Kitabı oku: «Fußball-Taktik»
Inhalt
Zu diesem Buch
Taktik-Lehrstunde beim Perfektionisten
Grundordnung: Sinn und Unsinn der Systemdebatte
Das große Ganze
Spieleröffnung und Spielgestaltung
Passqualität
Taktische Flexibilität
Eigeninitiative und taktisches Verständnis der Spieler
Trockenübungen
Das kleine Ganze
Leverkusen widerlegt die Lehre
Richtiges Timing beim Zweikampf
Zuordnung bei Standards
Vier-Felder-Spiel
Das Risiko des kompakten Stehens
Druck für Jugendtrainer führt zu Mangel an Außenverteidigern
Der Ärger über die »falsche Neun«
Der geplante Fehlpass
Sieben zu eins – das historische Spiel
Themen gibt’s noch reichlich
Torwart: Auf der Linie – oder ganz weit vorne
Der Verbesserer englischer Schule
Der Lehrgang in Wales
»High up« in London
Kampfzone Fünfmeterraum
Abwehr: Die Spielverderber – oder die hohe Kunst des Verteidigens
Immer mit der Ruhe
»Kleine Situazione«, die Spiele entscheiden
Die Aufwertung des Innenverteidigers
Komplexes Spiel
Der Polster Toni
Schmutzige Taktik
Wo sind sie nur geblieben, die starken Linksfüße?
Ballbesitz-Fußball und die Grenzen der Statistik
Psychologie: Von der Antizipation zur schnellen Lösung
Interview mit dem Sportpsychologen Werner Mickler
Probleme werden zu Herausforderungen
Trainer auf dem »heißen Stuhl«
Lernprozesse in Brasilien
Mittelfeld: Strategien in der Zentrale
Im Hier und Jetzt
Die Doppelsechs: Einer geht, einer bleibt
Weite Wege vors spanische Tor
Im Entengang zur WM 2006
Geübt: das Volley-Tor zur Meisterschaft
Im Labor – was der Fußball vom Hockey lernen kann und was nicht
Interview mit Hockey-Bundestrainer Markus Weise: »Es hat klick gemacht«
Geschwafel durch den »Bullshit-Filter«
Im olympischen Halbfinale mit ungewohntem Fünfer-Aufbau
Coaching-Schleife läuft im Zick-Zack
Mehr Demokratie wagen im Hochleistungs-Team
Die verhinderte Revolution mit Bernhard Peters
Das Vorbild Costa Rica – die Entwicklung eines Matchplans
Ganz ohne Fußball geht es nicht
Gleichgewicht der Trainingsinhalte
Außenverteidiger ist nicht gleich Außenverteidiger
Wie die Bayern zu knacken sind – vielleicht
Stürmer mit Sonderauftrag
Von Pressing und Gegenpressing
Wie im Fluss
Die Natur des Spiels: Dem Zufall Tür und Tor geöffnet
Interview mit dem Sportwissenschaftler Martin Lames
Fußball als komplexes dynamisches System
Worin sich der Fußball von anderen Sportarten unterscheidet
Wider der Oberflächlichkeit
Von der Bedeutung des Schwerpunkts
Angriff: Phantasie und Flexibilität im Kopf
Elf gegen Null
Laufwege üben, freie Entscheidungen treffen
Realismus statt Powerfußball
Danksagung
Zu diesem Buch
Jürgen Klopp war der Türöffner. Seine anschaulichen Analysen im Fernsehstudio während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, dem deutschen »Sommermärchen«, eröffneten den Zuschauern einen völlig neuen Blick auf das Spiel: hintergründig und auch für den Taktik-Laien verständlich. Plötzlich wurden zuvor verborgene Zusammenhänge deutlich, weil Klopp nicht beschrieb, sondern erklärte, was auf dem Spielfeld passierte – unterstützt durch Analysetools, mit deren Hilfe die Spieler auf dem Studio-Bildschirm hin- und hergeschoben wurden.
