Kitabı oku: «Bleierne Schatten», sayfa 2

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3.

Sara nahm einen Briefbogen. Sie schrieb mit stark rückwärts geneigter Handschrift: Meine Tochter Sara musste nach dem Mittagessen nach Hause gehen und sich hinlegen, weil sie sehr starke Magenschmerzen hatte.

Das war nicht gut; sie schrieb es noch einmal und fügte hinzu: Mit freundlichen Grüßen, Christina Larsson. Das war der Name ihrer Mutter.

Sie zerknüllte das Blatt mit dem missglückten Versuch, faltete den anderen Bogen zusammen und steckte ihn in die Handtasche. Dann ging sie. Es war halb acht am Montag. Ihre Mutter hatte Nachtwache im Krankenhaus Huddinge gehabt und würde bald nach Hause kommen, ins Bett gehen und noch schlafen, wenn Sara aus der Schule kam.

Wenn Sara sich überhaupt die Mühe machte, nach Hause zu fahren. Vielleicht würde sie wieder bei Hanna schlafen.

Sie rief Hanna vormittags während der Pause an. Hanna war zu Hause; doch, das würde schon gehen, meinte sie. Sie hatten zwei Stunden Kunst und sprachen über Fotografie. Sara hatte sich für den Kunstzweig entschieden, als sie in die siebte Klasse kam; jetzt ging sie in die achte und fand immer noch, dass die Kunststunden die einzigen waren, die Spaß machten.

Vor dem Mittagessen gab sie die Entschuldigung bei ihrer Klassenlehrerin ab, die sie las und nickte und sagte, dass sie hoffte, dass es Sara nun wieder gut gehe.

»Ich glaube schon«, sagte Sara.

»Willst du zur Schulschwester gehen?«, fragte die Lehrerin.

»Nein, es ist wieder in Ordnung.«

»Bestimmt?«

»Absolut.«

Hanna saß im Wohnzimmer und las, als Sara kam. Sie stand auf, ging in die Diele und umarmte Sara. Die Schwestern umarmten sich immer. Manchmal machte ihre Mutter es auch so, aber meist nur, wenn es ihr richtig gut ging, wenn sie nicht gestresst war und ein paar freie Tage hatte, was nicht oft vorkam.

»Willst du irgendwas haben?«, fragte Hanna.

»Ja, was Warmes«, sagte Sara.

»Soll ich Kakao machen?«

»Ja, gerne.«

»Und ich habe superleckere Zimtschnecken. Ich war bei NK, in der Konditorei im Untergeschoss. Bist du mal dagewesen?«

»Nein, gehst du zu NK

»Ich war mit jemandem da, der dort etwas kaufen wollte.«

»Mit wem denn?«

»Jemand, den ich bei der Arbeit getroffen habe.«

»Ein Mann?«

»Ja, das kann man sagen.«

Sie waren in die Küche gegangen. Hanna machte den Kakao. Sara setzte sich an den kleinen Tisch vor dem Fenster.

»Papa hat angerufen«, sagte Hanna.

»Was wollte er?«

»Ich weiß nicht, vielleicht wollte er einfach nur reden. Ruft er dich nie an, Sara?«

»Wozu sollte ich mit ihm reden?«

»Kannst du dich überhaupt an irgendwas erinnern?

Du warst ja noch so klein; du warst erst drei, oder?«

»Ich kann mich an ein Mal erinnern, als Mama und Papa stritten und Mama Angst bekam.«

»Ja, so ging es die ganze Zeit. Hat Mama nie was erzählt?«

»Nein, sie hat nie was gesagt.«

Sara wollte ihre Schwester fragen, wie es ihr ging, ließ es dann aber bleiben. Sie tranken den Kakao und aßen die herrlich klebrigen Schnecken von NK. Hanna machte Musik an, Come along von Titiyo, und es war warm und gemütlich, und Sara dachte, dass sie auch gerne so leben würde, mit einer eigenen Wohnung und einer guten Arbeit, ohne nörgelnde Erwachsene und widerliche alte Kerle.

Es war fünf Uhr und schon dunkel draußen.

Eine Viertelstunde später klingelte Hannas Handy das erste Mal. Sie waren ins Wohnzimmer gegangen. Das Handy lag im Regal versteckt. Es war ihr zweites Handy, das von ihrer Arbeit.

Hanna stand auf, nahm das Handy und ging zurück in die Küche, während sie das Gespräch entgegennahm. Sara sollte es wohl eigentlich nicht mitbekommen, meinte aber zu hören, dass Hanna sich nicht mit ihrem eigenen Namen meldete.

