Kitabı oku: «Die drei Lästerschwestern können's nicht lassen», sayfa 2

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Sören, die Erste: „Dat Führ“

Neben dem Hauptgebäude der „Heimlichen Liebe“ gab es einen kleinen privaten Bereich. Von einem Garten zu sprechen wäre übertrieben, aber es gab ein kleines Stückchen Rasen, der auf der Insel ansonsten Seltenheitswert hatte, eine kleine Sträucher- und Blumenrabatte mit Heidekraut, Ginster und Wildrosen. Am Rand standen ein paar niedrige Bäume, die sich nach Osten beugten, nicht, um die aufgehende Sonne zu begrüßen, sondern um dem ständigen Westwind auszuweichen. Dort stand auch die alte Gartenbank, auf der sich Maria und Christian das erste Mal etwas näher gekommen waren.

Es war inzwischen einer der Lieblingsplätze, an denen Maria sich gerne aufhielt. Die Bank stand, je nach Tageszeit, in der Sonne oder im Schatten. Maria nutzte jede Stunde, um bei gutem Wetter dort zu sitzen und zu lesen, zu träumen oder um einfach nur die Zeit an sich vorbeistreichen zu lassen. Manchmal ertappte sie sich auch dabei, kurz eingenickt zu sein, denn das monotone Geräusch der Wellen am nahen Strand hatte auf sie durchaus eine einschläfernde Wirkung.

Eines Nachmittags, als sie wieder einmal dort saß und ein Buch las, kam ein Mann den Plattenweg entlang und näherte sich der Bank. Er schien zwischendurch zu zögern, ging dann aber doch weiter. In respektvoller Entfernung zu Maria blieb er stehen und rief „Dörf ik?“

Maria stand zwar mit der plattdeutschen Sprache noch auf dem Kriegsfuß, aber so viel hatte sie verstanden, dass der Mann sich offensichtlich gerne zu ihr setzen wollte.

Sie kannte diesen Mann. Es war Sören, ein eher scheuer, schüchterner Mensch, der gelegentlich den Rasen mähte oder die Fliesen der Terrasse und die Platten der Wege kehrte. Als Maria ihn das erste Mal gesehen hatte, fragte sie Christian, wer das sei. „Willst du es wirklich wissen?“ hatte Christian gefragt. „Aber ja doch“, hatte Maria geantwortet, „es interessiert mich.“

„Aber es ist eine lange Geschichte.“

„Macht nichts, ich mag Geschichten und ich habe Zeit.“

Christian strich sich über den Kopf, stützte die Ellenbogen auf die Knie, blickte aufs Meer und begann: „Vor vielen Jahren erschien hier auf unserer Insel eine junge Frau. Sie war sehr hübsch und trug eine Kleidung, wie man sie eigentlich in herrschaftlichen Häusern trägt. Sie war schwanger, das war nicht zu übersehen. Es war keine Touristin, aber keiner wusste, wer sie war, woher sie kam und was sie hier auf Borkum wollte. Sie versteckte sich in einem der alten Bootsschuppen unweit des Anlegers. Dort hat sie dann auch bis zum Schluss gewohnt, oder, besser gesagt, gehaust. Sie fragte in den Häusern nach Arbeit und als die Leute merkten, dass sie ganz geschickt im Nähen war, gaben sie ihr Handtücher und Bettwäsche zum Reparieren. So verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt. Als einige Familien eines Tages vergeblich auf ihre reparierte Wäsche warteten, sah man im Bootsschuppen nach und fand ein neugeborenes Baby neben seiner toten Mutter. Sie war offensichtlich bei der Geburt gestorben. In den Balken neben ihrer Schlafstätte hatte sie mit einem Messer den Spruch geritzt: Lever dod, as Sklav. Das ist ein Satz, der aus der Kriegszeit zwischen den Friesen und den Dänen stammt, als es um die Vorherrschaft in Schleswig-Holstein ging, denn so fühlten sich die Friesen unter der dänischen Herrschaft: Wie Sklaven.

