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Ausbildungsverbund OdA Gesundheit Basel

Die OdA Gesundheit beider Basel übernimmt bei den Grundausbildungen Fachfrau/Fachmann Gesundheit (FaGe) und Assistent/in Gesundheit Soziales (AGS) Aufgaben von Lehrbetrieben wie Rekrutierung, betriebliche Bildungsplanung oder auch Personaladministration. Diese Arbeit wird durch Ausbildungsbeiträge der Mitglieder von 1200 bis 2200 Franken pro Lernende/n und Monat finanziert. Die OdA ist Lehrvertragspartnerin und zahlt den Lernenden auch den Lehrlingslohn. Sie unterstützt und coacht die Fachpersonen in den Betrieben (Spitäler, Heime usw.), in denen die Lernenden je nach Lehrjahr drei bis vier Tage produktiv arbeiten (OdA Gesundheit beider Basel, 2013).

Porträt Cagdas Guerakar
Wie bei König Drosselbart
Cagdas Guerakar lernt Chemie- und Pharmatechnologe EFZ und steht im zweiten Lehrjahr. Praktischen Einblick in seinen Beruf erhielt er bisher fast nur im «Lehrpilot» und in den Schullabors von aprentas.

Cagdas Guerakar, 21, lernt Chemie- und Pharmatechnologe EFZ


Seine Gruppe heisst CPT, CPT wie «Chemie- und Pharmatechnologie». Mitglieder sind alle Lernenden, mit denen Cagdas Guerakar die berufliche Grundbildung absolviert. Fast täglich verschicken die angehenden Chemie- und Pharmatechnologinnen und -technologen über WhatsApp Botschaften, zumeist Verständnisfragen zum Gelernten und mögliche Antworten, manchmal organisatorische Hinweise zum Unterricht. «Wir alle helfen einander», sagt Cagdas Guerakar. «Meine Klasse ist so etwas wie meine Familie geworden.»

Cagdas Guerakar befindet sich im zweiten Lehrjahr der dreijährigen beruflichen Grundbildung zum Chemie- und Pharmatechnologen EFZ. Der Unterricht an der Berufsfachschule und ihren Labors sowie die Kurse im «Lehrpilot» bilden den Schwerpunkt seiner bisherigen Ausbildung. Laborkurse und Lehrpilot entsprechen den überbetrieblichen Kursen, deren Umfang allerdings weit über dem Minimum der Bildungsverordnung liegen. «Wir sprechen von praktischer Ausbildung», präzisiert Reto Fankhauser, Leiter Ausbildung Produktion bei aprentas. Fankhauser: «Das erste Lehrjahr entspricht im Grunde einem Basislehrjahr, in den Betrieben läuft praktisch nichts.» Auch das zweite Lehrjahr ist schulisch geprägt: Von 47 Arbeitswochen verbringt Cagdas Guerakar nur etwa 17 Wochen in seinem Lehrbetrieb Novartis. Die übrige Zeit beschäftigt er sich weiter mit den in seinem Beruf bedeutsamen Schulfächern wie Technologie, EDV oder Englisch und praktischen Aufgaben im Schullabor. So richtig zupacken wird der angehende Chemie- und Pharmatechnologe erst im dritten Lehrjahr, das er, von sieben schulischen Wochen abgesehen, bei Novartis verbringen wird. Das Qualifikationsverfahren im allgemeinbildenden Unterricht (ABU) hat er dann mit Ausnahme der Vertiefungsarbeit schon abgeschlossen.