Shirley, hatte sie das gesagt?

Hanna blieb eine Weile in der Küche. Als sie zurückkam, machte Sara sich nicht die Mühe zu fragen. »Das war von der Arbeit«, sagte Hanna.

Sara verstand, dass Hanna bei ihrer Arbeit eine wichtige Stellung hatte, weil sie sie zu Hause anriefen.

Eine halbe Stunde später klingelte das Handy wieder. Jetzt spitzte Sara die Ohren, um mitzuhören, und sie war sich recht sicher, dass Hanna sich wieder mit diesem fremden Namen meldete.

Shirley?

Sara fand, dass der Name altmodisch und irgendwie spannend klang. Aber sie fragte ihre Schwester auch dieses Mal nicht. Es war wie ein Geheimnis, von dem Sara nichts wissen durfte, und doch tat sie es.

»Ich muss los zur Arbeit«, sagte Hanna.

»Kommst du heute Abend später?«, fragte Sara.

»Es wird wohl ziemlich spät werden, aber du kannst bleiben, wenn du willst. Ruf nur Mama an und sag, dass du bei mir bist.«

»Ja, werde ich machen.«

»Und geh morgen zur Schule, wenn ich bis dahin nicht zurück bin. Das musst du versprechen.«

»Aber klar, du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Hanna machte sich fertig. Sie stand ziemlich lange vor dem Spiegel im Badezimmer, und als sie wieder rauskam, fand Sara, dass ihre Schwester unglaublich gut aussah. Besonders die Augen und die Wangen waren schön; die Farbe war absolut gleichmäßig, dünn und leicht schimmernd.

Um halb acht bestellte Hanna ein Taxi.

4.

Lasse Bergman wurde wach, als sich ein großer Klumpen gefrorener Schnee vom Dach löste und in den Hof hinunterfiel. Dabei wurden zerbrochene Eiszapfen und Schmutzwasser gegen die Fenster im zweiten Stock geschleudert.

Hinter einem der Fenster befand sich Lasses Schlafzimmer. Er lag auf dem Rücken, hatte einen trockenen Mund und fragte sich, woher das langgezogene Grollen kam. Er brauchte eine Weile, um es zu begreifen. Es hätte ihm vielleicht direkt klar sein müssen, dass es sich um hinunterfallendes Eis handelte, denn in diesem Winter war viel Eis und Schnee vom Dach gerutscht.

Aber nun brauchte er etwas Zeit, bevor er es begriff.

Er setzte sich im Bett auf, tastete nach der Brille, die normalerweise auf dem Stuhl lag, fand sie aber nicht. Daraufhin legte er sich wieder hin und dachte, dass er ebenso gut im Bett liegen bleiben und vielleicht wieder einschlafen konnte.

Die Uhr der Sofiakirche schlug zehn Mal, aber das spielte keine Rolle, weil Lasse sich mit dem Aufstehen nicht zu beeilen brauchte. Vom Fenster her zog es kalt, die äußere Scheibe war gesprungen. Ein Stück Glas fehlte, aber so war es schon den ganzen Herbst und Winter über gewesen.

Und vielleicht war es nur wegen des Lochs im Fenster möglich, die Uhr der Sofiakirche zu hören. Lasse hatte mehrmals darüber nachgedacht, als er im Bett lag, und nun kam der vertraute Gedanke zurück: der Klang, langsam und gedämpft, eingehüllt in Grau und Tau.

In Grau und Tau, wiederholte Lasse noch einmal für sich. Das machte er oft: Er nahm ein Wort und kostete seinen Klang aus, fand einen Reim, wiederholte ihn, merkte sich den Reim und holte ihn immer wieder hervor.

Gerade jetzt passte der Reim. In diesem Tauwetter war es ein geradezu verdammt gutes Wort. Es taute und taute, der ganze Schnee schmolz weg, und trotzdem schneite es weiter, taute weiter und matschte weiter.

Matsche, Platsche, Schmierblatt-Patsche, dachte Lasse. Vor seinem inneren Auge zog ein flüchtiges Bild der Redaktion des alten Aftonbladet in der Vattugata im Viertel Klara vorbei, wo er Ende der sechziger Jahre einige Jahre lang gearbeitet hatte. Er hatte dort am großen Tisch in der Zentralredaktion gesessen, als Neil Armstrong den Mond betrat, als der Vietnamkrieg sich verhärtete, als Erlander an Palme übergab.

