Kitabı oku: «Pyria», sayfa 5
Vica bleckte die Zähne wie ein wütendes Tier und schloss die blinden Augen. Ganz ruhig stand sie da, eine konzentrierte Miene aufgesetzt, und kaum einen Moment später sprang eine Wildkatze aus dem Unterholz. Die Prinzessin schrie auf, stolperte zurück und wollte weglaufen. Auch Rish wich spontan zurück. Beide Mädchen wurden von Gwyn aufgehalten. Er sagte nichts, sah keine von beiden an und ließ sie sofort wieder los. Wie eine Marionette stand er da und nur kurz schienen seine Reflexe seine Melancholie durchbrochen zu haben.
Die Wildkatze warf Gina zu Boden, was auf dem dicht bewachsenen Grund kaum möglich war. Sie war ein rot-schwarz geschecktes Biest in der Größe eines Hausschweins. Krallen schlugen nach Ginas Gesicht, aber die Faust konnte kämpfen. Viel schneller als die Zuschauer überwand sie ihren Schreck und drehte sich elegant zurück auf die Beine. Als sei sie selbst eine Katze, war sie plötzlich leichtfüßig in der unwegsamen Umgebung und ein Fuß landete mitten auf der Nase der Katze.
Vicas Gesicht verzog sich zu einer wütenden Fratze und kurz blitzte auch ein Eindruck von Schmerz darüber, als sie mit dem Tier fühlte. Mico, der keine von beiden erreichen konnte, fragte sich, ob er irgendetwas Hilfreiches zaubern konnte, aber spontan fiel ihm nur eine ganze Reihe sehr unproduktiver Dinge ein. »Lasst den Mist!«, fuhr er sie beide an, während das Fauchen der Katze und das Gerangel den ganzen Urwald im Umkreis von vielen Kilometern auf sie aufmerksam machte. Nur weil es friedlich wirkte, musste es noch lange nicht ungefährlich sein!
Es war nicht weiter überraschend, dass keiner von beiden auf ihn hörte. Es wurde sogar noch schlimmer, als Gina ihre Nähe zu Vica ausnutzte, um ihr die Beine wegzuziehen, sodass sie hintenüberfiel. Da sie noch immer den Drachen hielt, der eigentlich aussah, als wäre er schon tot, konnte sie sich nicht auffangen, und ein Wutschrei durchriss den Wald.
Hätte er nicht so viel Angst gehabt, von der Katze attackiert zu werden, die vermutlich zum echten Angriff ansetzen würde, wenn Vica aufhörte, sie zu missbrauchen, wäre Mico dazwischen gegangen. So stand er noch immer am Rande des Kampfes und ärgerte sich. Hilfesuchend wollte er sich zu Cail drehen, aber der Schatten war verschwunden. Niemand außer ihm schien das bemerkt zu haben, zu sehr entlud sich die Spannung der letzten Tage in diesem Moment, während Gwyn, Rish und Koryphelia nur dastanden wie verängstigte – oder in Gwyns Fall abwesende – Statuen und Mico sich fragte, was er tun konnte. »Habt ihr den Verstand verloren?«, fuhr er die beiden Mädchen nochmal an, aber sie ignorierten ihn.
Er hob gerade die rechte Hand, um irgendein Energiefeld zu erschaffen, um sie zu trennen, als die Faust plötzlich unelegant mit den Armen ruderte und die Katze ins Unterholz flüchtete. Die Füße der Rothaarigen waren fast bis zu den Knien mit dem Boden verwachsen. Erde schloss sich wie ein Paar Stiefel darum und hatte sie mitten in der Bewegung arretiert. Auch Vica schien vom Boden gefangen und fast panisch warf Mico einen Blick nach unten. Steckten sie in einer Art Treibsand? Nein, seine Füße standen nur zwischen ein paar Pflanzen, die nicht besonders angriffslustig wirkten. Hier war Magie am Werk. Hastig drehte er sich um und suchte nach einer möglichen Ursache. Da der Kampf nun erloschen war und beide Frauen zu überrascht waren, um sich weiter anzukeifen, war es auf einmal gespenstisch still um sie herum.
