Kitabı oku: «100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 1», sayfa 8
Gold im Klondike – Eis und Schnee am Chilkoot Pass
Dem Ruf des Goldes folgten Tausende nach Norden. In einer Zeit wirtschaftlicher Depression und sozialer Unruhen, entstanden durch massive Einwanderung in die neue Welt, sahen viele in ihm einen Ausweg, der ein besseres Leben versprach. Angestoßen wurden all diese Träume, als im Juni 1897 die „Excelsior“ in San Francisco die Fracht ihrer Passagiere entlud, die im arktischen Hafen St. Michael, nördlich der Mündung des Yukon Rivers in die Bering See gelegen, an Bord gegangen waren. Wie ein Lauffeuer breitete es sich aus, dass ihre Kisten voller Gold waren, das irgendwo am Oberlauf des Yukons in großen Mengen zu finden sein sollte. Als kurz danach noch ein zweiter Dampfer aus dem Norden mit Gold an Bord in Seattle anlegte, brach die eigentliche Hysterie lawinenartig aus, die als „Gold Rush“ bekannt wurde. Die „Stampeders“ brachen zu Tausenden auf und errichteten zu Beginn ihres Weges im Yukon Orte wie Sheep Camp, Lindeman und Bennet. Und alle träumten sie vom großen Fund. Auf einen solchen hatten auch schon viele zu Juneau gehofft, doch auch in jenen 1880er Jahren wurden nur selten Wünsche erfüllt. Und im Yukon war es nicht anders.
Robert Campbell von der Hudson’s Bay Company, der 1848 am Zusammenfluss des Belly und Yukon Rivers Fort Selkirk errichtete, hatte zwar schon damals in der Nähe Gold gefunden, doch verbreiteten sich die ersten Nachrichten vom „Gold im Yukon River-Bassin“ erst 1873. Für die Schürfer war der Weg dorthin ein umständlicher und dauerte fast ein Jahr, denn die Tlingits blockierten ihre viel kürzeren Bergpfade und für die Goldsucher blieb nur die „Hudsons Bay Route“ über die Mackenzie-Mountains und Fort Yukon. Als die Miners den Indianern ihr Wort gaben, sich nicht in deren Pelzhandel einzumischen, lockerten sie ihre Blockade, doch führten die fünf Häuptlinge ihre ersten 19 Gäste 1880 nicht zum wichtigen Handelspfad „Chilkat Trail“, sondern zum Chilkoot Pass, der für ihr Pelzgeschäft kaum eine Rolle spielte. Es war kein einfacher Weg, und als die Fremden ihn Mitte Juni hinter sich hatten, galt es an den Quellwassern des Yukons Boote zu bauen, denn nur damit war die weitere Route für die wagemutigen Männer offen. Die Indianer hatten sie über das Gebirge geführt und gleichzeitig auch ein neues Geschäft entdeckt, bei dem sie die Fremden unter Kontrolle hatten: Das Packen und Tragen der Lasten gegen Bezahlung. Und die harten und routinierten Travellers aus dem Chilkoot-Village verstanden es, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten für die neue Aufgabe geschickt anzuwenden.
