Kitabı oku: «Von Blüten und Blättern», sayfa 2

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7. Januar, Freitag

Arbeit, real. Alles, was das Haus weihnachtlich machte, wird weggeräumt. Der inzwischen lästig nadelnde Baum mit den Strohsternen und dem Sammelsurium bunter Glaskunstwerke muss raus; die Papierkugeln aus Vietnam, wahre Wunderwerke der Schneide- und Klebekunst, auch die Leuchter aus den Fenstern verschwinden in der Weihnachtskiste. Nur die Engelgirlande bleibt noch hängen, Engel kann man immer gebrauchen. Auch der Herrnhuter Stern in der Japanischen Kirsche vorm Haus bleibt fürs erste.

Ganz und gar nicht erfreulich ist ein Rundgang durch den Garten. Jetzt zeigt sich, was durch den frühen Wintereinbruch versäumt wurde. Nichts zurückgeschnitten, die abgeblühten Stängel der Stauden nicht weggenommen, Winterschutz nur um den roten Mangold und das neu gepflanzte Johanniskraut gelegt. Die Strünke des violetten Grünkohls, der den Winter überdauern und im Frühling neben dem Seidenknöterich seine gelbe Blütenfackel aufstecken soll, sehen erbärmlich aus. So haben wenigstens die Vögel den Nutzen durch die Unordnung, denn es gibt Unterschlupf und reichlich Samen, am Fenchel, am Schleierkraut, der Gelenkblume und an den braunen Resten der einjährigen Rudbeckie. Weil ich nicht beizeiten für Ordnung sorgte, werde ich wieder gegen die zahlreichen Nachkömmlinge des Schleierkrauts kämpfen müssen. Zwei Sorten habe ich, eine steht im Juni als ein tausendknospiger Busch, kommt aber nicht so recht zur vollen Blüte und versamt sich nicht, die andere, langbeinige blüht locker und leicht in die Breite und wirft in unendlicher Fülle ihre Samen übers Land. Selbst an den übelsten Standorten hat sie schon Kinder. Die sonst im Winter so dekorativen Gräser sind jetzt ein wilder Haufen, von schweren Schneemassen zusammengedrückt, die gertenlangen blauvioletten Ruten der Weidenblättrigen Sonnenblume mit den zarten Blätterfahnen hat der Wind in alle Richtungen abgeknickt. Aber die Petersilie. Ich grabe mit der Hand im Schnee und da leuchtet sie mir frühlingsfroh entgegen. Hallo Grünschnabel, Lust auf einen Schwatz?

Und der Bambus steht wie eine Eins. Im Mai werden viel zu viele Triebe aus dem Boden kommen, sie schießen geradezu hervor, wachsen schnell wie der Spargel und sind nicht unbedingt der Nachbarpflanzen und des Nachbarn Freude. Man schätzt die Vitalität und holt doch den Spaten, um den Wildwuchs einzudämmen.

8. Januar, Samstag

Von der Weihnachtsgans hatte ich am Bauch die Fettlappen abgezogen, kleingeschnippelt und erhitzt und dann mit dem geschmolzenen Fett eine ordentliche Portion Haferflocken getränkt. Die Vögel lieben es. Dazu Sonnenblumenkerne und halbierte angefaulte Äpfel. Im Vogelhaus und auf der Terrasse läuft unser Frühstücksprogramm.

Amsel, Buchfink, Blaumeise, Kohlmeise, Schwanzmeisenschar, Haubenmeise, Tannenmeise, der braunbrüstige Bergfink in großer Zahl, ebenso Scharen vom Dompfaff. Schön sind sie, die Dompfaffen, besonders die Männchen, mit ihrer Rosenbrust. Ich freue mich, freu mich wie ein Schneekönig. Auch über die Kirschkernbeißer mit dem kräftigen Kegelschnabel. Das Rotkehlchen ist Einzelgänger, ab und zu erscheint ein Kleiber, wenig Spatzen. Stieglitz, Erlenzeisig, Grünling. Der Zaunkönig war nur einmal am Futterplatz, bevor die große Kälte begann, doch er wird zu den ersten gehören, die zurückkommen, Schneekönig heißt er, das ist sein alter Name. Türkentaube, Elster, Eichelhäher. Einmal ein Specht.