Die `Näherin´, wie man sie hier einfach nannte, wurde anonym beerdigt. Sie liegt irgendwo in der großen Rasenfläche im hinteren Teil des alten Friedhofs.

Das Kind – es war ein Junge – war anscheinend gesund. In der Hand der Mutter fand man einen kleinen Zettel auf dem „Sören“ stand. Also taufte man das Kind Sören. Die Frau des Pfarrers nahm sich seiner an mit den Worten: Wo sös satt ward könnt ok söben satt wardn. Womit sie auf ihre eigenen sechs Kinder anspielte. So wuchs Sören im Pfarrhaus auf, aber trotz der sechs `Geschwister´ blieb er ein Einzelgänger. Mit der Schule konnte er sich gar nicht anfreunden und wenn ihn unser Inselpolizist zwangsweise in die Schule brachte, war er spätestens in der nächsten Pause wieder verschwunden. Irgendwann gab man es auf und so wuchs Sören ohne jeden Unterricht auf. Den Jugendlichen stellte der Pfarrer dann als Hilfskraft ein. Seitdem wohnte er im Geräteschuppen im hinteren Teil des alten Friedhofs, weil er es so wollte, hatte der Pfarrer gesagt. Sören säuberte die Kirche, läutete die Glocken und kümmerte sich um die Pflege des Friedhofs. Dabei hat man ihn oft beobachtet, wie er stundenlang vor den alten Grabsteinen saß. Auf diesen Grabsteinen stehen nämlich nicht nur die Namen und die Lebensdaten der Verstorbenen, so wie heute, sondern auf den ganz alten Grabsteinen steht die gesamte Lebensgeschichte des Verstorbenen, allerdings nur die der Männer: Wann und wo geboren, mit wem verheiratet, wie viele Kinder und vor allem der Beruf, denn die meisten waren Seeleute gewesen und in Ausübung ihres Berufes gestorben. Aber die meisten Steine sind schon sehr verwittert, sodass man die Schrift kaum noch erkennen kann. Und wenn man etwas lesen konnte, dann waren da oft Wörter und Begriffe, die man in unserer heutigen Sprache gar nicht mehr kennt. Sören, ohnehin nicht des Lesens mächtig, beschäftigte sich hauptsachlich mit den Symbolen auf den Grabsteinen: Anker, Kreuze, Steuerräder und sogar ganze Segelschiffe. Er malte sie mit Bleistift auf ein Stück Pappe und redete dabei, oder, besser gesagt, er sang. Es war zwar kein normaler Gesang, eher so eine Art Sprechgesang, aber es waren Worte verbunden mit einer Melodie. Leider verstand ihn niemand, denn er redete in Rätseln. Viele hielten ihn für verrückt und wichen ihm aus. Aber als er vor Jahren einmal eine schwere Sturmflut voraussagte und diese dann auch auf den Tag und auf die Stunde genau eintraf, wurde er zum `Spökenkieker´. So nennt man in Norddeutschland Menschen, die eine gewisse Begabung dafür haben, Ereignisse der Zukunft vorherzusagen, leider meist negative. Deshalb gehen ihm viele Inselbewohner aus dem Wege, weil sie Angst haben, dass er ihnen ein Unglück prophezeien könnte.“

Christian machte eine Pause und sah Maria von der Seite an.

„Weiter?“, fragte er.

„Natürlich“ antwortete Maria, „jetzt will ich auch den Rest hören.“

„ Eines Tages war Sören verschwunden. Keiner wusste warum und wohin.

Ein Kapitän meinte ihn als blinden Passagier auf seiner Fähre gesehen zu haben, als er auf dem Weg zum Festland war. Nach einem halben Jahr tauchte er wieder auf und tat so, als ob nichts geschehen wäre. Seitdem `wohnte´ er in demselben Bootsschuppen, in dem er geboren und seine Mutter gestorben war. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten oder sammelte Treibholz am Strand und verkaufte es an Inselbewohner. Manchmal fand er auch ein paar kleine Bernsteinstücke, die er an Thorben Reed, unseren Goldschmied verkaufte. Ich habe ihn einmal gebeten, die Plattenwege rund um unser Haus und auch die Terrasse vom Flugsand zu säubern. Das hat er einwandfrei gemacht. Dafür bekam er hinterher satt zu Essen und noch ein paar Euro. So, nun kennst du seine Lebensgeschichte, mehr weiß ich auch nicht über ihn. Du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten, er ist ein bisschen eigenartig, aber ansonsten harmlos.“

