Kitabı oku: «Lebendige Seelsorge 5/2020»
THEMA
Freundinnenschaft
Von Stephanie Klein
Männer-Freundschaft
Von Markus Hofer
Männer-Freundschaften und die Frage nach ihren gesellschaftlichen Implikationen
Die Replik von Stephanie Klein auf Markus Hofer
Über das Leben reden
Die Replik von Markus Hofer auf Stephanie Klein
„Deus amicitia est“ (Aelred von Rieval)
Trinitarisches Denken als Tiefengrammatik lebendiger Freundschaft
Von Joachim Negel
PROJEKT
Kaleidoskop der Freundschaft
Persönliche Gedankensplitter Von E. E., Hadwig Müller, Gregor von Papp, Anna Findl-Ludescher, Florentine Fritzen und Gerrit Spallek
INTERVIEW
Freundschaftsikone von Taizé
Ein Gespräch mit Frère Alois Loiser
PRAXIS
„Nur der Tod soll uns trennen“ (Rut 1,17)
Biblische Impressionen zum Thema Freundschaft
Von Sabine Bieberstein
Selbstfreundschaft
Wie das Leben leichter wird
Von Wilhelm Schmid
Freundschaft mit den Armen
Die Gemeinschaft Sant’Egidio
Von Ursula Kalb
Freundschaft in der Pastoral
Ein kritischer Blick
Von Monika Rudolph und Andreas Hölscher
FORUM
Literarische Stimmen zum verborgenen Klang der Welt
Von Stephan Schmid-Keiser
SEELSORGE UND DIASPORA: BONIFATIUSWERK
Kirche im Dienst an der Freundschaft
Von Daniel Born
POPKULTURBEUTEL
Das Leben ist ein Rätsel
Von Matthias Sellmann
NACHLESE
Re: Lecture
Von Gotthard Fuchs
Buchbesprechungen
Impressum
Christian Bauer Mitglied der Schriftleitung
Liebe Leserin, lieber Leser,
Menschen feiern die Freundschaft. Freundschaften sind symmetrische Beziehungen, die auf gegenseitiger Sympathie beruhen. Sie bereichern das Leben und tragen durch schwierige Zeiten. Auch jene Freundschaften, die ich gerne als Espresso-Freundschaft bezeichne – lange nicht gesehen, kurzer aber dichter Kontakt und es ist, als ob keine Zeit vergangen wäre: „Ein Freund ist ein Mensch, der dich an die Melodie deines Lebens erinnert, wenn Du in der Gefahr bist, sie zu vergessen“ (Rolf Zerfaß).
Theodor W. Adorno zufolge ist Freundschaft, wenn „du dich schwach zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren“. Und für Georges Bataille wird sie überhaupt erst durch einen „Fehler in der Rüstung“ möglich: „Sie erfordert eine Koinzidenz von zwei Rissen, in mir selbst und im anderen.“ Aristoteles geht sogar noch weiter und definiert Freundschaft gleich als „eine Seele in zwei Körpern.“
Aber vielleicht ist es auch nur so, wie Albert Camus schreibt: „Freundschaft ist die Kunst des freien Menschen.“ In dieselbe Richtung weist Dietrich Bonhoeffer, wenn er sie eine „schöne Kornblume“ im Weizenfeld des Zweckrationalen nennt: „Schutzlos wächst sie in Freiheit und heiterer Zuversicht, dass man das Leben unter dem weiten Himmel ihr gönne. Neben dem Nötigen will auch das Freie leben.“
Und was ist mit Theologie und Kirche? Gleich zwei ihrer Heiligen Schriften sind an ‚Theophilus‘ adressiert – an einen unbekannten Gottesfreund. Und sie handeln von Gott als einem freilassenden und mitgehenden Menschenfreund. Ziemlich aktuell in einer Zeit, in der für viele Freundinnen und Freunde die neue Familie sind. Kirche als jesusbewegte ‚Wahlverwandtschaft‘ wäre dann eher freigewählter Freundeskreis denn schicksalhafte Pfarrfamilie: „Netzwerk statt Fachwerk“ (Martin Hecht).