Ein Dompfaffweibchen ist heute gegen das Fenster geflogen und hat es nicht überlebt. Ich nehme den toten, noch warmen Körper in die Hand. Eine Handvoll Leben, eine Handvoll Tod. Das feine weiche Gefieder. Die silberne Kehle und die Brust mit einer Ahnung von Rosenschein, die grauen Deckfederchen der Flügel, das weiße Federhemd darunter, die eingekrümmten Krallen, der kräftige Schnabel, die kleine schwarze Kappe – Dompfaff. Life stands still here. Ich streichle mit den Fingerspitzen. Ich halte den Vogel und nichts pocht in meiner Hand, nichts zappelt, will weg. Ich mag ihn nicht hergeben. Schließlich lege ich den kleinen Körper unter der Fichte, wo der Boden schon weich ist, auf einen Stein neben das Vogelgrab für den Star vom letzten Sommer. Den Tag über liegt er da, neben sich ein Kreuzlein aus Holz, das ein Eichhörnchengrab markiert, schon am Abend ist er verschwunden, eingegangen in den Kreislauf der Natur.

9. Januar, Sonntag

Die Sonne scheint, der Schnee geht weg. Die Menschen wenden ihr Gesicht zum Licht und machen die Augen zu. Ich erzähle jetzt eine Geschichte von meinem Enkel.

Die Sonne scheint, nein, in meiner Geschichte regnet es, richtig garstiges Wetter, obwohl es Frühling ist. Im alten Apfelbaum hat in einem Loch, das der Specht schlug und der Kleiber bewohnte, schließlich ein Starenpaar genistet. Wir haben uns am Metallglanz ihres schwarzen Kleides erfreut, haben zugesehen, wie sie Nistmaterial anschleppten, wie einer der beiden im Loch verschwand um zu brüten, wie sie schließlich unermüdlich Futter brachten. Wir haben um den Baumstamm einen Kranz aus Dornenzweigen gewunden, um die Nachbarskatze vom Kinderraub abzuhalten. Wir lauschten dem Starenlied, dem Schwätzen, Pfeifen, Schnalzen, Zischen im blühenden Apfelbaum und – hör’ mal ganz gut hin, sage ich zum Enkel – das Piepsen und Zitschern der hungrigen Brut. Der Enkel, der noch nicht lange zur Schule geht, liebt Fußball mehr als alles andere, achtet aber darauf, dass der Brutbaum immer verschont bleibt, und er liebt es, uns mit neuen Wörtern und besonderen Sätzen zu erschrecken oder zu irritieren; Gott gibt es nicht, zum Beispiel, das gehört zu den harmloseren.

An diesem grauenvollen Regentag, an dem es nicht nur Nässe, sondern auch immer wieder beigemischtes Schneegriesel und einen eisigen Wind gibt, ausgerechnet an diesem Tag sind die jungen Stare soweit, dass sie das Nest verlassen. Einer nach dem anderen erscheint am Loch, sieht sich um nach rechts und nach links, hopst eine Etage höher, probiert das Fliegen, das Landen und Töne, die Gesang werden wollen. Auch der Kleinste traut sich heraus, der kommt zuletzt. Sein graubraunes Federkleid ist noch nicht glatt, sein Schnabel noch ein Babyschnabel. Er schafft den Absprung, landet auf dem Boden. Hockt mal hier, mal da, hält den Kopf schief und blinzelt. Schließlich flüchtet er sich in eine Ecke unterm Vordach der Haustür, sitzt da und sieht alles andere als happy aus. Behutsam legt der Enkel einen aufgespannten Regenschirm auf die Treppenstufe, damit der Wind dem Tier nicht so kalt in sein Federhemd bläst. Es hilft nicht.