Am schnellsten organisierte sich der Raven Clan. Er setzte unter dem Motto „wer unseren Pass benutzt, muss zahlen“ die Preise fest, führte kleine Gruppen zum Lake Lindemann und erlaubte auch keinem anderen Stamm, in dieses „Packing Business“ einzusteigen. 1886 arbeiteten etwa 200 Tlingit-Packer in Dyea, unter ihnen auch Frauen und Kinder, die die Ausrüstungen der Goldgräber über den Pass schleppten. Absprache und Aufsicht lagen in den Händen von Packing-Chief Klanot, dessen Preisdiktat dem Dorf etwa sieben Tausend Dollar pro Jahr einbrachte. Ein Geschäft witterten auch die Händler, die im gleichen Jahr fünf neue Handelsposten zu Dyea und Chilkoot eröffneten, die Tlingits bedienten und von Juneau eintreffende Goldsucher ausstatteten. Gingen anfangs nur wenige und kleinste Gruppen über den Pass, waren 1887, als die Goldnachrichten vom Forty Mile-River eintrafen, zwei Monate Wartezeit am Chilkoot keine Seltenheit, und auch die in der Regel „100 $ für 100 Pfund“ passten sich der gegebenen Marktlage an und stiegen. Hohe Preise, zu wenig Packer und Streitigkeiten ließen die Tlingits schließlich Kontrolle und Monopol verlieren, und als es am Pass richtig zur Sache ging, packten zu Dyea Indianer aus ganz Südost-Alaska. Auch Geschäftsleute aus Juneau wollten mit kurzfristigen Lösungen verdienen. So startete 1894 ein „Sessellift“ mit zwei Körben seine Gepäckträger-Tätigkeit, und 12 Monate später waren die ersten von 200 Packpferden zur Stelle. Andere Firmen etablierten Wagengespanne, oder Kombinationen aus Boot-, Wagen-, Packpferd- und Schlittendiensten. An den Seen Charter-, Long- und Deep Lake ließen sich Boots- und Fährdienste nieder, und der Fährmann vom Krater Lake eröffnete sofort ein „Restaurant“. Und es muss wohl gestimmt haben, dass beide Geschäfte täglich 100 $ in die Kasse brachten, denn nach einigen Monaten verkaufte er beides und zog nach Dawson City. Am Krater Lake hatte auch eine US-Firma ihre Basis, die mit 150 Packpferden und Maultieren in 17 bis 18 Stunden die Lasten vom Pass nach Bennett schleppte und den Vierbeinern dabei auch Boote und 100 Liter-Whiskyfässer aufbürdete. Boot oder Fass, eins von beiden auf jeder Seite und links und rechts von einem Mann unterstützt, damit das Tier nicht strauchelte. Anschließend soll es eine ganze Woche gebraucht haben, um sich von dieser Schinderei zu erholen. Am Ausgangspunkt rüstete die Dyea-Klondike Transportation Company auf, baute am Lynn Chanel ein Dog und eine Straße. Von Ersterem finden sich heute nur noch Reste, die Straße nach Dyea führt aber noch immer bis fast an ihr einstiges Ende und bietet auf halbem Weg den schönsten Blick auf Skagway’s Hafen..
Die frühen Goldsucher hatten zwar hier und dort einige Nuggets entdeckt, aber der wirklich große Fund kam erst am 16.8.1896, als George Carmack, Skookum Jim und Dawson Charlie im Rabbit Creek, einem kleinen Zufluss zum Klondike, fündig wurden. Entlang des Yukons sickerte diese Bootschaft bereits gegen Ende des Sommers durch, aber die Welt erfuhr es erst im folgenden März, als die beiden Schiffe an Amerikas Westküste anlegten. Die Wege in den Yukon waren jedoch weit und beschwerlich, und die bequemste Art, mit dem Schiff nach St. Michael und dort weiter flussauf mit den Schaufelraddampfern des Yukon Rivers, konnten sich nur die wenigsten dieser Leute leisten. Ähnlich verhielt es sich über Land, denn den alten Indianerpfad „Chilkat Trail“ hatte der clevere Jack Dalton als den seinen erklärt und verlangte für den nun als „Dalton Trail“ bekannten Pfad erheblichen Wegzoll. Damit blieben den meisten nach Norden strebenden Goldsuchern nur die Pässe Chilkoot und White Pass. Beide mussten jedoch im Winter überquert werden, um an den Quellseen des Yukons die Boote zu bauen, mit denen sie im nächsten Frühjahr beim Aufbruch des Eises sofort in das Innere des Yukon Territoriums aufbrechen konnten.
Der moderne Tourist, der heute zu Haines aus dem Bauch einer der großen Fähren der Inside Passage rollt und seine Fahrt auf dem Haines Highway fortsetzt wird kaum wissen, dass er auf den ersten 72 Kilometer auf dem einstigen Chilkat-Trail rollt, ehe die moderne Asphaltstraße beim Dorf Klukshu den historischen Untergrund verlässt und in Haines Junction auf den Alaska Highway trifft. Auch der Lynn-Kanal, der mit seinen beiden „Inlets“ Chilkoot und Chilkat endet, wurde erst durch den Gold Rush weltbekannt, denn in der Chilkoot-Bucht entstanden die neuen Orte Skagway und Dyea, und in der anderen liefen bald Dosenfabriken auf Hochtouren, um den Lachs zu verpacken. Hier, zu Pyramid Harbour, in der Nähe des heutigen Haines, begann auch der wichtige Handelspfad der Indianer, der inzwischen als Dalton-Trail firmierte. Wie der heutige Asphalt folgte er zunächst dem Chilkat River, kletterte über den gleichnamigen Pass, richtete sich zu Klukshu nach Fort Selkirk aus, wo von den etwa 530 Meilen noch 180 warteten, um sein Ziel Dawson City zu erreichen.