Chemie- und Pharmatechnologinnen und -technologen arbeiten in Produktions- und Entwicklungsbetrieben der chemischen und pharmazeutischen Industrie. Sie steuern Anlagen – sogenannte Reaktionskessel oder Reaktoren –, mit denen Medikamente, Pflanzenschutzmittel oder Farbstoffe hergestellt werden. In den drei Kursen (total sieben Wochen) im Lehrpilot hat Cagdas Guerakar gelernt, wie man sie bedient. Die zweistöckige Ausbildungshalle ist mit allen wichtigen Reaktoren und weiteren Anlagen etwa zur Filtration, Destillation oder Trocknung ausgestattet. Hier übte die Klasse von Cagdas Guerakar den Umgang mit Parametern wie Temperatur, Druck, Menge oder Fliessgeschwindigkeit – eins zu eins, aber ohne gefährliche Substanzen. Sie konnte so nachvollziehen, was sie in der Schule gelernt hatte. Cagdas Guerakar blickt zurück: «Ich habe viele Prozessdiagramme nur mit Mühe nachvollziehen können. Richtig verstanden habe ich sie erst dank der Arbeit an den Reaktoren im Lehrpilot.»

Dass schulisches Wissen nicht einfach graue Theorie bedeutet, erlebt Cagdas Guerakar auch im berufskundlichen Unterricht. Im Labor des Ausbildungszentrums Schweizerhalle – der «Werkschule», wie Reto Fankhauser sie nennt – untersuchen Cagdas Guerakar und seine Klasse derzeit verschiedene Substanzen und führen Ionennachweise durch. Der junge Berufsmann weiss: CO32-Ionen lassen sich durch Zugabe von Säure zeigen. «Solche Zusammenhänge müssen wir verstehen, auch wenn wir in unserem Beruf nicht im Labor tätig sind», sagt er. Und ergänzt: «Ich erlerne einen Industrieberuf. Aber noch habe ich Hände wie ein Kaufmann.»

Für die Ausbildung von Cagdas Guerakar sorgt in erster Linie aprentas, ein Ausbildungsverbund mit derzeit 74 Mitgliedfirmen. aprentas bildet insgesamt rund 600 Lernende in 15 Berufen aus und führt Weiterbildungen durch. Cagdas Guerakar hat zwar einen Lehrvertrag mit Novartis, fast immer aber hatte er es bisher mit Lehrpersonen von aprentas zu tun. Es ist wie im Märchen vom allgegenwärtigen König Drosselbart: Der überbetriebliche Kurs im Lehrpilot, der berufskundliche Unterricht im Ausbildungszentrum Schweizerhalle, ja sogar der ABU in Muttenz liegen in der Verantwortung des Ausbildungsverbunds. Auch das relativ schullastige Ausbildungsmodell wurde von aprentas entwickelt (in Anlehnung an die früheren Modelle der Grosschemie). Und wenn er die verschiedenen Ausbildungsorte nicht täglich mit dem Auto erreichen könnte, würde Cagdas Guerakar die Woche über in einem der drei von aprentas geführten Heime wohnen.

1.4Schulisch organisierte berufliche Grundbildung

Die Sekundarstufe II ist in der Schweiz von zwei grossen Blöcken geprägt: den Gymnasien und der beruflichen Grundbildung. Dazwischen existieren jedoch weitere Bildungsangebote, u.a. Handelsmittelschulen, Fachmittelschulen, Lehrwerkstätten oder Fachschulen. Viele davon werden zu den schulisch organisierten Grundbildungen gezählt in Abgrenzung zu den betrieblich organisierten Grundbildungen («Betriebslehren»).

1.4.1Charakterisierung

Nach Artikel 6 der Berufsbildungsverordnung (BBV, 2003) handelt es sich bei einer schulisch organisierten beruflichen Grundbildung (formation professionnelle sous statut scolaire) um eine «Grundbildung, die hauptsächlich in einer schulischen Institution stattfindet, namentlich in einer Lehrwerkstätte oder einer Handelsmittelschule», und die auf ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder ein eidgenössisches Berufsattest (EBA) vorbereitet (BBV, 2003, Art. 6).

Betrieblich und schulisch organisierte Grundbildungen lassen sich allerdings nicht immer klar voneinander abgrenzen. Kennzeichnend für schulisch organisierte Grundbildungen sind folgende Merkmale (Wettstein & Amos, 2010):

•Die Verantwortung für die Ausbildung liegt bei der beteiligten Schule, nicht beim Betrieb.