Gegen Mittag ist der Vogel tot und seine Beerdigung wird vorbereitet; ein Pappkarton bekommt ein Innenpolster, eine Papierserviette dient als Leichenhemd, der Deckel kommt drauf. Zwischen den Wurzeln der serbischen Fichte, neben dem Eichhörnchengrab, schaufeln wir eine Grube. Die Beerdigungszeremonie ist einfach, auf das Wesentliche – was ist das eigentlich – reduziert. Unser Singen klappt nicht so recht. Ich schau nach oben in die Fichte und sage: Horch mal, die anderen Vögel singen ihm ein Tschüss, zwitschern ihr Lied für den kleinen Star. Das Kind klopft einen schuhkartongroßen Hügel. Kreuz oder Grabstein?, frage ich, denn es soll ja doch ein bisschen so sein wie im echten, im Menschenleben. Wir finden einen flachen hellen Stein, ich bringe einen Filzstift. Soll ich etwas schreiben?, frage ich. Nein, sagt das Kind und malt auf den Stein mit sauberen Buchstaben: »Grüß Gott«.

Leider hat der nächste Regenguss den frommen Wunsch zu schnell wieder weggewaschen.

10. Januar, Montag

Eva Strittmatter, Zwiegespräch, 1980.

Die Kleine-Leute-Mentalität

Der häusererhaltenden Ordnungsliebe

Hat mich beherrscht. Jetzt ist es zu spät,

Dass ich noch Schneisen ins Weglose triebe.

Eva Strittmatter ist achtzigjährig gestorben. Eine Dichterin der kleinen Wunder und der kleinen Freuden, die sich schwer tat mit dem Mann, dem abgelegenen Schulzenhof, dem Dasein in der DDR, der Liebe; das Leben eine Kraftprobe. Die dennoch glücklich war. Die die Wörter wörtlich nahm. Grüß Gott.

»Seinen Glanz verliert das Glück,/​Hat man es in einem Stück.«

17. Januar, Montag

Wie schön. Der Schnee ist weg, die Erde duftet, und ich habe Ordnung gemacht. Von meinem Schreibplatz aus sehe ich das muntere Geringel der Korkenzieherweide. Wir haben sie im letzten Jahr um ein paar Meter versetzt, von der zweiten Serbischen Fichte und dem kleinen Kirschbaum weg. So kann sie sich zeigen in ihrem Wechsel vom Frühlingsgelb zum Sommergrün und später im Jahr dann wieder zum Gelb vor dem dunklen Hintergrund der riesigen Fichte, und auch der Sauerkirschbaum hat nun mehr Platz, um seiner Aufgabe gerecht zu werden. Ein Strahl der noch tief stehenden Sonne beleuchtet jetzt das Staudenbeet, wo die spitzige Yucca den Frost gut überstanden hat, auch der violette Grünkohl sieht doch recht manierlich aus. Rot leuchtet der Sibirische Hartriegel am Zaun, hell schimmern die Federpuschel vom Chinaschilf. Wenn nicht alles, was verblüht war, abgeschnitten ist, kommt die Struktur zum Vorschein, die der Pflanzen und die des Gartens in seiner Gesamtheit. Auch das Silberweiß der Lunaria unterm Klarapfelbaum erfreut meinen Blick, denn der Sonnenstrahl bringt die pergamentenen Blättchen der Samenschoten zum Leuchten, die ich im Herbst mit vorsichtigen Fingern freigelegt habe. Jeden Herbst nehme ich mir einen Hocker, breite ein Tuch unter die Pflanzen und streife die braunen Deckblätter ab, so dass ich die flachen schwarzen Samen sammeln und in die Mülltonne werfen kann. Ließe ich sie auf den Boden fallen, gäbe es zu viel Nachwuchs, zu große Konkurrenz für alles, was im Sommer sonst noch auf Baumscheiben und Nebenbeeten wachsen will. Silberblatt, auch Silbertaler, Silberling, Judaspfennig oder Mondviole genannt – so viele Bezeichnungen für die violett blühende, anspruchslose Lunaria.

