Kitabı oku: «Pyria», sayfa 13
Das Dorf war ein Schlachtfeld. Einige der Zelte waren in sich zusammengefallen und tote Zhaki lagen im Staub. Sogar ein paar Soldaten schienen ihr Leben gelassen zu haben und zwei Kreaturen, die Gwyn nicht zu benennen vermochte. Schwarze ledrige Haut spannte sich über knochige Flügel und unter dem Oberkörper zeichnete sich eine Wirbelsäule ab. Auch dort spannte sich die schwarze Haut über die Knochen und die Beine waren so dünn, dass Gwyn bezweifelte, dass man tatsächlich noch darauf laufen konnte. Arme hatten die Gestalten keine. Beim Anblick des Gesichts wandte Gwyn hastig den Blick ab. Riesige weiße Glubschaugen starrten milchig ins Nichts und ein von Hautfetzen bedeckter Schnabel ragte dem Ding anstatt von Mund und Nase mitten aus dem Gesicht. Wo auch immer diese Viecher hergekommen sein mochten, sie hatten scheinbar das Dorf verteidigt und die Soldaten getötet. Allerdings wohl nur mehr oder weniger erfolgreich, denn es war kein Zhaki zu sehen. Kein lebendiger zumindest. Einige wenige Soldaten standen Wache zwischen den Häusern und einer beäugte die geflügelte Kreatur mit Faszination und Abscheu zugleich. Eine Mischung, die Gwyn sehr gut nachvollziehen konnte. Nachdem er die wundervollen kleinen Feen kennengelernt hatte, waren diese humanoiden Kreaturen ganz besonders absonderlich. Mit den Krallen an den Füßen konnten sie einen Menschen aufschlitzen, anstatt ihm Ruhe zu bringen wie die kleinen Feen.
Die Fee, die unter Gwyns Hemd saß, zitterte inzwischen. Es musste sie eine Menge Kraft kosten, sich so lange mit ihren winzigen Händchen im Stoff festzuklammern, anstatt ihre Flügel zu benutzen. Sie war ganz schön heldenhaft für so ein kleines Ding. Sie tat, was Gwyn in Om’falo auch hätte tun sollen: Was auch immer getan werden musste, um ihren Freunden zu helfen.
Leider bekam die Kleine noch lange keine Pause, denn der Weg führte weiter. Spätestens als sie nach einem weiteren Marsch durch den Wald mit mehr Soldaten um sich, den Sandstrand wieder erreichten und er das zugegebenermaßen eindrucksvolle Schiff vor der Insel liegen sah, wusste er, wohin sie ihn brachten. Natürlich musste er schon wieder auf ein Schiff. Sein Magen drohte sich umzudrehen bei der Vorstellung, vor allem, als er die Fesseln auf seinem Rücken spürte und die Hand im Nacken, als man ihn in das Beiboot zwang. Er saß in der schaukelnden Nussschale und versuchte verzweifelt, die aufkommende Panik und das damit stärker lodernde Feuer zu unterdrücken. Es gab kein Entkommen und er war nach allem, was passiert war, psychisch nicht auf der Höhe, um ausgerechnet auf einem Schiff eingesperrt zu werden. Nur die Fee war vermutlich erleichtert, dass er endlich saß, und sie auf seinem Bein stehen konnte, um ihre Hände zu entspannen.
Immer wieder wurde Gwyn von einem Zittern durchfahren, sah das Land hinter sich schwinden und wünschte sich jetzt schon zurück. Sein Blick fiel zu dem gigantischen Vulkan und über die saftige Natur und er bedauerte es, dass er sich nicht in der reichhaltigen Unberührtheit verloren hatte. Als das Beiboot gegen das Schiff stieß, war Gwyn bereits so übel, dass er sich über die Reling erbrochen hätte, wenn er nicht ewig nichts gegessen hätte. So konnte er unmöglich eine Leiter hinaufklettern, ganz davon abgesehen, dass er das mit gefesselten Händen ohnehin nicht konnte. Vielleicht sollte er das Schiff in Flammen setzen, solange die Küste noch erreichbar war. Allerdings saßen sie dann mit den ganzen Soldaten auf der Insel fest, denn von dem Handelsschiff, mit dem sie gekommen waren, fehlte jede Spur. Er befürchtete schon, dass sie ihn vielleicht einfach irgendwie hinaufzerren würden, ohne Rücksicht auf seine Knochen oder die Fee, von der sie nichts wussten. Stattdessen verließen alle bis auf einen das Boot über die Leiter und Gwyn saß noch immer da. Etwas neugierig und hauptsächlich mit ziemlich mulmigem Gefühl beobachtete er, wie der letzte Verbleibende von oben Seile auffing und sie am Beiboot befestigte. Er war also nicht nur hier, um Gwyn zu bewachen, was ohnehin unnötig war, weil der Zhaki auf Gedeih und Verderb nicht mit gefesselten Händen ins Wasser gesprungen wäre. Selbst ohne Fesseln hätte er es wahrscheinlich nicht gewagt. Als wasserscheue Person war er kein besonders guter Schwimmer. Trotzdem versprachen Schiffe Unheil, das bewies sich hier nun erneut.
