Kitabı oku: «Die Tage des Rauchs», sayfa 2
11. September
Es ist kein Unfall
Nachdem ich den Südturm verschwinden gesehen hatte, schaltete ich das Radio ein, und Sharon rief an. »Ich hab schon mal angerufen. Hast du meine Nachricht bekommen?«
»Ich hab keine Nachrichten abgehört; das World Trade Center stand in Flammen.«
»Das Pentagon haben sie auch getroffen.«
»Was für ein Pentagon? Gibt es in Manhattan einen fünfeckigen Park?«
»Nein, das Pentagon-Pentagon.«
»O Gott. Es sind also zwei Flugzeuge gewesen?«
»Nein, es sind drei Flugzeuge gewesen. In jeden Turm ist ein Flugzeug geflogen, und eins ins Pentagon.«
Mein Herz schlug heftig, und meine Hände wurden kalt und kribbelten.
»Auch wenn die Stadt nicht brennt«, sagte ich, »könnte es sein, dass sie Strom und Wasser abstellen. Ich sollte Essen besorgen. Rufst du mich in einer Dreiviertelstunde noch mal an?«
»Ich werd’s versuchen, aber ich krieg immer öfter Besetztzeichen.«
Ich griff gleich noch mal zum Telefon, um meine Mutter anzurufen, aber ich kam nicht durch.
Nur wir selbst, noch mehr als sonst
»Sharon?«, sagte ich, als das Telefon noch mal geklingelt hatte.
»Ich bin’s, Akiko. Bist du okay? Sharon auch? Und deine Freundinnen?«
»Ja, ja, bis jetzt ja. Und du? Und dein Mann?«
»Ja, ja. Bei uns sagt man, das ist kowai«, sagte sie. »Das ist gruselig.«
»Aha, kawaii bedeutet niedlich, aber kowai gruselig.«
»Ja, total andere Bedeutung. Ich würde immer noch gern morgen zu dir nach Hause kommen, allerdings nur vielleicht.«
»Vielleicht wird das ein bisschen schwierig. Vielleicht ein anderes Mal.«
»Ja, das würde mich freuen.« Sie machte eine Pause. »Meinst du, ich sollte heute den Kurs besuchen?«
»Vielleicht ist zu Hause bleiben besser«, sagte ich.
»Okay. Kiotsukete«, sagte sie, »mach’s gut.«
»Pass auf dich auf, Akiko-san«, sagte ich.
Akiko und ich erlernten zusammen die japanische Teezeremonie und halfen uns gegenseitig beim Japanisch- und Englischüben. Ich fühlte mich davon geschmeichelt, dass sie glaubte, ich würde wissen, was jetzt zu tun sei.
Ich dachte über sie da ganz allein in ihrer Hochhauswohnung in der 9. Etage nach. Wenn ihr Gebäude in Brand geraten würde, könnte sie in der Falle sitzen. Wenn der Strom ausfallen würde, müsste sie die ganzen Treppen runter. Und wenn sie aus ihrer Wohnung geflüchtet wäre, wäre es entsetzlich für sie, völlig allein und mit ganz gutem, aber nicht herausragendem Englisch ihren Mann suchen zu müssen. Ich dachte an den Teekurs, das flache Gebäude, den tief gelegenen Keller mit seinen Steinmauern, die vollkommene Ruhe der Lehrenden, die Anwesenheit anderer Japanisch Sprechender.
Beim dritten Versuch kam ich mit dem Anruf durch. »Vielleicht solltest du doch zum Kurs gehen«, sagte ich. »Vielleicht ist das sicherer. Kannst du deinen Mann anrufen und ihm die Nummer von dort geben?«
»Okay«, sagte sie. »Danke fürs Anrufen.«
»Kiotsukete«, sagte ich.
»Pass auf dich auf«, sagte sie.
Zwei Sekunden
Nach Akikos Anruf machte ich mich auf zum Einkaufen. Als ich losging, stand der Nordturm da wie ein Körper mit aufgesägter Brust und flammendem Herzen darin. Ich hörte die Sirenen durch die Second Avenue heulen und war mir immer noch sicher, dass die Feuerwehr ihn retten könnte.
