Kitabı oku: «Pyria», sayfa 9

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Sie sprachen nicht. Machairi wählte seine Worte ohnehin sparsam, die beiden Mädchen waren zu eingenommen von der Schönheit um sie herum und selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, hätten sie wohl nicht gewusst, worüber sie reden sollten. Koryphelia konnte die Harethi dabei beobachten, wie sie ab und an den Blick von der atemberaubenden Natur um sie herum losriss, um nachdenklich den Schatten zu mustern, der ihnen unermüdlich voranschritt. Ob er wohl wirklich kein Interesse an dem Paradies hier hatte? Anspannung ging von ihm aus, ergriff auch das Herz der Prinzessin, und je weiter sie gingen, desto weniger konnte sie die Schönheit genießen. Ihr Ziel drängte sich mit belastender Vehemenz wieder in ihren Kopf und schließlich erdrückte das Schweigen sie zu sehr. »Welch bittere Ironie, dass ein Tor zur Unterwelt inmitten solcher Schönheit liegt.«

Machairi ignorierte sie, aber Rish löste den Blick vom Krater des Vulkans über ihnen und wandte sich stattdessen der Prinzessin zu. »Stimmt. Auch wenn ich das gar nicht so überraschend finde… ganz im Sinne des Gleichgewichts.«

Schmunzelnd nickte Koryphelia. »Ein Hort der Dunkelheit, weit ab jeder Zivilisation und umgeben von schier unwirklicher Schönheit.« Noch einmal sah sie sich um und beobachtete einen kleinen Vogel, der eine Nuss gegen den roten Stein schlug. Jeden Moment erwartete sie, alles um sie herum könnte zerfallen. Es wirkte nicht unwahrscheinlich, dass es sich um nichts als ein Trugbild handelte, das mit einem Wimpernschlag vergehen könnte.

»Was meinst du, wie es aussehen wird?«, fragte die Harethi dann und ließ den Blick über die Umgebung schweifen. Inzwischen hatten sie einen echten Aufstieg angetreten und das Gehen wurde anstrengender.

Gerade für eine Prinzessin mit Muskelkater, der sich nun mehr und mehr bemerkbar machte, war langes Gehen äußerst gewöhnungsbedürftig und neu. So wurde der Anstieg zum Problem und ihre Atmung beschleunigte sich, während sie sich bemühte, über die Frage nachzudenken. Daran gedacht hatte auch sie schon, aber eine wirkliche Vorstellung hatte sie nicht. Zunächst hatte sie sich einen schwarzen Strudel vorgestellt, hinter dem sich endlose Schwärze erstreckte, dann eine düstere Höhle im Boden, aus dem Ungeziefer gekrochen kam. Beides erschien ebenso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich und brachte sie daher nicht weiter. »Düster«, antwortete sie deshalb, um sich einer würdelosen Spekulation zu entziehen.

Das andere Mädchen nickte und entfernte sich ein paar Schritte, um einem Felsen auszuweichen, der mitten in ihrem Weg stand. »Wie weit ist es noch?«, fragte sie dann an den Schatten gerichtet, der bisher vorgeben hatte, sie nicht zu hören. Mit unwahrscheinlicher Leichtigkeit schritt er über den steil ansteigenden Untergrund und fand stets sicheren Halt, während die beiden Mädchen mehr und mehr stolperten und ins Straucheln gerieten.

Eine Antwort erhielten sie nicht. So deckte sich wieder Schweigen über ihre kleine Reisegemeinschaft, während Koryphelia versuchte, sich einigermaßen elegant den Vulkan hinaufzubegeben, und die Harethi damit fortfuhr, zwischen Stolpern und Stürzen den Schatten zu mustern. Worüber mochte sie nachdenken? Was sah sie in ihm?