Eine andere Möglichkeit bot der Bennett Lake beim heutigen Carcross, und die kürzeste Verbindung zu ihm war die Dyea- oder Chilkoot-Route, die am See auch auf den Skagway-Trail traf, der über den White Pass zog. Trotz des steilen Anstieges und der Schinderei, die der Chilkoot Pass abforderte, waren diese 585 Meilen bis Dawson City bei den Glücksrittern populär. Die meisten von ihnen waren arm, und der Weg über diesen Pass war die billigste Version. Über diese „poor-man’s route“ mussten diese Verwegenen auch ihre Ausrüstung schleppen. In tragbaren Mengen, Stück für Stück, bis zu vierzigmal und insgesamt mindestens 900 Kilogramm. Das ergab die Ausrüstungsliste, nach der jeder Ankömmling von der North-West Mounted Police strengstens kontrolliert wurde. Hauptgrund: Die Isolation in der Wildnis und die langen kalten Winter erzwangen Vorräte für mindestens ein Jahr. Und zusätzlich: Die meisten Goldsucher waren „Cheechakos“, ein Wort, mit dem Greenhorns und Novice’s, blutige Anfänger, betitelt werden, und die erst nach einem Winter im tiefen, abgeschiedenen Alaska zum „Sourdough“ reiften.
Als im Juli 1899 eine Schmalspurbahn über den White Pass keuchte, hatte der Chilkoot seine Rolle als Transportkorridor wieder verloren. Die erste Etappe des neuen Dampfrosses reichte in jenem Jahr jedoch nur bis zum Beginn des Lake Bennett und die weitere Reise, die bis nach Dawson City 110 Dollar kostete, war immer noch schwierig. Per Dampfer ging es zunächst über den „Bennett“, danach warteten noch 37 Meilen auf den Seen Lake Tagish und Marsh Lake ehe der „Lewes River“, wie der Yukon damals hieß, erreicht wurde. Vom Miles Canyon und seinen gefährlichen Whitehorse Stromschnellen, die auf dem Landweg umgangen werden mussten, trennten die Reisenden dann nur noch 25 Meilen. Zurück auf dem Yukon übernahm ein weiterer Dampfer den restlichen Weg, doch hatte auch er mit den „Five-Finger-Rapids“ noch ein nicht zu unterschätzendes Hindernis zu meistern. Diese vier Basaltfelsen im Fluss, die heute 20 Kilometer flussabwärts von Carmacks am Klondike Highway zu finden sind und fünf Stromschnellen entstehen lassen, begruben damals schon so manche Hoffnung vorzeitig.
Die Reise mit der Eisenbahn und den Dampfern konnten sich aber die wenigsten leisten und so mussten sie, ob sie diese Kunst beherrschten oder nicht, ihr Boot selbst bauen. Und wie immer es ausgegangen sein mag, ob sie die Goldfelder erreichten oder nicht, am Ende auch das letzte Hab und Gut verloren hatten oder zu den wenigen Glücklichen gehörten, deren Leben dem ganz großen Traum wenigstens ein Stückchen näher gekommen ist, der Traum von einer besseren Zukunft war eine Tortur. Diese Männer und Frauen sind durch die Hölle gegangen. Unter größter körperlicher Quälerei hatten sie bis zur Erschöpfung mitten im eisigen Winter ihr schweres Gepäck, Arbeitsgeräte, Lebensmittel für ein Jahr, Zelt und persönliche Habe Stück für Stück und Schritt für Schritt über einen steilen Pass geschleppt, und dann immer weiter. Die einen für ihren Traum, die Ureinwohner für Geld. Selbst Frauen und Kinder ab zehn Jahren schleppten 25 bis 50 Kilo über Geröll, durch Schluchten und über die Pässe. Für zehn bis 20 Dollar pro Tag.