Ich kaufte vier Liter Wasser, einen Liter Sprudel, tiefgefrorene Teigtaschen mit Shrimps (falls Herd und Kühlschrank weiter funktionieren sollten), einen Beutel Babymöhren, drei Joghurts, zwei Gemüsesäfte, einen Orangensaft und eine Packung Cracker. Und weil sie ja vielleicht meine letzten sein konnten, kaufte ich mir Leckereien: einen Becher Cashewmus, Toblerone, frische Feigen. Ich entdeckte noch eine Packung Kerzen und kaufte auch die.
Als ich so meine Einkaufskörbe füllte, sah ich ein ganz kleines Kind systematisch jeden einzelnen Schokoriegel anfassen, während die drängelnde Stimme einer Frau nach »Lucy! Lucy!« rief. Schließlich schnappte sich die Frau ihr Kind und rüttelte es kurz. »Ich dreh mich für zwei Sekunden um, und was passiert?«
Glotzend wie ein Survival-Yuppie stand ich mit meinen schweren Einkaufskörben an der Kasse hinter einem Mann, der völlig gelassen eine einzelne Chipstüte kaufte, und hinter Lucy und ihrer Mutter, die ein Trinkpäckchen und Blattsalat kaufte. Ich fühlte mich wie diese einsam rennende Frau vom Astor Place.
Als ich nach draußen kam, scharten sich auf dem Gehweg zwanzig Leute um einen Fernseher, und jemand filmte sie dabei.
Und auf dem Weg nach Hause sah mir ein Mann in die Augen ohne Flirtversuch. »Ist das nicht furchtbar?«, sagte sein Gesichtsausdruck. Sein Mitgefühl brannte sich mir irgendwie ein.
Und als ich oben auf der Treppe ankam und aus dem Fenster sah, war der Nordturm verschwunden.
Möglichkeiten
Der Himmel war voll mit schwarzem Rauch. Er rollte sich in ausgeprägten Formen, dick und beulig wie sich aufblähende Gehirne, voran. Ich schaltete das Radio ein, und Sharon rief wieder an.
Ein weiteres entführtes Flugzeug war außerhalb von Pittsburgh abgestürzt. Sie hatte eine halbe Stunde gebraucht, um durchzukommen.
»Im Radio sagen sie gerade, dass man nach Norden gehen soll, wenn man sich südlich der Canal Street befindet. Wenn die anfangen zu sagen, dass man weggehen soll, wenn man sich südlich der Houston Street befindet, verschwinde ich«, sagte ich. »Diese Mietsbruchbuden hier dürften abfackeln wie Papiertaschentücher. Sollte alles brennen, werde ich zum Central Park und da in den See gehen. Ich hab meine Computerfestplatte schon in einen Zipverschlussbeutel gepackt, und ich such gerade noch was, womit ich meine Brille an meinem Kopf festbinden kann. Das hört sich jetzt bestimmt alles total bescheuert an. Und klar, wenn das Feuer nach Norden umschwenkt, kann ich auch zur Teezeremonie gehen und mich da im Keller verstecken. Aber wenn jetzt noch ein Flugzeug ins Empire State Building kracht, könnte das Feuer gleichzeitig von Norden und von Süden kommen. Dann würde alles in der Stadt zusammenbrechen: Die gesamte Feuerwehr wäre downtown, es würde niemanden mehr geben, der hergeschickt werden könnte. Also müsste wohl ich zum Wasser gehen. Da gibt’s doch diese zwei dicken Styroporteile, die ich unter der Treppe gesehen hab. Ich könnte die zusammenbinden und über den East River nach Brooklyn surfen. Sollte ich die mal holen?«
»Ja.«
»Leg nicht auf. Bin gleich zurück. – Hi.«
»Hi. Hast du sie zusammengebunden?«
»Noch nicht.«
»Mach’s besser sofort. Haben wir irgendwas Wasserfestes?«
»Es gibt Klebeband«, sagte ich. »Mein Gott, das ist so verrückt.«
Wir saßen still am Telefon, hörten Radio und die Sirenen. Eine von uns sagte: »Es ist unerträglich, gerade jetzt nicht bei dir zu sein.«
Sharon war in ihrem Büro in Princeton, und Manhattan war abgeriegelt mit Ausnahme der Fähren und des Brückenübergangs für Fußgänger. Es fuhren keine U-Bahnen, auch keine New-Jersey-Transit-Züge.