Heute ist diese Form der medialen Spielaufbereitung gang und gäbe, die Zeit der klassischen »1:0-Berichterstattung« längst passé. Mit der Spieltaganalyse auf Sport1 hat sich eine wöchentliche taktische Aufbereitung der Bundesliga-Spiele fest in der deutschen Fernsehlandschaft etabliert. Im Land der »80 Millionen Bundestrainer« möchte der Fußballfan nicht nur die Torschützen wissen, er will das Spiel verstehen. Warum hat der Trainer auf eine statt auf zwei Spitzen gesetzt? Wieso wurde das Spiel der Mannschaft nach einer Stunde plötzlich komplett umgestellt? Was meint der Trainer, wenn er von »abkippenden Stürmern«, »dynamischer Dreierkette«, »Schnittstellen« und »flacher Vier« spricht? Und hätte er nicht ohnehin eine ganz andere Taktik wählen müssen? Das vorliegende Buch will auf Fragen dieser Art Antworten geben, ohne dabei ein komplexes Lehrbuch zu sein. Es richtet sich an jeden Fußballinteressierten, den die Strategien von Trainern interessieren und der ein Spiel besser »lesen« können möchte. »Fußball-Taktik – Die Anatomie des modernen Spiels« muss nicht stur in vorgegebener Reihenfolge von vorne nach hinten gelesen werden. Je nach Interessenschwerpunkt des Lesers ist jedes Kapitel für sich verständlich.
Das moderne Spiel, für dieses Buch definiert mit Beginn der Jahrtausendwende, ist nicht nur immer athletischer geworden, sondern auch raffinierter, analytischer und ausgeglichener. Die Trainer überbieten sich gegenseitig in ihrem eigenen Wettkampf: dem Austüfteln des besten Matchplans. Ähnlich wie nach der für Deutschland deprimierenden Europameisterschaft 2000 das Nachwuchskonzept grundlegend reformiert wurde, ist auch die Ausbildung der Trainer auf ein neues Level angehoben worden. Anreize aus anderen Ligen wurden dankbar aufgenommen, sei es durch Hospitieren der Trainer, internationale Spieler von höchstem Format oder durch Videostudium. Da zudem internationale Coaches die Bundesliga bereichern, ist sie heute ein Sammelsurium von anerkannten Könnern ihres Fachs wie Pep Guardiola, Lucien Favre, Thomas Tuchel oder eben Jürgen Klopp. Jeder von ihnen hat dem deutschen Fußball während der letzten Jahre neue Impulse verliehen.
Auf den folgenden Seiten geht es nicht um einen historischen Abriss der Entwicklung von Fußballtaktik; diese Arbeit haben andere Werke bereits in hervorragender Form geleistet. Vielmehr wird ein Blick geworfen auf den taktischen Status quo, der sich im stetigen Wandel befindet. Herausgekommen ist ein Gesprächsbuch, das seine Entstehung der Mitwirkung vieler bekannter Experten verdankt. So hat Frank Wormuth, Leiter der Fußball-Lehrer-Ausbildung beim DFB, den Autoren mit leidenschaftlichem Vortrag an der Taktiktafel ein erweitertes Verständnis von Fußball vermittelt. Thomas Helmer gewährte Einblick in Trockenübungen à la Giovanni Trapattoni ohne Ball und Gegner, bei denen die Bayern zunächst selbst nicht wussten, wie ihnen geschah.
Der frühere Nationaltorwart Jens Lehmann berichtete von intensiven Erfahrungen sowohl aus seiner Profizeit in England als auch von seiner Trainerausbildung in Wales. Hockey-Bundestrainer Markus Weise, dem das Kunststück gelang, zwei Olympische Goldmedaillen mit dem Herren- sowie eine mit dem Damenteam zu gewinnen, lieferte einen wertvollen Ausblick über den Tellerrand des Fußballs hinaus. Arno Michels verriet anschaulich und detailliert, wie er zu seiner Mainzer Co-Trainerzeit zusammen mit Thomas Tuchel die übermächtigen Bayern zu »knacken« versuchte. Um nur einige der Gesprächspartner zu nennen. Zum Teil wurden sie bewusst mit denselben Fragen konfrontiert, da sich aus ihren unterschiedlichen Antworten interessante Erkenntnisse gewinnen ließen – und die somit verdeutlichten: Die eine Wahrheit im Fußball gibt es nicht.
Sicher entscheiden neben der Taktik und dem gewählten Spielsystem zu gleichen Teilen auch Tagesform, Zweikampfstärke, Kondition oder Mentalität über Sieg und Niederlage. Doch gerade zwischen zwei ähnlich starken Teams kann die richtige Taktik den fehlenden Baustein zum Erfolg liefern. Wie wichtig ein ausgeklügelter Plan und seine konsequente Umsetzung sein können, zeigte der schon jetzt legendäre 7:1-Erfolg des DFB-Teams im WM-Halbfinale 2014 gegen Brasilien, als sich taktische Entschlossenheit gegen überschwängliches Pathos überraschend deutlich durchsetzte.