Vielleicht gilt für sie dann ja auch das Lied Gute Nacht, Freunde, in dem Reinhard Mey bei einer letzten Zigarette dankt: für den freien Platz am Tisch seiner Freundinnen und Freunde, für die Geduld bei verschiedenen Meinungen, für die im Kommen und im Gehen jederzeit offene Tür, für die Freiheit, die als Dauergast bei ihnen wohnt – und dafür, dass sie bei alldem nie nach ihrem eigenen Nutzen fragen. Genau deswegen scheint in ihren Häusern auch das Licht wärmer zu leuchten als anderswo.
Das wär doch was, auch in der Pastoral – meint Ihr
Prof. Dr. Christian Bauer
Freundinnenschaft
Eine gute Freundin zu haben ist für viele Frauen und Mädchen von großer Bedeutung. Und doch gibt es für die freundschaftliche Beziehung zwischen Frauen in unserer Sprache keinen eigenen Begriff, weshalb hier der Begriff „Freundinnenschaft“ gewählt wurde. Auch in der biblischen Tradition und in unserer Kultur hat sie keinen expliziten Ort. Ausgehend von der Erfahrung von Frauen beschreibt der Beitrag Phänomene der Freundinnenschaft und zeigt einige kulturelle, politische und theologische Implikationen auf. Stephanie Klein
Wenn von Freundschaft die Rede ist, wird oft an eine Beziehung zwischen Männern gedacht, oft speziell auch an Kameradschaft, Kumpelschaft, Genossenschaft, Brüderlichkeit oder an den Männerbund. Bereits seit der Antike haben die Reflexionen über Freundschaft primär die Beziehung zwischen Männern vor Augen, die zum Prototyp von Freundschaft überhaupt wurde. Eine Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau hat oft eine sexuelle Konnotation, zumindest besteht diesbezüglich Klärungsbedarf. Für die freundschaftliche Beziehung zwischen Frauen gibt es keinen eigenen Begriff. Und doch hat sie eine große Bedeutung für viele Frauen und ist in ihre Biographien eingeschrieben. Erst in jüngerer Zeit gibt es Theorieansätze zur Bedeutung der Freundinnenschaft (vgl. zur neueren Diskussion zu Freundschaft und Theologie Walser; Hofheinz).
DIE BESTE FREUNDIN
Die Erfahrung von Freundinnenschaft unter Frauen kommt am ehesten in der Rede von der „besten Freundin“ zum Ausdruck. Der Begriff ist nicht in Lexika zu finden, doch im Alltag von Frauen ist die Erfahrung einer besten Freundin allgegenwärtig. Die Sehnsucht nach ihr ist so groß, dass es bereits Internetplattformen für die Suche nach einer besten Freundin gibt.
Für die freundschaftliche Beziehung zwischen Frauen gibt es keinen eigenen Begriff.
Was ist eine beste Freundin? Es geht um eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Frauen, doch die Erfahrungsweisen und Gestalten dieser Beziehung sind so vielfältig wie das Leben von Frauen selbst. Deshalb möchte ich zunächst kurz eine eigene Erfahrung erzählen, bevor ich auf Theorien und die politische und religiöse Bedeutung der Freundinnenschaft eingehen werde.
Stephanie Barbara Maria Klein
Dr. theol. habil., Dipl. Päd., Prof.in für Pastoraltheologie an der Universität Luzern, Co-Leiterin des Universitären Forschungsschwerpunkts „Wandel der Familie im Kontext von Migration und Globalisierung“; Publikationen zu Biographieforschung, qualitativ-empirischer Methodik, Familien- und Geschlechterforschung, Alltagsreligiosität.
