Kitabı oku: «Cassel Wilhelmshöhe»
Herausgeber
Erik Schreiber
Historisches Deutschland
e-book 047
Cassel-Wilhelmshöhe 1799 – 1853
Erscheinungsdatum 01.10.2021
© Saphir im Stahl
An der Laut 14
64404 Bickenbach
Titelbild: Simon Faulhaber
Lektorat: Peter Heller
Vertrieb: neobooks
Herausgeber
Erik Schreiber
Cassel-Wilhelmshöhe
Historisches Deutschland
Inhaltsverzeichnis
1) Kurze Beschreibung von Wilhelmshöhe bey Cassel 1799
2) Cassel in historisch-topographischer Hinsicht
nebst einer Geschichte und Beschreibung von Wilhelmshöhe und seiner Anlagen 1805
3) Geschichte und Beschreibung des kurfürstlich-hessischen Lustschlosses Wilhelmshöhe und seiner
Anlagen, von erster Entstehung an, bis auf gegenwärtige Zeiten 1821
4)Cassel Wilhelmshöhe und die schönsten Punkte der Umgebung 1853
Kurze Beschreibung
von
Wilhelmshöhe
bey
Cassel
Cassel, in der Hampischen Buchdruckerey.
1799
Wilhelmshöhe, wo der jetzt regierende Herr, Landgraf Wilhelm IXte im Jahr 1787 das vorherige alte Schloß abreissen und ein neues erbauen lassen, liegt eine gute Stunde, durch eine in gerader Linie geführte Lindenallee, von Cassel, hart an dem Fuße des hohen Carlsberges, auf welchem Landgraf Carl, im Anfange diesen Jahrhunderts, sich durch die bekannte große Anlage eines Riesengebäudes ein immerwährendes Denkmal errichtete.
Der vormals geführte Name Weissenstein kommt von einem weissen Steinfelsen her, der nächst an dem linken Flügel des Schlosses liegt. Im Herbste des Jahres 1798 erhielt der Ort den Namen: Wilhelmshöhe.
Es besteht dieses neue Schloß in einem Hauptgebäude und zwey Flügeln. An dem Frontispice des ersteren, das mit einer Kuppel gedeckt ist, stehen einwärts, nach dem Karlsberge hin, die Worte: Wilhelmus IX. Condidit und auswärts: Wilhelmshoehe.
Alle drey Gebäude, in alt- Römischer Bauart, durch zirkelförmige Communicationsterrassen verbunden, fallen vortrefflich ins Auge, sind inwendig sehr räumlich und bequem, und auf das Pracht und Geschmackvolleste ausmeublirt; sie scheinen für die Ewigkeit gebaut, und sind dem erhabenen Styl, in welchem das Gebäude oben auf dem Berge angelegt ist, ganz angemessen. Sie bestehen aus drey Stockwerken, haben platte mit Kupfer gedeckte Dächer, welche rund um von Galerien, mit Urnen geziert, umkränzt sind. - Beym Eingange des rechten Flügels, der zugleich eine Kirche in sich faßt, liegen zwey große Löwen, von Herrn Ruhl in Stein gebildet; beym Eingang des linken Flügels zwey dergleichen, mit jenen in ebener Größe, von den Gebrüdern Herren Hand verfertigt. - Der ganze Vorgang des linken Flügels, welchen vier Säulen zieren, ist marmorirt. Man tritt aus diesem Vorgange in einen grossen Saal, dessen Wände zum Theil mit 23 sehr schönen Gemälden vom verstorbenen Hofmaler, Rath Tischbein, bedeckt sind, welche mehrstentheils die Geschichte des Antonius und der Cleopatra vorstellen; rechts an diesen Saal stößt der ebenfalls marmorirte Speisesaal, und links ein Vorzimmer, woraus man in ein Schreib-Kabinet, und aus diesem, durch ein daran grenzendes kostbares halbrundes, mit den schönsten Gemälden bekleidetes Zimmer, in das mit einem reichen Bette versehene Schlafgemach kommt. - Ueber der Thüre dieses letzteren, woran noch zwey Zimmer stoßen, sieht man das Gemälde einer liegenden Venus, von der Hand des hiesigen Professors und Hofmalers Herrn Bötner. - In der Haupt- Etage, zu welcher eine mit einer schön gearbeiteten eisernen Umfassung versehene Treppe führt, herrscht das nämliche Verhältniß und dieselbe Eintheilung der Zimmer. Preussens König, Friedrich Wilhelm II. bewohnte sie, als er im Augustmonate 1796 dem Fürsten einen Besuch gab.