Das Beiboot wurde mit den beiden Männern nach oben gezogen. Gwyn konnte nur hoffen, dass die Taue fest genug waren. Ein kleines Bötchen, das in der Luft schaukelte, war fast noch schlimmer als ein Bötchen, das auf Wellen schaukelte, denn Bötchen waren nicht dafür gedacht, in der Luft zu hängen. Jetzt würgte der Zhaki doch. Es war nichts da, was er hätte erbrechen können, deshalb spuckte er nur einmal über die Reling und bekam einen angewiderten Blick von der Wache zugeworfen. Es war ihm ganz egal, was ein Soldat über seine Seetauglichkeit dachte.
Tatsächlich war er geradezu erleichtert, als man ihn unsanft aus dem Beiboot zerrte und an Deck des Schiffes beförderte. Immerhin war das groß genug, dass es im seichten Wasser vor der Küste nicht so sehr schaukelte und sich der Boden wenigstens einigermaßen stabil anfühlte. Sogar die Fee schaffte es rechtzeitig, sich wieder festzuhalten, und er hätte sich beinahe fassen können, hätte man ihn nicht sofort auf die Luke zugestoßen, die unter Deck führte.
Im Bauch eines Schiffes waren seine Beklemmungen unerträglich. Bei ihrer Überfahrt von Om’falo aus war es nicht ganz so schlimm gewesen, weil er ohnehin nicht klar im Kopf gewesen war und so sehr in sich versunken kaum gemerkt hatte, dass er sich auf einem Schiff befunden hatte. Jetzt war er leider wieder so klar, dass es ihm sehr bewusstwurde, aber noch nicht wieder genug bei sich, um sich dem mit nötiger Beherrschung zu stellen. Angst überrollte ihn und er wollte den Mann, der ihn die Stiege hinabzwang, anflehen, ihn doch lieber an den Mast zu fesseln. Leider wusste er es besser. Er hatte keine Wünsche zu äußern.
Mehrere Decks wurde er hinuntergeschubst und als sie schließlich die Brig erreichten waren Gwyns Knie so weich, dass sie bei jedem Schritt einknickten. Ein belustigtes Schnauben kam von der Wache, die eine Zelltür entriegelte, die Gwyns Selbstbeherrschung überschritt. Wie gelähmt starrte er auf den dunklen Raum jenseits des Gitters und ihm entfuhr ein Wimmern. All die traumatischen Erinnerungen an Schiffe drängten sich in seinen Kopf und machten das Atmen unmöglich.
»Hör auf zu heulen«, blaffte der Soldat ihn an und eine kräftige Ohrfeige brachte Gwyns Wange zum Glühen. Er schnappte nach Luft und spürte jetzt erst selbst die Tränen, die unaufhaltsam seine Wangen hinabrannen. Ehe er sich versah, wurde er kraftvoll in die Zelle gestoßen, stolperte, konnte sich nicht halten und fiel zu Boden. Nur knapp rettete sich die Fee, unsichtbar im Dunkel des Raumes, unter seinem Hemd hervor, bevor sie von seinem Körper zermalmt werden konnte. Das Gitter fiel geräuschvoll ins Schloss und Gwyn hörte sich selbst schluchzen. Mit einem Kopfschütteln verschwand die Wache, ließ ihn allein in der Dunkelheit der Zelle und kümmerte sich nicht darum, dass der gefangene Sklave von einer Panikattacke überrollt wurde.