•Der Theorieanteil ist oft grösser und wird in der Regel in einer Schule vermittelt.

•Einen Lohn erhalten die Lernenden nur in den für alle schulisch organisierten Grundbildungen vorgeschriebenen Praktika. In den Lehrwerkstätten wird teilweise eine bescheidene Entschädigung bezahlt. Bei den privat getragenen Schulen haben die Lernenden ein Schulgeld zu entrichten.

•Die Höhe der Pauschalbeträge, die der Bund den Kantonen ausrichtet, ist für schulisch organisierte Grundbildungen höher als für betrieblich organisierte (BBV, 2003, Art. 62, vgl. Kapitel 2.5.1).

In der beruflichen Grundbildung dominiert die betrieblich organisierte Grundbildung («Betriebslehre»): Nur etwa 10 Prozent der Lernenden erwerben ihr EFZ oder ihr EBA in einer schulisch organisierten Grundbildung, in der Deutschschweiz deutlich weniger, in der Romandie allerdings wesentlich mehr. Trotzdem ist das Angebot recht breit: 2010 wurden 225 Anbieter erfasst (Wettstein & Amos, 2010, S. 41 ff.). Verbindliche Listen existieren für die Anbieter, für die die Kantone Bundesbeiträge erhalten.3

Schulisch organisierte Grundbildungen sind immer wieder Thema bildungspolitischer Auseinandersetzungen. Die Ausbildung kostet die öffentliche Hand ein Mehrfaches der betrieblichen Pendants. Ihre Ausrichtung auf den Arbeitsmarkt wird bezweifelt, und der Einfluss der Wirtschaft ist geringer als bei den betrieblich organisierten Grundbildungen. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern (vgl. dazu a.a.O., S. 20–25) bilden sie in der Schweiz eine Ergänzung, sind also subsidiär und sollen auch weiterhin nicht in Konkurrenz zu den Betriebslehren stehen. Sie können (oder könnten) insbesondere Marktlücken schliessen:

•als Angebot für Jugendliche, die in den Lehrbetrieben nicht unterkommen,

•zum Ausgleich von konjunkturellen Schwankungen,

•bei Branchen ohne ausreichende Grundbildung,

•zur Öffnung neuer Bereiche der Arbeitswelt für die Berufsbildung,

•zur Ansiedelung neuer Erwerbszweige in einer Region,

•zur Erhaltung traditioneller Berufe und Technologien,

•um Mittelschulabsolventinnen und -absolventen Praktika zu ermöglichen,

•als Angebote für Jugendliche, die gerne weiter eine Schule besuchen, aber nicht in erster Linie, um sich auf ein Studium, sondern auf eine Erwerbstätigkeit vorzubereiten.

1.4.2Beispiele
Handelsmittelschulen

Für die kaufmännische Ausbildung wurde bereits im 19. Jahrhundert eine Alternative zur Berufslehre entwickelt: die Handelsschule, insbesondere die Handelsmittelschule (HMS) (vgl. Wettstein, 1987, S. 38).

Handelsmittelschulen sind berufsorientierte Mittelschulen, oft auch als Wirtschaftsmittelschulen bezeichnet. Bisher bereiteten sie in der Regel auf ein Handelsmittelschuldiplom vor, seit Ausbildungsbeginn 2010 oder 2011 − je nach Kanton − erwerben die Absolventinnen und Absolventen ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) und meist eine Berufsmaturität wie Lernende in entsprechenden betrieblich organisierten Grundbildungen.

Die berufliche Grundbildung ohne Berufsmaturität dauert an Handelsmittelschulen drei Jahre, mit Einbezug der Vorbereitung auf die Berufsmaturität drei oder vier Jahre.

Für die Vermittlung der Bildung in beruflicher Praxis stehen zwei Bildungsmodelle zur Verfügung (BBT, 2009):

•Modell i: Beim «integrierten Modell» werden die Praxisteile sowie allfällige Betriebspraktika kontinuierlich in den Schulunterricht integriert. Die Bildung in beruflicher Praxis umfasst zusätzlich zu einem Kurzzeitpraktikum von vier Wochen mindestens 1220 Lektionen, umfassend «problemorientierten Unterricht» (POU) in Sprachen und anderen Fachbereichen sowie «integrierte Praxisteile» (IPT), beispielsweise in Form von Juniorfirmen (BBT, 2009).