Als wollten sie sich räkeln, strecken vier Apfelbäume ihre kräftigen Arme aus, ohne einander zu berühren, der Garten ist groß genug. Gut einen Morgen misst er, genau genommen 2 600 Quadratmeter. Weniger eindrucksvoll ist der Pflaumenbaum und eine Mirabelle, die seit Jahren nicht mehr trägt. Sie darf bleiben, weil sie ein Kletterbaum ist und weil ihre Rinde sich so elegant um Stamm und Äste arrangiert, dass wir entschieden: Die Mirabelle bleibt, sie bekommt ihr Gnadenwasser. Drei, vier süße Früchtchen im Sommer sind ihr Dankeschön an uns.

20. Januar, Donnerstag

Es sind die Tage der Leiter. Der Mann zieht sich feste Schuhe an. Er stellt die Leiter ans Dach, um nachzusehen, ob die Schneelast Löcher hinterlassen hat, durch die der Marder schlüpfen könnte, er sprüht ein Vergrämungsmittel an alle Ecken und für eine Weile stinkt es draußen und drinnen im Haus. Er stellt die Leiter an die Hochstämme der Apfelbäume, denn es ist Zeit für den Frühjahrsschnitt. Wenn der Mann auf die ausfahrbare Leiter steigt, unter deren Holmen der nicht mehr gefrorene Boden nachgibt, mache ich mir Sorgen und gehe ins Haus.

Die Apfelbäume heißen der Brettacher, die Landsberger Renette, der Boskop. Heute ist der Brettacher dran. Zuerst wird die Kletterhortensie, die sich jedes Jahr beeilt, bis in seine Krone vorzudringen, zurückgeschnitten, dann folgt der Frühjahrsschnitt am Apfelbaum. Wenn er unterbleibt, wird die Krone zu dicht und die Früchte bleiben klein. Jetzt lasse ich den Mann mit Säge und Baumschere werkeln; auf der Leiter stehen und einen Hochstamm schneiden, erfordert Konzentration. Ich gehe zum Schreiben ins Haus. Durch einen gut geschnittenen Baum kann man einen Hut werfen, sagt der Gärtner.

2. Februar, Mittwoch

Das Gärtnern macht Pause, ich sammle Wörter.

Schneeglöckchen heißt Galanthus: gala, griechisch, die Milch, deshalb auch Milchblume, anderswo, das ist mir neu, Hübsches Februar-Mädchen, Weiße Jungfrau oder Schnee-Durchstecher. Und was vom Frühjahr bis zum Herbst die ziemlich unangenehm riechende Wolke unter der Trauerbirke verursacht, ist die massenhafte Population der Birkenwanze, ich las es in einer Schrebergartenzeitung – Kleidoceris resedae. Obgleich Reseda ja duften soll. Nun werden zum Tag des Offenen Gartens im Mai Besucher kommen, die unterm Birkenbaldachin verweilen und dort Kaffee und Kuchen zu sich nehmen wollen. Grasmilben verbreiten sich ebenfalls, so die grüne Presse. Also sind außer den allbekannten Zecken nun auch Milben zu erwarten, die parasitisch leben und von im Grünen sitzenden Warmblütern Lymphe und Zellsäfte saugen. Eine Hirsesorte, lese ich weiter, ist der freche Eindringling in lückigen Rasenflächen, der sich rasend schnell verbreitet, weil er massenhaft kleine braune Samen produziert und so niedrig ist, dass er beim Mähen keinen Schaden nimmt. Der »Totalunkrautvernichter« Roundup in der Flasche mit dem »Anti-Gluck-Auslauf« sei nicht zu empfehlen, weil er alles Übrige ebenfalls beseitige. Auch für die anderen Plagen gebe es kaum wirksame Mittel. Also werden wir’s im Sommer ertragen müssen. Immerhin habe ich wieder ein paar neue Wörter aus meiner Zeitungslektüre. Hier noch eins: Nicht nur Unkraut gibt es, es gibt auch Ungras.

Zum altmodischen Resedagrün gesellt sich das Wort Bleu mourant und will mir nicht mehr aus dem Sinn. Was ist bleu mourant in meinem grünen Garten? Verblühende Vergissmeinnicht, der Sommerhimmel, die vergehende Hortensie im Herbst. Viel Zeit bis dahin.