Lügen
Mit Vica zu streiten war keine gute Idee, das stellte er immer wieder fest. Jedes Mal musste Mico einsehen, dass sie schlichtweg verrückt war. Dass sie ihm die einmalige Gelegenheit, an ein Drachenherz zu kommen, verstellen wollte, ärgerte ihn zutiefst und es fühlte sich an wie ein wahres Sakrileg. Was hätte man alles für wunderbare Magie damit wirken können? Zugegeben würde diese Magie in vielen Fällen sein Können und sein Wissen überschreiten, aber es deshalb einfach zu verschwenden war undenkbar. Und es hätte dem vermaledeiten Drachen nicht einmal mehr geschadet, doch das war der Furie natürlich egal.
Die Blinde kam von hinten angestürmt, erstaunlich sicher im dichten Unterholz. Mico war sicher kein Freund der Natur oder geübt im Leben in der Wildnis, aber wenn eine wildgewordene Naturistin ihn mit einem Stock bewaffnet durchs Unterholz verfolgte, bekam auch er das mit. Was er deshalb nicht bemerkte – und er würde sich schon Minuten später dafür verfluchen –, waren die anderen Bewegungen im Geäst um ihn herum. Er war in den Wald gegangen, weil er nach einem ruhigen Plätzchen hatte suchen wollen, um das Ei zu inspizieren, aber wenn sie ihm nun nachlaufen wollte, würde er sich wohl leider mit ihr auseinandersetzen müssen.
Als sie ihn fast erreicht hatte, hörte er zum ersten Mal ein Geräusch, das wie ein Fluchen klang. Es war kaum mehr als das Wispern des Windes und doch eindeutig genug, um ihn stutzig zu machen. Lauschend hielt er inne, versuchte, sich zu vergewissern, dass er sich wohl geirrt, oder einem sehr seltsamen Vogel beim Niesen zugehört hatte. Leider war Vicas Sturmschritt hinter ihm so laut, dass das Knacken der Äste und das Rascheln der Blätter unter ihren Füßen sich mit dem im Schatten neben ihm vermischte. Wieder glaubte er, etwas zu hören, dieses Mal war es ein leises metallisches Klappern, und er drehte sich zu ihr um.
Vica war schneller, als er erwartet hatte, und obwohl sie ihn noch nicht einmal erreicht hatte, holte sie bereits aus, um ihn zu schlagen. Im gleichen Moment wurde seine Aufmerksamkeit allerdings auch von einer Gestalt auf sich gezogen, die aus dem Schatten zwischen den Bäumen trat und von der Mico als Erstes das Blitzen einer Rüstung sah. »Nicht!«, stieß er hervor, um Vica davon abzuhalten, ihn zu schlagen, aber einen halben Augenblick später hatte der Mann bereits nach dem Ende von Vicas Stock gegriffen. Sichtlich verwirrt fuhr die Blinde zusammen und wollte sich gegen die neue Bedrohung positionieren.
Im selben Moment brach das Chaos über sie herein. Innerhalb weniger Augenblicke waren sie überwältigt. Mico kam gar nicht erst dazu, Energie für einen Zauber zu sammeln, als mehr Männer aus dem Unterholz erschienen und überall in näherer Umgebung Bewegung in Soldaten kam. Sie waren viele. Zu viele, hatten scheinbar das Dorf umstellt und machten sich nun daran, sich aus dem Hinterhalt anzuschleichen, während sie die Chance ergriffen, die sich ihnen bot, um Mico und Vica bereits festzunehmen. Der Magier wurde zu Boden gerungen und auch wenn er sich wehrte, war er weder ein guter Nahkämpfer noch ordentlich positioniert.
Das Gesicht in ein seltsam würzig riechendes Kraut gedrückt lag er am Boden und musste sich dort festhalten lassen. Innerlich verfluchte er Vica, dass sie ihn erst in einen so dummen Streit verwickelt und dann auch noch im entscheidenden Moment abgelenkt hatte. Hätte er doch jetzt nur das Herz gehabt. Nur einen Augenblick hätte er gebraucht, um ihnen zumindest einen gewaltigen Vorteil zu verschaffen, und er hätte ihn auch bekommen, wenn sie nicht so bockig gewesen wäre. Ein bisschen Energie in seinen Fingern hätte schon ausgereicht, um die Magie des verstorbenen Drachen freizulassen und Micos Körperkraft auf die eines Drachen zu heben. Vielleicht wäre ihm sogar wieder eingefallen, welche Veränderung im Magiegeflecht des Herzens gemacht werden musste, um das Drachenfeuer zu kontrollieren. Müßige Überlegungen zweifellos, doch sie führten dazu, dass er sich noch mehr über Vica ärgerte.
