Kitabı oku: «Die Beichte eines Kindermädchens», sayfa 2

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Walter nickte, dann fragte er: „Wie sind Sie eigentlich auf mich gekommen?“

„Ja, das ist eine längere Geschichte. Also, als Sie in der Traube abgestiegen sind hat der Wirt mich angerufen und gefragt, was das für ein Kennzeichen an Ihrem Auto ist. Da hab‘ ich ihn gefragt, wie Sie denn heißen. Und er hat gesagt, seine Frau hätte die Art und Weise, wie Sie sich vorgestellt haben, ganz witzig gefunden, `Walter, so wie der Fritz, der alte Fußballnationaltrainer´. Das kam mir irgendwie bekannt vor. Deshalb hab‘ ich einen Kollegen angerufen und der hat mir erzählt, wer Sie sind, weil er Sie von einer Fortbildung kannte. Er hat noch gesagt, dass Sie den Spitznamen „Puzzler“ haben. Warum eigentlich?“

„Kommt Zeit, kommt Rat“, sagte Walter sibyllinisch.

Schuster fuhr fort „Als dann die Meldung von der Leiche im Steinbruch bei mir ankam, hab ich gleich an Sie gedacht. Ich meinte, dass so ein alter Hase, Verzeihung, dass ein Mann mit so reicher kriminalistischer Erfahrung wie Sie für mich in dieser Situation hilfreich sein könnte.“

Walter dachte nach. Einerseits hatte er sich geschworen, nie wieder zu ermitteln, andererseits brauchte der junge Kollege offensichtlich Hilfe. Und wenn er sich nun schon mal an ihn gewandt hatte, dann müsste er ihm eigentlich auch helfen. Er steckte ja schon mittendrin in den Ermittlungen. Außerdem interessierte ihn der Fall jetzt auch.

„Also gut, wenn Sie es wollen, dann werde ich Ihnen ein bisschen unter die Arme greifen. Aber was ist mit der Pathologin? Die mag mich anscheinend nicht. Hat sie was gegen Männer?“

„Nein, im Prinzip nicht. Eher was gegen Polizisten.“

„Warum?“

„Sie war mal mit einem verheiratet. Und sie gibt sich immer etwas misstrauisch gegenüber Fremden. Aber fachlich ist sie sehr kompetent.“

„Das ist das was wirklich zählt“, stellte Walter abschießend fest, als er an der Traube aus dem Auto stieg.

„Wir sehen uns dann später. Jetzt muss ich erst einmal frühstücken. Ich komme dann zu Ihnen aufs Revier.“

„Ja, gut, also bis gleich“, sagte Schuster und Walter meinte ihm eine gewisse Erleichterung angemerkt zu haben.

Als Walter die Wachstube der kleinen Polizeistation betrat, stand Schuster am Fenster und sah gedankenverloren hinaus. Als er sich umdrehte sagte er: „Ach, Sie sind das. Kommen Sie doch herein.“ Er bot seinem Gast einen Sessel an und setzte sich selbst gegenüber an den Schreibtisch.

„Erzählen Sie mir von Olga“, sagte Walter, „ich möchte mir ein Bild von ihr machen. Vielleicht hilft uns das weiter.“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen“, meinte Schuster, „bis gestern wusste ich ja selbst kaum etwas über sie. Jetzt hab‘ ich einiges zusammengetragen, von der Gemeinde, vom Einwohnermeldeamt und das, was sie Frau Fischer so erzählt hat. Also, sie heißt Olga Zchernichsowa.“ Er schrieb den Namen in Druckbuchstaben auf einen kleinen Zettel. „Fragen Sie mich nicht, wie das ausgesprochen wird. Sie ist in einem kleinen Dorf in Russland, irgendwo an der Wolga geboren. Ihre Oma war Deutsche. Von der hat sie die deutsche Sprache gelernt. Ihre Mutter soll auch noch in Deutschland geboren sein. Sie, also die Mutter, heiratete dann später einen Russen. Aus dieser Ehe stammten zwei Kinder, nämlich Olga und ihre kleinere Schwester Irina. Diese Ehe scheiterte, warum auch immer, aber die Mutter heiratete später noch einmal, eben diesen Herrn Zchernichsowa. Der adoptierte die beiden Mädels und deshalb tragen sie seinen Namen. Was aus dem ersten Mann geworden ist, weiß man nicht. Eines Tages stand Olga dann vor der Tür bei Frau Fischer und hat sich um die Stelle als Kindermädchen beworben. Auf die Frage von Frau Fischer, warum sie nach Deutschland gekommen sei, hat sie gesagt, sie habe das Geburtsland ihrer Oma kennen lernen wollen.“

