Kitabı oku: «Das Wort», sayfa 2
2.2 Wörter und Wortformen
Im Zusammenhang mit dem Begriff des grammatischen Worts haben wir bereits gesehen, dass in der Regel ein Unterschied gemacht wird zwischen einem (abstrakten) Grundwort, das in unserem mentalen Lexikon gespeichert ist, und den konkreten Realisierungsformen dieses Grundworts in bestimmten syntaktischen Umgebungen. Grundlage dieser Unterscheidung ist die Beobachtung, dass sich Wörter nicht nur hinsichtlich Lautgestalt und Bedeutung unterscheiden (wie z.B. Gurke und Wolke); wir können auch feststellen, dass ein und dasselbe Wort abhängig vom syntaktischen Kontext, in dem es auftritt, unterschiedliche Formen annimmt:
(7) | a. | Lydias Bruder spielt gerne Fußball. |
b. | Mit den Brüdern von Lydias Freundinnen verhält es sich ähnlich. | |
c. | Lydia teilt die Fußballeuphorie ihres Bruders. |
In (7) tritt das Wort Bruder in drei verschiedenen Formen auf, die unterschiedliche Werte für Kasus und Numerus signalisieren: Nominativ + Singular in (7a), Dativ + Plural in (7b) und Genitiv + Singular in (7c). Traditionell wird das Phänomen, dass ein Substantiv abhängig vom syntaktischen Kontext in verschiedenen Formen auftritt, als Deklination bezeichnet. So kann die Form Brüdern nur in Satz (7b), nicht aber anstelle von Bruder oder Bruders in (7a) oder (7c) stehen (umgekehrt gilt das natürlich genauso). Etwas allgemeiner spricht man bei der Anpassung eines Worts an den syntaktischen Kontext von Flexion („Beugung“). Die Gesamtmenge aller flektierten Formen eines Worts bzw. einer Klasse von lexikalischen Elementen bilden ein Paradigma. Paradigmen stellen bestimmte Flexionsmuster dar und werden in der Regel in Form einer Tabelle repräsentiert:
Singular | Plural | |
Nominativ | Bruder | Brüder |
Akkusativ | Bruder | Brüder |
Dativ | Bruder | Brüder-n |
Genitiv | Bruder-s | Brüder |
Tabelle 1: Paradigma von Bruder
Die in einem Paradigma zusammengefassten flektierten Wortformen haben eine Reihe von Gemeinsamkeiten (wie hier z.B. Genus: Maskulin); sie unterscheiden sich aber auch hinsichtlich bestimmter Merkmalswerte (hier z.B. Kasus und Numerus). Die Idee, dass es sich bei Bruder, Bruders, Brüder und Brüdern um verschiedene (konkrete) Realisierungsformen eines zugrundeliegenden lexikalischen Worts handelt, lässt sich verdeutlichen, wenn man die Beziehung zwischen Wortform und lexikalischer Grundform etwas näher betrachtet. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Einsicht, dass nicht alle flektierten Varianten eines Worts notwendig im mentalen Lexikon abgelegt sind. So geht man davon aus, dass eine Wortform wie Bruders aus der Grundform Bruder durch eine morphologische Regel (vgl. Kapitel 4) erzeugt wird, welche die 3. Person Singular Genitiv für bestimmte Klassen von Substantiven bildet (die sog. starken Maskulina und Neutra). Dies hat den Vorzug, dass die einschlägigen Wortformen nicht für jedes einzelne Substantiv separat gelernt und abgespeichert werden müssen. Im mentalen Lexikon steht lediglich die lexikalische Grundform des Worts, die man auch als Lexem bezeichnet. Darüber hinaus enthält das Lexikon Informationen über unregelmäßige Formen, wie z.B. die Tatsache, dass bei der Pluralform von Bruder ein Vokalwechsel erfolgt (Umlaut: Brüder). Bei einem Lexem handelt es sich also um eine abstrakte sprachliche Einheit, welche die Eigenschaften eines Worts verzeichnet, die nicht durch Regeln vorhersagbar sind (in einem Wörterbuch steht hier die sog. Nennform eines Worts; bei Substantiven entspricht diese im Deutschen dem Nominativ Singular).