Schließlich endete der Aufstieg abrupt. Gerade als die Prinzessin befürchtet hatte, würdelos keuchend nach einer Pause bitten zu müssen, verschwand der Schatten einfach hinter einem Felsen. Niemand hätte die Höhle sehen können, bevor sie direkt davorstanden. Vollkommen unauffällig durchbrach sie die zerklüfteten Hänge des Vulkans. Obwohl sie Ausschau gehalten hatte, wäre sie einfach daran vorbeigelaufen, obschon das gähnende Loch doch recht breit war. Man hätte bequem eine Kutsche hineinfahren können. Machairi war zielstrebig hineingetreten und bereits um eine Ecke verschwunden und die beiden Mädchen tauschten einen Blick, bevor sie ihm zögerlich folgten. Koryphelia warf einen sehnsüchtigen Blick zurück, sah die Schönheit der Insel, die sich nun weit unter ihnen erstreckte und einen atemberaubenden Anblick bot, und fragte sich, ob sie jemals wieder Tageslicht erblicken würde. Vielleicht würden sie auf ewig gefangen sein in den dunklen Hallen der Unterwelt.

Fast enttäuscht war die Prinzessin, dass sie nur durch eine gewöhnliche Höhle liefen. Nichts mutete verdorben oder verflucht an. Es war dunkel und unwegsam und man konnte die Hand vor Augen kaum sehen, aber es fühlte sich nicht bedrohlich an. Zuvor hatte sie die Präsenz der Götter eindeutig spüren können und sie vernahm noch immer den verblassenden Schimmer ihrer Macht um sich herum. Dies konnte nicht schon jenes Tor sein, oder etwa doch? Weil sie große Schwierigkeiten hatte, nicht gegen eine Wand zu laufen, fragte sie jedoch nicht, bis es vor ihnen wieder hell wurde. Tageslicht fiel ihnen vom Ende des Tunnels entgegen. Sie waren nur wenige Minuten gelaufen und verwirrt blickte sie zu Rish, um zu sehen, was die dachte. Auch die Harethi blickte dem Tageslicht skeptisch entgegen und warf einen noch verwirrteren Blick auf den Schatten, der mit unverändertem Tempo die letzten Meter durch die Höhle schritt. Er wandte sich nicht um, überprüfte nicht, ob seine Reisegefährtinnen noch hinter ihm waren, und hatte die Höhle schneller wieder verlassen, als sie es begreifen konnten.

Hastig eilten Koryphelia und Rish ihm nach, verwirrt und überrascht, und blieben am Ausgang des Tunnels noch verblüffter stehen. Vor ihnen ging es steil nach unten und sie befanden sich in schwindelerregender Höhe über einer rußschwarzen Steinschicht. Über ihnen thronte der Krater des Vulkans und Tageslicht fiel hinein. Staunend betrachteten sie die Muster, die flüssiges Magma in das Gestein des Berges gegraben hatte und das unter jener Steinschicht brodeln musste. Selbst auf die Entfernung glaubte Koryphelia, feurig schimmernde Risse im Schwarz zu sehen, und erschauderte. Dies war doch wohl nicht das Tor zur Unterwelt, oder etwa doch? Einen Sprung dort hinab würden sie ganz sicher nicht überleben. Der Weg in die Unterwelt konnte damit offen sein, wenn man ein entsprechendes Leben gelebt hatte, doch der Weg zurück musste ein Problem darstellen.

Dann folgte ihr Blick dem Schatten, der bereits mit alter Zielstrebigkeit einen schmalen Pfad entlanglief, der sich vom Ende des Tunnels hinabwand. Kaum zwei Meter konnte er breit sein und an manchen Stellen waren Stücke hinausgebrochen. Jeder mit Verstand hätte diesen Abstieg nicht angetreten. Der Weg endete auf einer Plattform, die zu einer weiteren Höhle führen mochte, denn ein Durchgang schien sich dort zu befinden. Man konnte beobachten, wie die Harethi schluckte, und ein leichtes Zittern ergriff das Mädchen, bevor sie dem Schatten den Abstieg hinabfolgte. Die Kehle der Prinzessin war trocken, doch sie trat den Weg dennoch an. Immerhin passte ein Tor zur Unterwelt hier besser hin als in die Vollkommenheit der Welt außerhalb des Vulkans.