„Wie war Frau Fischer denn mit ihr zufrieden?“

„Anscheinend sehr gut. Sie hat sich nur positiv über ihren Fleiß und ihre Sauberkeit geäußert.“

„Hatte sie denn Kontakt zu der übrigen Bevölkerung?“

„Zunächst kaum. Ausländer haben es in einem so konservativen Ort wie diesem nicht ganz leicht. Aber nach und nach wurde sie akzeptiert.“

„Ja, gut“, meine Walter, „aber irgendetwas muss da noch gewesen sein. Es muss doch einen Grund dafür geben, dass sie umgebracht worden ist.“

Schuster druckste ein bisschen herum. Dann sagte er: „Na ja, da ist noch etwas. Als sie hier ankam, sah sie in ihren russischen Klamotten aus wie eine graue Maus. Aber von ihrem ersten Geld hat sie sich neu eingekleidet. Sehr flott, nicht wiederzuerkennen. Meiner Meinung nach für unseren Ort zu sexy. Die Männer waren hinter ihr her, wie der Teufel hinter der armen Seele, wie man hier so sagt. Und es gab sogar Gerüchte, dass sie die Männer verführt hat, nicht umgekehrt. Aber nicht für Geld. Es schien ihr einfach nur Spaß zu machen.“

„Da kann es auch schon mal böses Blut gegeben haben“, meinte Walter.

„Und Eifersucht war schon immer ein starkes Mordmotiv.“

„Und sicher nicht nur bei Männern“, ergänzte Schuster.

„Richtig, bei Frauen nicht minder. Olga war nicht sehr groß und wog auch nicht sehr viel. Eine kräftige Frau hätte sie auch zur Teufelskanzel bringen und dort hinunter-werfen können.“

„Und eine kräftige Frau hätte ihr auch eine Schlinge um den Hals legen und zuziehen können.“

„Damit hat sich soeben die Zahl der Verdächtigen so gut wie verdoppelt“, konstatierte Walter. „Aber ich denke, wir kommen heute hier nicht weiter. Lassen Sie uns die Ergebnisse der Spusi und der Frau Doktor abwarten. Vielleicht sehen wir dann mehr.“

Walter machte einen Spaziergang durch den Stadtpark. Das brauchte er, wenn er über eine Sache nachdenken wollte: Frische Luft, Bewegung und niemanden, der zwischendurch redete oder gar irgendwelche Fragen stellte.

Für ihn passte einiges nicht zusammen. So wie er und der neue Kollege Schuster die Tote vorgefunden hatten sah es nicht so aus, als sei sie aus einer Höhe von zehn oder gar fünfzehn Metern hinabgestürzt. Außerdem hätte sie sich dabei mit Sicherheit einige Knochen gebrochen. Und das hätte die Pathologin auch schon bei oberflächlicher Untersuchung festgestellt, aber davon war nicht die Rede gewesen. Er erinnerte sich, dass er als erstes den Eindruck gehabt hatte, als sei die Tote auf der Feuerstelle förmlich drapiert worden und nicht, als sei sie aus großer Höhe abgestürzt. Er hatte da so eine Idee, aber darüber würde er mit der Frau Doktor sicher nicht reden können, noch nicht.

Als Kommissar Walter am nächsten Vormittag auf das Revier kam, schien Kollege Schuster total verwirrt zu sein. „Gut, dass Sie kommen, Chef“, sagte er, „Sehen Sie sich das bloß einmal an.“

Walter überging die Anrede. Auf dem Schreibtisch waren die Fotos vom Fundort ausgebreitet. Aber auf den ersten Blick konnte Walter nichts Aufregendes erkennen.

„Nein, hier“, sagte Schuster und zeigte auf den Tisch in der Sitzecke. Dort lag die Lokalzeitung. Auf dem Titelblatt prangte ein riesiges Foto von Olgas Leiche, so wie sie aufgefunden worden war.

Walter setzte sich in den Sessel und betrachtete das Bild.

„Da muss einer vor uns dagewesen sein. Irgendein Presseheini oder so ein Schnüffler.“

„Von der Spusi haben die das nicht. Die dürfen das nicht. Und außerdem müssten wir dann auch mit auf dem Bild sein“, stellte Schuster fest.

„Und was ist mit unserem Pilzsammler?“, fragte Walter.