Danach verfluchte er sich selbst, weil er zu stolz gewesen war, die Magierrobe abzulegen. Diese Soldaten waren Cecilian und damit würden ihre Vorurteile sicher ausreichen, um ihn in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen. Warum hatte er immer Pech? Tatsächlich hörte er die Männer schon leise reden, über die dunkle Robe und die goldenen Stickereien an den Säumen und Ärmeln. Sie hatten sogar ihre bescheuerten Fesseln dabei. Die hielten die Hände überkreuzt mit den Handflächen aneinander auf dem Rücken zusammen, was schon schmerzhaft genug gewesen wäre, auch ohne die kleinen Metallkappen, die jeden einzelnen Finger an sein Gegenstück der anderen Hand schnürten. Tatsächlich hätte Mico ohne sie nur einen Zeigefinger bewegen müssen, um die Fesseln zu lösen. Davon war er allerdings noch lange nicht frei, sondern nur entfesselt, und für den Nahkampf konnte er nur wenig Hilfreiches zaubern. Einmal hatte er den Brustpanzer eines Soldaten so sehr eindellen lassen, dass der gezwungen war, ihn loszulassen, aber das dauerte einen Moment und erforderte außerdem Konzentration. Ein anderes Mal hatte er seine eigene Haut verstärkt, was ihn später beinahe das Leben gekostet hätte, weil sein Körper die fremde Materie nicht akzeptiert und bekämpft hatte. Kurzum war er ziemlich verloren, wenn er einen Nahkampf austragen musste, in dem er keine Waffe zur Verfügung hatte. Wütend lag er am Boden und sinnierte dennoch darüber, was er alles gerne gezaubert hätte, um diese Männer die Flucht ergreifen zu lassen. Vielleicht hätte es schon gereicht, ihnen Angst zu machen und sich ihren Aberglauben zu Nutze zu machen. In Cecilia wurde noch immer großflächig propagiert, dass Magier böse, verflucht und monströs seien. Das konnte man für sich arbeiten lassen, nur leider waren die meisten Soldaten und Wachen mit genügend Hass gefüttert worden, um sich nicht davon abbringen zu lassen, freie Magier festzunehmen oder zu töten.
Als er schließlich an dem Eisen, das seine Handgelenke zusammenhielt, auf die Füße gerissen wurde, entfuhr ihm ein leiser Schmerzenslaut. Es kümmerte den Ziehenden nicht, dass er Mico damit beide Schultern hätte auskugeln können. Der Magier war gezwungen, äußerst unelegant mit dem Oberkörper der Bewegung zu folgen, um diesem Schicksal zu entgehen. Sein Blick fiel zu Vica, die entweder bewusstlos war oder ein neues Maß an Starrsinn an den Tag legte. Einer der Soldaten hatte sie sich über die Schulter geworfen und sie hing da wie ein nasser Sack. Tatsächlich konnte sich Mico nicht daran erinnern, noch weiteres Gezeter von ihr gehört zu haben. Vielleicht hatten sie sie einfach bewusstlos geschlagen.
Das Dorf lag in Chaos. Die Soldaten hatten einen Überraschungsangriff gestartet und ein friedliches Dörfchen wie dieses war nicht darauf ausgelegt, einem Angriff überhaupt standzuhalten. Männer, Frauen und Kinder liefen wild durcheinander und vor den Soldaten davon, aber es gab keinen Ausweg mehr. Von allen Seiten drängten die Gepanzerten in den Kreis der Behausungen und brachten Chaos. Schreie klangen durch die warme, blütenduftschwere Luft. Mico war schockiert über die Rücksichtslosigkeit der Cecilian. Es war doch eindeutig, dass diese Menschen ihre Prinzessin nicht entführt hatten, und sie hatten dennoch nicht einmal versucht, zivilisiert und freundlich zu verfahren. Koryphelia war nicht hier, wurde nicht versteckt, und selbst wenn es so gewesen wäre, rechtfertigte das nicht dieses Vorgehen. Es zeigte ein weiteres Mal, wie ignorant die Cecilian waren, wenn es um Menschen ging, die anders waren als sie selbst, ob das nun Katara oder andere Völker waren. Das war ihr größtes Problem. Sie fühlten sich überlegen und die Menschen, die an diesem Ort lebten, sahen sie ob ihrer Lebensweise als primitiv und barbarisch an. Zugegebenermaßen hatten ähnliche Gedanken zu Beginn in Micos Kopf Gestalt angenommen, aber er war nun mal unter Cecilian großgeworden und er hatte nicht danach gehandelt. Was er nun sah, widersprach seinem Gerechtigkeitsgefühl so sehr, dass er sich auf die Zunge beißen musste, um nicht zumindest einen bösen Kommentar loszulassen.
