Kitabı oku: «10 Dinge, die autistische Kinder ihren Eltern sagen möchten»
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Ellen Notbohm
10 Dinge, die autistische Kinder ihren Eltern sagen möchten
Deutsch von Monika Finck
Copyright © 2019 Ellen Notbohm
Translation rights © [2021]
Translation rights arranged through Kleinworks Agency
All rights reserved
Titel der Originalausgabe:
Ten Things Every Child with Autism Wishes You Knew, Third Edition 2019, Future Horizons
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2022
Alle Rechte vorbehalten
© 2022, Lambertus-Verlag, Freiburg im Breisgau
Umschlaggestaltung: Nathalie Kupfermann, Bollschweil
Umschlagbild: Gee Vero
Satz: Astrid Stähr, Solms
Druck: Elanders GmbH, Waiblingen
ISBN: 978-3-7841-3356-0
ISBN e-Book: 978-3-7841-3357-7
Kritiken zu
10 Dinge, die autistische Kindern ihren Eltern sagen möchten
„Ich bin begeistert von dieser 3., überarbeiteten Auflage, man muss sie gelesen haben. Ellen hat so viele neue Erkenntnisse über und aus der Welt des Autismus einfließen lassen, ich bin regelrecht überwältigt. Kaufen Sie dieses Buch, lesen Sie es, leihen sie es an jemanden aus, empfehlen Sie es, und lesen Sie es dann noch einmal!“
— Jennifer McIlwee Myers, Autorin von Growing Up with Sensory Issues: Insider Tips from a Woman with Autism and How to Teach Life Skills to Kids with Autism or Asperger’s
„Diese 3., überarbeitete Auflage von Ten Things Every Child with Autism Wishes You Knew ist die bisher ausnahmslos beste! Als international tätiger Autismus-Berater arbeite ich mit Einzelpersonen, Schulen und Eltern. Dieses Buch bildet die Grundlage der meisten meiner Seminare, besonders, wenn die Teilnehmer*innen Neulinge auf dem Gebiet der Sonderpädagogik sind und/oder mit einem Menschen aus dem Autismus-Spektrum arbeiten. Als ich das neue Kapitel Sie haben die Wahl! gelesen habe, war ich regelrecht begeistert. Ellen schreibt: ‚Es kommt nur selten vor, dass wir tatsächlich keine Wahl haben‘, und das trifft es genau. Es verhilft den Betroffenen, in einer Welt, die sie scheinbar nicht kontrollieren können, doch die Kontrolle zu behalten. Dieses Buch ist ein Muss für Ihre Sammlung an Sekundärliteratur zu Autismus.“
— Jim Ball, EdD, BCBA-D, Geschäftsführer JB Autism Consulting
„Ich hätte nicht gedacht, dass Ellen Notbohm ihren herausragenden Klassiker Ten Things Every Child with Autism wishes You Knew noch verbessern könnte, aber genau das ist ihr gelungen. Wenn Sie ein autistisches Kind haben, mit Menschen aus dem Autismus-Spektrum arbeiten und alles über das Thema wissen wollen, dann müssen Sie dieses Buch lesen. Es wird Ihnen helfen, Betroffene besser zu verstehen. Ich spreche zu Ihnen als Eltern, die die ersten Lebensjahre ihrer Kinder hoffnungsvoll, optimistisch und auf gesunde Weise bewältigt haben, weil sie die Originalausgabe von Ten Things gelesen haben. Sie brauchen diese Neuauflage! Notbohm wird Sie durch die Vorschulzeit, die Mittelschule, die Highschool und die Zeit danach begleiten. Auf informative und inspirierende Weise hilft sie Ihnen, Ihre Kinder auf das Erwachsenenleben vorzubereiten. Die Hilfestellungen, die Ellen im letzten Kapitel gibt, sind ideal für Selbsthilfegruppen, Kurse für Lehrkräfte oder Lesekreise. Das Buch sprüht vor Optimismus.“