„Der hatte doch sein Handy nicht dabei.“

„Sagt er. Und was ist mit einem Fotoapparat?“

„Darüber haben wir nicht gesprochen.“

„Ärgerlich, diese Geschichte“, sagte Walter, „aber nicht zu ändern.“

Der Text war lächerlich „Grausiger Leichenfund in Harmonie, junge Frau tot auf dem Altar der Teufelskanzel, die Polizei tappt vorerst im Dunkeln was den Täter oder ein Motiv anbelangt, die Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang.“ Es folgte das übliche Geschwafel.

Er legte die Zeitung beiseite, stand auf, ging zum Schreibtisch und betrachtete die Bilder der Spusi genauer.

„Irgend was Auffälliges?“

„Nee, Chef, nicht mehr als gestern.“

Jetzt hakte Walter ein: „Wenn Sie weiter Chef zu mir sagen, dann nenne ich Sie ab sofort nur noch den Juniorpartner, oder einfach nur Junior.“

„Okay, Chef“.

„Okay, Junior.“

„Schon was von Frau Doktor gehört?“

„Nee, Chef.“

Er hatte sich schon wieder daran gewöhnt. So lange war es ja auch noch nicht her, dass er täglich mehrfach so angeredet worden war.

„Junior, haben Sie eigentlich irgendwo den Namen unseres Pilzsammlers?“

Schuster zückte sein Notizbuch. „Hier Chef, er heißt Egon Herwig und wohnt im Gästehaus Thomsen, am westlichen Ortsrand, hinter der Kirche links und dann immer geradeaus.“

„Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich dem Herrn einen Besuch abstatte?“

„Nein, Chef, warum sollte ich. Aber was haben Sie denn vor?“

„Ich will mal auf den Busch klopfen, oder auf den Pilz. Mal sehen, wer oder was da herausspringt.“

Walter verließ das Polizeirevier. Mit dem Ergebnis der Obduktion war sicher frühestens am nächsten Tag zu rechnen. Er ging, wie vom Junior beschrieben, an der Kirche links und dann immer geradeaus. Die zur Ferienwohnung ausgebaute Scheune war nicht zu übersehen. Davor, auf einem anscheinend extra dafür angelegten Spielplatz, liefen ein paar Kinder herum.

„Weiß denn jemand von euch, wo der Herr Herwig wohnt?“, fragte er aufs Geradewohl.

„Ja“, sagte eines der Kinder, „der Papa sitzt hinten im Garten im Liegestuhl und liest.“

„Meinst du, dass ich ihn mal besuchen darf?“

„Was willst du denn von ihm?“

„Ich will ihn was wegen der Pilze fragen.“

„Ach sooo, da hat der Papa sicher nichts dagegen. Komm, ich bring dich hin.“

Der etwa achtjährige Junge lief um das Haus und rief: „Papa, da ist Besuch für dich. Der will dich was fragen, wegen Pilzen.“

Walter war dem Jungen gefolgt. Herr Herwig versuchte gerade zu flüchten, aber so schnell kam er nicht aus dem Liegestuhl heraus. Also ließ er sich wieder hineinfallen. Er sah Walter bösartig an und sagte: „Was wollen Sie? Was soll mit meinen Pilzen sein?“

Er war etwa 55 bis 60 Jahre alt, a:ber schon ein bisschen korpulent. Auch das Haupthaar war schon ein wenig gelichtet. Er trug Freizeitkleidung, Shorts, T–Shirt und Sandalen. Walter trat so nah an den Liegestuhl heran, dass er ihm die Hand geben konnte.

„Ich bin Stephan Walter, Kriminalbeamter a. D. Herr Schuster, mit dem Sie ja gestern telefoniert haben, bat mich, ihm bei der Ermittlung in dem Fall der Toten an der Feuerstelle behilflich zu sein.“

„Ja, natürlich weiß ich worum es geht. Aber ich habe doch schon alles gesagt.“

„Na ja, mag schon sein. Ich hätte da nur noch eine Frage wegen dieses Fotos.“

Walter zog die Zeitung aus der Tasche und hielt sie Herrn Herwig vors Gesicht. Die Wirkung war nicht zu übersehen. Walter legte nach.