Heute ist der Chilkoot-Trail eine beliebte Wanderroute, auf deren 53 Kilometern der Weg ab Dyea von einer Provinz in die andere, und von Amerika nach Kanada führt. Die Pfade der Tour (vier bis fünf Tage) sind markiert, über Gewässer helfen Brücken und Baumstämme hinweg und die patrouillierenden Ranger dienen dem Schutz der fußfesten Wanderer, die für dieses historische Schutzgebiet eine Genehmigung von Parks Canada benötigen (ab Februar beantragen), weil fünfzig Personen pro Tag als Maximum gelten. Die langen Tage des nördlichen Sommers können hier aber auch die Zeit ad absurdum führen, wenn man an einem warmen Sommertag in Alaskas Regenwald beginnt und im knietiefen Schnee am Pass endet, wo eisiger Wind ins Gesicht bläst. Von dort kann es am Deep Lake durch den Frühling weitergehen und am „Bennett“ zurück in den Sommer. Zeit wird hier zur Distanz, diese zu Jahreszeiten, und im Juni und Juli gibt es überhaupt keine Nacht. Vergangenheit und Gegenwart reichen sich ebenfalls die Hand. Für Jahrhunderte zogen die Indianer auf diesem Pfad von der Küste in das Landesinnere, um mit ihren Partnern zu handeln. Danach kamen die Goldsucher, und seit Anfang der Sechziger Jahre wir, die Newcomer, die Touristen, die den „Chikoot“, der noch immer eine Herausforderung ist, zum zweiten Male in der Welt bekannt machten. Die großartige Landschaft, von der man hier umgeben ist, wurde zwar erst durch das Gold bekannt, geboren wurden die sich auftürmenden Küstengebirge aber schon vor sehr langer Zeit durch die Kollision der Platten der Pazifikküstenverwerfung und kamen vor 150 Millionen Jahren in der Jurassic-Periode zum Vorschein. Als sich vor etwa 11.000 Jahren die letzte der vier Eiszeiten wieder verabschiedete und sich die großen Gletscher zurückzogen, die sich zehn Millionen Jahre früher vom Norden kommend ausgebreitet hatten, dominierten Tausende von bis zu 2.000 Meter hohen Berggipfeln die Skyline. Zwischen Küste und Interior war ein Schutzwall entstanden, eine Barriere, in der nur wenige Schlupflöcher existierten. Die Flüsse Tatshenshini, Chilkat und Taku gehörten dazu wie die Passagen aus Fels, Eis und Schnee, die sich White-, Chilkoot- und Chilkat Pass nennen. Die Brücke zum Yukon River schlug der Bennett See, der damit die Möglichkeit schuf, von der Pazifikküste über den großen Fluss und etwa 3.200 Kilometer bis zur Bering See zu gelangen. Und der Weg zu jenem See verlangte über zwei dieser Pässe jeweils nur einen kurzen Überland-Trip. Zwischen der Mündung des Skagway Rivers und dem 870 Meter hohen White Pass lagen ganze 24 Kilometer, und 57 Kilometer waren nötig, um von der Mündung des Taiya Rivers den 1.080 Meter hohen Chilkoot Pass zu erreichen. Am Nordende des Lindeman-Sees vereinten sich beide Trails und führten zum „Bennett“ gemeinsam weiter, während anderen Routen über die Flüsse Taku, Chilkat oder Tatshenshini mehr als 160 Kilometer Fußmarsch verlangten, um Anschluss an die Wasserwege ins Landesinnere zu finden.
Die Route über den White Pass führte zwar nicht in die gleiche Höhe wie die über den steilen Chilkoot, doch anfangs trieb dort die Soapy Smith-Gang ihr Unwesen, war insgesamt gefährlicher und hieß auch „Dead-Horse-Trail“, weil viele dieser Kreaturen auf diesem Pfad ein brutales Ende fanden. Der Chilkoot-Trail verlässt Dyea, steigt kurz an und begleitet den Taiyra Rivers durch das Tal und vorbei an „Finagan’s Point“ in die einstige Zeltstadt „Canyon City“, die jenseits des Flusses lag, über die Hängebrücke erreichbar ist, aber neben ein paar Fundamenten kaum viel hinterließ. Hier, wo es merklich kälter wird, verlässt der Pfad den Fluss, traversiert die Talwand 300 Meter hinauf durch subalpinen Wald und erreicht „Pleasant Camp“, wo der Fluss wieder zur Seite ist. Danach wandert der heutige Tourist durch Wald und über Bäche zum „Sheep Camp“. Es ist die letzte Station auf amerikanischem Boden und am Fuße des „Long Hill“, wo damals das Palmer House Hotel und 60 Läden ihre Geschäfte machten und sich am unteren Teil des Weges Zelt an Zelt drängte. Das alles hat die Zeit verdrängt. Geblieben ist der steile Aufstieg, doch werden die „modernen Hiker“ von Rangern aufgeklärt und über die Vergangenheit unterrichtet, ehe sie über die „Scals“ und „Golden Stairs“ zum Gipfel aufbrechen, wo die Grenze zwischen den USA und Kanada verläuft und im Notfall eine Hütte zum Aufwärmen wartet.
