Kitabı oku: «Die Rückkehr der Zeitmaschine», sayfa 3
Zweites Kapitel
Das rätselhafte Funkentelegramm
Nach seinen letzten Eröffnungen erwartete ich den Zeitreisenden nicht allzubald zurück. Die paar Vorträge wären zwar schnell absolviert gewesen, und daß er sich im viktorianischen London besonders wohl fühlen werde, bezweifelte ich stark. Denn damals gab es zwar keine Perücken und bier-ruß-bestrichenen Fußböden mehr und andrerseits schon Gabeln, Nachthemden und Gasbeleuchtung, ja sogar bereits Streichhölzer und Stahlfedern (bei uns, auf dem Kontinent erst viel später!) und den ersten Schraubendampfer, aber einem Mann von dem Unternehmungsgeist des Zeitreisenden konnte das nicht genügen. Ich war daher, wie gesagt, fest überzeugt, daß er sich alsbald auf ganz andere Abenteuer begeben werde. Mit einem Märchenapparat, gegen den Fausts Zaubermantel eine Kleinigkeit ist und sogar das lenkbare Luftschiff nichts Besonderes wäre, forscht man nach der Beantwortung anderer Fragen als der Carlyleschen, ob Mahomet ein Scharlatan und Cromwell ein Held war. Ich nahm also eine mehrwöchige Abwesenheit als Mindestmaß an und verbrachte die nächste Zeit ohne besondere Spannung. Indes, schon nach kurzem erstattete er mir seinen ersten Bericht, aber nicht persönlich, sondern auf eine andere und sonderbare Weise.
Der Zeitreisende und ich gehören zu den wenigen Privatpersonen in London, die an ihrem Hause eine Station für drahtlose Telegraphie besitzen; wahrscheinlich sind wir sogar die einzigen. Da der Staat für die Ausbeutung und Vervollkommnung dieser neuen Erfindung so gut wie nichts tut, sind die Wißbegierigen und Fortgeschrittenen darauf angewiesen, sich um diese Dinge aus eigener Initiative zu kümmern. Jeder eiserne Balkon und jedes Regenrohr kann schon als Antenne dienen, und beim Empfang naher Sendungen arbeiten solche Ersatzantennen sogar besonders gut. Die Errichtung eines genügend langen Senderdrahts ist schließlich keine kostspieligere Sache als ein Blitzableiter; und den Fritter kann man sich mit einiger Geschicklichkeit selber herstellen. Aber die Menschen machen vernünftige Sachen nur, wenn sie behördlich dazu gezwungen werden. In die American Bar gehen sie von alleine. Immerhin hatte diese Gedankenfaulheit der Londoner für uns auch ihr Gutes: bei unserem Funkenverkehr ereigneten sich niemals Störungen, denn die einzigen Engländer außer uns, die miteinander drahtlos telegraphierten, sind ein paar Schiffskapitäne und Küstenbedienstete. Wir benützten unsere Apparate ziemlich häufig, aber zumeist war der Zeitreisende der Sender und ich der Empfänger. Er telegraphierte mir interessante Beobachtungen, Experimente, Berechnungen, manchmal sogar gelungene Scherze. Auch diesmal hatte er mir in seinen Abschiedsworten versprochen, mich, angekommen, sofort drahtlos zu verständigen.