Im Endeffekt musste Koryphelia einsehen, dass der Weg nicht halb so gefährlich war, wie er ausgesehen hatte. Man musste sich nur nah genug an der warmen Wand halten und seine Schritte vorsichtig setzen. Wenn man musste, konnte man vielleicht sogar auf einem Pferd hinabreiten. Es war recht warm im Inneren des Vulkans. Als Mädchen aus Cecilia war es ihr, schon seit sie den ersten Fuß nach Hareth gesetzt hatte, dauerhaft zu heiß. So fiel ihr der Hitzeunterschied kaum mehr auf. Unangenehm war es dennoch und sie begann, unter den langen schwarzen Kleidern zu schwitzen. Am liebsten hätte sie eine Pause gemacht und dann schlug ihr das Adrenalin in den Magen.

Sie waren nur noch wenige Meter vom Ende des Weges entfernt und die Mädchen hatten erfolgreich zu Machairi aufgeschlossen. Jetzt plötzlich spürte sie Dunkelheit und einen weiteren Schritt später konnte sie den gemeißelten Bogen sehen, der in den Stein um den Eingang der Höhle geschlagen war, auf die sie nun zuhielten. Der Torbogen wölbte sich in feiner Meißelarbeit aus dem Stein über den Eingang und Schriftzeichen waren hineingraviert. Sie waren Koryphelia nicht fremd, aber die Könige von Cecilia hatten irgendwann in den letzten hundert Jahren aufgehört, über sie zu lernen, und so hatte die Prinzessin nicht das nötige Wissen, um die Worte im Zusammenhang zu entziffern, die dort in den Stein gebannt standen.

Mit einem unruhigen Gefühl im Magen stand sie direkt vor jenem Torbogen und blickte in die gähnende Leere, die sich dahinter erstreckte. Dunkelheit schlug ihnen entgegen und plötzlich schienen die Geräusche der Höhle um sie herum mehr wie ein weit entferntes Echo. Aus dem Augenwinkel sah sie wie Rish strauchelte, Halt suchte und mit einer unsanften Geste von Machairi davon abgehalten wurde, sich am Tor abzufangen. »Kontrolle, Rish«, knurrte er leise und die Melodik der klaren Stimme wackelte. Mit Abfälligkeit betrachtete der Messerdämon das Tor und ein Ausdruck von Hass zierte seine Züge. Eine solch starke Emotion hatte die Prinzessin noch nie bei ihm gesehen und sie war so furchteinflößend, dass sie beinahe einige Schritte zurückgewichen und in den Abgrund gestürzt wäre.

Mühsam und äußerst wackelig stand Rish, als der Schatten ihren Oberarm wieder losließ, an dem er sie aufgehalten hatte, und man musste sich Sorgen machen, dass sie vielleicht über die Kante stolpern könnte. Koryphelia straffte sich und versuchte, die Angst fortzudrücken, die ihr Herz in kalten Klauen umklammert hielt. »Du bist absolut sicher, dass es keine Alternative gibt, als hier hindurchzugehen?«, erkundigte sie sich ein letztes Mal und musterte Machairi so forschend sie konnte. Sah sie da etwa ein Zögern?

Panik ergriff sie und beinahe wäre sie fortgelaufen. Wenn nicht einmal er sich sicher war, dass er die Situation im Griff hatte, konnte sie nicht aus… Bevor sie den Gedanken beenden konnte, schloss sich ein weißer Handschuh fest um ihr Handgelenk und sie wurde durch das Tor gezerrt. Mit der anderen Hand zog er Rish in gleicher Manier hinter sich her und Koryphelia konnte nur empört aufquietschen, bevor Dunkelheit sie umgab.

Es war, als hätte sich plötzlich Druck auf ihre Ohren gelegt. Es gab kein Geräusch, nicht einmal ihren eigenen panischen Aufschrei konnte sie hören, als sie begriff, dass sie fiel. Sie fiel und fiel und fiel durch die Schwärze. Sah nichts, hörte nichts. Alles, was sie spürte, war ein eiserner Griff um ihr Handgelenk und das grausame Gefühl in ihrem Bauch, das nur entstand, wenn man mit rasanter Geschwindigkeit irgendwo hinabraste.