„Das muss sehr früh am Morgen aufgenommen worden sein. Es ist noch neblig, die Spinnenweben glänzen vom Tau und die Sonne ist noch nicht aufgegangen. Und außer Ihnen ist zu diesem Zeitpunkt niemand da oben gewesen. Und die Spurensicherung hat eindeutige Fußspuren sichergestellt. Was meinen Sie, wenn wir die mit Ihren Schuhen vergleichen, was da wohl …“

„Ja, ist ja gut“, sagte er aufbrausend, „ja,ich habe das Foto gemacht. Aber ich hab es nicht der Polizei gegeben sondern an die Zeitung verkauft. Ist ja auch nicht verboten oder?“

„Na, ganz legal ist es nun auch wieder nicht. So etwas könnte man als Unterschlagung von Beweismaterial auslegen. Aber wir würden darüber hinwegsehen, wenn Sie uns noch ein bisschen mehr von dem entsprechenden Morgen erzählen. Denken Sie mal genau nach. War da noch irgendetwas?“

Er dachte tatsächlich einen Moment nach und sagte dann: „Nein, außer mir und dem anderen Pilzsammler war da niemand.“

„Welcher andere Pilzsammler?“

„Na da unten auf dem Weg, da war ein Kollege von mir, der hat auch Pilze gesammelt.“

„Können Sie den Mann beschreiben? Groß oder klein, dick oder dünn?“

„Nee, dafür war er zu weit weg. Ich hab nur gesehen, dass er ähnlich angezogen war wie ich und einen dunklen Hut aufhatte.“

„Meinen Sie, dass er Sie auch gesehen hat?“

„Ich glaube schon, denn er ist dann gleich in die andere Richtung gegangen. Wissen Sie, bei uns Pilzsammlern gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Wenn man sich zufällig begegnet, dann geht jeder in die entgegengesetzte Richtung. So geht man sich aus dem Weg und sucht nicht an Stellen nach Pilzen wo schon ein anderer geerntet hat, verstehen Sie? Und ich habe noch genau gesehen, dass er sich gebückt hat, um Pilze zu sammeln.“

„Das haben Sie gesehen?“

„Ja, ganz genau.“

„Meinen Sie, dass Sie den Mann bei einer Gegenüberstellung wiedererkennen würden?“

„Nein, ich glaube nicht. Ich habe ihn ja nur von hinten gesehen. Und es war nebelig und der Mann war ziemlich weit weg.“

„Ist Ihnen eigentlich nie der Gedanke gekommen, dass dieser Mann etwas mit der Leiche zu tun haben könnte“

„Nein, nie, Herr Kommissar, Pilzsammler bringen doch niemanden um.“

Walter gab auf, da war wohl nichts mehr zu holen. „Vielen Dank“, sagte er, „und das nächste Mal machen Sie keine verbotenen Fotos, versprochen?“

Herr Herwig nickte. Walter verabschiedete sich und ging. Wieder auf dem Revier erzählte er Schuster von seinem Erfolg.

„Aber Chef, da waren doch gar keine Fußspuren.“

„Na und? Das war ein Schuss ins Blaue. Und es hat geklappt. Ich habe zwei Puzzlesteine, die wir heute Morgen noch nicht hatten. Erstens wissen wir jetzt, wo die Zeitung das Foto her hat und zum anderen wissen wir auch, dass an dem Morgen noch eine weitere Person da oben im Wald war.“

Schuster überlegte, ob diese Tatsache sie entscheidend weiter bringen würde. Walter unterbrach seine Überlegungen mit einem völlig anderen Thema. „Übrigens, haben Sie von der Schlägerei in der Wirtschaft gehört?“

„Na klar, Chef, das spricht sich doch sofort herum.“

„Worum ging es dabei eigentlich ganz genau?“

„Das ist eine lange Geschichte. Wollen Sie sie hören?“

„Klar, sonst hätte ich nicht gefragt.“

„Also: Der Blume-Torsten und der Mischner, das sind Parteifreunde. Und der Mischner hat irgendwo einen reichen Freund, der auf dem Grundstück vom Blume-Torsten gerne ein Hotel bauen möchte, so mit Wellness und allem. Aber das Grundstück ist zu klein. Nebenan steht das Elternhaus vom Rosenbauer. Das ist der Dritte der Raufbolde. Der hatte nämlich damals in den Brunnenhof eingeheiratet wo er jetzt auch noch wohnt. Und deshalb haben die ersten beiden seit Jahren schon versucht, der Mutter vom Rosenbauer die Hütte abzuschwatzen, aber ohne Erfolg. Es war nämlich durchgesickert, dass es ihnen gar nicht um die Hütte ging, sondern um das Grundstück. Und weil die alte Frau Rosenbauer nicht wollte, dass ihr Elternhaus abgerissen wird, hat sie nicht verkauft. Aber seit ihrem Tod steht das Haus leer. Dass der Rosenbauer jetzt nicht verkauft, hat aber letztendlich einen anderen Grund. Der Metzger Thomsen, der Besitzer des Ferienhauses, ist wiederum ein Parteifreund vom Rosenbauer, natürlich von der anderen Partei, versteht sich. Der will verhindern, dass da oben ein Hotel gebaut wird, weil er befürchtet, dass er dann seine Ferienwohnungen nicht mehr vermieten kann. Also zahlt er dem Rosenbauer jährlich ein paar Hundert Euro, natürlich unter der Hand, damit der seine Hütte nicht verkauft. Und deshalb geraten die drei sich immer wieder mal in die Haare.“