Es war etwa sechsunddreißig Stunden nach seiner Abreise, gegen zehn Uhr abends, als der Kohärer anschlug. Ich eilte zum Taster und empfing ein Telegramm des Zeitreisenden, das mich mit Erstaunen und Verwirrung erfüllte. Es lautete: »Schrecklicher unvorhergesehener Zwischenfall. Lebe und bin gesund, aber Sie werden mich nie wiedersehen. Ihr trostloser M.«
Ich war wie mit einem Hammer vor den Kopf geschlagen. Im ersten Moment dachte ich an eine Mystifikation. Aber von wem sollte diese ausgegangen sein? Die Tatsache unserer beiden drahtlosen Stationen war nur meinen nächsten Freunden bekannt, den Freunden des Zeitreisenden überhaupt nicht: selbst Mr. Wells wußte nichts davon. Und keinem dieser wenigen war ein so geschmackloser und roher Scherz zuzutrauen. Auch hätte der Verüber eines solchen Unfugs einen Einbruch in die versperrte Wohnung des Zeitreisenden unternehmen müssen, wozu gewiß keiner dieser Gentlemen fähig war. Erst allmählich gelang es mir, meine Gedanken zu sammeln. Von welchem Punkte der Erde kam dieses Funktelegramm? In welcher fernen Gegend weilte der Zeitreisende, daß er genötigt war, diesen Benachrichtigungsweg einzuschlagen? Aber das war ja Unsinn! Er war doch nur in die eine Dimension der Zeit gereist und hatte das Turmzimmer seines Laboratoriums gar nicht verlassen. Was veranlaßte ihn also, sich dieses Fernsprechmittels zu bedienen, da er doch nur eine Droschke zu nehmen brauchte, um in meine Wohnung zu gelangen? War er durch irgend etwas in seiner Bewegungsfähigkeit behindert und genötigt, sich auf diese Weise von seinem Hause aus mit der Umwelt zu verständigen? Lag er vielleicht krank im Bett? Aber er telegraphierte doch deutlich: »lebe und bin gesund«. Oder befand er sich in der Macht eines feindlichen Willens? Aber dann hätte er um Hilfe ersucht. Und was bedeutete dieses rätselhafte: »Aber Sie werden mich nie wiedersehen«? Hatte er den Verstand verloren? Vielleicht war er in seinem kühnen Forschungsdrang zu weit in die Zeit gereist, in die geheimnisvolle schrankenlose Tiefe der Zeit und hatte dort an das furchtbare Problem der Unendlichkeit gerührt und dadurch seine engen menschlichen Sinne so verwirrt, daß er als Geistesgestörter zurückkehrte? Welche von diesen Vermutungen war die richtige? Vielleicht keine.
Ich beschloß, mir sofort Gewißheit zu verschaffen und mich nach seiner Wohnung zu begeben. In fliegender Hast, ohne Hut, stürzte ich auf die Straße. Nach dem ›Londoner Stadtlexikon‹ sollen siebentausend von den elftausend Lohnkutschen, die London besitzt, Hansoms sein, aber noch nie habe ich eines erwischt, wenn ich es brauchte. Natürlich trottete auch diesmal wieder ein Cab herbei. Ich versprach dem Kutscher ein halbes Pfund, und wir eilten davon, wenn dieser Ausdruck gestattet ist.
Die Villa machte den Eindruck völliger Unbewohntheit. Still und friedlich lag sie da, in der milden Wärme der schönen Frühlingsnacht. Grillen zirpten in der Ferne, um die Gaslaterne schwirrten lustig die Maikäfer, am Gartenzaun blühten die Dotterblumen, und aus einer Nachbarvilla krächzte ein Grammophon den Refrain des schönen Liedes »The honey and the bee«: »Du bist der Honig, und ich bin die Bien›!«; und ich mußte unwillkürlich denken: ob sich der Zeitreisende wohl jetzt an einem Zeitort befindet, wo es keine Grammophone gibt? Am Eingang ein Zettel: »Gone on a journey.« Ich hämmerte mit dem Klopfer gegen die Tür: es regte sich nichts. Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen sie, bis sie nachgab. Ein vorbeikommender Policeman hätte gegen den Mann ohne Hut, der die Tür eindrückt, vermutlich die feindseligsten Gedanken gehegt. Natürlich hatte ich die Streichhölzer vergessen. Ich tappte mich ins Haus hinein, und erst nach längerem Suchen in der schwachen Mondbeleuchtung fand ich im Schreibzimmer eine Schachtel. Aber das Gas war abgestellt, ich mußte zurück zum Gasmesser. Endlich konnte ich Licht machen. Auf dem Schreibtisch war alles so ziemlich unverändert. Auf der Mittelplatte lag eine Tabelle mit Berechnungen, die vorher noch nicht dagewesen war. Wahrscheinlich hatte er noch kurz vor seiner Abreise gearbeitet. Darauf begab ich mich in den ersten Stock ins Laboratorium, wo noch eine vergessene rote Glühlampe brannte wie das Ewige Licht. Auch dort einige Spuren neuerlicher Arbeit, aber keine wesentlichen Veränderungen. Im Turmzimmer keine Zeitmaschine: also doch auf der Zeitreise! Aber vor kaum einer Stunde mußte er doch von hier aus telegraphiert haben? Völlig unerklärlich! Ich trat ins Freie – das Grammophon war inzwischen in einen ordinären Cakewalk übergegangen – und voll banger und unklarer Gedanken kehrte ich nach Hause zurück.