Sie würden sterben. Egal was am Ende dieses Falls lag, wenn es denn ein Ende gab, den Aufprall würden sie nicht überleben. Die Prinzessin erwartete, in Tränen auszubrechen, aber nicht einmal das konnte sie. Erstarrt fiel sie durch die Dunkelheit und erwartete den Aufprall. Der Dämon hatte sie alle getötet. Konnte man trotzdem an Zylons Tafel landen, wenn man beim Aufprall in der Unterwelt starb? Oder war sie vielleicht in dem Moment gestorben, als Machairi sie durch das Tor gezerrt hatte? Immerhin war es dann schmerzfrei gewesen. Doch sie konnte doch nicht für den Rest der Unendlichkeit durchs Nichts fallen.

Je weiter sie fielen, desto kälter wurde die Angst um ihr Herz und sie war sich schrecklich sicher, das Sterben noch vor sich zu haben. Sie verlor das Gefühl von Zeit und Raum und wurde wahnsinnig in der anonymen Schwärze. Wäre Machairis Griff nicht so spürbar gewesen, hätte sie sicherlich den Verstand verloren. Es war so furchtbar leer.

Der Aufprall war ähnlich unerwartet wie der Fall. Plötzlich war der Boden einfach da. Es war nicht schmerzhaft. Sie spürte kein Bremsen, als sie plötzlich aufhörte hinabzurasen. Stockstarr lag sie auf steinigem und sandigem Untergrund, der zuvor schlicht nicht dort gewesen war, und konnte ihr eigenes Keuchen wieder hören.

Unheimliche Schwermut fing sie ein und erst langsam kehrte das Gefühl, die Gewalt über ihre Gedanken und ihren Körper zu haben, zurück. Jede Faser ihrer physischen Form schien überreizt zu sein und zu schmerzen. In einem unheimlichen Kraftakt öffnete sie die Augen einen Spalt und fühlte sich so schrecklich schwer. Ganz langsam kehrte das Leben in sie zurück. War sie tot? Nein. Hatte sie sich alle Knochen gebrochen? Vermutlich. Es fühlte sich jedenfalls unmöglich an, sich zu bewegen.

Es dauerte einen Augenblick, aber sie schaffte es, die Augen ganz zu öffnen. Ihre Hand lag direkt neben ihrem Gesicht und sie betrachtete die Haut an ihren Fingern. Sie wirkte farblos und grau. Vorsichtig versuchte sie, einen Finger zu bewegen, und zu ihrer Überraschung war es überhaupt kein Problem. Tatsächlich kam mit dieser Bewegung die Wahrnehmung ihres eigenen Körpers fast schlagartig zurück und Koryphelia sah sich in der Lage, vorsichtig die Extremitäten zu bewegen und sich dann langsam auf die Seite zu drehen, damit ihr Gesicht nicht weiter auf einer Seite in den Dreck am Boden drückte.

Langsam und bedacht setzte sie sich auf und betrachtete sich. Die schwarzen Kleider waren noch da und sie saß auf einem vollkommen grauen Boden voller kleiner Steinchen. Ein graues Grasbüschel wuchs neben ihrem Fuß und langsam drehte sie den Kopf. Das Erste, was sie sah, war Machairi, der neben einem Körper am Boden hockte und auf das Mädchen einredete. Rish bebte. Ihr Körper zitterte, als schüttle jemand sie unkontrolliert und schnell, und ihre Körperteile zuckten willkürlich. Die Augen hatte sie weit aufgerissen und Panik lag darin. Hatte sie einen Anfall irgendeiner Art?

Mühselig kam die Prinzessin auf die Beine. Es war, als würde man hier stärker an den Boden gezerrt. Erst als sie die graue Haut der beiden anderen sah, fiel ihr ihre eigene Hautfarbe wieder ein, und sie sah erneut an sich herab und danach panisch in die Umgebung. Alles war grau. Es war, wie durch einen Trauerschleier zu blicken. Sie standen in einer dürren Steppe aus grauem Sand und sogar robuste Pflanzen wuchsen aus dem kargen Boden. Nirgends war auch nur der kleinste Fleck Farbe zu sehen. Es war beängstigender, als es hätte sein sollen. Auch die seltsame Verzweiflung war nicht gewichen. Alles an diesem Ort war frustrierend und machte ihr Herz schwer. Unkoordiniert, als müsse sie das Laufen erst neu lernen, stolperte sie zu dem Harethimädchen und fiel neben ihr wieder zu Boden. »Was ist mit ihr?«, fragte sie ängstlich und schrie aus Versehen viel lauter als beabsichtigt. Waren die Farben verschwunden, schienen Klänge hier ganz neue Nuancen zu bekommen und ihre Stimme war ein hässliches Knarren, das durch viele Schichten gleichzeitig gedrückt zu werden schien.