Es sind hier die mehresten Gemälde von eben gedachtem Herrn Bötner. Zum Gegenstand wählte er sich den Wielandischen Oberon, und man findet daher in diesem Zimmern:
Hüon mit der Amande, in dem Augenblick, wo sie auf der wüsten Insel von dem Einsiedler gesegnet werden; die Entbindung der Amande; dieselbe, wie sie erwachend den neugeborenen Knaben auf ihrem Schoose erblickt; und Hüon, wie er zurück kommt, und über die neue Erscheinung staunt.
Ausser dem großen und dem Speisesaal, sind alle Zimmer mit Seidenstoffen verschiedener Farben, zum Theil in Hanauer Fabriken verfertigt, tapeziert, womit Vorhänge und Stühle-Ueberzüge der Zimmer übereinstimmen; so wie dann die Gesimse der Kamine von Marmor verschiedener Art im neuesten Geschmack gearbeitet sind. Es würde zu weitläufig seyn, die mannigfaltigen Verzierungen der Zimmer im Einzelnen anzuführen; indessen trägt Alles, auch die Parkets, Trumeaux, Sessel, Tische - zur Pracht des Ganzen bey. Um das Innere zu sehen, hat man den Burggrafen, Herrn Rothe, anzusprechen.
Linker Hand des Schlosses ist ein See, worauf man spazieren fahren kann, daher solcher auch mit ein paar zierlichen Lustschiffen besetzt ist; jenseits desselben aber ein sogenanntes Chinesisches Dorf Mou-Lang benahmt, wo man einen artigen Speisesaal, eine kleine Fürstliche Wohnung, die Bagatelle genahmt und Seitwärts eine Schweizerey, eine starke Fasanerie und einen Thiergarten antrift, in welchem Damhirsche und Rehe zum Vergnügen unterhalten werden.
Nahe hinter dem Schlosse sind auch beyden Seiten Lustwälder in angenehmen Abwechslungen angelegt, deren mannigfaltige Schönheiten den aufmerksamen Beobachter ganze Tage hindurch beschäftigen können. Gleich Anfangs stößt man auf die Einsiedeley des Peters, einen zur Sommerzeit äußerst angenehmen Ort, durch das kühle Dunkel der Bäume, welche die Einsiedeley umgeben. Versunken in diese schauerliche Einsamkeit, hört man auf einmal vor sich den Donnerfall des Aqueducs, eines großen Römischen Gebäudes, welches in 14 ziemlich weit gesprengten Bogen, woraus dessen beträchtliche Länge zu ermessen ist, besteht. Das Ganze hat völlig das Ansehen einer Ruine, so wie auch der darauf halb zusammengestürzte Thurm, und ist von dem herrschaftlichen Baudirektor Herrn Jußow nach Römischen Denkmälern aufgeführt. Hinten ist diese Ruine der Anhöhe, von welcher das Wasser aus einem dahinter gelegenen Bassin darauf geleitet wird, gleichgebaut. Das Wasser strömt mit Heftigkeit durch breite Kandeln, stürzt sich 18 Fuß breit, und 1 Fuß im Durchmesser in eine Tiefe von 104 Fuß, und erfordert in jeder Stunde 2800 Ohmen Wasser. Der Fall selbst gewährt ein herrliches Schauspiel. Das Wasser stürzt mit einem fürchterlichen Getöse die Ruine herab in einen Behälter, wo es zu lauter Schaum aufwallt; so, schlängelt es sich eine kurze Strecke, rauschend über Felsen und Klippen hin in das Bassin der Fontaine. Auf beyden Seiten der Ruine sind breite Gänge, worauf man dreist hin und her bis an den Sturz des Wassers spaziren kann.