•Modell 3+1: Das zweite Modell ist durch ein Langzeitpraktikum von mindestens zwölf Monaten gegen Ende der Ausbildung gekennzeichnet. Die übrigen Elemente der Bildung in beruflicher Praxis werden kontinuierlich in den Schulunterricht integriert. Im Schullehrplan sind dafür mindestens 880 Lektionen auszuweisen. Dieses Modell ist nur möglich, wenn das EFZ mit Berufsmaturität angepeilt wird.

2013 gab es in der Schweiz 65 Handelsmittelschulen, mehrheitlich in der Westschweiz domiziliert (SBFI, 2013g). Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) erwarben im Jahr 2010 insgesamt 2897 Lernende ein Handelsmittelschuldiplom. Knapp zwei Drittel erlangten zusätzlich ein kaufmännisches Berufsmaturitätszeugnis. Zum Vergleich: Im gleichen Jahr wurden in Betriebslehren 9367 EFZ für Kaufleute im E-Profil (erweiterte Grundbildung) vergeben, davon 3855 EFZ mit kaufmännischem Berufsmaturitätszeugnis (Fitzli, Pohl & Rageth, 2011).

Informatikmittelschulen

Als Informatikmittelschulen (IMS) bezeichnet man Lehrgänge von Handelsmittelschulen, die auf das Qualifikationsverfahren für Informatikerinnen und Informatiker in Verbindung mit einer kaufmännischen Berufsmaturität vorbereiten (vgl. das Porträt Claudia Juon). Die IMS entstanden Ende der 1990er-Jahre, als rasch mehr Ausbildungsplätze für Informatiker und Informatikerinnen gebraucht wurden. 2013 gab es IMS in Aarau, Baden, Basel, Bern, Frauenfeld, Winterthur und Zürich, die jährlich insgesamt rund 200 Lernende aufnahmen, entsprechend etwa 10 Prozent der Lernenden in diesem Berufsfeld.

Sie folgen dem Modell 3+1, das für viele schulisch organisierte Grundbildungen üblich ist, insbesondere für die HMS: Einer dreijährigen schulischen folgt eine einjährige betriebliche Ausbildung (vgl. Abb. 1-6).


Abbildung 1-6: Ablauf einer schulisch organisierten beruflichen Grundbildung nach dem Modell 3+1. Eigene Darstellung
1.4.3Varianten

Neben den HMS und den IMS bilden die Lehrwerkstätten (Écoles des métiers) die gebräuchlichste Form von schulisch organisierten Grundbildungen (teilweise auch «schulgestützte Ausbildungen» genannt). Sie werden in Kapitel 1.5 vorgestellt. Auch sonder- oder sozialpädagogische Einrichtungen bieten schulisch organisierte Grundbildungen an. Die Ausbildung von Künstlern (Musik, Tanz, vgl. Porträt Thierry Jaquemet) ist ebenfalls meist schulisch organisiert, und schliesslich existieren Fachklassen für die Ausbildung von Grafikern.

Nicht alle Angebote zwischen den beiden grossen Blöcken Gymnasium und berufliche Grundbildung sind zu den schulisch organisierten Grundbildungen zu rechnen, insbesondere nicht die Fachmittelschulen. Sie sind allerdings teilweise mit schulisch gestützten Grundbildungen zusammengefasst: Das Luzerner Fach- und Mittelschulzentrum umfasst neben der Fachmittelschule auch die Wirtschaftsmittelschule (eine HMS), die Gesundheitsmittelschule, die zum Berufsabschluss Fachmann/Fachfrau Gesundheit EFZ führt, und die Fachklasse Grafik. Auch die Fachmittelschulen in Delémont und Canobbio führen zum Berufsabschluss Fachmann/Fachfrau Gesundheit EFZ.