— Wendela Whitcomb Marsh, MA, BCBA, RSD, Autorin von The ABC’s of Autism in the Classroom
„Die neue überarbeitete Auflage, Ten Things Every Child with Autism Wishes You Knew, ist besser als alles zuvor. Eine Pflichtlektüre für alle Menschen, die im Leben Ihres Kindes eine wichtige Rolle spielen, etwa Lehrkräfte, Therapeut*innen, Familienmitglieder, Nachbar*innen und sogar die Busfahrerin. Es hilft ihnen, die mitunter rätselhaften sozialen, sensorischen und emotionalen Herausforderungen und Verhaltensweisen zu verstehen. Die Autorin ist Mutter von zwei Söhnen (einer mit Autismus, der andere mit ADHS) und verleiht durch diese Schrift Kindern, Teenagern und Erwachsenen, die es nicht leicht haben, für sich einzutreten, eine Stimme, die Gehör findet. Das Buch gewährt uns Einblick in die verschiedenen Realitäten des Lebens autistischer Menschen. Mit dem neuen Kapitel Sie haben eine Wahl! vermittelt sie ihren Leser*innen auf einfühlsame Weise, dass sie als Angehörige von Betroffenen, auch wenn sie sich überwältigt, verängstigt und manchmal gelähmt fühlen, doch niemals machtlos sind. Sie zeigt ihnen Strategien, die sie befähigen, denen, die sie lieben, zu helfen, ein sinnerfülltes und produktives Leben zu führen.“
— Lindsey Biel, Ergotherapeutin, Co-Autorin von of Raising a Sensory Smart Child: The Definitive Book for Helping Your Child with Sensory Processing Issues, Autorin von Sensory Processing Strategies: Effective Clinical Work with Kids & Teens
„Jedes autistische Kind hat es verdient, dass alle Erwachsenen, die in seinem Leben eine Rolle spielen, dieses Buch lesen. Eltern werden eine mitfühlende, scharfsinnige Verbündete finden, die die Reise mit ihrem inzwischen erwachsenen Sohn gemacht hat. Diejenigen, die dieses Buch lesen, werden ein besseres Verständnis dafür entwickeln, was notwendig ist, um einem Kind zu helfen, seinen Platz in der Welt zu finden, sie werden Zuversicht gewinnen und ihr ganz besonderes Versprechen einlösen können. Ten Things Every Child with Autism Wishes You Knew ist kompakt, gut strukturiert und gut verständlich und bietet eine Fülle an detaillierten Informationen, hilfreichen Vorschlägen und konkreten Strategien. Was da steht, ist realistisch, praktisch und aufbauend und wird Ihnen helfen, die für Ihr Kind und Sie selbst besten Entscheidungen zu treffen. Das Buch gehört zu meiner engeren Auswahl empfehlenswerter Bücher über Autismus, und ich rate Ihnen dringend, seine Weisheit aufzusaugen und dann mit anderen zu teilen.“
— Debra Moore, PhD, Psychologin (im Ruhestand), Co-Autorin von Temple Grandin von The Loving Push: How Parents and Professionals Can Help Spectrum Kids Become Successful Adults
„Ellen Notbohm erinnert uns wieder einmal daran, dass wir mehr lernen als lehren und mehr zuhören als sprechen sollten. Ten Things betont das und liefert den Leser*innen wertvolle Einsichten und unschätzbare Informationen. Wenn Sie die erste oder zweite Auflage schon haben, rate ich Ihnen, auch ein Exemplar der neuen Auflage zu kaufen, weil dieses Buch nicht nur einen mitfühlenden und personenzentrierten Blick auf Autismus wirft, sondern auch widerspiegelt, wie sich die Haltung gerade wandelt und sich ein neues Verständnis von Fürsprache, Unterstützung und Fähigkeiten entwickelt.“