Lexem (lexikalisches Wort): Ein Lexem ist eine abstrakte lexikalische Basiseinheit, die Informationen über grundlegende Eigenschaften wie Lautgestalt, Kernbedeutung, Wortart und invariante morphosyntaktische Merkmale enthält (plus gegebenenfalls Angaben über flektierte Formen, deren Gestalt nicht über Regeln ableitbar ist).
Wortform: Die lautliche Realisierung eines Lexems wird Wortform genannt. Wortformen sind in einem Paradigma organisiert, das alle Realisierungen eines Lexems enthält.
Ein Blick auf Tabelle 1 zeigt uns, dass im Deutschen (wie in vielen anderen Sprachen) keine Eins-zu-eins-Beziehung von Wortform und grammatischer Funktion vorliegt. Das Paradigma weist insgesamt acht Zellen auf, die aber von lediglich vier verschiedenen Wortformen (Bruder, Bruder-s, Brüder, Brüder-n) besetzt werden. Einen solchen Zusammenfall verschiedener Wortformen bzw. Zellen eines Paradigmas bezeichnet man auch als Synkretismus. Synkretismen treten oft in bestimmten Mustern auf, die für das Flexionssystem einer Sprache charakteristisch sind (so fallen bei Substantiven im Deutschen systematisch im Plural Nominativ, Akkusativ und Genitiv zusammen, vgl. Kapitel 4 für weitere Details). Um dennoch zwischen Wörtern mit gleicher Form, aber unterschiedlichem Merkmalsgehalt unterscheiden zu können, wird der Begriff des syntaktischen Worts benötigt (vgl. auch Abschnitt 2.1):
Syntaktisches Wort: Syntaktische Wörter sind konkret auftretende Wörter, wie sie in tatsächlichen Sätzen bzw. syntaktischen Strukturen vorkommen. Ein syntaktisches Wort besteht aus einer Wortform und Angaben zu den morphosyntaktischen Merkmalen/Kategorien, für die die Wortform steht.
Der Satz in (8) besteht somit aus sieben verschiedenen syntaktischen Wörtern – obwohl glaube und Glaube formgleich sind, werden sie als unterschiedliche syntaktische Wörter behandelt. Dies kann man durch Angabe der entsprechenden Merkmale/Kategorien wie in (9) explizit machen.
(8) | Ich glaube, der Glaube kann Berge versetzen. |
(http://www.medi-learn.de/foren/archive/index.php/ t-7693.html, 22.8.2017) |
(9) | a. | glaube (Verb), 1. Person Singular Präsens Indikativ |
b. | Glaube (Nomen), Maskulin Singular Nominativ |
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass man offenbar zwischen verschiedenen abstrakten und konkreten Wortbegriffen unterscheiden muss, erscheinen die Probleme, die uns bei der Definition eines allgemeinen Wortbegriffs begegnet sind, in einem anderen Licht: Möglicherweise fällt es uns deshalb schwer, eine geeignete Festlegung zu entwickeln, weil ein Wort stets in mehreren Erscheinungsformen auftritt, die sich im Rahmen einer allgemeinen Definition nur schwer unter einen Hut bringen lassen.
2.3 Wortbausteine und andere Bildungsmittel
2.3.1 Morph und Morphem
Wir haben bereits gesehen, dass Wörter aus mehreren Bausteinen zusammengesetzt sein können. Diese Wortbausteine, die unterhalb der Wortebene auftreten können, nennt man Morpheme. Das Morphem ist die zentrale Analyseeinheit innerhalb der Morphologie. In Anlehnung an den Begriff des Phonems, das üblicherweise als kleinste bedeutungsdifferenzierende (lautliche) Einheit (im Deutschen z.B. /b/ vs. /p/ wie in Bein vs. Pein) definiert wird, wird das Morphem traditionell als die kleinste bedeutungstragende sprachliche Einheit charakterisiert, d.h. als ein sprachliches Element, das nicht mehr weiter in kleinere Einheiten mit bestimmter Lautung und bestimmter Bedeutung zerlegt werden kann. Ein wesentlicher Aspekt dieser Definition besteht darin, dass die Bedeutung eines Morphems nicht aus den Bedeutungen der sprachlichen Einheiten abgeleitet werden kann, in die sich das Morphem zerlegen lässt. So besteht das deutsche Wort Wolke aus den