Immer häufiger gibt es kombinierte Angebote, bei denen der erste Teil einer Grundbildung schulisch erfolgt, der zweite im Rahmen einer Betriebslehre. Beispiele sind Ausbildungsverbünde, Betriebslehren mit Basislehrjahren sowie manche Lehrwerkstätten und sozialpädagogische Einrichtungen.

Insbesondere Kombinationen von schulisch und betrieblich organisierten Grundbildungen könnten weitere Bereiche der Arbeitswelt für die Berufsbildung öffnen, beispielsweise durch Realisierung von Formen der «Alternance», bei denen sich Ausbildungsblöcke in Betrieb und Schule abwechseln (vgl. Gindroz, 2004).

Porträt Claudia Juon
Wenn Schule Praxis bedeutet
Am Ende die kaufmännische Berufsmaturität und das Fähigkeitszeugnis, aber zwölf Wochen Ferien im Jahr – das klingt nach Bildungs-Schlaraffenland. Claudia Juon gehört zu seinen Bewohnerinnen.

Claudia Juon, 19, absolviert die Informatikmittelschule Frauenfeld und arbeitet derzeit als Praktikantin bei der Bühler AG


Der 12. August 2013 war im Leben von Claudia Juon ein besonderer Tag. Drei Jahre lang hatte die 19-Jährige die Informatikmittelschule (IMS) Frauenfeld besucht und mit Klassenkolleginnen und Lehrern zu tun gehabt. Nun aber begann das vierte Jahr ihrer Ausbildung, das Praktikum bei der Firma Bühler in Uzwil. Grossraumbüro, reale Aufträge, neue Bezugspersonen – «ich war nervös, weil ich nicht wusste, wie nützlich die Kenntnisse aus der IMS sein würden», erinnert sich Claudia Juon. Nach zwei Wochen war die Ungewissheit weg: «Ich musste weiterlernen, allein schon die Programmiersprache war bei Bühler anders.» Aber das Rüstzeug hatte die angehende Informatikerin, Fachrichtung Applikationsentwicklung.

Der Unterricht an der IMS umfasst neben den allgemeinbildenden Fächern die Schwerpunkte «Informatik» sowie «Wirtschaft und Recht». Die berufskundliche Bildung richtet sich nach dem Bildungsplan der beruflichen Grundbildung für die Fachrichtung Applikationsentwicklung und führt zum Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ). Sie ist in 29 Module eingeteilt. Schule bedeutet dabei nicht nur Theorie, sondern auch Praxis. Claudia Juon erzählt: «Rund die Hälfte der Module war eher theoretisch, meist Frontalunterricht. Die andere Hälfte bestand aus Übungen, Gruppenarbeiten oder Projekten.» Ergebnisse dieser Arbeiten waren zum Beispiel eine eigene Website oder ein neu programmierter Taschenrechner. Jedes Modul schliesst mit einem Kompetenznachweis ab, der aus den Semesternoten und einer schriftlichen Prüfung oder einem Projektauftrag am Modulende besteht.

Den schulischen Teil ihrer Ausbildung hat Claudia Juon abgeschlossen. Für das EFZ fehlt ihr nun noch die «individuelle praktische Arbeit» (IPA), während der Abschluss der BM eine «interdisziplinäre Projektarbeit» voraussetzt. Beide Projekte wird Claudia Juon während ihres Praktikums angehen, dafür steht ihr sogar betriebliche Zeit zur Verfügung, gemäss Praktikumsvertrag je zwei Wochen. Dieser Vertrag enthält auch Angaben zum Lohn, der sich in der Regel auf dem Niveau eines Lernenden im vierten Lehrjahr bewegt, oder zu den Ferien. Er muss von der IMS geprüft und durch das kantonale Amt für Berufsbildung genehmigt werden.