Das Schwarz der Augen des Dämons war fast beruhigend, weil sich nichts daran geändert hatte. Er musterte sie kurz und warf dann einen Blick hinab auf das Mädchen. »Leén«, sagte er sanft und Koryphelia starrte ihn perplex an. Nicht wegen des Namens, sondern weil seine Stimme hier noch eindrucksvoller war als zuvor. In der seltsamen Feinheit des Klanges an diesem Ort trug seine Melodie perfekt durch die Ödnis. »Erinnerst du dich an gestern?« Der beinahe weiße Handschuh legte sich an ihr Kinn und er zwang das zitternde Mädchen ihn anzusehen. »Kontrolle.«

Es war ein nicht zu verleugnendes Maß an Zärtlichkeit in der Art, wie er mit ihr umging, auch wenn es unter der Grobheit der Aufforderung fast verloren ging. Koryphelia erinnerte sich, dass er Rish am Vortag nach der unseligen Offenbarung des Reiseziels mitgenommen hatte. Noch immer zitterte die Harethi, aber ihre sonst braunen Augen hafteten an dem Schatten und die Panik wich tiefergehender Angst. Trotzdem wurde das Zittern etwas weniger und Koryphelia konnte sich gleich mit beruhigen. Ihr war noch immer unwohl und immer wieder sah sie über die Schulter, weil sie sich schrecklich beobachtet fühlte und erwartete, jeden Moment irgendwelche Monster auftauchen zu sehen. Sie hatte mit steinernen Hallen gerechnet. Nicht mit farbloser Steppe. Irgendwie hatte sie nie in Betracht gezogen, dass die Unterwelt tatsächlich eine Welt sein mochte. Wie groß war dieser Ort wohl?

Zögernd sah sie zurück zu Rish, die sich langsam entspannte und dann von Machairi in eine sitzende Position gezogen wurde. Noch immer schüttelte sie von Zeit zu Zeit ein Zittern, aber langsam kam sie dazu, sich auch einmal umzusehen. Dann sah sie noch unglücklicher aus. Ihre Lippen bebten. Koryphelia zog instinktiv auch die Knie an und schweigend saßen sie beide im Dreck und fragten sich, was nun geschehen sollte. Schwermut übertrug sich von einem zum anderen und zusammen mit ihren schweren Körpern und der hoffnungslosen Taubheit dieses Ortes gab es keinen Grund mehr für Zuversicht.

Machairi dagegen stand auf und drehte ein Messer durch die Hand. Kurz sah er sich um und schien nach etwas zu suchen. »Los«, sagte er schließlich, die Stimme so unnatürlich perfekt, dass sie nicht an diesen Ort passen wollte – was es noch schrecklicher machte, hier festzusitzen. Es gab nicht einmal einen Torbogen wie auf der anderen Seite, durch den sie hätten gehen können. Wohin sollten sie also los?

Machairi sah das anders. »Aufstehen«, forderte er in einem etwas schärferen Tonfall. Der war hier noch durchdringender als in der echten Welt, in der sie besser geblieben wären.

»Warum?«, murmelte die Prinzessin und starrte auf den grauen Boden zwischen ihren Füßen. »Wir sitzen hier fest.« Es war eine grausame Wahrheit und sie ärgerte sich über sich selbst, weil sie es längst gewusst hatte, bevor sie durch die Unendlichkeit gefallen war. Sie hatten die Welt der Sterblichen verlassen. Es gab keinen Weg zurück. »Niemand ist je zurückgekehrt. Es gibt kein Tor von dieser Seite. Also können wir genauso gut hier sitzen bleiben.« Es war nicht üblich für die Prinzessin so schnell aufzugeben, doch dieser Ort wollte nichts anderes zulassen. Er drückte ihr aufs Gemüt und machte jedes Hoffen überflüssig und selbst ihre Stimme monoton.