Ich hätte über eine der Brücken nach Brooklyn gehen und da versuchen können, ein Taxi zu finden, das willens gewesen wäre, mich durch Brooklyn nach Staten Island zu fahren und über die Bayonne Bridge nach New Jersey. Aber was dann?
Ich hätte auch zu Fuß 173 Blocks überwinden und über die George Washington Bridge nach New Jersey kommen können. Aber was dann?
Oder ich hätte eine der Fähren über den Hudson nach New Jersey nehmen können. Aber was dann?
»Na ja, vom Flughafen Newark bis nach Princeton sind es 90 Dollar mit dem Taxi. Wenn du eins finden kannst.«
Unser Plan: Wenn sie Züge reinlassen, würde Sharon nach Hause kommen. Wenn sie Züge rauslassen, aber nicht rein, würde ich zu ihr kommen. Sollte Manhattan abgeriegelt bleiben, würde sie in New Jersey bleiben, und ich würde bleiben, wo immer es hier am sichersten wäre. Wir machten eine Liste von Orten in Princeton, wo sie bleiben könnte, und von Nummern, über die ich Kontakt aufnehmen könnte, alles nacheinander geordnet, falls wir uns jeweils dort nicht finden sollten. Angefangen mit Liz, meiner Lieblings-Englischlehrerin an der Highschool, und am Schluss das Novotel-Hotel an der Route 1.
»Ruf meine Mutter an«, sagte ich. »Und ruf Loudi in Brooklyn an, um zu sagen, wo du gerade bist. Nach Brooklyn kriege ich eine Verbindung, aber nicht zu dir.«
Ich rief dann alle Freunde an, die ich erreichen konnte. Das schnurlose Telefon fiel aus; ich benutzte eins mit Wählscheibe, das ich mal als Bühnenrequisit gekauft hatte. Meine Freundin Loudi rief mit Neuigkeiten von Sharon an: Sie hatte meiner Mutter eine Nachricht hinterlassen können, und sie hatte Liz erreicht, natürlich könnte Sharon bei ihr übernachten, auch wir beide könnten. Alles, was ich jetzt noch tun konnte, war, während der Rauch weiter emporquoll, am Radio abzuwarten, bis gesagt werden würde, dass ich zu ihr kann, dass die Züge wieder rausfahren.
Was ist passiert?
Neunzehn mit Teppichmessern bewaffnete Männer hatten die militärischen und wirtschaftlichen Zentren meines Landes angegriffen. Die zwei höchsten Bauten in meiner Stadt, jedes 110 Stockwerke hoch, waren in sich zusammengesunken, ihre Stahlkonstruktion war durch auf 1000 Grad erhitzte 90 000 Liter brennendes Kerosin zum Schmelzen gebracht worden. In Washington lag das (nach der Fabrik, in der die entführten Flugzeuge hergestellt wurden) zweitgrößte Gebäude der Welt, Sitz der größten Kriegsmaschinerie aller Zeiten, aufgeklafft und qualmend da. Es gab ein abgestürztes Flugzeug auf einem Feld in Pennsylvania. Wohin sollte das noch gelenkt werden?
Es brauchte so wenig. Nur ein Fingerschnippen, um unsere großen Flugzeuge in unsere großen Gebäude zu schubsen. Nur ein Flugticket und ein Teppichmesser. Alles andere hatten wir, der Feind, bezahlt.
Konnten Amputierte in den Zeiten vor der Erfindung der Narkose dazu in der Lage gewesen sein, bei ihrer Operation die sauberen Schnitte der Arztsäge zu bewundern? Meinem Mund entwichen tierhafte Laute, während ich dem schwarzen Rauch beim Aufsteigen zusah.
Ich habe es noch nicht erwähnt
Das Offensichtliche:
Menschen starben.