Drittes Kapitel
Man erfährt den Namen des Zeitreisenden
Die nächsten Tage und Nächte verbrachte ich in fruchtlosen Grübeleien. Ich erwog die abenteuerlichsten Möglichkeiten. Vielleicht handelte es sich um ein Geistertelegramm? Es gibt bekanntlich Poltergeister, denen allerlei Schabernack schon zuzutrauen ist. Oder am Ende war er selber schon ein Verewigter? Aber er hatte doch ausdrücklich hervorgehoben: »lebe«. Und selbst wenn sich diese Bemerkung mit einiger Gezwungenheit so deuten ließ, daß er damit das ›höhere Leben‹ im Jenseits meine, so wäre es doch auf jeden Fall gänzlich sinnlos, wenn ein Geist von sich behaupten wollte, er sei gesund. Andererseits war aber wieder in Rechnung zu ziehen, daß die Äußerungen, die auf spiritistischem Wege zu uns gelangen, sehr oft unzusammenhängend, widersinnig und unverständlich sind.
Es waren inzwischen fünf Tage vergangen. Ich saß mit meiner Frau beim Frühstück, und wir debattierten; natürlich über das Telegramm. Meine Frau vertrat als neueste Auffassung die Ansicht, »Sie werden mich nie wiedersehen« bedeute Abbruch des Verkehrs, ich hätte den Zeitreisenden durch irgend etwas gekränkt und er wolle nun nichts mehr von mir wissen.
»Aber er sagt doch etwas von einem unvorhergesehenen schrecklichen Zwischenfall«, widersprach ich erregt.
»Dieser Zwischenfall war eben dein Benehmen«, sagte Laura. »Du —« in diesem Augenblick schlug der Kohärer an.
Ich stürzte zum Apparat und las das Telegramm ab. »Gott sei Dank«, rief ich erfreut, »er kommt!«
»Wer sagt dir denn das?« erwiderte Laura, die bereits den Taster mit abgehört hatte.
»Nun, er telegraphiert doch: Kommet bestimmt heute zehn bis elf in mein Studierzimmer. Sonst alles verloren.«
»Jawohl, Du sollst kommen«, wiederholte Laura hartnäckig, »aber von ihm steht in dem Telegramm nichts.«
»Aber weshalb sollte er mich denn in seine Wohnung bestellen, wenn er nicht da ist? Übrigens: warum ist sonst alles verloren?«
»Das wirst du ja in zwei Stunden erfahren.«
Der Sicherheit halber fand ich mich schon um halb zehn in dem bezeichneten Zimmer ein – diesmal, wo ich keine Eile hatte, boten mir zwei Hansoms ihre Dienste an – und wartete gespannt auf die Dinge, die da kommen würden. Trotz Lauras Einwänden war ich fest überzeugt, daß der Zeitreisende zur angekündigten Zeit mit seiner Maschine eintreffen werde. Die Wohnung war natürlich unverändert; bloß auf dem Schreibtisch fand ich das Lichtbild einer schönen, jungen Dame mit einem Stuartkragen, das ich das letztemal offenbar übersehen hatte, und auf der Rückseite die Worte: »Sie fahren an die fernsten Küsten, aber in ihrer eigenen Seele reisen sie nicht (Lactantius).« Übrigens unwesentlich. Um Viertel elf hörte ich ein surrendes Geräusch auf dem Tische. Ein nebelhaftes Etwas rotierte mit einer rasenden Geschwindigkeit, die die Papiere ins Flattern brachte, verlangsamte sich, wurde deutlicher und blieb schließlich mit einem knackenden Laut stehen. Ich hob es auf: es war die kleine Zeitmaschine.