beiden Silben wol- und -ke, aber es ist nicht möglich, die Bedeutung von Wolke auf etwaige Bedeutungen der Segmentfolgen wol- und -ke zurückzuführen. Wolke stellt also ein einfaches Morphem dar – gleichzeitig ist es aber auch ein Wort. Eine bedeutungsbezogene Definition des Morphembegriffs kann zwar einen großen Bereich der in unserem mentalen Lexikon verzeichneten Wortbausteine korrekt erfassen. Probleme bereiten ihr aber Wörter und Wortbausteine, die man gerne als Morpheme bezeichnen würde, obwohl es schwerfällt, ihren Bedeutungsgehalt eindeutig zu charakterisieren. Auf den ersten Blick scheint dies für viele Wortbausteine wie ent-, ver-, -er, -lich, -ung etc. zu gelten. Bei näherer Betrachtung kann man aber erkennen, dass viele dieser Elemente einen eindeutigen (wenn auch bisweilen etwas abstrakteren) semantischen Gehalt besitzen. So werden die meisten Sprecher dem Morphem -er in Kinder korrekterweise die Bedeutung ‚Plural‘ zuordnen. Und nach einigem Nachdenken wird man vielleicht darauf kommen, dass die Bedeutung eines adjektivbildenden Suffixes wie -lich sich in etwa durch ‚wie ein X‘ wiedergeben lässt (z.B. kind-lich). Anders gelagert ist der Fall aber bei einem Element wie -en, das in erster Linie eine grammatische Funktion erfüllt und u.a. dazu dient, den Infinitiv von Verben zu bilden. Hier scheint das Element, das wir gerne als Morphem einordnen würden, tatsächlich keinen eindeutigen semantischen Gehalt aufzuweisen. Schwierigkeiten dieser Art lassen sich durch eine weiter gefasste Definition des Morphembegriffs vermeiden, die nicht ausschließlich auf die Bedeutung eines Elements Bezug nimmt (vgl. Wurzel 1984):
Morphembegriff: Morpheme sind minimale sprachliche Einheiten, die nicht mehr weiter in kleinere Einheiten mit bestimmter Lautung und mindestens einer außerphonologischen Eigenschaft zerlegt werden können.
Die außerphonologische Eigenschaft, auf die diese Definition Bezug nimmt, kann sich auf die Bedeutung beziehen, die mit einer bestimmten Segmentfolge verknüpft ist (z.B. bei Elementen wie Wolke, Gurke, grün, -lich etc.). Es kann sich jedoch auch um eine grammatische Eigenschaft handeln, die im Fall von -en eben darin besteht, die Infinitivform von Verben zu bilden. Ähnliches gilt für viele Flexionsendungen (z.B. Kasusmorpheme), aber auch für bestimmte Wörter/freie Morpheme wie den Infinitivmarkierer zu oder das semantisch neutrale sog. Vorfeld-es, dessen (syntaktische) Funktion lediglich darin besteht, in Sätzen wie Es wird gearbeitet die satzinitiale Position zu füllen. Die obige Definition erlaubt es auch, Interjektionen wie wow, pff, äh als Morpheme zu bestimmen, nur dass hier die relevante außerphonologische Eigenschaft einer bestimmten semantisch-pragmatischen Funktion entspricht (z.B. Ausdruck von Emotionen und Sprechereinstellungen wie Überraschung, Ablehnung etc.). Ein liberalerer Morphembegriff scheint also nötig zu sein, um auch sprachliche Einheiten als Morpheme identifizieren zu können, die durch das Raster einer rein bedeutungsbezogenen Definition fallen würden.
Analog zur Unterscheidung zwischen Phon (lautliches Segment) und Phonem (bedeutungsveränderndes lautliches Segment) unterscheidet man in der Morphologie ferner zwischen Morphen und Morphemen. Ein Morph ist eine Segmentfolge, die eine bestimmte Markierungsfunktion ausübt, ohne dass diese näher spezifiziert wird. So kann man Bretter und später morphologisch jeweils als eine Kombination aus zwei Morphen (Brett/spät + -er) analysieren. In einem zweiten Analyseschritt werden die Morphe dann klassifiziert, d.h. sie werden als bestimmte Morpheme identifiziert, die im vorliegenden Beispiel zufällig gleichlautend sind (Pluralsuffix -er vs. Komparativsuffix -er).