Nach der Grundschule kam ich auf ein ehemaliges Knabengymnasium, in dem es nur wenige Mädchen gab. Es muss an einem der ersten Tage in der neuen Klasse gewesen sein, dass Uli auf mich zukam und mich ansprach. Sie wurde meine beste Freundin. Wir bestanden gemeinsam die Höhen und Tiefen unserer von männlichen Schülern und Lehrern bestimmten Schulzeit. Wir nahmen uns, wie wir waren, und konnten uns ohne Scheu einander anvertrauen. Wir verstanden uns, ohne uns erklären zu müssen, und das gab uns Rückhalt und Selbstvertrauen. Wir konnten reden und erzählen, ohne eingeschätzt und bewertet zu werden, ohne uns mit den Augen von Männern zu sehen oder mit den abschätzenden Augen von Frauen. Wir sprachen über Beziehungen, über unsere körperlichen Verunsicherungen, über Befürchtungen und Sehnsüchte, über Bücher, die wir lasen und über die Gedanken, die wir uns machten. Natürlich schlossen wir uns auch mit den wenigen anderen Mädchen in der Klasse zusammen, und in den höheren Klassen verbrachten wir viel Zeit in unserer gemischtgeschlechtlichen Clique. Aber unsere Beziehung war etwas Besonderes. Uli gehörte zu meiner Welt, zu meinem Leben, zu mir selbst. Sie war einfach da. Ich erlebte damals die Tatsache einer besten Freundin mit derselben unreflektierten Selbstverständlichkeit wie die Tatsache, Geschwister und Eltern zu haben. Welches Glück ich hatte, wurde mir erst später bewusst, als mir Uli erzählte, dass sie sich für ihre Tochter eine beste Freundin wünschte, so wie wir das waren, weil ihre Tochter in der Klasse einsam war.
Nach der Schulzeit trennten sich die Wege, je länger, desto weiter. Für jede taten sich andere Welten auf. In den ersten Jahren fuhren wir häufig miteinander in Urlaub, aber wir schlugen unterschiedliche berufliche Richtungen ein, hatten später eigene Familien, andere Freundinnen und Freunde. Heute wohnen wir in verschiedenen Ländern. Was geblieben ist, ist das Wissen um das Dasein der anderen, die Verbundenheit, das Vertrauen und die Nähe der Beziehung, die auch über räumliche und zeitliche Entfernung bleibt.
FREUNDINNENSCHAFT IN DER BIOGRAPHIE VON FRAUEN
Freundinnen spielen eine wichtige Rolle im gesamten Leben von Frauen, aber in verschiedenen Lebensphasen in unterschiedlicher Weise. Gerade für Mädchen sind Freundinnen sehr wichtig. Kinder beginnen schon früh, die Welt geschlechtsspezifisch zu ordnen und sich entsprechend zu verhalten. Es entstehen oftmals dominante Jungengruppen und Ausschlüsse aus Spielgemeinschaften. Für viele Mädchen sind die Freundinnen wichtige Bezugspersonen, ohne die sie manchmal schlichtweg alleine sind. Sie geben einander Rückhalt und begleiten einander in ihrer körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung, die von vielen Unsicherheiten und Fragen ihrer gesellschaftlichen Zuordnung geprägt ist.
Es ist oft die beste Freundin, die ihnen das gibt, was sie selbst anderen schenken.
Auch später, wenn Frauen im Beruf stehen und Familie haben, ist ihnen eine gute Freundin und Vertraute in Lebensfragen sehr wichtig. Viele Frauen geben ihren Partnern, ihren Kindern und Kollegen viel von sich: Sie hören zu, sie fragen nach, sie verstehen, sie kümmern sich, sie sorgen sich, sie pflegen. Vieles von ihrer Achtsamkeit und Fürsorge wird ihnen umgekehrt nicht entgegengebracht. Es ist oft die beste Freundin, die ihnen das gibt, was sie selbst anderen schenken.
Manche Freundinnenschaften verflüchtigen sich im Laufe des Lebens, andere können zerbrechen wie ein Glas, das zu Boden fällt, sei es durch andere Beziehungen, sei es, weil die Orientierung an Leistung und Erfolg das Vertrauen missbraucht und die Beziehung zerstört.
Im höheren Alter rücken manchmal die alten Freundinnen aus der Jugendzeit wieder stärker in den Fokus. Aber es können gerade in schwierigen Situationen wie Krankheit, Trauer, Scheidung, Alter oder Pflege auch fremde Frauen auftauchen, die zur Freundin werden.
AFFIDAMENTO
Die freundschaftliche Beziehung unter Frauen tut gut, sie stärkt und macht glücklich. Aber sie ist mehr als ein persönlicher Wohlfühlfaktor. Sie hat weitreichende politische und religiöse Relevanz und ist ein zentrales Moment in der feministischen Theoriebildung. Das Private ist politisch.