»Ni feideri leat agorni aseo.« Die Stimme war freundlich und jung und das Mädchen, zu dem sie gehörte, konnte kaum älter als zwölf sein. Scheu lugte sie hinter einem Baum hervor, die Augen groß und ängstlich vor der Situation und den Fremden. Die dunklen Haare hatte ihr jemand zu vielen kleinen Zöpfen geflochten und das weiße Gewand, das sie trug, war an einigen Stellen mit kleinen roten Blüten verziert. Sie passte hierher. Ein wundersames Mädchen an einem wundersamen Ort. Die Sprache, die sie gesprochen hatte, erkannte Mico noch gerade als Silou. Die Tatsache, dass sechs Fremde sie perplex anstarrten, schien sie noch etwas unsicherer zu machen und sie verkroch sich etwas weiter hinter ihrem Baum. »A bufli tu?«, hauchte sie und Mico befürchtete, dass sie jeden Moment die Flucht ergreifen würde.
»Was sagt sie?«, fragte er Gwyn so ruhig, wie er konnte, um nicht bedrohlich oder angriffslustig zu klingen. Leider wahr Cizethi eine harte Sprache und klang eher nach scharfkantigen Steinen als nach weichem Sandstrand. Silou war definitiv die sanfteste der drei Sprachen. Hack glich immer dem Singsang eines aufgescheuchten Bienenschwarms.
Gwyns Blick zuckte zu Mico, als er angesprochen wurde, und er schluckte, bevor er sich zum Sprechen zwang. »Dass wir hier nicht streiten dürfen und wer wir sind«, antwortete er und nuschelte noch etwas, von dem Mico verstärkt hoffte, dass es keine höfliche Anrede war. Wenn er anfing, ihn Herr zu nennen, würde er etwas zerschlagen müssen.
»Gut, sag ihr, dass wir nichts Böses wollen und … sag ihr irgendwas, was sie beruhigt«, etwas hilflos sah er wieder zu dem Mädchen und versuchte ein Lächeln. Er war nicht gut mit Kindern. Ganz sicher nicht mit Kindern, die seine Sprache nicht verstanden.
»Sag ihr, dass sie mich ausgraben soll«, verlangte Gina, die ihre erfolglosen Versuche, die Erde abzuschlagen, beendete und die Arme vor der Brust verschränkte. Sie warf dem Mädchen einen so wütenden Blick zu, dass Mico schon Angst hatte, sie könnte das Kind vertreiben.
Man konnte zusehen, wie Gwyn sich zusammenriss. Er tauschte ein paar Worte mit dem Mädchen. Seine Stimme klang belegt und rauer als sonst. Man merkte ihm an, dass er länger nicht gesprochen hatte und auch, dass sich etwas geändert hatte in ihm. Er klang nicht mehr wie Gwyn und sie alle merkten es. Offenbar schaffte er es aber noch immer, einigermaßen vertrauenserweckend zu sein, denn nach einigen Wortwechseln schrumpfte der Boden zurück und gab Vicas und Ginas Füße frei. Äußerst umständlich kam die Blinde wieder hoch. Dabei verfehlte ihr Kopf einen Ast nur um Haaresbreite.
Plötzlich drehte die Fremde sich um und entfernte sich. »He!«, entfuhr es Mico. »Was ist?« Alarmiert sah er zu Gwyn. Er hasste es, die anderen Sprachen nicht zu verstehen. Wohin lief sie? Warum ging sie? War das gut? War das schlecht? Es war zum Verrücktwerden.
»Sie sagt, wir sollen ihr folgen«, murmelte Gwyn und sah wieder auf den Boden, als seien die Ranken interessanter als die Gesichter seiner Mitreisenden.
Seufzend zuckte Mico mit den Schultern. Was sollten sie sonst machen? Wo auch immer sie sie hinführen würde, wären sie vermutlich besser aufgehoben, als hier herumzustehen. Cail war verschwunden. Er würde sie schon wiederfinden, wenn er wollte. Wenn nicht, war es Mico langsam egal, zumindest sagte er sich das so. Er war sich jedenfalls sicher, dass er kein Interesse daran hatte, durch diesen Urwald zu rennen und nach einem Schatten zu suchen, der sie an nichts teilhaben ließ.