„Und was ist mit der Drohung?“

„Ach, Chef, Sie wissen doch wie das ist, dummes Geschwätz, das wird halt so dahergeredet. Aber da passiert schon nichts.“

„Sagen Sie das nicht. Ich spreche ja nicht unbedingt von Mord, aber im Affekt ist schon manche Drohung dann tatsächlich passiert. Sehen Sie, in meiner aktiven Dienstzeit habe ich bei vielen Verhören Menschen vor mir auf dem Stuhl gehabt – Männer, aber auch Frauen – die im Affekt einen anderen Menschen getötet haben, die aber unter normalen Umständen noch nicht einmal einer Fliege etwas zu Leide tun würden. Und so wie die Streithähne aufeinander losgegangen sind hätte da schon etwas passieren können. Stellen Sie sich vor, einer von denen wäre unglücklich gefallen und hätte sich den Kopf irgendwo angeschlagen. Das kann schon zum Tode führen.“

Schuster hatte aufmerksam zugehört. Dann nickte er und sagte gedehnt: „Ja, das könnte hier auch passieren.“

Die erste Beichte

Du bist zum ersten Mal hier, meine Tochter“, stellte der Pfarrer fest, als Olga im Beichtstuhl Platz genommen hatte.

Ja, Hochwürden.“

Aber du bist katholisch, oder?“

Ja, Hochwürden. Jedenfalls hat unsere Oma das immer gesagt.“

Gut, dann beginne, mein Kind“

Es entstand eine kleine Pause. Dann sagte Olga: „Ich habe ein paarmal gelogen. Als mir eine Tasse heruntergefallen war habe ich gesagt, dass es die Katze gewesen ist. Als ich einmal verschlafen hatte, habe ich gesagt, dass der Wecker nicht geklingelt hatte. Aber das stimmte auch nicht.“

Ja, das ist nicht recht, meine Tochter, du weißt, du darfst nicht lügen. Aber das sind lässliche Sünden. War sonst noch etwas?“

Olga druckste herum. „Ja, da war schon noch was, aber ich weiß nicht, ob ich das hier sagen darf.“

Liebes Kind, mir darfst du alles sagen. Dafür gibt es doch die Beichte.“

Und Sie sagen es bestimmt keinem anderen, Hochwürden?“

Aber nein, auf keinen Fall, dazu verpflichtet mich doch das Beichtgeheimnis. - also?“

„Na gut, es hat etwas mit Joseph zu tun.“

Ach, der junge Mann, der auch bei Fischers arbeitet.“

Ja, genau der. Wir haben uns von Anfang an gut verstanden. Einmal hat er mir alle seine Bilder gezeigt. Der Joseph kann gut fotografieren. Und dann hat er gesagt, dass er Modelaufnahmen von mir machen will. Deshalb hab ich mich so hingestellt und so hingelegt, wie ich das aus den Zeitschriften von den echten Fotomodels so kenne, und Joseph hat Fotos gemacht. Später hat er dann gesagt, dass ich mal mein T-Shirt ausziehen sollte. Dann hat er wieder Fotos gemacht. Und dann hab ich mich ganz ausgezogen und Joseph hat weiter fotografiert. Und dann haben wir uns auf mein Bett gesetzt und uns die Bilder angesehen. Ich muss sagen, die Bilder haben mir wirklich gut gefallen.“

Hast du dich denn nicht geschämt, so nackt vor einem Mann zu stehen?“

Nein, Hochwürden. Joseph hat auch gesagt, dass ich mich nicht zu schämen brauchte. Adam und Eva waren im Paradies ja auch nackt und haben sich nicht geschämt. Steht extra da, in der Bibel, hat der Joseph gesagt. Und der kennt sich aus in der Bibel. Der liest da nämlich immer drin.“

Ja, ich weiß“, sagte der Pfarrer, „und, war´s das jetzt?“

Nein, noch nicht ganz, Hochwürden. Denn als wir uns die Bilder angesehen haben, da hat der Joseph so ein bisschen an mir rumgefummelt und dann ist es passiert“