— Paula Kluth, PhD, Autorin von You’re Going to Love This Kid und Pedro’s Whale
„Ein großartiges Buch für Eltern eines Kindes, das neu diagnostiziert wurde. Es wird Ihnen, die durch die Diagnose verängstigt sind, helfen, sich auf den Weg zu machen, um ihrem Kind einen positiven Ausgang zu ermöglichen.“
— Temple Grandin, PhD, Autorin von The Way I See It und von Thinking in Pictures
„In der dritten Auflage wird das neu auftauchende Verständnis von Autismus erläutert, das so wichtig ist für Eltern, pädagogische und therapeutische Fachkräfte und für die autistischen Menschen selbst. Bitte erfüllen Sie dem autistischen Kind den Wunsch, sich darüber zu informieren, und beherzigen Sie die klugen und klaren Gedanken eines Buches, das ich sehr empfehle.“
— Tony Attwood, PhD, Autor von Ask Dr. Tony: Answers from the World’s Leading Authority on Asperger’s Syndrome/High-Functioning Autism
„Wunderbar, dass Ellen Notbohms Klassiker Ten Things Every Child with Autism Wishes You Knew für eine neue Generation neu aufgelegt wurde! Wenn bei Ihrem Kind Autismus diagnostiziert wurde, oder wenn Sie vermuten, Ihr Kind sei autistisch, dann sollten Sie dieses Buch als erstes lesen.“
— Bobbi Sheahan, Autorin von What I Wish I’d Known about Raising a Child with Autism
„Als bei meinem Sohn die Diagnose gestellt wurde, war ich schockiert, untröstlich und verwirrt. Ein paar Tage später nahm ich Ten Things in die Hand, und es war wie ein frischer Wind. Zu dem Zeitpunkt konnte ich mit den zahllosen medizinischen Texten und Studien nicht viel anfangen, was ich brauchte, war das, was dieses Buch mir gegeben hat: Verständnis, Mitgefühl und Hoffnung.“
— Karen Topper
„Ten Things ist das Buch, das mir am meisten geholfen und mir am meisten Hoffnung gegeben hat, nachdem mein Sohn vor acht Jahren die Diagnose Autismus bekam. Seitdem habe ich es vielen Eltern, die am Anfang ihrer Reise standen, empfohlen, und auch sie waren wie ich total begeistert.“
— Maura Campbell, Chefredakteurin der Zeitschrift Spectrum Women
Weitere Titel von Ellen Notbohm
Sachbuch
1001 Great Ideas for Teaching and Raising Children with Autism or Asperger’s mit Co-Autorin Veronica Zysk
[Deutsche Fassung: 1001 Ideen für den Alltag mit autistischen Kindern und Jugendlichen: Praxistipps für Eltern, pädagogische und therapeutische Fachkräfte, Lambertus-Verlag 2020]
Ten Things Your Student with Autism Wishes You Knew mit Veronica Zysk
The Autism Trail Guide: Postcards from the Road Less Traveled
Prosa
The River by Starlight
Für Connor und Bryce, weil sie sich ein Lob dafür verdienen, mich zu erziehen.
Inhalt
Vorwort zur deutschsprachigen Ausgabe
Vorwort der Autorin
Der Anfang …
1. Kapitel
Ich bin eine ‚ganze‘ Person
2. Kapitel
Meine Sinne sind durcheinander
3. Kapitel
Erkenne den Unterschied zwischen „will/mache ich nicht“ und „kann ich nicht“
4. Kapitel
Ich bin ein konkreter Denker Ich nehme wörtlich, was gesagt wird
5. Kapitel
Achte auf alle Arten meiner Kommunikation
6. Kapitel
Stell dir vor! Ich bin visuell orientiert
7. Kapitel
Konzentriere dich auf meine Stärken, nicht auf meine Schwächen Bau auf dem auf, was ich kann
8. Kapitel
Hilf mir, mich sozial zu verhalten
9. Kapitel
Finde heraus, was meine Meltdowns auslöst
10. Kapitel
Liebe mich bedingungslos
Das Resümee von 10 Dinge
Sie haben die Wahl!