Es ist ein Kennzeichen und Instrument von Herrschaft, dass die Beziehungen von Unterprivilegierten durch die Mächtigen kontrolliert und auf sie hin organisiert sind, während die Beziehungen der Unterprivilegierten untereinander verhindert oder als privat, bedeutungslos oder lächerlich deklariert werden. So sind auch die Frauen lange Zeit von Männern gesellschaftlich organisiert und definiert worden.
Wo jedoch Frauen sich einander zuwenden, entsteht eine neue Form von Ermächtigung, Sprache und Kultur.
Die Teilhabe der Frauen an gesellschaftlicher Macht geschieht dann über die Allianzen und die Gleichstellung mit Männern, doch löst dies die Orientierung an den Normen und Definitionen der Männer nicht auf. Wo jedoch Frauen sich einander zuwenden, entsteht eine neue Form von Ermächtigung, Sprache und Kultur.
Die kulturelle und politische Bedeutung der Beziehung von Frauen zueinander hat die italienische Philosophinnengemeinschaft Diotima aus Verona (vgl. Diotima) in Verbindung mit der Frauengruppe Libreria delle donne di Milano (vgl. Libreria) untersucht. In unserer symbolischen Ordnung sind die Vorstellungen, Geschichten und Begriffe aus der Erfahrungswelt von Männern entlehnt und universalisiert worden, sodass der Mann sich im Universalen oder im „Neutrum“ wiedererkennt und das Männliche für das Allgemeine, das Universale, die allgemeine Norm und das Normale („man“) steht. Deshalb kann der Mann auch als Metapher, Symbol oder Repräsentant für Gott stehen. Die Frau ist die Andere. Sie ist der universale Mensch mit dem Attribut des weiblichen Geschlechts, das allerdings kein „Mehr“ bedeutet, sondern ein eingeschränktes, eigenartiges Spezifikum, ein Teil, und damit ein „Weniger“ ist. Sie erkennt sich nicht uneingeschränkt, sondern nur zum Teil im Universalen wieder. Adriana Cavarero nennt dies die sekundäre Differenz (vgl. Cavarero).
Wenn sich die Frau nicht mehr über das männliche Universale als eine sekundäre Differenz, sondern als ursprüngliche, primäre Differenz begreift, öffnen sich ihr Wege zu einem eigenen Denken, einer eigenen Sprache und einer eigenen unabgeleiteten Subjekthaftigkeit. Der Weg dazu ist der Bezug auf andere Frauen, in denen sie sich wiedererkennt. In der unmittelbaren Beziehung der Frauen zueinander, in ihrem wechselseitigen Erleben und Erkennen, beginnen ein neues Denken, ein neues Sprechen und eine neue Kultur und Politik zu entstehen. Dies ist der Weg, wie eine „neue politische Praxis“ und „wie weibliche Freiheit entsteht“ (vgl. Libreria). Für diese unmittelbare Beziehung von Frauen untereinander gibt es keinen Begriff, deshalb haben die Philosophinnen einen neuen Begriff geschaffen: Affidamento. Er lehnt sich an das Wort „affidarsi“, „sich anvertrauen“ an und hat mit Vertrauen, Zutrauen und Vertrautheit zu tun.
Diese Freundinnenschaft hat eine verändernde und befreiende Kraft, die beginnt, ein neues Denken zu schaffen.
Mit dieser Analyse können nun zwei Arten und Begriffe weiblicher Freundschaft unterschieden werden: zum einen eine sekundäre, von männlichen Erfahrungen, Universalisierungen und Begriffen abgeleitete Freundschaft von Frauen, die die bestehenden kulturellen Ordnungen tendenziell reproduziert, wenn sie sich ihnen einordnet und an den vorherrschenden gesellschaftlichen Mustern orientiert, und zum anderen eine primäre Freundinnenschaft, die sich aus der Erfahrung von Frauen miteinander konstituiert. Diese Freundinnenschaft hat eine verändernde und befreiende Kraft, die beginnt, ein neues Denken zu schaffen (vgl. auch Hartlieb).