Jetzt noch ein Wort aus der Tageszeitung. Bascha Mika, die streitbare frühere taz-Chefin hat es geprägt: Vermausung. Frauen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht Karriere machen, Frauen, die Kinderwagen schieben und den Kleinen die Grasmilben und die Zecken absammeln, Frauen, die Spaß haben auf dem Boden zu knien (!), zu Kreuze zu kriechen gewissermaßen, und da unten herumzuwerkeln – Vermausung. Also auch ich … Schwarze Fingernägel und so weiter.

Ich wollte ja nach den Schneeglöckchen schauen. Schon vor zwei Wochen hörte ich eine Frau sagen, in ihrem Garten blühten die hübschen Februar-Mädchen bereits. Auch blühende Hamamelis sehe ich seit Tagen in einem Vorgarten in Zehlendorf. Bei uns kommen gerade mal die Spitzen der Schneeglöckchen heraus und an der Hamamelis findet sich nicht die Spur von Gelb. Zaubernuss heißt der magische Strauch, im Moment sieht er nach gar nichts aus, Vermausung auch da. Zum Ausgleich finde ich in einer anderen Zeitung den Satz: Gärtnern muss der Mensch. Wie schön, dieser grüne Imperativ. Ich assoziiere Grün und nicht Grau.

In dem wunderbaren Kinderbuch Ich sammle Wörter speichert Frederick, die Maus, im Sommer Wörter für den Winter, um in der dunklen Jahreszeit Farbe, Schönheit und Sonne zu haben. Die anderen Mäuse bunkern Futter.

3. Februar, Donnerstag

Als wir uns entschieden, von Berlin in mein Kleinmachnower Elternhaus zurück zu ziehen, haben wir eines nicht bedacht: die Topografie. Dass ich etwas weitere Wege gehen oder mit dem Rad fahren müsste, war kein Hinderungsgrund für den Wechsel. Wie unbequem die Wege hier draußen sein können, merkte ich erst, als ich sie regelmäßig befuhr oder beging. Unsere Straße hat eine leichte Wölbung von der Mitte zu den Rändern hin, die Gehwege fallen vom Zaun zum Bordstein etwas ab. Bei Glätte gibt es keinen zuverlässigen Halt unter den Füßen. Autofahrer merken das nicht, ich aber habe längst die Zäune kennen gelernt, denn bei der in diesem Winter häufigen Glätte bewege ich mich ganz am Rand – den auch die Hunde gerne nutzen –, wo ich mich zur Not an Drahtgittern, Eisenstangen oder Holzlatten festhalten kann. Dankbar bin ich den Anwohnern, die schon frühmorgens ein wenig Granulat, Sand oder, mir ist das egal, auch Blumenerde streuen. Die wenigsten tun es. Entweder, weil sie länger schlafen als ich oder weil sie sich nur vom Haus zur Garage bewegen müssen. So lerne ich in diesem Winter die Mitbewohner meiner Straße kennen. Die Frühstreuer, die Feger und Streuer, die Besenfeger oder die Schneeschieber und die Nie-Streuer.

Die Straße führt durch eine Senke, wo es noch Teiche und Tümpel als Überbleibsel einer eiszeitlichen Schmelzwasserrinne gibt. Wenn es getaut oder noch schlimmer, getaut und geregnet hat, geht mein Weg durch Pfützen und zentimetertiefen Matsch. Früher habe ich die Menschen im ländlichen Polen oder Russland bedauert, die so schwierige Wege zu beschreiten hatten, und ich erinnere mich, dass man auch bei uns die guten Schuhe in einem Beutel ins Theater oder in die Oper trug. Kaum habe ich aber die Grenze zu Zehlendorf überschritten, ist alles anders. Die Leute haben saubere Schuhe an, die Sonne scheint und trocknet alles rasch weg, und ich stehe da mit meinen Winterwanderstiefeln und komme mir vor wie eine aus der Provinz.