Seitwärts davon liegt in einer kleinen Anhöhe der Tempel des Apoll's, so wie in einiger Entfernung der des Merkur`s, und die Halle des Plato, wo man diesen Weltweisen unter seinen Schülern erblickt. - Auf der entgegen gesetzten Seite findet man, nachdem man einen sogenannten Philosophengang durchwandert hat, den Socrates. Hier hat das Auge die reizendste Aussicht; man sieht in der Tiefe den großen See, und in der Ferne eine Landschaft, welche man nicht malerischer denken kann; weshalb jedem zu rathen ist, an diesem zauberischen Orte ein wenig auszuruhen, und im Genusse der schönen Natur zu verweilen. - Von hier kommt man unbemerkt in ein kleines romantisches Thal, wo Pytagoras, der weinende Heraklit, und der lachende Demokrit, neben dem weisen Anaxagoras hausen, und wo man der Cumäischen Sybille in ihrer 100 Fuß tiefen dunkeln Grotte, mit Hülfe eines Lichts, einen Besuch machen kann. - Die Grabmäler Virgil's und eines Cajus Sextus, wovon das erstere nach dem bey Neapel befindlichen, der Sage nach, wahren Monumente dieses Dichters erbaut ist, begrenzen dieses herrliche Thal, und zugleich die schönsten Spazirgänge, die man wünschen kann. Man bemerkt übrigens in dieser Gegend sehr viele ausländische Holzarten, womit die Lustwälder durch den Fleis des bekannten Garten- Inspektors Herrn Schwarzkopf‘s bepflanzt sind; z.B. verschiedene Sorten Cedern, den Tulipanen-Baum, verschiedene Arten Nadelhölzer, als: Amerikanische Fichten mit 5 Sprossen, den sogenannten Baum des Lebens, die Hemloks-oder Schierlingstanne aus Amerika, etc.
Etwas weiter hin, und zwar oberhalb des schon bemerkten Aqueducs, wird man ebenfalls durch den Anblick eines prächtigen Wasserfalls überrascht. Das Wasser fällt hier über einen ungeheuren Felsen, halb so tief, allein in einer größeren Breite, als das Wasser des Aqueducs, und vielleicht gewährt dieser Anblick mehr Ergötzen, als der des Aqueducs, da der Fels, welcher diesem Wasserfall zur Grundlage dient, ganz Natur zu seyn scheint. Ueber demselben ist eine Brücke gesprengt, nach einer ähnlichen in der Schweiz, die Teufels Brücke genannt, auf welcher man den majestätischen Wasserfall unter sich hörbar durchstürzen sieht, und vor sich die prächtigste Aussicht hat, indem das Auge den Strom des Wassers bis an den äußern Rand des Aqueducs, wo es herabstürzt, verfolgen kann. -
In einer kleinen Entfernung von dieser Brücke, etwas unterwärts, kommt man in die Hölle oder das Plutonische Reich, welches tief in einen Felsen gehauen ist. Auf einer Seite des Eingangs steht Herkules, mit Alcesten, welche er aus der Unterwelt zurückbringt, und ihrem entzückten Gemahl, dem König Admet zuführt; er wird von den drey Furien verfolgt, welche ihm den schönen Raub wieder abnehmen wollen. Alle diese Figuren sind von Gips, und haben viel Ausdruck. Auf der andern Seite sieht man den Sänger Orpheus, mit seiner Geliebten Euridice. Pluto hatte, gerührt vom Saitenspiel des Unglücklichen, die Rückkehr seiner Geliebten auf die Oberwelt ihm unter der Bedingung verstattet, daß er sich, so lange er mit seiner Beute noch in seinen Staaten verweilen würde, nicht nach ihr umsehen sollte; er überschreitet dieses Gebot, und nun bemächtigen die Furien sich von neuem der Euridice, und ein kleiner Armor beweint das harte Schicksal der beyden Liebenden. - Neben diesen Statuen erblickt man die drey Parcen, Lachesis hält den Rocken, Clotho zieht den Faden, und Atropos schneidet ihn ab; - als eine Abbildung der drey menschlichen Alter. -