FREUNDINNEN IN DER BIBEL
In der Bibel kommen Frauen nur wenig vor. Oftmals sind sie in der Rede von Männern mitgemeint, aber darüber entscheiden wiederum oftmals Männer, etwa wenn von Aposteln, Episcopoi (Vorstehern) oder Diakonen die Rede ist. Selten finden sich aber auch explizit Frauengruppen und Schwesternpaare, wie die vier Frauen unter dem Kreuz, von denen zwei Schwestern sind (Joh 19,25f.), oder das Schwesternpaar Maria und Martha (Joh 19,25; Joh 12,1–4 parr), die vielleicht als Analogie zu den erstberufenen Brüderpaaren Andreas und Petrus (Joh 1,35–42; bei Markus zusätzlich Jakobus und Johannes, vgl. Mk 1,16–20 parr) gedacht waren und darauf hinweisen sollen, dass die nachösterliche Nachfolgegemeinschaft auch schwesterlich und nicht nur brüderlich weitergeht.
Biblisch sind zwei anrührende Erzählungen von Freundinnenschaft überliefert. Da ist die Erzählung von den beiden schwangeren Frauen Maria und Elisabeth (Lk 1,39–56), die sich in ihrem unerwarteten Umstand aufsuchen; als sie sich begegnen, erkennen sie sich intuitiv und wissen umeinander. Die andere Geschichte handelt von der Verbundenheit von Noomi und ihrer Schwiegertochter Rut. Nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Söhne beschließt Noomi, in ihre Heimat zurückzukehren. Rut bleibt an ihrer Seite und will ihr Leben mit ihr teilen: „Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott. Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein. Der HERR soll mir dies und das antun - nur der Tod wird mich von dir scheiden“ (Rut 1,16f.). Die beiden Frauen sorgen füreinander und schaffen es auf diese Weise, sich ein neues Leben aufzubauen. Als Rut einen Sohn bekommt, feiern die Nachbarinnen mit ihnen, sie geben dem Kind einen Namen, deuten das Geschehen und nehmen damit als Frauen die Definitionsmacht und soziale Bewertung für sich in Anspruch. „Du wirst jemanden haben, der dein Herz erfreut und dich im Alter versorgt; denn deine Schwiegertochter, die dich liebt, hat ihn geboren, sie, die mehr wert ist als sieben Söhne“ (Rut 4,15).
Ansonsten finden sich nur noch Spuren von Freundinnen in der Bibel. Der Begriff Freundin im Sinn von Freundinnenschaft zwischen Frauen kommt insgesamt nur dreimal vor (vgl. Rapp, 12): Die Mitfreude der Freundinnen wird im Gleichnis von Gott als einer Frau erzählt, die eine verlorene Drachme sucht und mit ihren Freundinnen und Nachbarinnen das Wiederfinden feiert (Lk 15,8–10). In Ps 45,15 werden die Freundinnen als Begleiterinnen der Königsbraut erwähnt. In Ri 11,29–40 begleiten die Freundinnen die Tochter des Jiftach, die aufgrund eines Versprechens geopfert werden soll, in die Berge, um mit ihr ihr Schicksal zu beweinen. Daraus entwickelt sich ein solidarisches Frauen-Brauchtum: Jedes Jahr ziehen Mädchen für vier Tage in die Berge zur Klage über die Opferung dieses Mädchens.
FREUNDINNENSCHAFT ALS THEOLOGISCHE KATEGORIE DER BEZIEHUNG ZWISCHEN GOTT UND DEN FRAUEN
In den Geschichten der Bibel und in den männlichen Metaphern von Gott als Vater, Sohn, König oder Ehemann finden Männer ihren Glauben und ihre geschlechtliche Identität repräsentiert. Frauen können sich nur unter Absehung ihres Geschlechts und in der Identifikation mit dem universalisierten Männlichen in den biblischen Texten und Gottesbildern wiederfinden. Sie müssen sich in das universale Männliche konvertieren und Übersetzungsarbeit zwischen den Geschlechtern leisten. Das entfremdet sie von Gott und sich selbst und unterwirft sie und ihren Glauben der männlichen Deutungshoheit. Zudem hat es den männlichen Herrschaftsanspruch über Frauen sakralisiert.
Frauen können sich nur unter Absehung ihres Geschlechts und in der Identifikation mit dem universalisierten Männlichen in den biblischen Texten und Gottesbildern wiederfinden.