Es bleibt noch zu klären, wie sich der Begriff des Morphems relativ zu anderen grundlegenden grammatischen Analyseeinheiten wie Wort und Silbe verhält. Wir haben bereits am Beispiel von Wolke gesehen, dass Wörter und Morpheme zusammenfallen können. Wörter, die nicht mehr in kleinere morphologische Einheiten zerlegbar sind, bezeichnet man auch als einfache Wörter oder Simplizia (Vogel, Nest, Gold, Kind, grün, blau, aus, ein, Bau, etc.). Besteht ein Wort aus mehreren Morphemen, spricht man auch von einem komplexen Wort (Vogel+nest, Gold+kind, grün+blau, Aus+bau, Ein+bau, ein+bau+en, Kind+er, kind+lich, Kind+lich+keit etc.)
Ähnlich wie bei der Relation zwischen Wort und Morphem können auch Morphem- und Silbengrenzen zusammenfallen (wie etwa in Ein-bau oder Gold-kind). Das Verhältnis von Morphem und Silbe wird aber dadurch verkompliziert, dass die Grenzen der beiden Analyseeinheiten oft nicht nur nicht-identisch sind, sondern sich auch überschneiden können. So besteht etwa steh-st (2. Person Singular von stehen) aus einer Silbe, aber zwei Morphemen, während die morphologische Struktur von Kinder (Kind+er) andere Grenzen aufweist als die Silbenstruktur (Kin-der).
2.3.2 Typen von Morphemen
Um die Bestandteile und den inneren Aufbau von Wörtern präzise beschreiben zu können, sind weitere begriffliche Unterscheidungen zwischen verschiedenen Typen von Morphemen notwendig. Wir haben bereits gesehen, dass bestimmte Morpheme auch gleichzeitig eigenständige Wörter sein können. In diesem Fall spricht man von freien Morphemen. Wortbausteine wie -en, -er, -lich, -keit, die nicht selbständig auftreten können, bezeichnet man hingegen als gebundene Morpheme. Gebundene Morpheme, die an ein lexikalisches Trägerelement bzw. eine lexikalische Basis herantreten, werden in der Sprachwissenschaft unter dem Oberbegriff Affix zusammengefasst. Abhängig von ihrer Position relativ zur Basis unterscheidet man zwischen Präfixen (z.B. ver-, ent-, be-) und Suffixen (-ung, -s, -er). Das Deutsche verfügt überdies über einige wenige Zirkumfixe, bei denen ein bestimmtes Merkmal durch eine Kombination aus Prä- und Suffix signalisiert wird wie im Falle des Partizip Perfekt/Partizip II:
(10) | ge+V+t (schwache Verben) |
ge-kauf-t, ge-sag-t, ge-lieb-t, ge-mach-t, ge-lach-t, ge-räucher-t etc. |
(11) | ge+V+en (starke Verben) |
ge-sung-en, ge-seh-en, ge-ruf-en, ge-ronn-en, ge-rat-en, ge-fror-en etc. |
Einige der Partizipien in (10) und (11) enthalten eine lexikalische Basis wie sung oder ronn, die nicht ohne Weiteres als freies Morphem auftreten kann. Offenbar können also auch lexikalische Elemente in gebundener Form, d.h. unterhalb der Wortebene auftreten. Abhängig davon, ob die lexikalische Basis eines Wortes einfach oder (potentiell) komplex ist, unterscheidet man zwischen Wurzeln und Stämmen (Fuß 2012: 52):
Wurzel: Wurzeln sind die einfachste, atomare Form lexikalischer Morpheme. Sie enthalten keinerlei Affixe und bilden den lexikalischen Kern von Wörtern.
Stamm: Ein Stamm ist ein (potentiell komplexer) Teil eines Worts, der noch nicht Gegenstand von Flexionsprozessen gewesen ist.
Die Unterscheidung zwischen Stamm und Wurzel ist unter anderem dadurch motiviert, dass in vielen Sprachen Stämme mithilfe morphologischer Prozesse aus lexikalischen Wurzeln abgeleitet werden.1 Stämme können also morphologisch komplex sein und eine Kombination aus einer Wurzel und weiteren Wortbausteinen darstellen. Die begriffliche Trennung von Stamm und Wurzel ist im Deutschen allerdings weniger leicht nachvollziehbar, da Wurzeln und Stämme oft zusammenfallen und auch frei auftreten können. Substantive wie Reim, Kauf, Rausch, Adjektive wie blau, gut, schön oder Adverbien wie oft, selten, gern sind gleichzeitig Wurzeln, Stämme und Wörter. Während Substantive und Adjektive Flexionsmorpheme tragen können (Reim-e, der blau-e Fisch) und somit Eigenschaften von Stämmen zeigen, treten Adverbien generell unflektiert auf.