Dem Mädchen durch das Unterholz zu folgen, war fast ebenso unmöglich, wie Cail zu folgen. Besonders für die Prinzessin musste das alles hier eine Tortur sein. Sie gehörte hier noch viel weniger zwischen die Büsche und Palmen als die Bienen. Vica ließ sich inzwischen sehr unwillig von Rish führen und Gina hielt absichtlich Abstand von der Gruppe. Mico verstand noch immer nicht genau, warum sie unbedingt hatte mitkommen wollen, was sie dazu bewegt hatte, Cail zu folgen, obwohl ihre eigenen Leute doch den Heimweg angetreten hatten. Vielleicht wollte sie nichts verpassen, vielleicht wollte sie nicht zum schwarzen Fürsten zurückkehren, ohne ihren Auftrag erfüllt zu haben. Vielleicht hoffte sie auch, dass Machairi sie geradewegs zu dem Orakel führen würde und sie zwei Bienen mit einer Faust schlagen konnte. Dass sie mit Vica aneinandergeraten würde, war abzusehen gewesen. Die beiden waren sich auf unangenehme Weise ähnlich, aber nicht ähnlich genug, um sich zu verstehen. Es fiel ihm schwer das zuzugeben, aber er vermisste Gwyn. Der Zhaki hatte stets das Talent gehabt, die Spannungen in der Gruppe deutlich aufzulockern, und irgendwie war es angenehm gewesen zu wissen, dass es wenigstens eine Person gab, die einigermaßen bei Verstand war.
Mico war auf der Hut, während sie sich quälend langsam durch die saftige und summende Natur der Insel schlugen. An manchen Stellen hing ein leichter Glitzer in der Luft, der mehr war als reiner Staub, und das Summen und Schwirren, das gerade in der Nähe der Blumen fast wie eine Melodie klang, war geradezu betäubend. Hier musste man auf seine Sinne aufpassen, um sich nicht benebeln zu lassen von der wundervollen Andersartigkeit dieses Ortes. Om’falo war zwar wundersam, aber für seinen Geschmack viel zu laut, viel zu dreckig und viel zu voll gewesen – fast so schlimm wie der Bienenstock. Hier war es schön. Zu schön.
Das Dorf tauchte so plötzlich auf, dass Mico es trotz seiner gespannten Beobachtung der Umgebung erst bemerkte, als sie mitten zwischen den Hütten standen. Gewaltige Bäume erhoben sich zu allen Seiten und Häuser standen zwischen ihnen und auf ihnen. Zelte, kleine Hütten, große Hütten, Steinbauten und Holzbauten, Pavillons und Baumhäuser, ja sogar Höhlen bildeten dieses Dorf. Alles war ins warme Licht der Sonne getaucht, das auf die Lichtung fiel, und ein Bachlauf glitzerte in der Nähe. Exotische Vögel glitten von Baum zu Baum und gemütliche Feuerstellen waren hier und da zwischen den Behausungen eingerichtet.
Die Menschen, die zwischen alldem umherliefen, trugen die gleichen weiten Seidengewänder wie auch das Mädchen. Manche waren mit echten Blumen verziert, andere wurden nur von einer Kordel gehalten. Überhaupt gab es hier viel zu viele Blumen. Am Wegesrand, auf den Bäumen, auf den Kleidern, auf den Häusern, ja sogar auf Tellern und Werkbänken lagen sie. Das Leben schien sich draußen abzuspielen. Werkstätten waren unter freiem Himmel errichtet und man konnte Schreinern, Webern und Gerbern, sogar einem Schmied direkt bei der Arbeit zusehen. Es war, Mico musste es zugeben, wirklich eindrucksvoll. Die größte Besonderheit war allerdings, dass sämtliche Bewohner Zhaki waren. Nicht ein einziger Harethi stach mit seiner dunklen Haut hervor und auch kein blonder Schopf eines Cecilian war zu sehen. Das war eigenartig. Hieß es nicht, dass die letzten reinen Zhakidörfer schon vor hunderten Jahren aufgelöst worden waren? Das einst wandernde Volk hatte nie viel von Siedlungen gehalten und wenn sie doch sesshaft geworden waren, hatten sie sich einfach zu den Menschen gesellt, die sich schon ein Leben aufgebaut hatten.