Lasse Bergman hörte beim Aftonbladet auf und wurde Freelancer, investigativer Reporter und Ermittler. Er lernte alles über Archive und andere Informationsquellen, und verschaffte sich Kontakte bei der Polizei. Einige seiner größten Beiträge machte er für Nils Lövgren vom Fernsehmagazin Fokus. Dabei war es um Prostitution gegangen, um den Handel mit kleinen Mädchen, Vermieter als Zuhälter, Politiker unter den Bordellkunden.

Lasse dachte oft an diese Jahre zurück – als die besten seines Lebens. Er trank schon damals, aber nicht allzu viel. Er hatte Spaß, bekam Anerkennung. Er war noch nicht alt. Das war fünfundzwanzig Jahre her.

Gegen drei Uhr rief Lasse Olle Magnusson an und fragte, ob er zum Alkoholgeschäft wolle.

»Wie konntest du das nur wissen?«, fragte Olle.

»Bring mir was mit«, sagte Lasse. »Eine kleine Flasche Explorer und eine kleine Flasche Whiskey, nimm Long John oder Grants.«

»Hast du auch Geld?«

»Ja, verdammt, ich habe noch was von der Rente.«

»Okay, dann komme ich gegen fünf, halb sechs vorbei.« Lasse duschte in dem kleinen Badezimmer. Dann rasierte er sich und zog ein sauberes, weißes Hemd an. Er kochte Kaffee und stellte Brot und Belag hin, Schinken, Käse und Salzgurken.

Olle kam um zehn nach sechs. Bei ihm waren Walter Olsson und Björn Åhman. Sie hatten auch etwas gekauft, sodass es schon reichen würde.

Es wurde spät. Eine Weile war Lasse ein wenig besorgt, dass die Nachbarn klopfen würden. Walter hatte angefangen zu singen. Er klang recht gut; er setzte seinen starken Tenor ein, als ob er auf einer Opernbühne stünde. Aber kein Nachbar beschwerte sich, alle Gäste waren guter Stimmung, und gegen Mitternacht waren das Brot und die Gurke mit dem guten Inhalt der Flaschen hinuntergespült.

Als Lasse die Tür hinter seinen Gästen zumachte, war es ein Uhr. Er saß eine Weile in der Küche, rauchte eine Zigarette, trank ein Glas Wasser, ging ins Badezimmer, um zu pinkeln und sich die Zähne zu putzen, und zog sich aus.

Er schlief fast unmittelbar ein.

Am Morgen um halb sieben erwachte er. Es war ungewöhnlich, dass er nach einem Fest so früh wach wurde. Meistens ging er spät zu Bett und schlief lange, ob er nun nüchtern oder betrunken schlafen ging.

Jetzt erwachte er mit Kopfschmerzen. Er hatte einen trockenen Mund, hatte etwas Unangenehmes geträumt, konnte sich aber nicht an den Traum erinnern. Nach einigen Minuten stand er auf, nahm eine Aspirin und trank ein Glas Wasser. Aber es half nicht.

Dann zog er sich an. Er hatte beschlossen, nach draußen zu gehen und etwas frische Luft zu schnappen, eine Zeitung zu kaufen, wieder nach Hause zu gehen und Kaffee zu trinken und so die Kopfschmerzen vielleicht loszuwerden.

Ein paar Minuten vor sieben ging er die Treppe hinunter, über den Hof und hinaus auf die Bondegata. Die Glocke der Sofiakirche schlug sieben Mal, als er um die Ecke auf die Renstiernas gata bog, und wie schon so viele Male zuvor dachte er, dass der helle Klang freundlich und heimelig war.

Der kleine Supermarkt hatte gerade aufgemacht. Er kaufte eine Dagens Nyheter und kehrte nach Hause zurück. Die Kopfschmerzen ließen allmählich nach. Als er den Schlüssel ins Türschloss steckte, überlegte er, dass er vielleicht auf den Kaffee verzichten und sich stattdessen hinlegen sollte. Es war ja erst Viertel nach sieben.

Er entschied sich, als er seinen Mantel aufhängte.

Er ließ die Zeitung auf der Kommode in der Diele liegen und ging in die Küche. Dort machte er ein Fenster auf; es musste gelüftet werden. Das Fenster konnte einige Stunden auf Kipp stehen, es war ja recht warm draußen. Jetzt wollte er eine Weile schlafen. Das Geschirr konnte er später spülen.