»Auf die Füße. Jetzt!«, befahl Machairi und der Griff um das Messer verstärkte sich sichtlich. »Das ist kein Ort zum Sterben.« Hart sah er auf beide hinab und war dabei nicht halb so furchteinflößend für Koryphelia, wie er es sonst gewesen wäre.

»Wir sind doch schon tot.« Sie schüttelte den Kopf. Warum war ausgerechnet er derjenige, der törichte Hoffnung hegte? Rish sagte nichts. Sie saß starr da und war bereits weit abwesend. Vielleicht war es besser so. Früher oder später verlor man ohnehin den Verstand hier. Je früher man nichts mehr mitbekam von dem Elend, desto besser.

Der Schatten stieß ein wütendes Geräusch aus und plötzlich saß der weiße Handschuh in Koryphelias Tunika und er riss sie äußerst unsanft auf die Füße. Die Klinge blitzte sogar in der grauen Welt um sie herum. »Muss ich dir ein Muster in die Haut ritzen, oder glaubst du mir, dass du noch sehr lebendig bist?« Der eisige Tonfall hallte durch die vielschichtige Klangwelt dieses Ortes. Eine Spur von Wahnsinn blitzte in den schwarzen Augen und vielleicht hatte sogar er Angst an diesem Ort. Koryphelia schluckte vorsichtig und schüttelte den Kopf. Wer wusste schon, wie viel sie hier fühlen würde? Und wenn er sie zwingen wollte, hatte sie keinen Grund, ihm nicht zu folgen. Viel zu verlieren gab es schließlich nicht, auch wenn sie sich schrecklich träge und mutlos fühlte. Noch einen Augenblick hielt er ihren Blick, bevor er sie losließ und dann wandte er sich an Rish. Wortlos hielt er ihr eine Hand hin und sah sie auffordernd an. Kommentarlos und etwas unwillig ließ auch das andere Mädchen sich auf die Füße ziehen und wirkte fast zu müde, um zu stehen. »Da oben ist unser Tor.« Er deutete gen Himmel. »Je schneller wir hier fertig sind, desto schneller können wir zurück.«

Zögernd legten beide Mädchen den Kopf in den Nacken. Der Himmel war ebenso farblos wie der Rest der Welt. Fünfzehn Monde hingen über ihren Köpfen mit blassem Licht am Firmament. Bis auf drei waren diese Monde alle verdunkelt, als habe sich ein Schleier über sie gedeckt. Kaum zu erkennen waren sie vor dem grauen Himmel, aber der, auf den Machairi deutete, war erleuchtet und so schön, dass es sich schon fast wie ein Hoffnungsschimmer anfühlte. Natürlich war ein Mond unerreichbar. Wenn die Monde tatsächlich die Tore waren, was angesichts der Anzahl nahelag, war es nicht weiter verwunderlich, dass niemand sie je erreicht hatte.

»Wie sollen wir die erreichen?«, fragte auch die Harethi leise. Ihre Stimme war ebenfalls viel schöner an diesem Ort, auch wenn sie rau klang. Warum war nur Koryphelias Stimme so eine Katastrophe?

»Zuerst das Orakel«, war die einzige Antwort. Bestimmt wusste er es selbst nicht. Es war doch ohnehin Zeitverschwendung. Sie sollten sich hier hinsetzen und es nicht versuchen. So würden sie sich wenigstens die Enttäuschung sparen. Hätte Rish sich nicht in Bewegung gesetzt, als der Schatten sich in eine Richtung drehte, um ihm zu folgen, wäre Koryphelia einfach zurück auf den Boden gesunken. Sie wollte allerdings noch viel weniger allein sein, als enttäuscht zu werden. So stapfte sie Machairi hinterher, während Traurigkeit wie Blei an ihren Füßen hing. Verloren …

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