Wie also funktioniert das »moderne Spiel«, wie »ticken« seine Trainer und Spieler? Der Leser ist eingeladen zu einer spannenden Entdeckungsreise ins moderne Fußballtaktik-Land, ermöglicht durch offene und zuweilen auch überraschende Einblicke ihrer Protagonisten.
Die Autoren im Frühjahr 2015
Taktik-Lehrstunde beim Perfektionisten
Nun sitzen wir hier in seinem Büro, lauschen gebannt den Worten unseres heutigen Privatdozenten und saugen alle Neuigkeiten wie wissbegierige Schüler in uns auf. Vor uns die Taktiktafel, auf der Frank Wormuth die Magnetpunkte in Windeseile hin- und herschiebt. Fragezeichen im Gesicht erkennt er bereits im Ansatz. »Können Sie mir noch folgen?« »Nun, vielleicht könnten Sie uns das mit der gependelten Viererkette noch einmal kurz erklären …«
Herbst 2014, Sportschule Hennef, Hennes-Weisweiler-Akademie. Hier werden die angehenden Fußball-Lehrer ausgebildet, Frank Wormuth ist der Ausbildungsleiter. Wormuth spricht so temperamentvoll, so plakativ und mit wirbelnden Armen, als stünde er gerade am Spielfeldrand. Das Fenster ist weit geöffnet, auch wenn es draußen kühl ist. Seine Dynamik braucht reichlich frische Luft. Keine Frage, dieser Mann hat Freude an seinem Beruf. Würde er sich auch sonst die Doppelbelastung als Trainer der U20-Nationalmannschaft noch antun? Wobei, »Belastung« ist das falsche Wort. »Herausforderung« würde Wormuth sagen. Von Vorträgen außerhalb der Trainerausbildung und Medienauftritten als Taktikexperte mal ganz abgesehen. Schon nach wenigen Minuten wissen wir, dass wir hier richtig sind. Dieser Mann kann uns den modernen Fußball näher bringen und in die Grundlagen der Taktik einführen. Er erzählt uns, was ihn an Bayer Leverkusen unter Trainer Roger Schmidt so fasziniert und wie es bei der Weltmeisterschaft 2014 zwischen Brasilien und Deutschland zu diesem historischen Spiel kommen konnte. Nur auf zwei Themen sollte man ihn besser nicht ansprechen. Doch dazu später.
Grundordnung: Sinn und Unsinn der Systemdebatte
Seit der Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich analysiert der Deutsche Fußball-Bund jedes Großturnier und die dabei gewählten Spielsysteme auf sehr detaillierte Weise. Erstaunlich war der Wandel seit der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika bis zur letzten WM 2014 in Brasilien: Die Vielfalt der Grundordnungen ist beinahe explodiert. »2010 wurde fast ausschließlich das 4-2-3-1 praktiziert, von nahezu allen Teams«, erinnert sich Wormuth. »Ganz anders war es vier Jahre später: Das 4-2-3-1 war zwar immer noch eine Art Standard, doch in Brasilien haben wir eine große Bandbreite der Systeme gesehen – ob Dreierkette, Viererkette oder die Raute, es war alles wieder vorhanden. Wobei es die Raute lediglich ein einziges Mal gab. Auch die zwischenzeitlich fast ausgestorbene Dreierkette, die defensiv zur Fünferkette wird, war wieder zu beobachten. Taktische Flexibilität war die Maxime dieser WM.«
Gerade setzen wir an zu einer ausführlichen Frage, die zeigen soll, dass wir nicht gänzlich ahnungslos sind in taktischen Fragen, schwadronieren von Grundordnungen und Spielsystemen, als sich Wormuths eben noch heller Gesichtsausdruck leicht verdunkelt. Uns gegenüber sitzt ein Perfektionist, wie jeder Spielzug muss auch jedes Wort stimmen. Und wir haben uns soeben als begriffliche Laien verraten. »Meine Herren, an der Hennes-Weisweiler-Akademie behandeln wir die Begriffe Grundordnung und Spielsystem nicht synonym. Die Positionen ohne Bewegungen, also die starre Anfangsformation sowohl in der Offensive nach Ballgewinn als auch in der Defensive nach Ballverlust, das sind Grundordnungen. Doch dabei bleibt es ja nicht, die Spieler bewegen sich – so ist zumindest zu hoffen …« Ein Lächeln in Wormuths Gesicht sorgt wieder für entspannte Gesichtszüge. »Und sobald sich die Spieler bewegen, …« – Wormuth zeichnet Pfeile an die Tafel, die Laufrichtungen symbolisieren – »… verlassen sie die starre Ordnung und befolgen ein Spielsystem. Teams mit gleichen Grundordnungen können unterschiedliche Systeme spielen, weil sie die einzelnen Spielpositionen unterschiedlich interpretieren.« Erst das Spielsystem macht die Grundordnung also lebendig, indem es den Spielern konkrete Aufgaben zuordnet? Ein zufriedenes Nicken. Für den Moment sind wir aus dem Schneider.