Die Unterscheidung zwischen Stamm und Wurzel lässt sich aber auch für das Deutsche motivieren, und zwar an Vokalwechseln, die die Klasse der sog. starken Verben betreffen. Hier können wir beobachten, dass unterschiedliche Tempus- und Modusformen des Verbs nicht nur durch Affixe, sondern durch Veränderungen des Stammvokals markiert werden, die bestimmten Mustern folgen. Dieses Phänomen nennt man Ablaut; die bei den Vokalwechseln auftretenden Muster werden als Ablautreihen oder Ablautgruppen bezeichnet (vgl. die erste Spalte in Tabelle 2):2
Vokalalternation | Präsens | Präteritum | Partizip Perfekt |
i-a-u | find- | fand- | (ge)-fund-(en) |
e/i-a-e | geb-, gib- | gab- | (ge)-geb-(en) |
i-a-o | rinn- | rann- | (ge)-ronn-(en) |
ie-o-o | frier- | fror- | (ge)-fror-(en) |
ei-ie-ie | schein- | schien- | (ge)-schien-(en) |
Tabelle 2: Beispiele für Ablautreihen im Deutschen
Die in einer Zeile stehenden Verbformen sind jeweils verschiedene Stämme einer zugrundeliegenden Wurzel, die noch flektiert werden können. Ein Verbstamm lässt sich also durch die Faustregel „flektierte Verbform minus Flexionsendung = Stamm“ ermitteln. Die Wurzel, aus der die verschiedenen Stämme per Ablaut abgeleitet werden können (die sog. Nenn- oder Zitierform), entspricht im Deutschen dem Stamm, der im Infinitiv bzw. der 2. Person Plural Präsens Indikativ erscheint (ihr findet – finden). Da die Unterscheidung zwischen Stamm und Wurzel aber in vielen Fällen keine Rolle spielt, werden im Folgenden meist die Begriffe „Stamm“ oder „Basis“ verwendet.
2.3.3 Das Phänomen der Allomorphie
Eine andere Art von Morphemalternation zeigt sich bei der Pluralbildung (vgl. 4.1 für die Unterscheidung zwischen Ablaut und Umlaut):
Pluralendung | Beispiele |
-e | Tag, Tag-e |
-e (mit Umlaut) | Gast, Gäst-e (fem.: Laus, Läus-e) |
-(e)n | Bett, Bett-en; Hantel, Hantel-n |
-er | Brett, Brett-er |
-er (mit Umlaut) | Haus, Häus-er |
-Ø (endungslos) | Engel, Engel-Ø |
-Ø (endungslos mit Umlaut) | Tochter, Töchter-Ø |
-s | Auto, Auto-s |
Tabelle 3: Pluralendungen im Deutschen
Nach gängiger Auffassung kann der Plural von Substantiven im Deutschen auf insgesamt acht verschiedene Weisen gebildet werden. Entscheidend ist dabei, dass die Varianten dazu dienen, ein- und dieselbe grammatische Eigenschaft zu kodieren (den Wert „Plural“ des Merkmals Numerus), während durch Ablautreihen Varianten lexikalischer Stämme erzeugt werden, die eine jeweils unterschiedliche morphosyntaktische Funktion besitzen (z.B. Imperativ: Gib mir das Buch vs. Präteritum: Sie gab mir das Buch). In Anlehnung an die phonologische Unterscheidung zwischen Allophonen und Phonemen1 spricht man in diesem Zusammenhang auch von Allomorphen eines Morphems.2
Allomorphie: Allomorphe sind Varianten eines Morphems, die in einem bestimmten lautlichen, morphologischen oder lexikalischen Kontext auftreten.