An den „Scales“ wurde damals die Ausrüstung berggerecht abgewogen und der Preis für die Träger ausgehandelt. Heute ist der kleine Platz mit einigen Schautafeln ausgestattet, rau, von Geröll und kahlen Bergen umgeben und als der Punkt bekannt, wo die echten Stampeders begannen, etwa 200 Stufen in Schnee und Eis zu schlagen, um vorwärts zu kommen. Ihr Name „Golden Stairs“ hat bis heute überlebt. Den Obelisk, der an jene Gipfelstürmer erinnert, den gab es damals noch nicht, die herrlichen Blicke auf die vergletscherten Küstengebirge und den Lynn Kanal, die sind jedoch geblieben. Zeit werden die Goldsucher für sie nicht verschwendet haben, denn sie mussten entweder wieder hinunter um weiteres Gepäck zu holen, oder weiter. Vorbei an alpinen Seen zum „Happy Camp“, danach durch den Wald zum Deep Lake und hinüber zum Moose Creek, der den See als Wasserfall verlässt. An der Baumgrenze ging es dann hinab zum grün schimmernden, von weißbetupften Bergen und dunkelgrünem Wald eingesäumten Lake Lindeman. An diesem, von einem Leutnant Schwatka auf den deutschen Botaniker getauftes Gewässer, kann der Tourist wieder sein Zelt aufschlagen, gegen Abend vielleicht Elche beobachten, wenn sie im seichten Uferwasser ihre Lieblingsnahrung genießen, die Hütte des Parkwächters mit Büchern, Fotos und Gästebuch oder den alten Friedhof besuchen. Am nächsten Morgen sind Bare Loon Lake und Lake Bennet für den Touristen die letzten beiden Stationen auf dem 53 Kilometer langen Trail durch die Coast Mountains mit dem modernen Angebot, am Bennett Lake in die Eisenbahn zu steigen oder vorher den „Log Cabin Cutt-Off“ zu wählen, um am Klondike Highway den Bus zu erreichen.
Für die Goldsucher hatte der „Lindeman“ eine ganz andere Bedeutung. Seine Bergzüge schützten das Camp, über ihn gab es Zugang zum Yukon River und ringsum bot guter und dichter Wald das Holz für den Bootsbau. Und somit standen im September 1897, als die erste große Welle der Wagehalsigen hier eintraf, auch ganz schnell mehr als 200 Zelte, und etwa die doppelte Zahl an Menschen fällte Bäume und sägte daraus die Bretter für den Bau ihrer Boote. Gegen Ende des Monats hatten schon mehr als sechzig ihre Form angenommen und sechs bis zehn verließen nun täglich den See. Mitte Oktober kam das Eis, versperrte den weiteren Weg und ließ die Zeltstadt bis zum Frühjahr 1898 auf 4.000 Menschen anwachsen, inklusive Stadtoberhaupt, Friedensrichter, Polizisten, Bäckereien, Saloons, Sägewerken und Hotel. Als raue Holzhütte hatte es allerdings mit dem „Olympic Dyea“, das mit seinen 112 Zimmern als feinstes Herberge in Alaska galt, nichts zu tun. Im Mai des gleichen Jahres warteten allein hier mehr als 800 Boote auf ihre Jungfernfahrt. Einige mehr waren am Bennett See in Arbeit und weitere 200 zu Caribou Crossing und am Tagish Lake. Und was in den nächsten drei Monaten zusätzlich entstand, wurde auf 1.200 Stück geschätzt. Für die Weiterreise wählten die meisten Bootsbesitzer jedoch den Lake Bennett, denn der One Mile River, der zu ihm vom „Lindeman“ verband, war wegen seiner Stromschnellen, engen Passagen und Felsen gefürchtet. Aber auch von den Booten, die Bennett City verließen, erreichten nicht alle ihr Ziel oder scheiterten schon nach kurzer Strecke, denn viele waren von fachunkundigen Händen gebaut worden. Überlebt haben an all diesen wichtigen Zwischenstationen nur wenige Relikte. Das Meiste fiel dem Zahn der Zeit zum Opfer oder zeigt sich hier und dort noch als kleiner Rest. Das Vendome Hotel, das die Jugendzeit von Bennett City als auch 15.000 Einwohner erlebt hatte, soll 1911 aus der Geisterstadt über das Eis des Lake Bennett nach Carcross gezogen worden sein, während die St. Andreas Kirche und ein Gebäude, das heute von der White Pass & Yucon Rail genutzt wird, damals an ihrem angestammten Platz verblieben.