Und nun saß Sören neben Maria auf der Bank. Er war unruhig, wippte hin und her und rieb ständig den rechten Daumen in der Innenfläche seiner linken Hand. Je länger er so dasaß und starr aufs Meer blickte, umso unruhiger wurde er. Und dann begann er zu singen. Es war genauso, wie Christian es beschrieben hatte, eher ein Sprechgesang mit einer traurigen Melodie. Es war ein Reim, vierzeilig, der sich immer wiederholte: „Dat Führ, dat Führ, dat Führ wär verkehrt. He wär nich verkehrt, he ha sik ni eert, dat Führ, dat Führ, dat Führ wär verkehrt.“ Sören presste seine Hände zwischen die Knie und wippte im Takt seines eigenen Textes vor und zurück. Dabei wurde sein Gesang immer lauter und seine Bewegungen immer heftiger. Dann sprang er plötzlich auf und rannte davon.

Maria war zunächst wie gelähmt, das Blut pochte in ihren Schläfen und eine Gänsehaut lief über ihren ganzen Körper. Es kam ihr wie ein Albtraum vor, aber es war real gewesen. Sie versuchte sich zu beruhigen, indem sie eine Zigarette rauchte. Aber als sie die Zigarettenschachtel öffnete, zitterten ihre Hände. Dann entschloss sie sich, den eigenartigen Vers aufzuschreiben, um ihn nicht zu vergessen. Sie schrieb ihn auf die Innenseite des Buchumschlags, so, wie sie es phonetisch noch im Ohr hatte. Dann suchte sie Christian auf und erzählte ihm von dieser eigenartigen Begegnung. Während sie in ihrer Ecke saßen, zitterten ihr immer noch die Knie.

„Komm“, sagte Christian, „trink erst mal einen Cognac. Und dann erzähl‘ alles schön der Reihe nach. Ich hatte dich ja vor ihm gewarnt. Jetzt hast du ihn also selbst erlebt.“

Maria kippte den Cognac hinunter und sagte zu Alfredo „Bitte noch einen.“

Alfredo sah sie fragend an, traute sich aber nicht einen seiner berüchtigten Sprüche loszulassen. Auch er schien Maria den Schrecken anzusehen.

Nachdem Maria sich beruhigt hatte, fragte Christian ob er ihr etwas getan hätte.

„Nein“, antwortete Maria sofort, „getan nicht, außer dass er mir einen riesigen Schrecken eingejagt hat.“

Und dann erzählte sie alles der Reihe nach und zeigte Christian am Schluss die Notiz in ihrem Buch. Christian musste trotz der dramatischen Situation ein wenig schmunzeln über Marias `plattdeutsche´ Niederschrift. Er las den Vers laut vor und Maria sagte sofort „Genau! Genau so hat es sich angehört.“

Christian übersetzte den Text ins Hochdeutsche: „Das Feuer war verkehrt, er war nicht verkehrt, er hat sich nicht geirrt, das Feuer war verkehrt.“ Er kratzte sich verlegen am Kopf und dachte nach. „Was meint er denn dieses Mal gesehen zu haben?“ fragte Christian sich selbst. Und nach längerer Überlegung sagte er „Vielleicht hat er die Strandräuberei gemeint.“

„Was ist das?“, fragte Maria.

„Eine alte Geschichte“, antwortete Christian, „aber wie ich dich kenne, wirst du sie jetzt bestimmt von mir hören wollen.“

„Klarr“, sagte Maria in ihrem Augsburger Dialekt und rollte das „R“ wie ein Kanarienvogel, „erzähl schon.“

Wieder strich Christian sich mit der Hand über den Kopf und machte eine Pause, so als ob er darüber nachdachte, wie und wo er anfangen sollte.