In diesem Moment schien es ihm, als ob er etwas aus dem Schlafzimmer hörte, so als ob jemand die Schranktür öffnete, die immer quietschte.

Lasse ging eilig in die Diele und weiter ins Schlafzimmer. Ein Mann stand in seinem Schlafzimmer. Lasse hatte ihn nie zuvor gesehen.

»Was zum Teufel machst du hier?«, fragte Lasse.

Der Mann antwortete nicht. Er machte ein paar schnelle Schritte auf Lasse zu. Im selben Moment kam ein anderer Mann aus dem Schrank. Lasse konnte ihn nur flüchtig sehen.

Beide Männer trugen schwarze Handschuhe. Keiner von ihnen sagte etwas. Nun ging alles sehr schnell.

Als sie die Wohnung verließen, schlug die Uhr der Sofiakirche.

5.

Margret war auf dem Weg zum Odenplan und stand an der roten Ampel vor der Stadtbibliothek, als ihr Handy klingelte. Ihr Dezernatschef Lennart Philipsson war dran. Er fragte, wie es gelaufen sei, ob sie die Zeugin angetroffen habe, die sie am Vormittag aufsuchen wollte.

»Ich habe sie vernommen«, antwortete Margret, »und es hat einiges ergeben.«

»Gut«, meinte Philipsson. »Leider muss ich dich bitten, auch noch einen anderen Fall zu übernehmen.«

»Aha?«

»In der Bondegata, unsere Leute sind schon da. Es handelt sich um einen Todesfall. Kannst du hinfahren?«

»Jetzt sofort?«

»Ja, es geht nicht anders.«

Margret bekam die Adresse und fuhr um den Odenplan herum, zurück zum Sveaväg, dann durch den City-Tunnel, hinauf zum Medborgarplats und in die Folkungagata. Am Vortag hatte sie eine Ermittlung, an der sie einige Zeit gearbeitet hatte, beiseitelegen müssen, weil ein Kollege krank geworden war. Margret musste ein Verhör übernehmen, eine schwere Körperverletzung in der U-Bahn. Und jetzt noch dieser neue Fall, um was auch immer es dabei gehen mochte.

Das Ermittlungsdezernat der Bezirkskriminalpolizei litt wie immer an Personalmangel. Und in den letzten Tagen war viel passiert: Gewalt im Bandenmilieu in Salem, eine Reihe von Fällen mit schwerer Körperverletzung in der City und in Västerort, bewaffnete Raubüberfälle auf Gärdet und in Enskede, Auseinandersetzungen zwischen Kriminellen im Drogenmilieu mitten in der Stadt. Margret hatte an einem Fall von ungewöhnlich brutalem Mobbing an einem Gymnasium in Alby gearbeitet. Eltern hatten Anzeige erstattet; es ging um Bedrohung sowohl von Schülern als auch von Lehrern mit vielen Beteiligten. Dann musste sie die Ermittlung ihres kranken Kollegen übernehmen. Jetzt hoffte sie darauf, dass der Todesfall in der Bondegata kein Verbrechen war. Die allermeisten Todesfälle im eigenen Heim hatten ja natürliche Ursachen. Sie wollte die Fälle, die sie schon hatte, abschließen und nicht gezwungen sein, noch eine weitere Ermittlung aufzunehmen.

Sie hatte Schwierigkeiten, die Hausnummern zu erkennen, als sie in die Bondegata abbog, aber dann entdeckte sie ein geparktes Polizeiauto und wusste, dass sie am Ziel war.

Die Wohnung lag im Hinterhaus im zweiten Stock. Margret klopfte an, öffnete die Tür, trat ein und begrüßte ihre beiden uniformierten Kollegen, die in der Diele standen, mit einem Kopfnicken. Es handelte sich um eine junge, recht große Polizistin und einen älteren Polizisten, der ebenso groß wie die Frau war.

»Olle Sjögren«, stellte der Polizist sich vor.

Margret nannte ihren Namen und auch das Dezernat, von dem sie kam.

»Cecilia Bauer«, sagte die Polizistin.

»Wann seid ihr angekommen?«, fragte Margret.

»Wir sind um fünf nach elf gekommen«, antwortete der Kollege.

»Also vor gut einer Stunde«, meinte Margret.

Dann ging sie in die Küche. Der Tote lag vor dem Herd, den Kopf in einer Blutlache.