Es geht weiter …
Fragen zur Diskussion und Selbstreflexion
Danksagungen
Die Autorin
Vorwort zur deutschsprachigen Ausgabe
Vor etwa zwei Jahren ist im Lambertus-Verlag unter dem Titel „1001 Ideen für den Alltag mit autistischen Kindern und Jugendlichen“ die deutschsprachige Übersetzung des US-amerikanischen Buches „1001 Great Ideas for Teaching & Raising Children with Autism or Asperger’s“ erschienen. Diese Schrift stammt von Ellen Notbohm und Veronica Zysk und zählt im angloamerikanischen Sprachraum zu den Bestsellern und Lieblingsbüchern in Bezug auf Autismus. Auch hierzulande wird es bei einer stetig wachsenden Zahl an Eltern und pädagogischen Fachkräften als eine Fundgrube an leicht zugänglichen Praxistipps sehr geschätzt, die genutzt werden können, wenn ein autistisches Kind angemessen unterstützt werden soll. Die ausgesprochen positive Resonanz signalisiert, dass dieses Buch hält, was es verspricht.
In dieser Bahn bewegen sich gleichfalls das Echo und die Stimmen, die die US-amerikanische Ausgabe des vorliegenden Buches betreffen. Sie wurde 2019 unter dem Titel „Ten Things Every Child with Autism Wishes Yo Knew“ in der 3. aktualisierten Auflage veröffentlicht und mittlerweile in 20 Sprachen übersetzt und vielen Ländern zugänglich gemacht. Was bislang fehlte, war eine deutschsprachige Übersetzung und Zugänglichkeit. Diese Lücke wird nunmehr mit der vorliegenden Schrift geschlossen. Ausschlaggebend dafür war vor allem die international verbreitete hohe Wertschätzung beider Schriften von Ellen Notbohm, deren Veröffentlichungen mehrfach preisgekrönt wurden.
Ellen Notbohm ist Mutter eines autistischen Sohnes und eines Sohnes mit ADHS, arbeitet als Kommunikationsberaterin und hat sich als Journalistin auf Autismus spezialisiert. Ihre Stärke besteht insbesondere darin, drei Sichtweisen zu reflektieren und miteinander zu verschränken: ihre Sicht als betroffene Mutter, die Sicht ihres autistischen Sohnes und Außensichten auf Autismus. Auf diese Weise ist es ihr gelungen, eine subjektiv geprägte, zugleich fachlich profunde Schrift zu verfassen, die in erster Linie an Eltern und pädagogische Fachkräfte in Kitas und Schulen adressiert ist, wenn es darum geht, autistische Kinder zu verstehen, zu unterstützen und zu fördern.
Das vorliegende Buch ist systematisch angelegt, klar gegliedert und leicht zugänglich. Es beginnt mit Erfahrungen als Mutter eines Sohnes, der in den ersten Lebensjahren Verhaltensbesonderheiten zeigt, die zunächst den Verdacht auf Autismus aufkommen lassen, der dann später in Kindesalter diagnostisch bestätigt wird. Ein wichtiges Thema ist für Ellen Notbohm der Umgang mit solchen Botschaften. Unmissverständlich wendet sie sich gegen Vorurteile und pessimistische Prognosen, zum Beispiel gegen die Vorstellung, Autismus sei eine „unheilbare Störung“ oder „ein ‚therapieresistentes Phänomen‘, bei dem Betroffene kein sinnerfülltes Leben führen und ihren Alltag nicht produktiv gestalten können“. Anstatt Autismus als ein „Unglück“ zu betrachten, ist es ihr um eine positive und optimistische Grundhaltung zu tun, die zum Verständnis betroffener Personen unverzichtbar ist, ja eine fundamentale Bedeutung hat. Das Sich-Leiten-Lassen von klinischen oder allgemeinen (Vor-)Urteilen im Umgang mit Autismus ist nach Ansicht der Autorin ein pädagogischer oder therapeutischer Kunstfehler, der unbedingt vermieden werden sollte. Entscheidend für gelingende Entwicklungsprozesse autistischer Kinder sind die Bereitschaft und der Wille, sich unvoreingenommen, empathisch-verstehend auf den betreffenden Menschen einzulassen, seine Situation und Sicht subjektzentriert zu erschließen, mit ihm zu kooperieren und ihn auf ein Leben im Erwachsenenalter vorzubereiten, welches ihm ein Höchstmaß an Selbstvertretung und Selbstbestimmung ermöglichen kann. Dass bei diesem pädagogischen Bemühen fachwissenschaftliche Kenntnisse (im Unterschied zu statischen Urteilen oder Prognosen) einfließen sollten, steht nicht im Widerspruch zu der grundsätzlichen Haltung, das autistische Kind als „ganze“ Person, „mit seinen menschlichen Schwächen genauso wie mit seinen Fähigkeiten und Tugenden“ anzuerkennen und „bedingungslos zu lieben“.