Die ständige Zahlenspielerei und öffentliche Systemdiskussion hält der Chefausbilder allerdings für übertrieben. Seinen Auszubildenden veranschaulichte er einst, weshalb: »Während einer Video-Analyse habe ich sie mal gebeten, die Augen zu schließen. Dann habe ich die Aufnahme gestoppt und gesagt: ›Jetzt öffnet die Augen wieder und schaut, was dort für ein System gespielt wird.‹ Ihre Antwort: 4-2-3-1. Keine zehn Sekunden später habe ich wieder gestoppt. Jetzt war die Antwort: 4-1-4-1. Das wechselt ständig hin und her. Allein diese beiden Systeme vermischen sich während eines Spiels binnen Sekunden.«
Nicht alle Übergänge sind so fließend, zwischen Dreier- und Vierkette lassen sich klare Unterschiede ausmachen. Die Dreierkette ergibt immer dann Sinn, wenn, was inzwischen nicht mehr so häufig vorkommt, der Gegner mit zwei Spitzen agiert (vor zwanzig Jahren noch war dies die bevorzugte Angriffsformation). Nützlich bei der Dreierkette ist, dass sich Überzahl nicht nur defensiv schaffen lässt, sondern auch bei der Spieleröffnung. Eine Sonderform ist die dynamische Dreierkette. Sie meint das »Fallenlassen« des Sechsers, des zentraldefensiven Mittelfeldspielers, zwischen die beiden Innenverteidiger einer Viererkette – und zwar optimal in der Form, dass die beiden Innenverteidiger auf einer Höhe mit den beiden Angreifern agieren und mit dem Sechser somit ein Dreieck bilden. Ein Pass vom Sechser auf einen der beiden Innenverteidiger würde dann die erste Abwehrreihe* sofort überspielen. Die beiden Außenverteidiger sollten an den Linien hoch stehen und für potentielle Überzahl im Mittelfeld sorgen.
Die Dreierkette verändert auch etwas in der Ausrichtung nach vorne und zieht bei einem 3-5-2 ein System mit zwei Spitzen nach sich. Wenn auch seltener praktiziert, wird es mit drei Angreifern zu einem 3-4-3, wobei hier die Abgrenzung bereits wieder schwammiger wird. Denn das 3-4-3 wird zur »gependelten Viererkette«, wenn sich einer der Mittelfeldspieler nach hinten fallen lässt. »Verstehen Sie jetzt, warum ich sage, dass man sich nicht zu sehr auf eine bestimmte Ordnung oder auf ein bestimmtes System versteifen sollte?« Wir nicken. Fließende Übergänge eben.
Abb. 1: Dynamische Dreierkette: Der defensive Mittelfeldspieler lässt sich zwischen die beiden Innenverteidiger fallen.