Es war unordentlich in der Küche. Leere Gläser und leergetrunkene Flaschen standen auf dem Tisch, neben dem Toten auf dem Fußboden lag eine zerbrochene Flasche. Auf dem Küchentisch stand ein Aschenbecher, gefüllt mit Zigarettenkippen und anderen Dingen, die dort gelandet waren: eine halbe Gurkenscheibe, zwei Flaschenverschlüsse, eine Reihe abgebrannter Streichhölzer, ein verkohlter Korken.

Einiges an Müll, das sich vielleicht auf dem Weg in den Aschenbecher befunden hatte, war über Tisch und Boden verteilt. Am Rand der Blutlache lag neben dem Kopf des Toten eine mit Blut vollgesogene Zigarette.

Es roch schlecht in der Küche, ungelüftet, muffig, obwohl das Fenster auf Kipp stand.

»Stand das Fenster offen, als ihr gekommen seid?«, fragte Margret.

»Wir haben natürlich nichts angefasst«, sagte die Polizistin namens Cecilia.

»Nein, das ist klar«, sagte Margret. »Ich meinte eher, dass es merkwürdig ist, dass es so miefig riecht, obwohl das Fenster offen ist.«

»Mir ist es auch aufgefallen«, meinte Cecilia. »Es sitzt wohl in den Wänden, vielleicht so eine Art Altmännergeruch.«

»Ja, vielleicht«, sagte Margret.

»Brauchst du uns noch?«, fragte Olle Sjögren.

»Nein, ich kümmere mich jetzt darum«, antwortete Margret. »Vielen Dank euch beiden.«

Die beiden uniformierten Polizisten gingen. Margret blieb in der Küche stehen, nahm ihr Handy, rief beim Technischen Dezernat der Bezirkskriminalpolizei an, musste warten, rief eine andere Nummer an und erwischte jemanden, der dafür sorgen wollte, dass geeignete Techniker informiert wurden.

»Bitte sie um Rückruf«, sagte Margret.

Sie hoffte, dass es nicht so lange dauern würde. Sie sollten innerhalb der nächsten Stunde kommen; sie wollte nicht bei dem Toten bleiben.

Dann begann sie sich umzusehen. Sie schaute sich alle Gegenstände in der Küche genau an, versuchte sich ein Bild davon zu machen, was geschehen sein konnte, wie viele Personen dagewesen waren, was diese Personen getan haben konnten.

In der Küche hatte ein Fest stattgefunden, ein Saufgelage, vielleicht ein Streit, Sachen waren durch die Gegend geflogen, mehrere Gläser waren zerbrochen, Spritzer waren über Tisch und Boden verteilt.

Sie hockte sich neben dem Toten hin. Sein Gesicht war nicht verletzt, aber auf der einen Seite des Kopfes, ein Stück über dem Ohr, war eine Wunde, aus der wohl das Blut gelaufen war.

Hatte jemand auf den Mann eingeschlagen, ihn umgestoßen? Oder war er selbst im Suff gestürzt und hatte sich den Kopf am Herd, der Spüle oder der Tischkante angeschlagen?

Margret suchte nach Spuren an den Stellen, auf die der Mann gefallen sein konnte. An der Herdecke war vielleicht etwas; jedenfalls sah es so aus. Aber das mussten die Techniker herausfinden.

Margret fühlte sich unsicher. Nach einer kurzen Kontrolle konnte man nicht sagen, ob das hier ein Unfall oder ein Verbrechen war. Aber es hatten sich mehrere Menschen in der Küche aufgehalten, der Tote war nicht allein gewesen. Nun galt es also, diese alle ausfindig zu machen, die Gäste des Toten, die Saufkumpane.

Die Techniker kamen nach fast zwei Stunden. Bis dahin hatte Margret Zeit genug gehabt, um die Bücherregale des Toten durchzuschauen, einige Schreibtischschubladen zu öffnen, einen Stapel ungeöffnete Post, unbezahlte Rechnungen und Reklame durchzugehen. Auf einem Zettel vom Hausverwalter stand eine Mitteilung, wonach die Rohre in allen Badezimmern des Hauses überprüft werden mussten. Die Mitarbeiter einer Sanitärfirma sollten am Dienstag, den 5. Februar, vor der Mittagszeit kommen.

Das war das heutige Datum. War es jemand von der Sanitärfirma gewesen, der den Toten gefunden hatte?

Aus Briefen und Unterlagen, die Margret fand, erfuhr sie, dass der Tote Lars Gunnar Bergman hieß, dass er zweiundsechzig Jahre alt war und Journalist im Vorruhestand.