Ihren Praktikumsplatz musste Claudia Juon selbst suchen, aber das fiel ihr leicht – «Frauenbonus», lächelt sie. Wenn die Suche harziger verläuft, hilft der Abteilungsleiter der IMS in Frauenfeld, Walter Schnyder. Er sagt, dass sich etwa die Hälfe der Praktikumsplätze in Betrieben befinden, die keine dualen Ausbildungsplätze anbieten. Einzige Ausbildungsvoraussetzung: Es muss ein Programmierer zum Team der Firma zählen. Bis vor etwa fünf Jahren brachte das Qualitätseinbussen, wie Walter Schnyder einräumt: «Damals waren wir über jeden Betrieb froh, der einen Praktikumsplatz anbot.» Heute können die Lernenden meist aus mehreren Optionen wählen.

Claudia Juon arbeitet seit einem Monat bei Bühler, betreut von einem der Praxisausbildner, die auch für die Lernenden in einer dualen Grundbildung im Betrieb verantwortlich sind. Im Moment installiert sie anhand einer Anleitung die PCs von externer Kundschaft, die sie dann prüft und auslieferungsbereit macht. Zudem hilft sie beim Migrieren alter Daten in eine neue Version der Abteilungs-Projektdatenbank; dazu schreibt sie auch kleine Programme. Und schliesslich liest sie die Informatikbücher, die ihr Fachverantwortlicher empfiehlt. «Für alle diese Arbeiten existiert kein Bildungsplan», erläutert Walter Schnyder, «aber die Firmen müssen darlegen, dass die Lernenden während eines Grossteils des Praktikums Gelegenheit zum Programmieren haben – und damit die Grundlagen für die IPA erhalten.»

Aus Sicht der Firma Bühler sind die 42 Praktikumswochen für die fachlichen Lernschritte, die Einbindung ins Team, das Vertrautwerden mit der Firma und ihrer Kultur eher knapp bemessen. Sie favorisiert darum die duale Bildungsform. Claudia Juon selbst würde trotzdem noch einmal die IMS wählen. Sie findet das Hintereinander von Schule und Betrieb sinnvoll und gleichwertig. Lachend räumt sie ein, dass auch die zwölf Wochen Ferien während der IMS kein Nachteil waren.

1.5Berufliche Grundbildung in einer öffentlichen Lehr­werkstätte

Öffentliche Lehrwerkstätten vermitteln das ganze Programm einer beruflichen Grundbildung. Sie umfassen Schulräume und Werkstätten und können deshalb Theorie und Praxis «wie aus einem Guss» vermitteln. Die öffentlichen Lehrwerkstätten werden weitgehend durch die öffentliche Hand finanziert. Es sind Vollzeitschulen, und so werden sie teilweise auch genannt. Viele von ihnen produzieren Erzeugnisse, die auf den Markt gelangen und deren Erlös einen kleinen Teil der Kosten decken. Im Berufsbildungsgesetz werden sie zu den «schulisch organisierten Grundbildungen» gezählt (vgl. Kapitel 1.4).

1.5.1Entstehung öffentlicher Lehrwerkstätten in einer Vielzahl von Berufen

Schon im 18. und 19. Jahrhundert gründeten Gemeinden, Vereine und auch der Staat öffentlich organisierte Lehrwerkstätten, die eine vollständige Ausbildung gewährleisteten, so insbesondere in der Uhrenbranche (Fallet & Simonin, 2010).

In der Schweiz haben Ausbildungen für gewisse Berufe mit hohen theoretischen, fachkundlichen, aber auch praktischen Anforderungen oft einen solchen vollzeitschulischen Charakter (vgl. Porträt Maybe Simons). Neben den erwähnten Uhrmacherschulen, die auf eine langjährige Tradition zurückblicken, finden sich in der Schweiz auch gewerbliche und handwerkliche, ja sogar landwirtschaftliche Einrichtungen dieses Typs. Ebenso sind viele spezifische Ausbildungen und kunsthandwerkliche Ausbildungsstätten auf diese Weise organisiert, so etwa die traditionellen Ateliers für Damenschneiderinnen bzw. die heutigen Bekleidungsgestalter/innen EFZ oder die Schule für Holzbildhauerei in Brienz.