„Also“, sagte er dann, „die Bewohner der Inseln waren früher sehr arm. Und wir wären es heute noch, wenn nicht irgendjemand den Inseltourismus erfunden hätte.

Auf dem Sand der Dünen kann man keinen Ackerbau betreiben und wo nichts wächst, können auch keine Tiere weiden, außer ein paar genügsamen Schafen, stimmt‘s?“

Maria nickte zustimmend.

„So war man manchmal froh, - so paradox es auch klingen mag - wenn irgendwo ein Schiff gestrandet war und danach brauchbares Strandgut angeschwemmt wurde.“ Er machte wieder eine Pause und fuhr dann fort „Nun gibt es das Gerücht, dass manche Inselbewohner die Leuchtfeuer ihrer Insel absichtlich falsch aufgestellt haben sollen, um Schiffe vorsätzlich auf Grund laufen zu lassen. Denn damals gab es noch das ungeschriebene Gesetz, dass alles, was man im Meer oder am Strand fand, dem Finder gehörte. Und sie sollen sich nicht nur am Strandgut bereichert haben, sondern sie hätten bei Ebbe dann auch noch die gestrandeten Schiffe ausgeplündert. So sagt man“ schloss Christian seine Geschichte.

„Aber warum kommt der Junge mit der Geschichte zu mir?“, fragte Maria.

„Vielleicht hat es ja etwas mit unserem Haus, der „Heimliche Liebe“ zu tun“ meinte Christian, „du kennst doch die Geschichte, die über den Ursprung unsres Hauses erzählt wird, oder?“

„Klarr, aber was hat das damit zu tun?“

„Na ja, auch damals ist ein Boot gestrandet und der Besitzer ist dabei umgekommen.“ Doch nach kurzem Bedenken fügte Christian hinzu „Aber das war ein Fischkutter, und da waren keine Reichtümer zu erwarten. Vielleicht meint er aber auch, dass es ein Verbrechen war.“

„Kann man Sören nicht einfach fragen, was er gemeint hat?“

„Nein, das ist ja gerade das Problem: Wenn Sören etwas sagt dann muss man sich selbst einen Reim darauf machen, was es bedeuten könnte. Sören gibt selten eine Antwort wenn man ihn etwas fragt.“

Maria hatte sich inzwischen beruhigt, aber der eigenartige Vers ging ihr nicht aus dem Kopf: „Dat Führ, dat Führ …“

Sie kommen!

Marias Handy klingelte schon früh am nächsten Vormittag und ein Glücksgefühl stieg in ihr auf, als sie im Display Rebekkas Telefonnummer erkannte. Sie meldete sich gleich mit „Hallo Schätzchen“ und Rebekka antwortete „Hallo Ma, da staunst du aber, was?“

„Nein, eigentlich nicht. Ich hatte mit deinem Anruf gerechnet.“

„Wieso?“

„Ganz einfach. Ich habe heute Morgen so intensiv an dich gedacht, dass ich dich quasi in Gedanken angerufen habe, mit der Bitte zurückzurufen.“

„Wie meinst du das?“

„Na, es war im Grunde so etwas wie Gedankenübertragung.“

„So etwas gibt es aber doch nicht wirklich, oder?“

„Manchmal denke ich, dass es durchaus so etwas gibt. Aber nur zwischen Menschen, die ohnehin so etwas wie einen inneren Kontakt zueinander haben, so wie wir.“

„Es kann aber auch Zufall gewesen sein, oder?“

„Natürlich! Aber ich habe in der letzten Zeit so viele eigenartige Sachen erlebt, dass ich glaube, es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als wir sehen und verstehen können. Aber du rufst sicher nicht an, um dir meine pseudowissenschaftlichen Vorträge anzuhören.“

„Genau! Ich rufe an, weil ich zwei Nachrichten für dich habe, eine gute und eine schlechte. Welche willst du zuerst hören?“

„Die gute natürlich.“

„Also, ich komme dich besuchen!“

„Juhuuu! Und wann?“

„Ja, das ist die schlechte Nachricht: Du musst noch eine Woche warten.“

„Das macht gar nichts! Hauptsache du kommst. Wie lange kannst du bleiben?“

„Stell dir vor, ich bleibe drei Wochen!“

Wieder jubelte Maria vor Freude und Begeisterung.