Die Soldaten, die Mico und Vica ergriffen hatten, blieben am Eingang des Dorfes stehen und schienen auf etwas zu warten. So hatte Mico zu viel Zeit, um das Bild genau zu betrachten. Er erblickte das Mädchen, das ihnen den Weg ins Dorf und zu ihren Zimmern gezeigt hatte… Kyra… Kary… Katra… irgendetwas in diese Richtung. Er wusste, dass sie eine Elementmagierin war, aber scheinbar hatte sie entweder zu viel Angst oder hielt sich auch jetzt noch an die Regel, dass im Dorf keine Magie ausgeübt werden durfte. An den Rock einer Frau geklammert, die in einem kleinen Grüppchen weiterer verschreckter Zhaki stand, starrte sie den Soldaten mit weit aufgerissenen Augen an, der eine Pike auf sie richtete. Mico schüttelte den Kopf und wandte den Blick ab. Er konnte es sich nicht leisten, dass sie ihn auch noch knebelten und ihm vorwerfen konnten, einen Soldaten angegriffen zu haben. So konnte er nichts tun, als zuzusehen.
Reolet befand sich in der Mitte des Dorfes; seltsam unbeteiligt und bisher auch unbehelligt stand sie zwischen umherstürmenden Menschen und ließ den Blick fast gleichgültig über ihr Dorf schweifen. Sie sah dabei zu, wie die Zhaki zu kleinen Grüppchen zusammengedrängt wurden und die Häuser durchsucht wurden. Ganz sachlich stand sie da und vielleicht war das der Grund, dass sich niemand an sie heranwagte. Nur in großem Abstand standen zwei Soldaten, die Waffen auf die reglose Frau gerichtet, und warteten.
Erst jetzt betraten die Befehlshaber die Szene. Der General, der die Suchmission wohl leitete, warf einen zufriedenen Blick über die zusammengetriebenen Dörfler. Neben ihm schritt ein junger Harethi, den Mico augenblicklich wiedererkannte. Zedian war also tatsächlich von dem Verfolgerschiff aus dem Meer gefischt worden. Wie schade.
In sicherem Abstand zu Reolet blieben die Männer stehen und sofort hing eine ganz neue Form von Anspannung in der Luft. Es wurde still auf dem Platz zwischen den Häusern und für einen Augenblick hätte man eine Nadel zu Boden fallen hören. Dann ergriff die Dorfmutter das Wort. »Willkommen, Reisende«, sagte sie unbeirrt und ignorierte dabei die Tatsache, dass zahllose Soldaten die winzige Bevölkerung ihres Dorfes bedrohten. »Mein Name ist Reolet. Ich bin die Mutter dieses Dorfes.« Das war eindeutig die gleiche Begrüßung, mit der sie auch Mico und die anderen begrüßt hatte.
Zedian erwiderte ihren Blick mit einem erstaunlich charmanten Lächeln. Technisch gesehen gehörte diese Insel aktuell zum Reich seines Vaters und so hoffte er vielleicht, dass sie seine Befehlsgewalt anerkannte. Mico fürchtete das allerdings auch. Diese Frau war ihm noch immer unheimlich und auch das Dorf hatte nicht aufgehört, sich seltsam anzufühlen. Schon bevor gepanzerte Soldaten es bedroht hatten. »Sicher wisst Ihr bereits, nach wem wir suchen«, sprach der Prinz auf Cizethi.
»Es sieht aus, als hättet Ihr bereits jemanden gefunden«, merkte Reolet an und ihr Blick legte sich auf Mico und Vica. Letztere war inzwischen auf den Boden gesetzt worden. Sie war bei Bewusstsein, aber schien so benommen, dass es zum Stehen nicht reichte.
Zedian ignorierte diese Aussage. »Sind dies Eure einzigen Gäste in den letzten Tagen?«, fragte er und musterte die Frau forschend. Er hatte Mico kaum eines Blickes gewürdigt und die richtigen Fragen gestellt. Es war zumindest nicht so einfach, darauf unverdächtige Antworten zu geben.