Inwendig steht beym Eingang der Grotte abermals Herkules mit seiner Keule, welche er gegen den Cerberus, den strengen Wächter des Tartarus, schwingt. In der Mitte sitzt auf einem Thron, Pluto, der Gott der Unterwelt, mit seiner Gemahlin Proserpine, welche die drey Höllenrichter: Minos, Aeacus und Rhadamantus zu ihrer Rechten haben. - Verschiedene Gruppen stellen die mancherley Stufen vor, womit, nach der Dichtung der alten Griechen, die Verbrechen der Oberwelt im Tartarus gebüßet wurden.
So sieht man den Tantalus, angeschlossen im Wasser; über ihm beugt sich ein Baum mit schönen Früchten, welche aber, so wie er im Begriff ist, sie mit dem Munde zu haschen, gleich dem Wasser, worinnen er bis ans Kinn steht, zurück weichen. Er leidet diese Strafe um deswillen, weil er die Geheimnisse der Götter, womit diese bey einem von ihm veranstalteten Gastmale, unter den Freuden des Weins und der Tafel, zu freygebig gewesen waren, zum größten Aerger unter die Leute gebracht hatte.
Ixion ist mit Schlangen auf ein Rad geflochten, welches sich schnell und unaufhörlich mit ihm umwendet. Er hatte die Verwegenheit gehabt, seine Augen zur Gemahlin des ersten der Götter zu erheben, und ihre nähere Bekanntschaft zu wünschen. Jupiter, welcher sich ein Gleiches in diesem Punkte von seinen Geschöpfen natürlicherweise nicht gefallen lassen wollte, empfand das Beginnen Ixions, ihn einem so menschlichen Schicksale unterwerfen zu wollen, sehr übel, und strafte den Frevler auf die gedachte Art. Auch Juno entrüstete sich gewaltig darüber, daß Ixion sie schön gefunden hatte, - zum offenbaren Beweise, daß sie nicht zu den Töchtern der Erde gehöre. - Sisyphus ist verurteilt, einen großen runden Stein einen hohen Berg hinauf zu schieben, welcher sich immer, sobald er dem Gipfel desselben nahe ist, wieder in die Tiefe wälzt. Seine Räubereyen auf der Oberwelt hatten ihm diese ewig vergebliche Arbeit auferlegt. - Tityus, weil er Latone, die Schwester Apoll's liebte, wurde von diesem getödet und im Tartarus auf dessen Befehl auf einen Felsen geschmiedet, wo ein Geyer ihm am Tage die Leber zerfleischt, welche Nachts wieder wächst; ein zu grausames Urtheil vom Gotte der Musen! - Die Danaiden, welche ihre Geliebten in der Brautnacht ermordet hatten, sind durch einen gerechten Urthelsspruch zu dem langweiligen Geschäfte verdammt, ein durchlöchertes Faß mit Wasser zu füllen. - Zwey große Flügelthüren dienen zum Eingang in die Grotte, und sind durchaus mit gelben Glasscheiben versehen, welche eine grausende Dämmerung darinnen verbreiten, und, wenn man von innen den Blick auf die weit ausgebreitete Landschaft wirft, solche in einem ganz besonderen Lichte darstellen.