Anders als für die Wanderer der Gegenwart war der Bennet Lake damals nicht das Ende des Pfades, sondern Ausgangspunkt für eine fast 900 Kilometer lange Reise auf dem Yukon River, um die Goldfelder am Klondike flussabwärts zu erreichen. Als der See am 29.5.1898 eisfrei war brach die Karawane auf und gehörte zu den 100.000 Rastlosen, die irgendwo gestartet waren, um ihrem Traum von einem besseren Leben nachzujagen, und von denen nur etwa 30.000 ihr Ziel erreichten. Als das der Fall war, mussten sie fast alle erkennen, dass die meisten der versprechenden Claims bereits abgesteckt und sie zu spät waren. Manche der Geschundenen gingen zurück, andere blieben, verdingten sich als Helfer oder zogen zwei Jahre später nach Nome weiter, als die Botschaft vom Gold von der Bering See kam.
Die Trails, denen Goldsucher, Pelzhändler oder Forschungsreisende folgten, waren keine neuen, und auch in der Chilkoot-Region waren es Handelspfade der Indianer, auf denen die Tlingits schon 400 Jahre früher von der Küste zu den „First Nations“ im Interior unterwegs waren. Diese Zeiten haben sich geändert, aber nach wie vor ist es ihr Heimatland, und jede dieser Gruppen hat ihre politischen, ökonomischen und sozialen Interessen daran, verständlicherweise auch unterschiedliche.
Während des 19. Jahrhunderts waren die Tlingits im Pazifischen Nordwesten eine starke Macht. Sie errichteten so wichtige Orte wie Klukwan am Chilkat River (heute ein Dorf mit 134 Einwohnern und durchschnittlich 41.000 US-$ pro Kopf Jahreseinkommen) und im Sommer Saisoncamps an ergiebigen Fischgründen wie zu Dyea. Was diese Menschen benötigten lieferten Wald, Meer und Flüsse, und für die Tlingits, die am oberen Lynn Kanal oder entlang des Chilkat Rivers lebten, war dieses 80 Kilometer lange Gewässer auch das wichtigste. Mit seinen Lachsschwärmen, deren fünf verschiedene Arten zu unterschiedlichen Zeiten eintrafen, lieferte der am amerikanischen Chilkat-Gletscher entspringende Fluss Nahrung von Mai bis Mitte November. Im Winter und Frühjahr fischten sie Heilbutt und Flunder, fingen Heringe oder ölhaltigen Eulachon Fisch mit Netzen, die sie an einem langen Holzstiel befestigten. In den Wäldern und Bergen wurden Fallen aufgestellt und gejagt, im Herbst vor allem Hirsche und Bergziegen, die zusätzlich noch Wolle lieferten. Vögel und Beeren galten im Sommer als Ergänzungsnahrung, und die Bäume des Regenwaldes ermöglichten solide Holzkonstruktionen als Unterkünfte. Ausreichende Nahrung und feste Behausung wiederum waren die Grundlagen zur Pflege und Entwicklung ihre Kultur und zur Verteidigung ihre Interessen. In den Ortschaften galt der aus Familienbanden der männlichen Linie aufgebaute Clan als Basis des sozialen Lebens, und innerhalb dessen hatten seine Mitglieder einen ganz persönlichen Status. Dieser hing ab von Wohlstand und Prestige, und die Anzahl von Karibufellen, Wolldecken, gemachter Geschenke oder der Erfolg beim Handel mit anderen Stämmen waren Kriterien, die zur Situation beitrugen. Dem Clan, und damit der Gemeinschaft, gehörten auch alle wichtigen Dinge wie Häuser, Kanus, Fischgründe oder Gebirgspfade und er sorgte für den Einzelnen, schützte ihn, vertrat seine Interessen, traf alle wichtigen Entscheidungen und sprach Recht.
