Du magst meinen Geschmack nicht billigen, aber Alan ist ein Gentleman - und solche Menschen findet man heutzutage nicht allzu häufig.«



Johnny hielt es für richtiger, mit einem Achselzucken zu antworten.



Am nächsten Morgen sollte Mary ihr neues Leben beginnen. Der Gedanke an eine Zusammenarbeit mit Maurice Messer beunruhigte sie jetzt doch ein wenig.



Ein unbestimmtes Gefühl, über dessen Ursprung sie sich selbst nicht klar war, bedrückte sie.



Mr. Messers Haus unterschied sich angenehm von der überaus hässlichen und schmutzigen Nachbarschaft.



Es stand etwas von der Straße zurück und war von einer hohen Mauer umgeben, die von einer schwarzen, in einen Hof führenden Einfahrt unterbrochen wurde. Dort stand das kleine Herrenhaus in gregorianischem Stil, wo der Rechtsanwalt Büro und Wohnung hatte.



Eine alte Frau führte sie die abgenutzte Treppe hinauf, öffnete eine schwere, verzierte Tür und ließ sie eintreten. Der Raum sah etwas schäbig aus, und doch war er ziemlich freundlich. An den Wänden hingen Bilder, die sie sofort als Werke großer Meister erkannte.



Am meisten interessierte sie aber ein großer Flügel, der in einem Alkoven stand. Sie sah ihn verwundert an und wandte sich dann an die Frau.



»Spielt Mr. Messer Klavier?«



»Er?«, sagte die Frau lachend. »Das sollte ich meinen!« Neben diesem Zimmer war ein kleiner Vorraum ohne Türen, der anscheinend als Büro benutzt wurde, denn dort befanden sich Regale an der Wand, und auf einem kleinen Schreibtisch stand eine verdeckte Schreibmaschine.



Sie hatte kaum Zeit, sich umzuschauen, als die Tür plötzlich geöffnet wurde und Maurice Messer hereintrat. Er kam schnell auf sie zu und nahm ihre beiden Hände in die seinen.



»Meine liebe Mary«, sagte er, »das ist wunderbar!«



»Es handelt sich bei mir nicht um einen Anstandsbesuch, Maurice!«, erwiderte sie. »Ich bin gekommen, um zu arbeiten!«



Sie entzog ihm ihre Hände, denn sie erinnerte sich nicht, mit ihm je auf so vertrautem Fuß gestanden zu haben.



»Meine liebe Mary, da ist genug Arbeit - Urkunden, Zeugenaussagen«, er sah sich wie suchend um.



»Können Sie Schreibmaschine schreiben?«, fragte er.



Er erwartete eine Verneinung zu hören und war erstaunt, als sie es bejahte.



»Ich hatte schon eine Schreibmaschine, als ich zwölf Jahre alt war«, lächelte sie. »Mein Vater schenkte sie mir, damit ich mich damit amüsieren sollte.«



Maurice hatte nie gewünscht und auch nicht erwartet, dass Mary sein Anstellungsangebot ernst auffasste - niemals, bis er sie in Lenley-Court sah und es ihm auffiel, dass das linkische Kind sich so wunderbar entwickelt hatte.



»Ich will Ihnen eine eidliche Aussage zum Abschreiben geben«, sagte er und suchte fieberhaft unter den Papieren auf seinem Schreibtisch. Es dauerte lange Zeit, bis er auf ein Dokument stieß, das genügend harmlos für sie war, denn Maurice Messers Klienten waren meistens sehr eigentümlicher Art. Es war daher schwer für ihn, ihrer Durchsicht etwas von seiner zweifelhaften Korrespondenz anzuvertrauen, und erst als er das Schriftstück ganz durchgelesen hatte, übergab er es ihr.



»Nun, Mary, werden Sie sich hier wohl fühlen?«



Sie nickte.



»Ich denke es. Es ist sehr nett, für jemand zu arbeiten, den man schon so lange kennt - und Johnny ist ja auch in der Nähe. Er sagte mir, ich würde ihn öfters sehen.«



Seine schweren Augenlider senkten sich einen kurzen Augenblick.



»Oh«, meinte Maurice Messer und sah an ihr vorb

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