»Nein«, antwortete Reolet ruhig und Mico dachte an Gina und Gwyn, die sich irgendwo auf der Insel rumtrieben. Gwyn war vermutlich noch immer in seinem Zimmer und es würde nur noch einen Augenblick dauern, bevor sie ihn aus dem Gästehaus zerrten. Dass Gina nicht längst hier war und auf die Angreifer einschlug, war nur damit zu erklären, dass sie noch nichts von dem Angriff mitbekommen hatte. In dem Zuge fragte sich Mico auch, weshalb sie so dumm gewesen waren, keine Wache aufzustellen. Irgendwie hatte er sich darauf verlassen, dass die Inselbewohner einen Ausguck hatten oder dass Vica ihre seltsamen Fähigkeiten nutzen würde. Selbst war er nicht auf die Idee gekommen, Wache zu stehen. Cail hatte schließlich auch nichts davon gesagt. Und du kannst natürlich nicht allein denken, schalt ihn eine innere Stimme.
»Wo sind die anderen?« Der Prinz gab sich größte Mühe, seine Ungeduld hinter Freundlichkeit zu verstecken. Der General trat schon seit sie angekommen waren unruhig von einem Fuß auf den anderen und musterte den Wald. Man konnte dem Mann ansehen, dass er sich unwohl fühlte. Vielleicht spürte auch er die Absonderlichkeit dieses Ortes.
»Nun, wenn sie nicht im Gästehaus sind, vermag ich das nicht zu sagen.« Wie auf Kommando traten zwei Soldaten aus dem Gästehaus. Ohne Gwyn. Dafür hielt jemand an zwei Fingern einen kleinen Drachen am Schwanz. Die Leiche der kleinen Kreatur baumelte hin und her und Mico dachte unwillkürlich daran, was das Drachenherz in den falschen Händen anrichten konnte. Soweit er wusste, nahm der König stets einen Magier mit auf Reisen. Was, wenn er diesen Magier auch seiner Tochter hinterhergeschickt hatte? Mico konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen, aber es war nicht ausgeschlossen, dass es eine Möglichkeit gab, die Schritte nachzuempfinden, die die Prinzessin auf dieser Insel getan hatte. Es musste wahrlich ein starker Zauber sein, aber ein Drachenherz befähigte möglicherweise zu solchen Zaubern. Nun wurde er richtig unruhig. Wenn doch nur Gwyn hier gewesen wäre, der den Drachen auf Entfernung hätte feuerbestatten können. Besser ein zerstörtes Drachenherz als ein Drachenherz in den falschen Händen. Er war sich zwar nicht sicher, ob ein Drache brannte, doch einen Versuch war es sicherlich wert.
Wieder war es einen Moment still, dann trat einer der beiden Soldaten, ein rothaariger Kerl Mitte zwanzig, an seinen Befehlshaber heran. Er fühlte sich deutlich unwohl in seiner Haut, weil die Aufmerksamkeit ganz auf ihm hing, aber er überwand sich. Mit angemessener Haltung zwang er sich, Bericht zu erstatten über etwas, was man bereits von hier mit bloßem Auge sehen konnte. »Keine Spur von der Prinzessin oder dem Dämon, Sir«, berichtete der Mann.
Ein zweiter stürzte herbei, bevor der General oder der Prinz etwas darauf erwidern konnten. Er kam um die Ecke des Gästehauses gestolpert und kam schwitzend neben seinem Kameraden zum Stehen. »Wir haben eine Spur gefunden, Sir«, keuchte der Mann, dem das Rennen in seiner Panzerung wohl recht schwergefallen war. »Vielleicht ist es ihrer Hoheit gelungen zu entkommen.«
»Wohl kaum«, meinte Zedian, der sich vielleicht daran erinnerte, dass Koryphelia ihm erklärt hatte, sie sei freiwillig bei ihnen. Ob er ihr nun geglaubt hatte oder der Meinung war, dass sie log, um sich zu schützen, war in dieser Hinsicht egal, denn beides hätte nicht gerechtfertigt, auf einer Insel ohne Fluchtweg fortzulaufen. Wieder wandte der Prinz sich an Reolet. »War die Prinzessin Koryphelia hier?«, wollte er nun wissen.
»Werte Besucher.« Reolet sprach nun mit einem leicht schnippischen Unterton. »Ich kann versichern, dass sich keine Prinzessin auf dieser Insel befindet. Wenn das alles ist, womit wir behilflich sein können, muss ich darauf bestehen, dass die Besucher nun gehen.«
Zedian ließ den Blick über das Dorf schweifen, sah die verängstigten und gefangenen Zhaki und die Soldaten, die sie bedrohten. »Vielleicht wäre es tatsächlich das Beste, wenn wir vorerst zum Schiff zurückkehrten«, lenkte er dann ein und Mico hob die Augenbrauen. Er war nicht der Einzige.