Zum normalen Leben der Tlingits gehörten zwar auch kriegerische Streifzüge entlang der pazifischen Nordwestküste, doch umgab sie auch der Ruf, hervorragende „Travellers“ und Händler zu sein, und ihre Überlandtouren ins Innere des Yukons, wo sie Felle und Häute erwarben, galten als hochprofitabel. Verständlich somit, dass sie ihre zwei wichtigsten Handelsrouten über die Pässe Chilkoot und Chilkat auch kontrollierten und verteidigten, gegen ihre Handelspartner im Landesinneren als auch gegen die europäischen Neulinge, die Pelzhändler. Dennoch kamen sie den Wünschen dieser entgegen und sicherten sich als Zwischenhändler neben der Kontrolle der Weißen bei diesem Geschäft auch selbst die größten Profite. Von südlicheren Indianerstämmen beschafften sie sich, durch Kauf oder kriegerisch, bestimmte Muscheln, die beim Handel im Interior als Geld galten, und mit den Haidas von den Queen Charlotte Inseln feilschten sie um Zedernkanus.
Für all diese Handelstouren besaßen die Tlingits fünf Routen über die Berge. Jede gehörte einem anderen Clan, und der Handel über sie wurde vom jeweiligen Häuptlig geleitet. Die nördlichste führte über den Tatshenshini Fluss und zog von der Dry Bay im Golf von Alaska (südlich von Yakutat) zum Dorf Neskatahin im heutigen Kluane Nationalpark. In unserer Zeit ist der Fluss wegen seiner großartigen Raftingtouren bekannt, die im Bereich der Saint Elias Mountains, den höchsten Küstengebirgen der Welt (Mount Logan 5.959 Meter), durch vergletscherte großartige Wildnis führen und nach zehn Tagen die Dry Bay erreichen. Eine andere zog durch das enge Tal des Taku-Rivers und über Gebirgsflüsse zum Atlin- und Teslin See. Damit war der Weg nicht nur bis in die Gegend des heutigen Whitehorse „erschlossen“, sondern über die Flüsse Teslin und Yukon auch die Bering See zu erreichen. Kontrolliert wurde diese Route von den Taku River-Tlingits, die in der Nähe des heutigen Juneaus lebten. Ein weiterer Pfad schlängelte sich durch das Tal des Chilkat Rivers ebenfalls nach Neskatahin oder, über den Kusawa Lake und Takhini River, in das Yukon River Valley zum Lake Laberge, der heute, etwas nördlich von Whitehorse gelegen, auch über einen beliebten Campingplatz verfügt. Dieser Trail war Eigentum des Wolf-Clans, die zu Klukwan zu Hause sind. Die restlichen beiden Routen, von denen die über den White Pass ziehende nur selten genutzt wurde, begannen am Lynn-Kanal. Die andere war der dem Raven-Clan gehörende Chilkoot Trail, der seine Benutzer vom Dorf Chilkoot durch das steinige Taiya River Tal zu den Quellwassern des Yukons brachte. All diese Verbindungen in das Innere des Landes waren sehr, sehr alt, wurden geheim gehalten und von Generation zu Generation weitergegeben. Die Tlingits trugen über sie Trockenfisch, Fischöl, Chilkat-Decken, Zedernkisten, Körbe aus Fichtenwurzeln und, später, auch europäische Handelswaren zu den Stämmen im inneren des Landes. Zurück kamen sie mit Kleidungsstücken, Kupfer, gegerbten Elch- und Karibu-Häuten, Bieber-, Luchs- und Fuchsfellen. Zu diesen „Athabaskans“, wie die Yukon First Nations im 21. Jahrhundert genannt werden, zogen die Tlingits in der Regel jährlich zweimal, zu Beginn des Jahres und im Sommer. Die winterliche Tour unternahm nur eine kleine Gruppe. Für ihre Handelspartner war sie jedoch wichtig, denn im Yukon, wo Zeit und Distanz überbrückt werden mussten, reichte das Leben seine Gaben nicht mit so vollen Händen wie in der Küstenregion. Im späten Sommer wurden dort Beeren gesammelt, im Herbst gejagt und anschließend verging ein Großteil des Tages mit der Lebensmittelpräparation für den Winter, in dessen ersten Monaten ein wenig Ruhe und Erholung einkehrte. Danach gingen die Lebensmittelvorräte meist schon wieder zur Neige, so dass die karge Kost aus getrocknetem Fisch, Fleisch und Beeren durch Jagd aufgebessert werden musste. War auch diese Zeit überstanden, schlugen die Athabaskans ihre Camps an den Flüssen auf um zu fischen und dort auch die Tlingits auf deren Sommertrip zu treffen, nachdem diese im April den Öl liefernde Eulachon-Fisch und zwei Monate später auch Lachse „geerntet“ hatten. Zu diesen Indianern, die über Winter auch ihre besten Felle zu Kleidungsstücken verarbeitet hatten, schleppten die Träger der Küstenindianer 100 Pfund und mehr auf ihrem Rücken, den lediglich ein starkes Trageband um die Stirn als Gegenpol etwas entlastete. Solche Handelstage waren gleichzeitig auch soziale Treffen mit Gesang, Tanz und Spielen, und durch sie kam es auch zu gegenseitigen Hochzeiten.