Mit dieser Position werden von Ellen Notbohm zwei Aspekte tangiert, zum einen die Warnung autistischer Menschen, dass das, „was Ärzte oder Psychologen sagen, (…) nicht immer wahr zu sein“ braucht (O‘Neill 2001, 12f.)1; zum anderen die bereits von H. Asperger (1944, 135)2 herausgestellte Erkenntnis in Bezug auf autistische Personen, „dass in jedem Charakter Vorzüge und Mängel Ausfluß derselben Wesenszüge sind, daß Positives und Negatives zwei Seiten sind, die man nicht ohne weiteres voneinander trennen kann.“
Zu diesem ‚Doppelcharakter‘ von Autismus haben in den letzten Jahren viele autistische Persönlichkeiten wertvolle Beiträge geleistet, die zum besseren Verstehen von Autismus sowie zu Veränderungen der Sichtweisen geführt haben. Die vorliegende Schrift passt in diesen Kontext – wendet sie sich kompromisslos gegen die zum Teil noch weit verbreitete Defizitsicht auf Autismus und versteht sie sich als Plädoyer für die Würdigung von Stärken autistischer Menschen: Erschließen Sie die Potenziale, konzentrieren Sie sich auf die Stärken autistischer Kinder und nicht auf ihre Schwächen. Bauen Sie auf dem auf, was sie können – so lautet Ellen Notbohms Botschaft an alle Eltern autistischer Kinder und Fachkräfte im Bereich des Autismus.
Im Prinzip zählt heute eine solche Botschaft zum guten Ton, ließe sich nicht feststellen, dass sie nach wie vor zu wenig beachtet wird. Daher haben wir es noch eher mit einer Rhetorik denn Realität zu tun. Zudem gibt es mit den soeben veröffentlichten S3-Leitlinien „Autismus-Spektrum-Störungen im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter“3 Praxisempfehlungen und darüber hinaus nicht wenige Berichte aus der Praxis der Behindertenhilfe, denen die Stärkenperspektive nahezu fremd zu sein scheint (kritisch dazu Theunissen 2021, 93ff.).4
Dass in Verbindung mit eigenen Erfahrungen die Stimme autistischer Menschen beachtet wird, zeigt sich auch an der Stelle, wo Ellen Notbohm das Verständnis in Bezug auf Autismus diskutiert und die Bedeutung der sensorischen Besonderheiten herausstellt. Was den Begriff des Autismus betrifft, so signalisiert sie Verständnis für die aktuellen Diskussionen, ist jedoch davon überzeugt, dass durch bloße Begriffswechsel noch keine soziale und gesellschaftliche Inklusion (unbedingte Zugehörigkeit) autistischer Menschen garantiert werden kann und dass es letztlich auf die Einstellungen, Bewertungen und Entscheidungen ankommt, um Diskriminierungen und Ausgrenzungen zu vermeiden. „Etikettierungen“ – schreibt sie – „sind selten harmlos, auch wenn sie nicht böse gemeint sind.“ Daher wurde in der deutschsprachigen Übersetzung darauf geachtet, im Sinne der Autorin und der Selbstvertretung Betroffener den Autismusbegriff nicht per se durch ‚Autismus-Spektrum-Störung‘ zu pathologisieren und die Formulierung ‚autistisches Kind‘ durchgängig zu benutzen.
Aus der Betroffenensicht kann das Thema der sensorischen Besonderheiten als ein zentrales Merkmal im Autismus-Spektrum nicht hoch genug eingeschätzt werden. Diese gleichfalls von international renommierten Autismusforscher*innen gestützte Auffassung wird von Ellen Notbohm aufgrund ihrer Erfahrungen uneingeschränkt geteilt, weshalb sie diesem Thema durch die Berücksichtigung vieler Beispiele im Hinblick auf unterschiedliche Wahrnehmungsbereiche (visuell, auditiv, taktil …) breiten Raum gibt. Zugleich werden wertvolle pädagogische Anregungen zur Prävention und Intervention sensorischer Schwierigkeiten gegeben.