Sie werden sich erinnern, daß der Zeitreisende, ehe er daran ging, den großen Apparat für seinen eigenen Gebrauch zu bauen, ein kleines Modell anfertigte, das für sich allein in die Zeit reisen konnte. Oder vielmehr zwei: eines sandte er in Gegenwart mehrerer Personen, unter denen auch ich mich befand, zur Probe auf Nimmerwiederkehr in die Zeit (er wußte selber nicht, ob in die Vergangenheit oder in die Zukunft), ein zweites behielt er zurück. Dieses hielt ich jetzt offenbar in der Hand. Ich öffnete das kleine Ding und fand darin einen Zettel. Ich entfaltete ihn: es war ein Brief des Zeitreisenden, seine eigene Handschrift, die mir wohlbekannten, etwas eigensinnigen und schnörkeligen Gelehrtenzüge. Er lebte also noch und war wohl auch noch im Besitz seiner Dispositionsfähigkeit.
Das Schreiben gab mir allerdings wenig Aufschlüsse über seine derzeitige Situation. Es waren nur ein paar hastig hingeworfene Worte; dabei hatte die Schrift etwas Fahriges, Nervöses, und ich konnte aus gewissen Kennzeichen (ich bin ein wenig Graphologe) darauf schließen, daß der Schreiber sich in einem Zustand hochgradiger geistiger oder körperlicher Abspannung befunden haben mußte. Bisweilen war ein ›ist‹ oder ›und‹ ausgelassen: der Brief war zweifellos in Eile oder Verwirrung geschrieben. Er lautete: »Lieber Mr. Transic. Bitte gehen Sie an das zweite Büchergestell links von der Tür, dort stehen auf dem vierten Regal eine Anzahl Jahrgänge der Vierteljahresschrift ›Mind‹. Auf dem Vorsatzblatt des neunten Bandes befindet sich eine mit Bleistift geschriebene Zahlentabelle. Reißen Sie sie heraus und stecken Sie sie in die Zeitmaschine. Ferner werden Sie in meinem Laboratorium in einer grünen Schale ein Quantum Pechblende finden. Auch dieses in die Zeitmaschine. Das Ganze adressieren Sie an den sechsten Dezember 1904. Ich beschwöre Sie, alles genau und prompt auszuführen. Mein ganzes Lebensglück hängt davon ab. Ich werde mich von nun an regelmäßig auf diesem Wege mit Ihnen in Postverbindung setzen.«
Obgleich der Inhalt des Briefes mich keineswegs merklich klüger machte, besorgte ich selbstverständlich alles sofort, wie angegeben, und schickte die Zeitmaschine in den bezeichneten Tag. Die Handhabung ist ungemein einfach. Man muß nur den Zeiger auf den gewünschten Termin einstellen und auf den einen der beiden weißen kleinen Hebel drücken, der mit ›back‹ bezeichnet ist. Ein Surren, eine immer gespenstischer werdende Kreiselbewegung, und das Maschinchen war verschwunden.
Aber was bedeutete das alles? Den Zeitort, an dem der Zeitreisende sich aufhielt, wußte ich nunmehr, aber was hatte er denn zum Henker im Dezember 1904 zu suchen? Noch nachdenklicher als das letztemal das Grammophon sang gerade: »Ach sagen Sie geschwind, sind Sie das schöne Kind, das gestern zur Nacht, es war so um acht, mich hat angelacht« – verließ ich die Villa.