Im 18. Jahrhundert trafen die Tlingits verstärkt auf europäische Pelzhändler. Zuerst kamen Russen, danach folgten Spanier, Engländer und Amerikaner. Und wenn diese Indianer auch so manchen Handelsposten der Fremden angegriffen, fanden beide Parteien doch zum Handel miteinander. Während der Hauptmarkt der Russen, China, in den 1820er Jahren zusammenbrach, hielt der europäische Bedarf für wertvolle Felle noch bis zum Ende des Jahrhunderts an. 1839 pachtete die britische Hudson’s Bay Company das Land von den Russen, überbot amerikanische Händler und klärte den Markt zu ihren Gunsten. An der Küste entstanden Handelsposten und das Geschäft florierte. Als Alaska amerikanisches Territorium wurde, war gleichzeitig auch der Pachtvertrag zu Ende, doch bedeutete das für die Tlingits recht wenig. Der Pelz- und Fellbedarf aus dem Yukon wurde größer und die Tlingits ließen nun selbst ihre Partner aus dem Inneren nicht mehr an die Küste um mit den Weißen direkt zu handeln, sondern fungierten als Zwischenhändler und diktierten damit auch die Preise. Europäische Waren wie Kessel, Töpfe, Spiegel, Mehl, Kaffee oder Backpulver, Äxte, Messer, Wolldecken, Gewehre oder Munition waren im Yukon Basin schon seit den 1820er Jahren bekannt, und die Tlingits verstanden es hervorragend, sich durch geschicktes Gleichgewicht zwischen Drohung und Service gegenüber den Weißen über etwa 60 Jahre eine starke Position im Yukon-Pelzhandel zu sichern. Erst als unabhängige Händler den Yukon von seiner Mündung aus befuhren und 1874 Fort Reliance erbauten, zerbrach das Monopol der Küstenindianer. Der Zusammenbruch des europäischen Pelzhandels und der damit verbundene Preisverfall zwang auch die Tlingits, für sich selbst neue Schwerpunkte zu setzen.
Im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts kamen viele neue Menschen ins Chilkoot, und neben Minern und Schürfern etablierten sich Fischfabriken, denen der Lachsreichtum ein großes Betätigungsfeld bot. Die Schönheit des Landes zog auch die ersten Reisenden und Touristen an, aber auch Missionare und solche, die die Wildnis zur zivilisierten Welt des „Weißen Mannes“ machen wollten kamen ins Land, mit Dynamit, Stahl und Geld. Bei ihnen galten die Tlingits als störrig und arrogant, die Athabascans als harmlos und ohne Argwohn. Respekt und Anerkennung gab es für beide nicht. Auch die Überfischungs-Proteste dieser Indianer blieben ungehört, als die H.S. Bacon & Company mit Hauptsitz in San Francisco allein 1888 aus ihren beiden Fabriken in der Nähe von Chilkoot fünfzehntausend Kartons Lachs verschiffte. Als dann auch noch billige chinesische Saisonarbeiter eingestellt wurden, waren die Indianer nicht nur ohne Fisch, sondern auch ohne Arbeit. Und als die Tlingit-Häuptlinge 1898 bei dem Treffen mit dem Gouverneur in Juneau den Verlust ihres Landes, Handels und ihrer Rechte beklagten und Garantien einforderten, gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder die volle Eingliederung in die amerikanische Lebensweise mit allen Rechten und Pflichten, oder den Rückzug in Reservationen, wo sie ihr Leben nach traditioneller Weise fortführen könnten. Der Ausgang ist bekannt.
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