„Wie kommt’s? Gibt Enno dir Urlaub?“

„Nein, es ist viel einfacher. Enno muss auf große Dienstfahrt. Sie wollen verhindern, dass da oben im Nordmeer eine ausgediente Ölplattform versenkt wird. Bei der Gelegenheit wollen sie dann gleich ein paar Untersuchungen durchführen. Es geht natürlich um das Wattenmeer, das ist ja sein Job.“

„Ja, lass ihn nur forschen, solange er will.“

„Ich hab´ gesagt, dass ich keine Lust hätte, die drei Wochen allein zu Hause rumzusitzen und hab´ vorgeschlagen, in der Zeit meine alte Freundin auf Borkum zu besuchen. Und er war sofort einverstanden.“

„Na, na, Schätzchen, ich hoffe doch, dass sich das `alte´ nur auf die Länge unserer Freundschaft bezieht und nicht auf mein Alter!“

„Ach Ma, das würde ich doch nie sagen.“

„Und das gleiche gilt für dein `Ma´, von dem ich immer noch annehme, dass es eine Abkürzung von Maria ist und nicht von Mama, denn Mutterstelle habe ich ja schon lange nicht mehr an dir vertreten.“

Und sie lachten wie in alten Zeiten.

„Ach Schätzchen, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich mich auf dich freue!“, setzte Maria das Gespräch fort.

„Doch, kann ich schon. Mir geht es ja genauso.“

Und sie waren vor Freude den Tränen nahe.

„Ich hoffe, du wirst in der „Heimlichen Liebe“ wohnen, denn dann haben wir alle Zeit der Welt für uns.“

„Nein, das geht leider nicht. Ich werde bei Frau Bruns übernachten. Enno hat gemeint, sie wäre sonst schwer beleidigt, wenn sie erfahren würde, dass ich auf Borkum war und nicht bei ihr gewohnt habe. Aber tagsüber können wir uns ja treffen so oft und so lange wir wollen.“

„Na ja, ist ja auch nicht aus der Welt. Und wir werden trotzdem viel Spaß miteinander haben, oder?“

„Dor kannst von utgon“, antwortete Rebekka und fügte hinzu „du musst ja nun Platt lernen. Und das können wir ja schon mal ein bisschen üben.“

Maria überging den Vorschlag geschickt und fragte stattdessen „Wann kommst du denn hier an?“

„Ja, wie gesagt, in einer Woche, Montag oder Dienstag.“

„Du meldest dich dann noch rechtzeitig, damit wir dich von der Fähre abholen können.“

„So mog wie dat! Und tschüß.“

„Pfia di Gott.“

Doch als das Gespräch beendet war hatte Maria nur einen Gedanken: Erika.

Sie rief an und als Erika sich mit „Erika Schwarz“ meldete, stach Maria wieder einmal der Hafer und sie sagte mit verstellter Stimme „Guten Tag, Frau Schwarz. Ich rufe im Auftrag der Forschungsgruppe `Tiere in der Familie´ an. Hätten Sie ein paar Minuten Zeit für mich?“

„Nee“, antwortete Erika sofort, „erstens haben wir keine Tiere in der Familie und außerdem habe ich im Moment gerade gar keine Zeit für solchen Quatsch.“

„Is scho recht“, sagte Maria, „dann ruf i halt spätr noch amo a.“

In die darauffolgende Stille brüllte Erika dann plötzlich „Du dumme Nuss!“ Und noch einmal „Du dumme Nuss. Und ich blöde Kuh fall´ auch noch darauf rein“, sagte sie und löste damit ein herzhaftes Gelächter bei ihnen beiden aus.