»Liègi, bei allem Respekt, sollten wir nicht lieber jeden noch so kleinen Winkel dieser Insel durchsuchen? Irgendwo hier muss Prinzessin Koryphelia schließlich sein.« Immerhin nahm der Mann seine Aufgabe ernst. Es war das einzig Positive, was Mico in dieser Aussage sehen konnte. Wenn sie suchen würden, würden sie finden. Vielleicht nicht Koryphelia, aber mit Sicherheit Gwyn und Gina und vielleicht sogar das Tor zur Unterwelt.
»Muss sie das?«, erwiderte Zedian und drehte sich zu dem General um. »Es lag kein Schiff vor der Insel. Diese beiden könnten eine Ablenkung sein, um uns möglichst lange hier zu halten.« Ein kurzer Blick flog zu Mico und Vica und der Prinz musterte sie prüfend. Mico fragte sich, ob der Prinz Cails Worten vielleicht doch Glauben geschenkt hatte und versuchte, ihnen in die Karten zu spielen. Auszuschließen war es nicht.
»Sie könnte in jedem Fall hier sein.« Der General ließ nun eindeutig Abfälligkeit mitklingen und ignorierte den Titel seines Gegenübers dieses Mal. Vorurteile machten eben auch vor Prinzen nicht Halt. Außerdem hätte Mico es an der Stelle des Generals auch nicht gutheißen können, das Kommando an einen eigentlich feindlichen Prinzen zu übergeben. Wer konnte schon ahnen, ob der Harethi gute Absichten hatte. Niemand konnte sagen, wie seine Gesinnung nun aussah. Bei den vielen seltsamen Bräuchen, die die Harethi hatten, wäre es kein Wunder, wenn auch der Prinz einen Knoten in der Wolle hatte. »Durchkämmt jeden Meter dieser Insel!«, rief er seinen Männern laut zu.
»Ich fürchte, das kann ich nicht erlauben«, mischte sich Reolet erneut ein und sah die beiden Männer strafend an, als sei sie die Ranghöchste hier. »Viele Teile dieser Insel sind geheiligte Orte und müssen unberührt bleiben.«
Der General drehte ihr überrascht das Gesicht zu und machte dann einen Schritt auf sie zu. Seine porige Haut verzog sich sehr unansehnlich zu einer wütenden Grimasse. Er trat direkt vor Reolet und stieß ihr einen Finger vor die Brust. »Wen oder was ich hier unberührt lasse, wird mir keine wilde Hure vorschreiben, verstanden?« Das klang so eindeutig doppeldeutig, dass Mico gerne auf den Boden gespuckt hätte, weil sich ein bitterer Geschmack in seinem Mund sammelte. Plötzlich schämte er sich, nach den gleichen kulturellen Standards erzogen worden zu sein wie dieser Mann. Vor allem als der auch noch Lacher hinter sich hatte. Wären doch nur seine Finger nicht aneinandergebunden. Dann hätte er zumindest eine Faust ballen können, um sich zurückzuhalten. Er war in einer schrecklich schlechten Ausgangssituation, um sich für ein fremdes Volk einzusetzen.
Reolet dagegen blieb ruhig, erwiderte den Blick mit provozierender Freundlichkeit und stellte sich dem General entgegen. »Ich bitte noch einmal darum, dass Ihr geht, Eure Männer mitnehmt und meine Kinder in Ruhe lasst.« Äußerst pragmatisch formulierte sie ihre Bitte, aber es klang trotzdem wie eine Drohung.
Ein spöttisches Lachen entrang sich dem General und Mico verwarf den Gedanken, dass dieser Mann das Gefühl teilen könnte, das er hier hatte. »Sonst was, Weib?«, fragte er provozierend. »Drohst du mir mit einem Angriff?«
Zedian war nun derjenige, der unruhig wurde. »Wir sollten gehen«, betonte er nochmal und Mico konnte ihm die Anspannung ansehen. »Jetzt.« Warum hatte er es plötzlich so eilig? Fürchtete er sich gar vor einer direkten Auseinandersetzung mit Reolet und den Zhaki? Das machte ihn fast sympathisch, denn irgendetwas an diesen Leuten war schließlich zum Fürchten.