Oberhalb des Plutonischen Reichs, und zwar linker Hand desselben, kömmt man an einen Wasserfall von einer neuen Anlage; die Gegend ist hier so wild und schauerlich, als sich eine lebhafte Phantasie solche nur immer denken kann. Der Wasserfall stürzt sich in einem etwas schmalen Beet über dem Scheine nach unordentlich aufeinander gethürmte Felsenstücke und durch wildes Baumgestrüppe in eine beträchtliche Tiefe, und rauscht von da, als ein schmaler Giesbach, über natürliche Cascaden, durch die Eremitischen Fluren der vorhin erwehnten Griechischen Philosophen, bis er sich in dem großen See verliehrt. -
Auf dem Gipfel des Carlsbergs, welchen man auf den mit vielen Kosten, an manchen Stellen gar durch Felsen gebaueten bequemen Chausseen erreicht, steht dann das sogenannte Octogon, ein achteckiges sehr sonderbares Gebäude von Duvstein, aus welchem letztern auch die sämtlichen Grotten, Cascaden und Treppen bestehen. Ein großes Kreuzgewölbe mit vielen offenen Bogen macht den ersten Stock dieses Gebäudes, worüber noch zwey andere Gewölbe aufgethürmt sind. In der Mitte ist es völlig leer, und hat den Himmel zum Dach; das dritte und letztere Gewölbe hat über sich eine Platteforme, mit einer Galerie, welche auf 192 Pfeilern ruht, und auf deren vorderen Seite eine 96 Fuß hohe Pyramide von Quadersteinen sich erhebt, welche die Statue des Herkules, wie er auf seine Keule gestützt stehet, trägt. Sie ist von Kupfer, 32 Fuß hoch, 8 Fuß im Durchschnitt, und nach dem vollkommensten Ebenmaaße gebildet. Bis in die Keule, worauf die Figur ruht, und welche 9 Menschen ganz bequem faßt, kann man ohne Gefahr steigen, und die weitesten und schönsten Aussichten haben; aus dieser aber in den Körper fortzusteigen, ist ein etwas schwieriges Unternehmen. Vor der vorerwähnten Pyramide sind zwey Figuren mit Posaunen angebracht. -
Einige Stufen unter dem Octogon ist die Grotte Polyphems, welcher auf einem Felsen sitzend, und auf einer siebenstimmigen Flöte blasend vorgestellt ist; hinter dem Felsen befindet sich eine kleine, von außen nicht sichtbare Orgel, welche vom Wasser getrieben wird, und 7 verschiedene Stücke spielt; neben der Statue des Riesen selbst aber sind die Bilder des Neids, der Hofnung, der Liebe und des Todes, in Gips geformt. Es sind in dieser Grotte, so wie auf verschiedenen Stufen neben den Cascaden, kleine Vexirfontainen angebracht, welche unvermerkt angelassen werden können, und den unbesorgten Zuschauer überraschen. -
Auf jeder Seite der Grotte befinden sich noch zwey verschlossene Grotten, die auf verschiedene Art ausgeziert sind; vor derselben aber ein Bassin, mit einer steinernen Artischocke, aus welcher das Wasser 50 Fuß hochspringt. - Einige Stufen tiefer kommt man an den sogenannten Riesenkopf. Man sieht nemlich daselbst einen Riesen bis an die Schultern unter einem Felsen begraben; vermuthlich eine Vorstellung des Enceladus eines Sohns der Erde, welcher mit seinen Brüdern, nach der Griechischen Götterlehre, den Olymp bestürmte, und vom Zeus vernichtet wurde. Sein hohler Kopf wirft mit einem sonderbaren Geräusch das Wasser bis auf eine Höhe von 55 Fuß; der Sturz der breiten Wasserwand über den ungeheuren Fels giebt einen angenehmen Anblick, und die monotonische Musik, welche ein auf beyden Seiten angebrachter Centaur und