„Vielleicht lag es auch daran, dass ich im Moment überhaupt nicht mit einem Anruf von dir gerechnet habe. Ich bin nämlich total im Stress. Wir haben Ferien und ich musste zwei Wochen den Notdienst übernehmen. Weißt du, wie nervig das ist, lauter Kinder um sich zu haben, die sich darüber ärgern, dass ihre Eltern arbeiten müssen und sie deshalb keinen Urlaub mit ihnen machen können?“

„Nein“, sagte Maria kurz und bündig, „und ich möchte es mir auch nicht vorstellen.“ Und noch ehe Erika etwas sagen konnte, fragte sie „Und was macht denn die Dame, wenn der Kindergarten in zwei Wochen geschlossen ist?“

„Ja“, sagte Erika, „dann hab auch ich endlich Ferien“

Es entstand eine Pause und Maria hörte förmlich, wie es in Erikas Gehirn ratterte.

„Ach, du meinst, ich könnte…“

Noch immer schwieg Maria. Aber dann setzte sie dem ganzen noch die Krone auf und sagte „Übrigens, Rebekka wird auch hier sein.“

In Erikas Kopf arbeitete es. „Du Scheusal“ sagte sie mit gepresster Stimme.

„Das ist eindeutig Erpressung.“

„Stell dir mal vor was los ist, wenn wir drei Lästerschwestern wieder zusammen sind.“

„Die Kurgäste tun mir jetzt schon leid“, sagte Erika und sie wollten sich schier totlachen.

„Kannst du dich nicht von deiner Familie wenigstens für ein paar Tage beurlauben lassen?“ fragte Maria.

„Im Grunde ist das eine tolle Idee“, stellte Erika erst einmal fest, „und es würde ja auch zeitlich genau passen. Aber du hast es schon richtig erkannt, ich muss erst mit meiner Familie darüber reden. Das werde ich gleich heute Abend in Angriff nehmen.“

„Aber kämpfe“, ermutigte Maria sie, „und lass dich nur nicht kleinkriegen. Denk immer daran, was dich hier erwartet!“

„Ich werde kämpfen, versprochen“ antwortete Erika, „und dann ruf ich dich wieder an, so oder so. Mach‘s gut.“

Aber schon am Abend klingelte wieder Marias Handy. „Des gaht scho“, sagte Erika und löste damit gleich wieder Gelächter aus. „Also meine Familie würde mich für zwei Wochen beurlauben. Aber nur unter einer Bedingung.“ Und sie machte eine Kunstpause um die Spannung zu erhöhen. Dann sprudelte sie los „Dass in der Zeit nicht wieder Tante Lydia die Betreuung übernimmt. Sie meinten, sie kämen alleine besser zurecht. Und da hab ich natürlich gleich zugestimmt. Sollen sie doch selbst sehen, wie sie klarkommen.“

„Hurra“, rief Maria, „also dann in zwei Wochen.“

Erika hatte noch ein Problem. „Sag mal, könntest du mir irgendwo eine preisgünstige Übernachtung besorgen? Der Urlaub war ja nicht eingeplant und wir sind im Moment ein bisschen klamm. Emilie will in ein Urlaubscamp und Marc beginnt gerade mit dem Führerschein.“

„Kein Problem“, sagte Maria sofort, „wir haben hier im Haus auch preiswerte Zimmer. Und bei meinen Beziehungen…“

„Ach nein“, sagte Erika gleich, „das möchte ich dann doch lieber nicht, das sieht dann so nach Gemauschel aus. Nein, nein, es darf auch ruhig ein Stück weiter weg sein. Es würde mir sicher guttun, wenn ich mich gezwungenermaßen täglich ein bisschen bewegen müsste.“

Maria schluckte und dachte, sie habe nicht richtig gehört. Aber sie sagte „Klarr, mach i doch. I werd‘ scho was Passendes finden.“

„Ich melde mich dann rechtzeitig, damit ihr mich abholen könnt“, bestätigte Erika Marias Angebot.

„Is scho recht“, antwortete Maria, „pfia di Gott.“

„Ja, mach’s gut“, sagte Erika, „und grüß unser Küken von mir und sag ihr, dass ich mich wahnsinnig auf sie freue, also bis denne.“

Maria stellte fest, dass zwei Wochen ganz schön lang werden können, wenn man auf etwas wartet.

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