Nichts an diesem Ort wollte zusammenpassen und doch schien alles eine seltsame Einheit zu bilden. Aufwendige mehrstöckige Holzhäuser standen direkt neben einfachen Zelten und doch machte das Dorf nicht den Eindruck einer starken Hierarchie. Mit offenen Mündern standen die Bienen und die Prinzessin zwischen all diesen Bauten und sahen sich um. Selbst Vica hatte innegehalten, obwohl ihre Augen den Zauber um sie herum nicht erfassen konnten. Wäre sie etwas angenehmer als Person gewesen, hätte sie einem in solchen Momenten gar leidtun können.
»Gehobait de an manathai«, sagte das Mädchen und lief in eines der Zelte hinein. Mico sah automatisch zu Gwyn, der nur nickte und die Stirn gerunzelt hatte. Immerhin sah auch er sich um und vielleicht, nur vielleicht, war ein wenig Trübsal von ihm abgefallen. In einem Dorf voller Zhaki fühlte er sich sicher wohler und da das Mädchen, so wie es den Kampf zwischen Vica und der Faust unterbrochen hatte, eindeutig eine Elementmagierin war, konnte man hoffen, dass er hier zu sich zurückfinden würde. Ein so friedlicher Ort mochte auf eine empfängliche Seele Wunder wirken.
Mico spürte die Götter an diesem Ort. Es war ein seltsames Gefühl. Sie waren natürlich allgegenwärtig, besonders für magiebegabte Menschen, aber hier war das Gefühl besonders stark. Wie ein Flimmern lag es in der Luft, ließ es in den Ohren klingen und in der Brust vibrieren. So viel Licht umgab sie und die ganzen Wunder dieses Ortes waren sicher kein Zufall. Doch viel Licht bedeutete auch, dass es nicht weit von hier viel Dunkelheit gab. Gleichgewicht war überall in der Natur und er glaubte sogar zu fühlen, wie eine unsichtbare Spannung herrschte. Wieso befürchtete er, dass sie für die Dunkelheit gekommen waren, statt um das Licht zu genießen?
Das Mädchen kam zurück und sie war nicht allein. Eine Frau trat zu ihnen. Die untere Hälfte ihres zarten Gewandes war von einem leichten Rosa. Eine braune Kordel hielt es als Gürtel an der Taille zusammen und ein Teil ihres braunen Haares war mit zahllosen Blüten zu einer Art Krone geflochten, während sich der Rest in leichten Wellen über ihre Schultern ergoss. Sie war vielleicht Ende dreißig und von so unnatürlicher Schönheit, dass Mico spontan die Flucht ergreifen wollte. Mit jeder Sekunde hatte er mehr das Gefühl, dass er nicht hierhergehörte.
»Willkommen, Reisende«, sagte sie huldvoll und in einwandfreiem Cizethi. Lächelnd musterte sie die Fremden einen nach dem anderen und schien sich besonders über Gwyns Anblick zu freuen. »Mein Name ist Reolet. Ich bin die Mutter dieses Dorfes.« Mit einer fließenden Bewegung deutete sie in die Runde der Hütten. Angesicht ihres Alters und aus purer Hoffnung, dass es nichts anderes war, ging Mico davon aus, dass es sich mehr um einen Titel als um eine wörtliche Tatsache handelte. Etwas an ihr war seltsam. Wie alles hier wirkte sie unwirklich und befremdlich. Ihre Freundlichkeit wirkte aufgesetzt und er glaubte, dahinter einen Blick voller Skepsis und vielleicht sogar Abneigung zu sehen. Vielleicht war er allerdings auch zu sehr mit Abneigung vertraut, um irgendetwas anderes zu erwarten.