Bevor der falsche Eindruck entsteht, jegliche Systemdiskussion sei beliebig, folgt schnell etwas Handfestes, Eindeutiges. Das Rautenspiel im 4-4-2. Vier Mann im Mittelfeld, je einer auf den Seiten, einer hinter den Spitzen und einer vor der Abwehr (im Gegensatz zum 4-4-2 als »flacher Vier«, in dem der offensive Mittelfeldspieler neben den anderen defensiven als zweiter Sechser zurückgezogen wird). Die Mannschaft, die die Raute bei der WM 2010 einmalig praktizierte, gegen Deutschland, war Argentinien unter Diego Armando Maradona. Herausragend war damals Ángel Di Maria als Linksaußen, der sich auch nicht zu schade war, in der Defensive mitzuarbeiten. Doch warum gingen die Südamerikaner im Viertelfinale mit 0:4 gegen das DFB-Team unter? Als sie chancenlos waren und bei Weitem noch nicht der ebenbürtige Gegner wie im WM-Finale vier Jahre später. »Die Deutschen haben damals hervorragend gekontert, was ihnen auch dadurch ermöglicht wurde, dass die Argentinier so breit standen, weshalb es fast schon keine Raute mehr war«, erinnert sich Wormuth. »Von der Grundformation war es eine Raute, in der allerdings die Abstände zwischen den Spielern zu groß waren und somit den schnellen Deutschen zu viele Löcher zum Durchstoßen bot.«
Unter Trainer Thomas Schaaf setzte der SV Werder Bremen jahrelang erfolgreich auf die Raute. Zwar war Werder immer mehr für Offensivspektakel denn für Abwehrkunst bekannt, doch die Mittelfeldspieler standen meist eng zusammen, sodass dem Gegner ein Durchkommen zumindest durch die Mitte erschwert wurde. Die Taktik ging so weit, dass Werder den Gegner nach innen lockte, weil eben dort die Überzahl vorhanden und eine Balleroberung sehr wahrscheinlich war. Notwendigerweise erlahmte auf diese Weise das Bremer Spiel über die Außenbahnen, denn das Eine bedingt das Andere.
Maßgeblich bei der Suche nach dem richtigen System sind zwei Punkte: Raum und Überzahl. Die Gedanken des Trainers gehen in Richtungen wie: Wo ist der freie Raum zu finden, den ich besetzen muss, offensiv wie defensiv, und den ich bespielen kann? Wie gelingt es mir, Überzahl zu schaffen? Spielt mein Team im 3-5-2, verfüge ich auf der Außenbahn jeweils über einen Spieler, der Gegner im 4-4-2 besitzt dort zwei Spieler. Wenn ich defensiv gut verschiebe, entsteht kein Problem. Falls doch, muss mir klar sein, dass der Gegner auf den Außenpositionen Überzahl besitzt. Wormuth: »Sie können aufhören, nach dem einen, dem idealen System zu suchen. Jedes von ihnen kann in einem bestimmten Spiel, in einer bestimmten Situation, Sinn ergeben. Ich muss mir allerdings über die jeweiligen Vorund Nachteile im Klaren sein, auch unter Berücksichtigung des gegnerischen Spielsystems.«
Hat sich der Trainer für ein System entschieden, so zieht dies weitere Überlegungen nach sich. Wird mit zwei Spitzen ohne Zehner agiert, also im 4-4-2 mit Linie statt Raute, dann befindet sich im Rücken der Stürmer immer ein Loch, in das der gegnerische Sechser hereinkommen, den Ball annehmen und sich drehen kann. Um das zu verhindern, hilft der Einsatz von abkippenden Stürmern. »Abkippend« deshalb, weil sie sich bei gegnerischem Ballbesitz ins Mittelfeld zurückfallen lassen und so die systembedingte Lücke schließen. Der Nachteil: Abkippende Stürmer haben mit fortschreitender Spieldauer nicht mehr ausreichend Kraft, um sich auch noch wirkungsvoll nach vorne zu entfalten. »Deshalb muss man sich entscheiden, worauf der Fokus liegt«, rät Wormuth. »Ganz eng zu stehen, darin könnte ein Ansatz liegen. Aber die Abstände und Lücken werden umso größer, wenn die Mannschaft im Laufe des Spiels konditionell abbaut und die notwendigen Laufwege nicht mehr macht. Dann muss ich als Trainer erkennen: ›Wir bekommen im Mittelfeld keinen Zugriff mehr, der Gegner kann den Ball unbedrängt annehmen.‹ Spätestens dann muss es bei mir klingeln: ›Achtung, der Gegner spielt mit einer Sechs und wir ohne Zehn, diese Position könnte irgendwann für ihn Vorteile haben.‹ Allerdings passiert das recht selten, weil die konditionellen Voraussetzungen der Profimannschaften durchweg klasse sind. Aber wenn es doch so ist, muss mir klar sein, dass dort die Ursache des Problems liegt.«
Wichtiger noch als die defensive Grundordnung ist das ballorientierte Verschieben, durch das die Mannschaft eine kompakte Einheit bildet, die defensiv die Räume für den Gegner verdichtet. Dem ballorientierten Verschieben ist die gewählte Grundordnung gänzlich egal, müssen sich doch ohnehin alle Feldspieler daran beteiligen – so zumindest verlangt es der Trainer Frank Wormuth von seiner U20. Zum Verschieben erfahren wir noch reichlich beim »Großen Ganzen«.