Sie hatte auch einen Umschlag mit Fotos gefunden, auf denen Bergman mit bekannten Leuten von Sveriges Television zusammenstand. Hatte er vielleicht dort gearbeitet?

Als Margret zurück in ihr Büro bei der Bezirkskriminalpolizei auf Kungsholmen kam, hoffte sie immer noch, dass Bergman in der Bondegata aus Gründen gestorben war, die die Polizei lediglich zu den Akten nehmen musste. Aber ihr war klar, dass das vermutlich Wunschdenken war. Voraussichtlich musste sie sich in der nächsten Zeit auch mit diesem Fall beschäftigen, während sie gleichzeitig die anderen Ermittlungen nicht vernachlässigen durfte.

Sie blieb bis nach sechs Uhr sitzen, weil sie mit dem Papierkram, den sie zu erledigen hatte, fertig werden und einige Notizen für sich selbst machen wollte.

Der Gedanke an die Fotos von Sveriges Television ließ sie nicht los. Es waren keine neuen Aufnahmen. Einige der Personen, die die Fotos zusammen mit Bergman zeigten, waren bekannt, eine Moderatorin, ein bärtiger Reporter, die heute wohl um die sechzig sein müssten. Auf dem Bild waren sie Anfang vierzig. Das war zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Jahre her. Kannte nicht Verner jemanden vom Fernsehen aus dieser Zeit?

Sie hatte sich eine ganze Weile nicht bei Verner gemeldet. Jetzt beschloss sie ihn anzurufen.

Er war nicht zu Hause. Und er hatte keinen Anrufbeantworter und kein Handy. Er war altmodisch, wollte nicht gestört werden, er war der einzige von Margrets Bekannten, der nicht jederzeit zu erreichen war.

Als sie sich kennen lernten, hatte sie Zettel in seinen Briefkasten gelegt. Das war vor zwei Jahren gewesen, als er ihr half, Nordin zu finden, den Rächer von Älvsjö. Nun ja, sie hatte auch Verner geholfen.

Seitdem hatten sie sich gelegentlich getroffen und ziemlich oft telefoniert. Das letzte Mal war ungefähr einen Monat her.

Spät an diesem Abend ging Verner ans Telefon. Margret rief aus ihrer Wohnung in Årsta an; sie wollte Verner diesmal unbedingt erreichen.

Er freute sich und sagte, dass er sie auch hatte anrufen wollen.

»Arbeitest du?«, fragte Margret.

»Ich gebe Seminare für angehende Wachleute.«

»Da kann man mal sehen.«

»Arbeit ist Arbeit.«

»Du, Verner, ich hatte heute einen Todesfall, ein älterer Mann in der Bondegata wurde tot in seiner Küche gefunden. Er war ein alter Journalist, hat offenbar für das Fernsehen gearbeitet. Sein Name war Lars Gunnar Bergman. Sagt dir das was?«

Es wurde still. Verner antwortete nicht. Margret war sich sicher, dass er ihre Worte gehört hatte, und begriff, dass die Stille bedeutete, dass Verner etwas wusste. Sie wartete. Es vergingen nur einige Sekunden, aber sie kamen ihr lang vor.

»Ich kannte ihn«, antwortete Verner schließlich. »Ich habe vor einiger Zeit noch mit ihm gesprochen. Wie starb er?«

»Er lag auf dem Boden mit einer tiefen Wunde am Kopf. Die Techniker können wohl in ein paar Tagen etwas sagen, und dann müssen wir mit den Gerichtsmedizinern sprechen. Ich konnte nicht entscheiden, ob es ein Unfall war oder etwas anderes.«

»Lasse Bergman«, sagte Verner langsam.

»Wie gut kanntest du ihn?«

»Es ist lange her, aber wir haben früher recht viel miteinander verkehrt, und wir hatten einen gemeinsamen Bekannten.«

»War er ein gewöhnlicher ehrenwerter alter Mann?«

»Absolut, Lasse war ein guter Mensch. Man konnte sich auf ihn verlassen. Aber er trank ziemlich viel. Ich will gerne wissen, was ihr herausbekommt. Ruf mich doch an, sobald du mehr weißt. Vielleicht kann ich euch behilflich sein.«

»Ich rufe an. Und wenn wir es zu den Akten legen, rufe ich trotzdem an; es wäre schön, wenn wir uns treffen könnten.«

»Unbedingt, Margret, wir hören voneinander.«

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