Keiner von ihnen konnte sich so recht zu einer Antwort durchringen. Selbst Gina und Vica, die sich sonst beide kaum zurückhalten konnten, schienen nichts zu sagen zu haben. Der Blick, den die Faust der Frau zuwarf, war allerdings so tief von Argwohn gezeichnet, dass sie eigentlich nichts mehr sagen musste, um ihr Misstrauen zum Ausdruck zu bringen. Man merkte den Bienen doch an, dass sie sich selten in freundlichen Konversationen versuchten. Einzig die Prinzessin nickte freundlich. Mico seufzte. »Vielen Dank, Reolet«, sagte er und versuchte dabei ihren Namen ebenso zu betonen, wie sie es getan hatte. »Wir sind … nun … wir sind …« Ja, was genau waren sie eigentlich? Sie waren keine Freunde oder auch nur Kollegen. Sie wussten nicht, weshalb sie hier waren, und kaum, wo sie hinwollten. Es wollte ihm nichts einfallen, was er hätte sagen können. »Wir haben uns im Wald verloren«, sagte er schließlich. Sie hatten Machairi verloren, den Weg verloren, teilweise scheinbar den Verstand verloren und ihr Ziel verloren. Es schien ihm die beste Beschreibung zu sein.
Gina schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust, während sie die Locken nach hinten schüttelte. Es reichte noch immer nicht für einen Kommentar, aber sie war offenbar schon wieder kurz davor. Reolet ließ sich davon nicht beeindrucken. »Dann ist es ein wahres Glück, das Katyre euch gefunden hat, bevor ihr noch mehr verloren gehen konntet.« Sie warf einen liebevollen Blick auf das Mädchen, das einen halben Schritt hinter ihr stand und die Fremden noch immer neugierig musterte. Ihre Scheu war verständlich und ein Zeichen von Intelligenz.
Mico zwang sich zu einem Lächeln und nickte. »Wahrlich«, antwortete er so verbindlich, wie er konnte, und wollte am liebsten gehen. Etwas stimmte hier nicht. Dieser Ort brummte vor Magie und doch, oder vielleicht gerade deswegen, fühlte er sich unwohl.
Reolets dunkle Augen musterten ihn wissend und er fühlte sich fast bedroht, obwohl sie lächelte. Es jagte ihm einen eisigen Schauer über den Rücken, ein Effekt, den sonst nur Machairi hervorrief. »Bizarr, so verloren könnt ihr doch nicht gewesen sein, wenn ihr so zuverlässig hergefunden habt.« Hatte sie nicht eben selbst noch gesagt, dass das Mädchen mit dem seltsamen Namen sie gefunden hatte? Warum hatte er das Gefühl, dass sie eigentlich etwas ganz anderes sagen wollte? »Kommt«, fügte sie dann nach einem weiteren Moment, in dem sie ihn nur bohrend musterte, hinzu und drehte sich um. Mico schielte nach links und rechts. Fand noch jemand, dass irgendetwas komisch war? Es war schwer zu sagen. Schweigend und mürrisch folgten sie der Frau in das Zelt, aus dem sie gekommen war. Sie schob die Zeltplane zur Seite und hielt sie fest, während ihre Gäste sich einer nach dem anderen in das Zelt schoben. Tatsächlich waren sie inzwischen eine große Gruppe, das wurde spätestens jetzt deutlich, weil das Zelt unangenehm voll wurde, obwohl es recht geräumig war. Als Gwyn eintrat, schmunzelte Reolet wieder. »Du hättest erwähnen sollen, dass du einen so außergewöhnlichen Jungen bei dir hast. Ich wäre wesentlich leichter zu überzeugen gewesen.«
Gwyn fuhr zusammen, als er verstand, dass es um ihn ging, und zog den Kopf ein, als schwarze Augen ihn trafen und eisig musterten. Machairi stand mitten im Zelt und schien gewartet zu haben. Ausgestattet war das Zelt für Micos Geschmack etwas zu blumig. Der Boden war hölzern und es standen Bänke im Kreis vor einem bedeutend gemütlicher aussehenden Stuhl - vielleicht war es eine Art Thron. Cail stand direkt daneben und er wollte so gar nicht hierher passen in seinen schwarzen Kleidern. »Ich hätte eher verzichtet.« Der Schatten hatte die Augen nicht länger auf Gwyn gerichtet, sondern musterte nun die ganze Runde.
Reolet lächelte wissend. »Es muss schon ein Wunder geschehen, dass meine Hilfe überhaupt einen Unterschied macht.« Mit einer Geste deutete sie auf die Bänke. »Du kannst sie aber unmöglich alle mitnehmen wollen.« Fragend sah sie Machairi an, während sie endlich die Zeltplane losließ und zwischen gestreuten Blütenblättern hindurch weiter in den Raum trat.