Laura sagte bloß: »Ich habe ja gleich gesagt, daß er nicht selber kommen wird.«
Am nächsten Tag wurde ich schon um fünf Uhr morgens durch den Kohärer geweckt. Das Telegramm meldete nur fünf Worte:
»Unglücklicher, wo bleibt die Maschine?« Ähnliche Mahnungen regnete es nun in der nächsten Zeit zu den verschiedensten Tages- und Nachtzeiten und in den verschiedensten Tonarten: drohend, bittend, anklagend, gebieterisch, zerknirscht, so daß Laura und ich allmählich in eine Art Wahnsinnszustand gerieten. Warum war die Zeitmaschine nicht angekommen? Ich hatte sie sorgfältig adressiert, ein Versehen war ausgeschlossen. Am meisten aber brachte uns zur Verzweiflung, daß wir nicht herausbekommen konnten, wie und wo die Telegramme aufgegeben waren. Ich verbrachte zu diesem Zweck einen ganzen Tag in der Wohnung des Zeitreisenden und beauftragte meine Frau, wenn Telegramme ankämen, die Empfangszeit genau zu notieren. An diesem Tage kamen vier Telegramme an, aber an dem Sender des Zeitreisenden hatte sich nichts gerührt. Nach und nach wurden die Sendungen aber seltener, und schließlich hörten sie ganz auf. Die letzte lautete: »Sie sind ein Rhinozeros.«
Wochen um Wochen waren seitdem vergangen. Wir sprachen noch immer stundenlang von unserem verschollenen Freund, aber bereits ohne Hoffnung. Auch an seinem Hause ging ich noch öfters vorbei, aber nur noch aus einer Art wehmütiger Pietät. Mit traurigen Gedanken betrachtete ich die einsame Villa, in der so viele kühne und originale Entwürfe das Licht der Welt erblickt hatten, alle nun ohnmächtiges Papier, da der einzige, der sie in die Wirklichkeit hätte übersetzen können, auf eine dunkle Reise gegangen war. Eines Abends – es war bereits der sechste Juli – stand ich wiederum in seinem Garten, über die Unvollkommenheit menschlichen Wissens brütend. Es war ein schöner Abend, wie damals, als ich das erste Telegramm erhielt. Wiederum tanzten die Nachtschmetterlinge um die Flamme der Straßenlaterne, am Zaun blühten schon die Heckenrosen, Frösche quakten um die Wette mit dem Grammophon, das den neuesten Schlager sang:
»Ja, so ein Auto, das ist was Feines, was Ungemeines, bald groß, bald kleines.« Da erblickte ich in dem erleuchteten Rahmen des Fensters, das zum Studierzimmer des Zeitreisenden gehört, die Silhouette einer hohen, etwas gebückten Gestalt, die mir, ein wenig matt, mit der Hand zuwinkte. »Sie sind es?« stammelte ich verdutzt. »Ja«, sagte mit müder Stimme Mr. James MacMorton, denn er war es.
Viertes Kapitel
Der Widerstand der Erdzeit
Er sah ein wenig herabgekommen und derangiert aus: bleich, mit tiefliegenden Augen, vernachlässigter Kleidung, gedunsenem Gesicht und rötlicher Nase; und merklich gealtert, so daß ich unwillkürlich denken mußte: vielleicht ist er doch bedeutend länger ausgewesen als zwei Monate. Er bat mich, Platz zu nehmen, und mit ein wenig rauh klingender Stimme sagte er: »Ich bin schon seit ein paar Tagen hier. Aber ich habe mich noch nicht völlig gesammelt. Ich habe viel durchgemacht. Aber das ist ja jetzt vorbei. Die Hauptsache: die Zeitmaschine ist ein Irrtum. Für die Vergangenheit gänzlich unbrauchbar. Aber im streng wissenschaftlichen Sinn eigentlich auch nichts für die Zukunft. Vorbeigelungen. Ein stupides Spielzeug.«
»Aber —« sagte ich.
»Ich werde Ihnen alles erklären. Natürlich hätte ich bei einigem Nachdenken das Ganze im voraus wissen müssen. Übrigens auch Sie. Aber Sie haben wenigstens die Entschuldigung, daß Sie verheiratet sind.«
»Ja aber —«
»Sie werden alles der Reihe nach erfahren. Es strengt mich nur noch etwas an.«
»Möchten Sie nicht ein Glas Portwein nehmen? Sie scheinen sehr abgespannt zu sein.«
Der Zeitreisende winkte heftig ab. »Nein. Keinen Alkohol. Davon habe ich genug abbekommen. Aber eine Pfeife wird mir guttun. Sie gestatten doch, daß ich mir im Erzählen meinen Tabak mische?« Dabei griff er zu einer Tätigkeit, die er immer mit großem Eifer und einer gewissen Wichtigkeit ausübte. Sie bestand darin, daß er etwa ein Dutzend Päckchen verschiedener in- und ausländischer Tabaksorten auf eine sehr gewissenhafte Weise vermischte. Zuerst schüttete er alles zusammen, dann grub und knetete er es mit beiden Händen ineinander, bildete kleine Häufchen, die er ähnlich bearbeitete, und schließlich goß er das Ganze in einen polierten Holzkasten, den er gründlich schüttelte; und diese primitive Beschäftigung schien ihn zu erheitern und zu zerstreuen. Diesmal aber, glaube ich, tat er es aus einem andern Grund, nämlich um eine gewisse Verlegenheit zu verbergen. Es war in sein Wesen etwas Unsicheres und Resigniertes gekommen, das ich früher an ihm nicht gekannt hatte, eine gewisse Gedrücktheit, wie sie Menschen eigen ist, die Blamables oder Kränkendes erlebt haben. Und es war ein sonderbares Schauspiel, wie er da, in die höchst gleichgültige Beschäftigung des Tabakmischens scheinbar angelegentlich vertieft, langsam und tonlos seinen merkwürdigen Bericht begann. Allmählich wurde er aber etwas wärmer, und ich glaube, am Schlusse siegte wieder seine alte Heiterkeit über ihn, jene Heiterkeit, die jedem echten Denker eignet, indem sie ihn lehrt, die Erscheinungen des Lebens von oben zu betrachten.