»Ich werde mich gezwungen sehen, mein Dorf und die Heiligtümer dieser Insel zu verteidigen, wenn ihnen Gefahr droht. Es gibt hier nichts für euch zu finden, also habt Ihr hier nichts zu suchen. Geht.« Das letzte Wort zischte sie ihm mit Nachdruck entgegen und die Wachsartigkeit ihres Gesichts begann sich zu kräuseln. Es war ein furchterregender Anblick, obwohl es ganz normale Mimik hätte sein sollen.
Das schien auch der General zu bemerken. Automatisch wich er einen kleinen Schritt zurück und musterte die Frau vor sich mit neuer Abscheu. »Du!« Wut und Angst mischten sich und Mico konnte nicht ganz sagen, was stärker war. »Du wagst es…« Um seine Autorität und Haltung ringend begann der Mann zu schnauben.
»General Howes, wir gehen«, bestimmte Zedian und machte bereits einige Schritte auf den Wald zu. Selten hatte der Prinz eine bessere Idee gehabt. Mico wollte ebenfalls zurückweichen, stieß aber gegen den Soldaten, der noch immer hinter ihm stand und stocksteif auf die Szenerie vor sich blickte.
Zu Recht. Die Menschlichkeit Reolets schmolz von ihren Zügen. Die gebräunte Haut färbte sich schwarz, wurde faltig und ledrig und ihre ganze Statur veränderte sich. Mit einem Kreischen stieß sie auf den General zu, doch als ihre Hände ihn trafen, waren keine Finger mehr an den Armen. Flügel mit langen schwarzen Krallen an den Enden hatten sich aus den Armen gewandelt und die Kleider fielen von der Frau ab. Von ihrer übermenschlichen Schönheit war nichts mehr zu sehen, als ihr ein Schnabel aus dem Gesicht spross. Sie hackte damit auf das Gesicht des Generals ein, bohrte die Krallen in seine Schultern und riss ihn mit sich zu Boden.
Einen schauderhaften Augenblick lang hielten alle Menschen inne. Fünf weitere der Zhaki verwandelten sich in ähnliche monströse Geschöpfe. Wie konnte etwas derartig Grausiges geheiligte Orte beschützen wollen? Wie viel an dieser Insel war bloß Trug? Mit einem Moment Verspätung setzte der Kampf ein. Das Chaos war noch vollkommener als vor dem Gespräch und dieses Mal gab es auf beiden Seiten Verluste. Soldaten stachen auf Zhaki ein, ohne jedes Gefühl dafür, wer ein Monster in sich hatte und wer nicht. Kinder gingen zu Boden, Alte folgten. Schreie erfüllten die friedlich warme Luft und der Blütenduft schmeckte plötzlich irreführend und schwer. Die schwarzen Kreaturen segelten über ihren Köpfen und dann rannte Mico. Vielmehr … er wurde gerannt, denn der Soldat, der ihn bewachen sollte, zerrte ihn einfach mit, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie Mico die anatomische Höchstleistung verbringen sollte, rückwärts, mit gefesselten Händen und im normalen Tempo eines flüchtenden Mannes durchs dichte Unterholz zu rennen. Wieder und wieder jagte ihm gellender Schmerz durch die Schultern, wenn er stolperte, zu fallen drohte oder den Halt verlor. Irgendwie schaffte er schließlich aus reiner Not heraus, sich umzudrehen und stattdessen gebückt neben dem Soldaten zu laufen. Mehr Männer waren um ihn herum und einer hatte Vica geschultert. Die Schreie klangen noch lange hinter ihnen und sie hatten schon fast den Strand erreicht, als endlich kaum noch etwas zu hören war. Keuchend und japsend kamen die Männer im weißen Sand an und stürzten zu den Booten.
Auch der Prinz war hier. Er warf einen skeptischen Blick zurück und setzte sich dann ebenfalls in eines der langen Beiboote, die sie zum Schiff bringen würden. Mico, der noch immer nicht losgelassen worden war, fragte sich, wie ihm vielleicht die Flucht gelingen konnte. Auf keinen Fall durfte er als gefangener Magier nach Cecilia zurückgebracht werden. Die Folgen würden irgendwo zwischen Hinrichtung und der Akademie liegen und nichts davon wollte er. Ja, er musste zurück nach Cecilia, um Lia zu finden, aber er konnte nicht jetzt gehen. Nicht mit diesen Menschen und nicht so lange Cail und die Prinzessin noch in der Unterwelt waren. Hoffentlich würden die Soldaten davon absehen, die gesamte Insel zu durchkämmen.
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