Bevor Machairi dazu kam zu antworten, platzte Ginas Geduldblase und sie fuhr dazwischen. »Ich glaub’s nicht! Jetzt weiß schon die verrückte Urwaldtante, was hier läuft?« Wütend funkelte sie Machairi an und schob den Unterkiefer vor. »Du erklärst mir jetzt, was hier vorgeht, oder ich nehme deine dumme Nussschale und fahre nach Hause!«
»Niemand hat dich gebeten, mitzukommen, Gina«, erinnerte Cail ruhig und musterte sie gleichgültig. »Das Schiff bleibt hier«, fügte er jedoch hinzu und schien die Diskussion damit beenden zu wollen.
Die Faust stampfte in den Kreis der Bänke, auf dem sich der Rest von ihnen stillschweigend niedergelassen hatte, und trat direkt vor den Messerdämon. Das wütende Funkeln in ihren Augen hätte jeden anderen mit Verstand wenigstens ein paar Schritte zurückweichen lassen, aber natürlich begegnete Machairi ihr mit kalter Ruhe. Sie griff nach seinem Kragen. »Du bist ein unglaubliches Arschloch, weißt du das?«, fauchte sie und schien sehr bereit, auf ihn einzuschlagen.
Er reagierte nicht, wich nicht einmal aus und ließ zu, dass sie die Finger im dunklen Stoff vergrub. Eisig und strafend sah er auf den kleineren Schatten hinab und plötzlich wirkte es wesentlich dunkler im eigentlich so übertrieben freundlichen Raum. Mico sah das Blitzen einer silbernen Messerklinge in beiden Handschuhen, aber Machairi regte sich nicht.
Einen Moment war die Szene wie gefroren, dann löste die Faust den eigenen weißen Handschuh aus dem dunklen Stoff und trat einen halben Schritt zurück. »Wohin geht diese bescheuerte Reise?«, fragte sie noch einmal, weiterhin wütend, aber nicht mehr kochend genug, um sich noch ein zweites Mal so weit vorzuwagen. »Du kannst nicht erwarten, dass dir alle weiterhin blind hinterherrennen.«
Die Faust sprach Mico aus der Seele und nicht nur ihm, das konnte er sehen. Seufzend stützte er die Arme auf die Knie und musterte die Runde. »Sie hat recht«, sagte er so ruhig und verbindlich er konnte. »Wir sind immer noch hier und viel schlimmer kann die Reise eigentlich nicht werden. Es ist kaum jemand hier, an den wir dich verraten könnten. Was schadet es dir, uns einfach zu sagen, was wir hier tun?«, fragte er vorsichtig und hoffte, dass er im Zweifel den Rückhalt der Gruppe hatte. Bei dem Wort verraten, schienen alle Blicke kurz zu Gwyn zu zucken, der möglichst unauffällig am äußersten Ende der Bank hockte und den Boden anstarrte.
Die Hatschi räusperte sich, als es still wurde und Mico Machairis eisige Stille kaum noch ertragen konnte, obwohl seine schwarzen Augen weiterhin die Faust ansahen. »Suchen wir noch nach diesem Orakel?«, fragte die Hatschi ganz leise, die Schultern hochgezogen und scheu, als befürchte sie, dass im nächsten Moment ein Messer auf sie fliegen würde.
Kurz war es still. Das geschäftige Treiben des Dorfes drang durch die Zeltwand und durchbrach die angespannte Stille im Inneren auf unwirkliche Art. »Er weiß, wo es ist«, sagte Vica, die Hände um den Drachen gelegt und die leeren Augen in die Richtung des Schattens gerichtet.
»Wo ist es?«, fragte Koryphelia, die sich etwas unbeholfen in die Gruppe einfügte, aber genauso von der Spannung beeinträchtigt war. Alle Blicke lagen nun erwartungsvoll auf dem Schatten und vielleicht fühlte zur Abwechslung einmal er sich bohrend gemustert.
Seine klare Stimme durchschnitt die Spannung in der Luft und fuhr durch Mark und Bein, als er endlich antwortete und damit doch nichts besser machte. »Es ist in der Unterwelt.«