»Punkt zehn Uhr«, begann er, »natürlich Londoner Zeit, auf die auch meine Maschine abgestellt ist, begab ich mich programmmäßig auf die Reise – oder vielmehr: ich versuchte es. Ich klebte einen Zettel für die Post an die Tür, sperrte als vorsichtiger Mann den Gasmesser ab, begab mich ins Turmzimmer und bestieg den Apparat. Ich schaltete eine mittlere Geschwindigkeit ein und drückte den Hebel für ›Zurück‹ nieder: aber es ereignete sich nicht das geringste. Ich drückte stärker, schließlich, so stark ich konnte, auf die Gefahr hin, eine zu hohe Anfangsgeschwindigkeit zu bekommen und über das Jahr 1840 hinauszuschießen: es rührte sich nichts; der Zeiger des Zifferblatts blieb unbeweglich auf Null. Ich untersuchte die Maschine von oben bis unten in ihren sämtlichen Teilen: es war alles in tadelloser Ordnung. Ich bestieg sie nochmals: sie änderte ihr Verhalten nicht. Ich verwendete den Rest des Tages darauf, alle Formeln noch einmal genau zu überprüfen; aber alles stimmte bis aufs i-Tüpfelchen. Es war klar: irgendein besonderer Umstand, ein prinzipielles Hindernis mußte mir entgangen sein.
In solchen Fällen – es war natürlich nicht das erstemal, daß meine Berechnungen ganz unvermutet durch eine unbekannte Instanz durchkreuzt wurden – pflege ich die Sache zu betrinken. Ich bin nicht der Ansicht der extremen Abstinenzler, daß der Alkohol die menschlichen Geisteskräfte unter allen Umständen brachlegt und schwächt. Wo es auf blitzartiges Erfassen entlegener Zusammenhänge und kühne, bis zur Absurdität neue Kombinationen ankommt – und darauf beruhen ja alle Entdeckungen und Erfindungen —, kann er bisweilen recht gute Dienste leisten. Ich machte mir also einen Grog zurecht, und da es schon Mai war, meinen berühmten ›kalten Grog‹. Das Rezept, nach dein ich dieses vortreffliche Getränk bereite, ist, wie Sie vielleicht schon wissen, ungemein einfach. Ich fülle ein Wasserglas zu einem Drittel mit Eiswasser und ergänze das restliche Volumen mit Jamaikarum: ein äußerst erfrischendes Sommergetränk. Wenn man die Sache komplizierter machen will, kann man noch in jedes Glas zehn Gramm Zucker hineintun; ich halte das aber für eine übertriebene Finesse und außerdem den hundertgrammweisen Genuß von Zucker für unhygienisch. Und nun trank ich langsam und methodisch, indem ich in die Luft starrte und mich bemühte, an gar nichts zu denken. Denn der Geist des Rums arbeitet am besten, wenn man ihn nicht stört.
Ich weiß nicht, beim wievielten Glase ich hielt, als tatsächlich wie ein Blitzschlag die Erleuchtung kam. Ich hatte ganz einfach den Widerstand der Erdzeit übersehen. Wie dieses Hindernis zu besiegen sei, war mir allerdings noch völlig unklar, aber ich war froh genug, wenigstens den Schlüssel des Rätsels in der Hand zu haben; die praktische Lösung der Frage konnte ich ohnehin erst am nächsten Tage mit ausgeruhtem Gehirn in Angriff nehmen. Ich begab mich zu Bette und schlief einen so guten Schlaf, wie man ihn nur nach einem so vorzüglichen Schlummergetränk haben kann.