Weitere Kapitel, die typische Aspekte im Rahmen von Autismus alltagsbezogen und praxisnah aufgreifen, beziehen sich auf das konkrete Denken vieler autistischer Personen, auf ihre kommunikativen und kognitiven Besonderheiten wie zum Beispiel das Wörtlichnehmen von Sprache, auf die bei Betroffenen stark verbreitete visuelle Orientierung sowie auf die Herausforderungen, sich auf soziale Situationen und Interaktionen einzulassen und einzustellen.
Einen exponierten Stellenwert hat die Diskussion über Meltdowns und andere Verhaltensbesonderheiten, deren Umgang eine verstehende (funktionale) Problembetrachtung nahelegt. Auch in dem Fall legt die Autorin auf die positive Grundhaltung gegenüber autistischen Kindern großen Wert, die ihrer Ansicht nach in Verbindung mit der Herstellung und Sicherung einer Vertrauensbasis stets den fühlbaren Hintergrund aller Interventionen bilden muss. Das wird gleichfalls an den Stellen spürbar, wo Ellen Notbohm mit Beispielen aus dem alltäglichen Leben auf den wichtigen Unterschied zwischen dem ‚Nicht-Wollen‘ (wissen, aber nicht machen) und dem ‚Nicht-Können‘ (nicht wissen, wie es gemacht wird) aufmerksam macht. Wie bei den anderen Themen gelingt es ihr ebenso in diesem Kapitel, Leser*innen bei der Frage mitzunehmen, welche spezifischen Herausforderungen bestehen und wie pädagogische Maßnahmen an die Voraussetzungen und Bedürfnisse eines autistischen Kindes sinnvoll angepasst werden können. Hierzu ist ein umfassendes Verständnis seiner Situation, Sicht-, Verhaltens- und Erlebensweisen erforderlich. Ein solches Verständnis lässt sich am besten erreichen, indem ihm eine Stimme verliehen, ihm zugehört und seine Erfahrungen pädagogisch und therapeutisch berücksichtigt werden.
Mit dieser Sicht hat Ellen Notbohm als betroffene Mutter, als genaue Beobachterin und Analytikerin des Verhaltens autistischer Kinder sowie als Expertin in eigener Sache, vor allem für Autismus, ein wichtiges Buch geschrieben, welches Eltern autistischer Kinder und pädagogischen Fachkräften wie Erzieher*innen und Lehrer*innen zahlreiche Impulse zum Nachdenken, insbesondere zum Überdenken bisheriger Einstellungen und Umgangsformen sowie eine Fülle an hilfreichen Ideen und umsetzbaren Strategien bietet, die auf einem modernden Verständnis und Wissen in Bezug auf Autismus basieren. Fragen zur Vertiefung und Reflexion der genannten Themen runden die Schrift ab und sind zugleich wegbereitend für eine verstehende Sicht und einfühlsame Praxis.
Freiburg, im Herbst 2021
Georg Theunissen
1O‘Neill, J.: Autismus von innen. Nachrichten aus einer verborgenen Welt, Bern.
2Asperger, H.: Die „Autistischen Psychopathen“ im Kindesalter, in: Archiv für Psychiatrische Nervenkrankheiten, H. 117, 73–136.
3Interdisziplinäre S3-Leitlinie der DGKJP und der DGPPN sowie der beteiligten Fachgesellschaften, Berufsverbände und Patientenorganisationen S3-Leitlinie AWMF-Registernummer: 028–018, Langversion vom 2. Mai 2021 online zugänglich.
4Theunissen, G.: Behindertenarbeit vom Menschen aus. Unterstützungssysteme und Assistenzleistungen für Menschen mit Lernschwierigkeiten und komplexer Behinderung, Freiburg i. B. 2021.