Panik ist so selbstbezogen.
Ich wartete am Radio. Da kam etwas von einem Mann, der die ganze Strecke bis zur 92. Straße nach Hause gelaufen war, mit ascheverschmiertem Gesicht und vollkommen durchgeschwitztem Anzug.
Da kam etwas von einem Mann, der aus seiner Wohnung geflüchtet war, nachdem ein Computer durch sein Fenster eingeschlagen war.
Da kam etwas von einem alten Paar, das sich über die Williamsburg Bridge geschleppt hatte. Sie meinten, in Brooklyn würde ihnen sicher niemand etwas antun.
Und dann kam etwas von einem Feuerwehrmann. Getötet durch einen herabfallenden Körper.
Ich schlug die Hände vors Gesicht. Der Rauch wand sich aufwärts, gebar sich weiterhin ununterbrochen selbst. Er wirkte scheußlich dicht; das lag an unseren modernen Gebäuden. Und dann fuhren die Züge wieder, aber nur runter von der Insel, nicht rauf.
Glück
Draußen auf der Straße war es unheimlich, keine Autos, aber viele stille Menschen, die in langsamen Duos oder Trios in südliche Richtung unterwegs waren. Die Restaurants waren geöffnet und voller sich sorgender Leute, die entweder allein dasaßen und in ihre Mobiltelefone sprachen oder beieinander und schwiegen. Alle Geschäfte, die Nahrungsmittel verkaufen, waren offen, alle anderen geschlossen.
Ich kaufte in einer vollkommen leeren Bäckerei Hamentashen für Liz und ihre Familie; die zwei Frauen, die dort arbeiteten, saßen aschfahl da und hörten Radio. Für die Zugfahrt kaufte ich mir Essen im japanischen Laden. Im Fahrstuhl nach oben zum Geschäft sah ich einen Mann Daumen und Zeigefinger so auf seine Nase legen, als würde er weinen. Mir selbst kamen auch die Tränen.
Wir stiegen aus dem Fahrstuhl aus, und im Geschäft alberte gerade ein nerviger Teenager auf Japanisch mit seinen Freunden herum. Für wen hielt der sich? Beim Bezahlen für mein Sushi heulte ich dann fast noch mal, weil es so entsetzlich war, so etwas Banales zu tun. Weil ich mein Leben weiterleben musste, weil dieser Teenager seins weiterleben musste.
Auf dem Bahnsteig in der U-Bahn-Station hörte ich drei Leuten zu, die aus dem Nebengebäude World Trade Center 7 evakuiert worden waren, das dann ein paar Stunden später zusammenbrach. Ein letzter Rest Unglaube in mir schrumpfte zusammen, während sie miteinander redeten. Es war wirklich passiert.
Ich war im ersten nach Stunden wieder fahrenden Zug. Müde Menschen füllten die Sitze und Gänge und behandelten einander rücksichtsvoll. Als wir aus dem Hudson-Tunnel herausfuhren, wandten sich alle zuerst nach links, um auf die sich über die Stadt erhebende Wolke zu starren. Dann holten die Männer rechts und links von mir ihre Telefone heraus.
Ich hörte mit, wie einer der Männer sagte: »Der Himmel hat noch nie so blau ausgesehen.«
Die Rauchsäule war schwarz und riesig. Bei Newark hatte sie ihre hirnartigen Beulen verloren, und bei Elizabeth war sie eine verwaschene graue Schmiere, die den halben Himmel einnahm.
Ich hörte mit, wie einer der Männer sagte: »Bleib in Panama, so lange du kannst. Und heb deinen World-Trade-Center-Ausweis auf. Den kannst du mal deinen Enkeln zeigen.«
Sharon holte mich zusammen mit Liz’ Mann Tom in der Station ab. Extrem erleichtert umfasste ich ihr feines Gesicht und strich über ihre langen Brauen. Ich legte meine Hand auf ihren warmen Nacken und küsste ihren herrlichen Mund. Und ich hielt sie fest und hielt sie fest. Wir waren so glücklich, am Leben zu sein, es war schon peinlich.
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