5. Februar, Samstag

Im Garten ruft ein Vogel mit einem hohen hellen Pfeifton und ich denke, ich sollte endlich die Vogelstimmen lernen. Melodien merke ich mir schlecht, aber die Erkenntnishilfen aus der Schulzeit weiß ich bis heute – Ida, wo kommst du her … (Schuberts Unvollendete), Der Graf hat sich in die Hosen ge … (Tannhäuser). So etwas müsste es doch auch für Vogelstimmen geben. Ich suche im Internet, wo man mir gute Ratschläge gibt: hören, erkennen, üben, wiederholen – und zahlreiche CDs werden angeboten. Er habe die Vogelstimmen wie Vokabeln gelernt, berichtete ein Vogelfreund, anders gehe es nicht, eine CD könne durchaus hilfreich sein. Ich habe es aber doch schon zur Schallplattenzeit versucht. Man hört draußen einen Vogel, denkt, so und so ging es, man geht ins Haus, legt die Platte auf, sucht den vermuteten Vogel, doch sowie man irgendein zutreffendes oder auch anderes Vogelgezwitscher vorgespielt bekommt, ist das zuerst gehörte Gartenlied vergessen. Wieder nach draußen – der Vogel ist natürlich weg. Die Schwierigkeit vergrößert sich durch die Tatsache, dass mitunter mehrere Vögel gleichzeitig quinquilieren und dass neben dem Morgen- oder Abendlied auch Lockrufe zu hören sind, außerdem Balzrufe und Warnrufe, und schließlich, dass sich Jungvögel anders anhören, weil sie noch am Lernen sind.

Ich greife erstmal zum Buch und werde fündig im altmodischen Brehm. Brehms Tierleben, Kleine Ausgabe für Haus und Schule von 1920. So sehr wird sich der Gesang der gefiederten Musikanten in knapp hundert Jahren ja nicht geändert haben. Oder doch? Stare, das weiß man, ahmen längst die Klingeltöne der Handys nach.

Also der Brehm. Ich richte mir ein Vogel-Vokabelheft ein.

Die Amsel. Ich zitiere. Die Amsel ruft trillernd »sri« und »tränk«, beim Anblick von etwas Verdächtigem aber schallend und gellend »dix dix«, worauf, falls Flucht nötig wird, ein hastiges »Gri gich gich« folgt. Der Amselgesang steht dem der Singdrossel kaum nach, hat mehrere Strophen von ausgezeichneter Schönheit, klingt aber nicht so fröhlich, sondern feierlicher oder trauriger … Hier versagt auch Brehm, eine phonetische Umschrift des Amsellieds bietet er nicht an. Wie aber singt die Drossel?

Alfred Brehm. Die Lockstimme der Drossel ist ein heiser pfeifendes, nicht weit hörbares »Zip«, an das häufig »tack« oder »töck« gehängt wird. Bei Erregung »styx styx«… Das Lied ist inhaltsreich, wohl- und weittönend. Mit flötenden Lauten wechseln auch schrillende, minder laute und nicht sehr angenehme Töne ab. Trotzdem ist das Drossellied fast so schön wie das der Nachtigall.

Das Lied der Nachtigall ist mir vertraut und auch dem Kuckuck sowie dem Zilpzalp –»zilpzalp«– muss ich nichts nachlesen. Sogar die Goldammer werde ich erkennen, denn Beethoven hat in der 5. Symphonie das »Schicksalsmotiv« G-G-G-Es ihrem Ruf nachempfunden. Leider war bisher noch keine Schicksals-Ammer in unseren Garten zu hören.

Hier noch ein Versuch des Diplombiologen Uwe Westphal über die Nachtigall; man lese es laut:

Ih ih ih ih ih watiwatiwatih!

hih titagirarrrrrrrrrr itz,

lü lü lü lü lü lü lü lü lü watitititi

Dadada jetjetjetjetjetjetjetjetjet

tütütütütütütü zatnzatnzatnzi,

zezezezezezzäzäzäzäzazazazi,

ji jih güh güh güh güh güh dalidowitz.

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