Dass die Wahl von Allomorphen von der Umgebung bestimmt ist, in der ein Morphem auftritt, lässt sich ebenfalls anhand der Pluralbildung im Deutschen anschaulich machen (vgl. Duden 2016: 181ff.). Ein wesentlicher morphologischer Faktor für die Verteilung der Pluralallomorphe ist das Genus des Substantivs. So lautet eine Grundregel, dass der Plural von Feminina mit -en oder -n gebildet wird. Die Wahl zwischen -en und -n ist aber phonologisch gesteuert: Enthält die vorangehende Silbe den sog. Schwa-Laut [ə], so muss -n gewählt werden (Regel → Regel-n, *Regel-en). In allen anderen Fällen wird der Plural mit -en gebildet (Form → Form-en, *Form-n).3
Schließlich kann die Wahl der Pluralendung auch von rein lexikalischen Faktoren abhängig sein. So gibt es zu der erwähnten Grundregel für die Pluralbildung von Feminina lexikalisch bedingte Ausnahmen. Etwa ein Viertel der zum Grundwortschatz gehörenden Feminina bilden den Plural durch eine Kombination aus -e und Umlaut (z.B. Maus → Mäuse, Hand → Hände, Nuss → Nüsse). Darüber hinaus findet sich die (e)n-Endung auch noch bei einigen Maskulina (Staat → Staaten) und Neutra (Bett → Betten). Diese spezifische Eigenart der betroffenen Substantive muss ebenfalls während des Spracherwerbs auswendig gelernt werden (vgl. Abschnitt 4.3.1 für weitere Diskussion).
2.4 Teilbereiche der Morphologie
Der Teil der Grammatik, der sich mit dem Aufbau von Wörtern befasst, lässt sich in verschiedene Teilbereiche gliedern, die sich hinsichtlich Bildungsmitteln, Funktionen und Produkten unterscheiden. Wir haben dies bereits durch die Verwendung von Begriffen wie „Flexion“, „Stamm“ und „Wurzel“ angedeutet. In der Folge wollen wir die damit assoziierten Teilbereiche der Morphologie systematisch voneinander abgrenzen.
Traditionell unterteilt man die Morphologie in die Bereiche der Flexion (Formenlehre) und Wortbildung, wobei Letztere sowohl Derivation als auch Komposition umfasst:
Abbildung 1: Teilbereiche der Morphologie
Wie bereits erwähnt, bezeichnet der Begriff der Flexion die regelgeleitete Bildung verschiedener Wortformen in Abhängigkeit von grammatischen Kategorien wie Numerus, Genus, Person, Kasus, Tempus, Modus oder Komparativ:1
(12) | a. | geh- | → geh+st[2sg Präsens Indikativ] | (Konjugation: Verben) |
b. | Bruder | → Brüder-n[Dativ Plural] | (Deklination: Substantive) | |
c. | schön | → schön+er+e[Komp. Nominativ Pl.] | (Deklination: Adjektive) |
Aufgrund von Unterschieden hinsichtlich der beteiligten Merkmale und Trägerelemente scheidet man ferner die verbale Flexion (traditionell auch Konjugation genannt, vgl. (12a)) von der nominalen Flexion (traditionell auch Deklination genannt, vgl. (12b-c)), wobei Letztere neben den Substantiven auch die Bildung flektierter Adjektive, Pronomen und Artikel umfasst.
Während die Flexion also Wortformen eines Lexems/Stamms erzeugt, ist die Bildung komplexer Wörter durch die Kombination von Wörtern und Wortbausteinen Gegenstand der Wortbildung. Die Verküpfung von mehreren lexikalischen Elementen (Wurzeln/Stämmen) wird als Komposition bezeichnet (Gurken+gewürz, Rot+wein, Kalt+licht+reflektor+stift+sockel+lampe [= Halogenlampe]), während bei Derivation eine Kombination aus einer lexikalischen Basis und einem (oder mehreren) Derivationsaffix vorliegt (Ver-sicher-ung, Un-sicher-heit, sicher-lich).
Flexion und Wortbildung unterscheiden sich ferner dadurch, dass Letztere wortartverändernd wirken kann (vgl. Verbstamm glaub- → Adjektiv unglaublich → Substantiv Unglaublichkeit), während bei Flexionsprozessen die Wortart in der Regel erhalten bleibt.2 Generell gilt, dass Flexionsprozesse eine geschlossene Klasse von gebundenen Morphemen involvieren, die eine beschränkte Zahl grammatischer Funktionen kodieren, während die Wortbildung für die Kreativität der morphologischen Komponente der Grammatik verantwortlich ist, indem sie aus einer endlichen Menge von Wortbausteinen eine potentiell unendlich große Zahl von Neubildungen erzeugen kann, vgl. Kapitel 4 und 5 für eine detailliertere Darstellung.
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