Du meinst, ihr habt …“

Ja, wir haben es gemacht. Und es war sehr schön.“

War es das erste Mal, meine Tochter?“

Ja, mit dem Joseph schon. Aber das erste Mal war bei uns zu Hause in Russland. Da war ich gerade dreizehn. Es war einer der größeren Jungen aus unserer Schule. Wir hatten den gleichen Schulweg. Und einmal im Sommer, da hat er es gemacht, auf dem Heimweg in einem Kornfeld. Aber ich fand es nicht schön und hab es auch nicht wieder getan. Bis letztens mit Joseph. Aber das war sehr schön. War das jetzt eine Sünde, Hochwürden?“

Der Herr Pfarrer schien nachzudenken. Dann sagte er: „Nun, der Akt der körperlichen Vereinigung zweier Menschen dient eigentlich der Zeugung von Nachwuchs und nicht dem Spaß.“

Aber Hochwürden, dabei haben doch alle Spaß, oder? Ach, Entschuldigung, das können Sie ja nicht wissen.“

Nach einer längeren Pause sagte der Pfarrer: „War´s das jetzt, meine Tochter?“

Nein, noch nicht ganz. Weil, der Joseph, der hatte noch so ein Heft dabei, mit so Bildern, was man alles machen kann. Und da haben wir ausprobiert, ob wir das auch können. Und der Joseph hat das dann fotografiert. Manchmal mussten wir eine Stellung ein paar Mal wiederholen, wenn das Bild nicht gut geworden war. Wir haben viel gelacht dabei. Ist das verboten, Hochwürden?“

Nein, mein Kind, verboten ist das nicht. Aber wenn du schon so intim mit dem Joseph bist, dann solltet ihr vielleicht mal übers Heiraten nachdenken.“

Ist recht, Hochwürden, ich werde mit Joseph darüber reden.“

Und nun gehe hin in Frieden. Vergiss nicht den Rosenkranz zu beten und immer brav in die Kirche und zur Beichte zu gehen.“

„Ich danke Ihnen, Hochwürden.“

Am nächsten Morgen war gerade der Obduktionsbericht von Olgas Leiche angekommen. Schuster und Walter lasen ihn schweigend.

„Das ist ja nicht viel“, meinte Schuster.

„Aber immerhin etwas Entscheidendes, unsere Tote war nämlich schwanger.“

„Das musste ja irgendwann mal passieren“, bemerkte Schuster.

„Und das war sicher ein Versehen.“

„Das sehe ich auch so.“

Beide dachten nach.

„Könnte es sein, dass jemand etwas dagegen hatte Vater zu werden?“, begann Walter seine Gedanken in Worte zu fassen.

„Das könnte sogar gut sein. Und das könnte auch durchaus ein Mordmotiv sein, oder?“, fragte Schuster.

„Das wäre nicht der erste Fall dieser Art“, bestätigte Walter.

„Eine solche Schwangerschaft könnte eine Ehe gefährden.“

„Oder eine politische Karriere.“

„Oder einen ganzen Betrieb ruinieren.“

Die Zahl der Verdächtigen stieg.

Walter nahm den Bericht noch einmal zur Hand.

„Die Frau Doktor schreibt hier, dass das Tatwerkzeug wohl am ehesten ein Gürtel oder ein Riemen war, wegen der scharfen Ränder, keinerlei Abwehrspuren, keine Kratzer, keine Hautpartikel unter den Fingernägeln. Außer den schwachen blauen Fesselmalen an Hand- und Fußgelenken, die die Frau Doktor sich aber auch nicht erklären kann.“

Schuster hatte eine Idee. „Vielleicht hat der Täter die Tote ja zu einer Art Paket verschnürt, damit er sie besser transportieren konnte.“

Walter konnte sich dieser Vorstellung nicht anschließen, hatte selbst aber auch keine bessere Erklärung.

„Aber hier“, sagte er, „schwache Narben auf dem Rücken, allerdings älteren Datums. Sie muss also früher mal von irgendjemandem geschlagen worden sein.“

„Ich würde Frau Doktor gerne noch etwas fragen“, sagte Walter.

„Dann rufen Sie sie doch an.“

„Meinen Sie?“

„Ja doch, mehr als auflegen kann sie ja nicht.“

Walter rief an. „Ich hätte da noch eine Frage, Frau Doktor“ sagte er.