Wir können der androzentrischen Sprache und Tradition nicht entkommen. Wir können aber dazu beitragen, sie zu verändern und das Anliegen der biblischen Tradition, den Heilswillen Gottes für alle Menschen erlebbar zu machen und zu verkünden, besser zum Ausdruck zu bringen. Die Freundinnenschaft kann eine theologische Kategorie sein, um die Beziehung zwischen Gott und den Frauen in einer neuen Weise auszudrücken (vgl. auch Wustmans). Sie gründet in der Erfahrung einer heilvollen Beziehung von Frauen zueinander, ohne sich dabei auf eine männliche Deutungshoheit zu beziehen. Sie ist keineswegs exklusiv im Sinn eines Absolutheitsanspruchs zu verstehen, sondern sie schließt ein und bringt zum Ausdruck, dass es viele unterschiedliche Erfahrungsweisen und Redeweisen von Gott gibt, die gleichermaßen Bruchstücke sind und nur gemeinsam die Beziehung Gottes zu den unterschiedlichen Menschen zum Ausdruck bringen können. Sie ist aber auch nicht inklusiv in dem Sinn gedacht, dass hier Männer mitgemeint seien. Vielmehr ist sie als eine Weise zu verstehen, divers zu denken, das heißt als ein Weg, die Beziehung zwischen Gott und den Menschen in der Vielfalt ihrer verschiedenen Existenzweisen zu artikulieren, ohne sie auf ein hegemoniales Denken und Sprechen zurückzuführen. Die Einheit und Richtigkeit der Rede von Gott besteht nicht in der Universalisierung einer androzentrischen Redeweise von Gott, sondern in Gott selbst und in Gottes universalem Heilswillen für alle unterschiedlichen Menschen. Die Theologie kann mit dem Begriff der Freundinnenschaft die Beziehung Gottes zu den Frauen und deren Beziehung zu Gott artikulieren. Die Kategorie der Freundinnenschaft birgt das Grundanliegen der biblischen Überlieferung, die Beziehung Gottes zu den Menschen vertrauensvoll anzunehmen und aus ihr in Beziehung zu Gott zu leben, und verbindet den Gottesnamen „Ich bin da“ oder „Ich bin die ich bin“ mit den Erfahrungen von Frauen. Sie stellt damit einen Beitrag auf dem Weg zu einer komplexeren und angemesseneren Rede von Gott und zur Reflexion über Gottes Beziehung zu den Menschen dar.
Die Theologie kann mit dem Begriff der Freundinnenschaft die Beziehung Gottes zu den Frauen und deren Beziehung zu Gott artikulieren.
LITERATUR
Walser, Angelika (Hg.), „Freundschaft“ im interdisziplinären Dialog. Perspektiven aus Philosophie, Theologie, Sozialwissenschaften und Gender Studies, Innsbruck/Wien 2017.
Hofheinz, Marco u. a. (Hg.), Freundschaft. Zur Aktualität eines traditionsreichen Begriffs, Zürich 2013.
Diotima, Der Mensch ist zwei. Das Denken der Geschlechterdifferenz, Wien 1989.
Libreria delle donne di Milano, Wie weibliche Freiheit entsteht.
Eine neue politische Praxis, Berlin 1988.
Cavarero, Adriana, Ansätze zu einer Theorie der Geschlechterdifferenz, in: Diotima, Der Mensch ist zwei. Das Denken der Geschlechterdifferenz, Wien 1989, 65–102.
Hartlieb, Elisabeth, Leidenschaftliche Freundschaft. Elisabeth Stuarts Entwurf einer theologischen Beziehungsethik, in: Walser, Angelika (Hg.), „Freundschaft“ im interdisziplinären Dialog. Perspektiven aus Philosophie, Theologie, Sozialwissenschaften und Gender Studies, Innsbruck/Wien 2017, 225–255.
Rapp, Ursula, Frauen-Freundschaften, -Gemeinschaften und -Räume. Quellen von Frauenbeziehungen in der Bibel, in: Lamberty-Zilinski, Hedwig, Frauenfreundschaft, Stuttgart/Düsseldorf 2005, 12–17.
Wustmans, Hildegard, Wenn Gott zur Freundin wird… : Freundinnenschaft - der Weg zum neuen Himmel und zur neuen Erde, Frankfurt a. M. 1993.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.