„Sind Sie dazu autorisiert?“

„Schuster meint, ja.“

„Geben Sie ihn mir mal.“

Walter reichte Schuster den Hörer und der sagte nach längerem Zuhören lediglich: „Ja, ich stimme dem zu.“

Dann gab er den Hörer zurück. Walter überging seinerseits das offensichtlich bestehende Misstrauen und sagte: „Es geht mir um den Zeitpunkt, an dem die Tote dort oben abgelegt worden ist. Kann das auch erst gegen Morgen gewesen sein?“

„Ach, Sie meinen sie sei nachts ermordet und erst morgens dort, wie Sie es nennen, abgelegt worden.“

„Ja, als Kollege Schuster und ich die Tote fanden sah es nicht so aus, als sei sie achtlos weggeworfen worden, so als ob man eine Leiche entsorgen wollte.“

„Ja, das war auch mein Eindruck. Aber daraus kann ich als Pathologin keine Schlüsse ziehen, das ist dann doch wohl eher die Aufgabe der Polizei.“

Eine längere Pause entstand. Walter überlegte, wie er das Gespräch fortsetzen konnte.

„Nun, hinabgestürzt oder gestoßen worden ist sie ja offensichtlich nicht. Sonst hätte sie sich doch sicher einige Brüche zugezogen“, stellte Walter klar.

„Warum wollen Sie das denn unbedingt wissen?“

„Ach, ich hab da so eine Idee. Unser Pilzsammler hat nämlich am Morgen noch eine zweite Person dort oben gesehen. Er meinte zwar, das sei auch ein Pilzsammler gewesen, aber wer weiß.“

„Also gut, wenn die Tote dort an der Feuerstelle lediglich abgelegt worden ist, dann stellt sich natürlich die Frage nach der Ursache der Kopfverletzung.“

„Richtig“, sagte Walter, „darüber müssten wir dann noch mal nachdenken.“

Die Pause, die jetzt entstand, war irgendwie spannungsgeladen.

„Also um es mal klar zu sagen, von einem der Steine am Fundort stammte sie nicht. Denn dann hätte ich in der Wunde zumindest Schmutz oder Sand oder sonst irgendwelche erkennbaren Rückstände gefunden. Es muss ein sauberer, harter, relativ scharfkantiger Gegenstand gewesen sein. Es war ja fast eher ein Schnitt als eine Platzwunde.“

„Sie sagten nach dem ersten Eindruck am Fundort, dass sie ihr erst post mortem zugefügt worden ist.“

„Ja, Herr Kommissar“, sagte sie spitz „und das hat sich auch bei der genaueren Untersuchung in meinem Labor bestätigt.“

Walter merkte, dass das Gespräch zu Ende war. „Ich bedanke mich für Ihre Unterstützung“, sagte er so liebenswürdig wie möglich und legte auf.

„Ist die immer so empfindlich?“, fragte er dann.

„Nein, nur wenn ihre Kompetenz angezweifelt wird.“

„Hab ich das denn gemacht?“

„Ja, allerdings.“

„Ich habe doch nur nach Fakten gefragt.“

„Ja, aber es war wohl mehr die Art und Weise wie Sie gefragt haben.“

Beide schwiegen, aber Walter dachte daran, sich bei passender Gelegenheit für sein Verhalten zu entschuldigen.

Die Presse

„Was sagen wir denen nur“, fragte Schuster mit schlotternden Hosen.

„Ach was, das sind auch nur Menschen. Die beißen schon nicht“, antwortete Walter.

Eine Pressekonferenz war anberaumt. Die Reporter stürzten sich wie die Aasgeier auf die zwei Personen, die rechts und links neben dem Staatsanwalt saßen.

„Ich schlage vor, dass Sie, Kollege Schuster, als zuständiger Ortspolizist die Fragen der Damen und Herren beantworten“, hatte der Staatsanwalt in der Vorbesprechung gesagt.

Schuster wurde abwechselnd blass und rot.

„Keine Angst, Kollege, Sie schaffen das schon. Sagen Sie einfach, was Sie in Ihrer Ausbildung für eine solche Situation gelernt haben. Und notfalls bin ich ja auch noch da.“

„Und ich auch“, ergänzte Walter.

Und es begann gleich heftig.

„So geht es doch nicht weiter!“, brüllte der Vertreter der `Rechtsrheinischen Zeitung´. „Wir können unsere Leser doch nicht mit Vermutungen abspeisen. Es ist immerhin ein Mord an einer unserer Mitbewohnerinnen geschehen. Und da will die Bevölkerung über die Zusammenhänge auf dem Laufenden gehalten werden.“

Der Vertreter des `Kreisanzeigers´ pflichtete ihm bei und ergänzte noch: „Da muss doch mal von höherer Stelle was passieren. Man kann eine Ermittlung in einem Mordfall nicht einem jungen – in allen Ehren, Herr Schuster – unerfahrenen Ortspolizisten und einem pensionierten, nicht autorisierten ehemaligen Kriminalkommissar überlassen.“

Schusters Zornesader schwoll an. Sein Gesicht färbte sich dunkelrot. Walter saß ganz gelassen da. Im Grunde hatte der Reporter ja Recht. Er, Walter, war tatsächlich nur ein besserer Hilfspolizist ohne Rechte und Befugnisse.

Und er kannte solche Situationen aus seiner bisherigen Laufbahn, wenn die Presse versuchte die Polizei unter Druck zu setzen, um an Informationen zu kommen. „Wir leben schließlich davon“, hatten sie ihm immer wieder gesagt.

„Welche Fakten haben Sie denn bisher?“, fragte der Vertreter der `Unabhängigen´ den Staatsanwalt.

Genau, dachte Walter, die wollen immer gleich Fakten haben. Dabei haben wir selbst noch nicht einmal welche.

Der räusperte sich und sagte: „Nun, wir wissen, dass die Tote eine Russlanddeutsche war, also deutsche Vorfahren hatte, dass sie hier im Ort bei der Spedition Fischer als Kindermädchen gearbeitet hat, dass sie von Frau Fischer als sehr fleißige Haushaltshilfe beschrieben worden ist, dass sie nicht eines natürlichen Todes gestorben ist und dass…“

Der Reporter der `Rechtrheinischen´ meldete sich. Der Staatsanwalt erteilte ihm das Wort.

„Aber das wissen wir doch alles schon, Herr Staatsanwalt. Wir wollen wissen, wie der aktuelle Stand der Ermittlungen ist, ob es schon einen Verdächtigen gibt oder wenigstens ansatzweise eine Spur?“

Der Staatsanwalt sah Walter an, Walter sah Schuster an. Der riss sich zusammen. Man sah förmlich, wie ein Ruck durch seinen Körper ging. Dann gab er die einzig richtige Antwort, so, wie er es in seiner Ausbildung gelernt hatte: „Über Ergebnisse in einem laufenden Verfahren dürfen wir keine Auskunft geben, um den Fortgang der Ermittlungen nicht zu gefährden.“

Schallendes Gelächter war die Folge. Schuster sah Walter fragend an, aber der nickte zustimmend.

„Aber meine Herren“, rief der Staatsanawalt die Versammlung zur Ordnung.

„es ist völlig korrekt, was der junge Kollege gesagt hat. Und wir hätten dem Kollegen vor Ort längst Verstärkung geschickt, wenn wir nicht an allen Ecken und Enden personell permanent unterbesetzt wären. Darauf sollten Sie mal Ihr Augenmerk richten und entsprechend an höherer Stelle Druck ausüben. Die Mitarbeiter hier machen ihren Dienst so gut es geht, glauben Sie mir.“

Damit war dem ersten Angriff der Wind aus den Segeln genommen. Doch der Vertreter der `Unabhängigen´ meldete sich noch einmal zu Wort: „Wie wollen Sie denn nun weiter vorgehen?“

Der Staatsanwalt beugte sich vor, legte die Unterarme auf den Tisch und sagte beruhigend: „Lassen Sie die Beiden doch erst mal ihre Arbeit machen. Ich versichere Ihnen, dass wir in Hauptkommissar Walter einen fachlich kompetenten qualifizierten Helfer haben, der in seiner aktiven Laufbahn manchen Verbrecher zur Strecke gebracht hat. Ich persönlich halte die beiden für ein gutes Team. Die Dynamik der Jugend gepaart mit der Erfahrung und der Abgeklärtheit des Alters. Das ist eine gute Kombination.“

Danke, dachte Walter, das reicht, sonst kommen mir gleich die Tränen.

„Und ich verspreche Ihnen“, fuhr der Staatsanawalt fort, „dass ich mich für Ihre Belange einsetzen werde und selbstverständlich werden Sie sofort informiert, wenn wir konkrete Ergebnisse vorweisen können.“

Die üblichen Erklärungen, dachte Walter. Wie oft habe ich das schon in meiner Laufbahn gehört. Geschehen ist dann meistens nichts. Immerhin hat er uns damit die Pressefritzen vom Halse gehalten. Aber Reporter können bekanntlich hartnäckig sein.

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