Faun , die in Hörner stoßen, hervorbringen, erregt in dem Zuschauer ein sonderbares Gefühl. Vor dem Fels selbst ist ein Bassin, worin das Wasser sich sammelt, und ein Fremder wird selten diesen begeisternden Ort verlassen, ohne, auf der darselbst zur Bequemlichkeit angebrachten steinernen Bank, den verschiedenen hier befindlichen Kunstwerken seine Aufmerksamkeit einige Minuten hindurch geschenkt zu haben. Aus dem letztern Bassin fällt das Wasser auf die bewundernswürdige Cascade, die hier ihren Anfang nimmt, und wiederum 3 Bassins hat, von denen das Wasser herabfällt, und einen herrlichen Anblick gewährt. Am Ende der Cascade kömmt man in eine Grotte, worinnen Neptun mit andern Meer-Gottheiten residirt. -
Um von der Höhe des Werkes einen Begriff zu geben, so ist zu bemerken, dass an beyden Seiten der Cascade 842 Stufen in die Höhe führen; will man aber bis in die Keule des Herkules steigen, so beträgt die Höhe überhaupt 902 Stufen. - Aus dem vor Neptuns Grotte befindlichen Bassin geht das Wasser unter der Erde in ein anderes nahe an dem Plutonischen Reiche gelegenes, woraus dann ein großer Theil desselben über den Fels unter der vorhin beschriebenen Teufelsbrücke sich stürzt, und ein kleiner Theil ins Plutonische Reich geführt ist. -
Vor diesem letztern ist ein Bassin, dessen Wasser theils für den Aqueduc, theils für die in einiger Entfernung vom Fürstlichen Schlosse, angebrachte große Fontaine aufbewahrt wird. Diese wirklich schöne Fontaine, vielleicht das Bemerkenswehrteste der Wilhelmshöhe Anlagen, erreicht nach einer vorgenommenen Verbesserung nunmehr die seltene Höhe von 190 Fuß. Es gibt einen majestätischen Anblick, wenn sich das Wasser, bey Anlassung der Fontaine, mit größter Heftigkeit in die Höhe thürmt, eine vollkommne Wassersäule bildet, bey der erreichten höchsten Höhe in einem Staubregen herabfällt, und eine unaufhörliche Bewegung auf dem Spiegel des Bassins verursacht. Aus diesem letztern schlängelt sich das Wasser in mancherley Krümmungen um kleine Inseln, und stürzt sich über der Natur nachgeahmte Felsen und Klippen durch die sogenannten Elysäischen Felder in den großen See, welcher linker Hand des Fürstlichen Schlosses liegt, und Anfangs dieser Beschreibung vorgekommen ist. Unter diesen Wasserfällen zeichnet sich derjenige aus, wo das Wasser durch die Oefnung eines Felsen wider einen davor liegenden Stein fällt, und durch die Gewalt des Drucks einen besonderen Sprudel verursacht. Ueberhaupt wird der Freund der Natur auch diese kleineren romantischen Wasserfälle mit Gefallen sehen.
Noch gehört hierher ein eingefaßter Blumengarten, hinter dem linken Flügel des Schlosses, dicht am Fuße des sogenannten weißen Steins, dessen Eingangs dieser Beschreibung Erwähnung geschehen, und welcher dem ganzen Orte den vormaligen Namen gegeben hat; sodann hauptsächlich ein alt-Gothisches Gebäude hinter dem Thiergarten. Es ist dieses Letztere auf einer offenen Anhöhe angelegt, und hat die Gestalt der Ruine von einem alten mit Graben und Zugbrücken versehenen Ritterschlosse mit Thürmen bekommen, wovon einer zusammen gestürzt ist, der andere aber in der Höhe von 120 Fuß oben mit einer Galerie versehen worden, und eine Fürtsl. Wohnung, auf der Seite gegenüber aber eine Kapelle, darneben ein Wachthaus und Marstall mit Wohngemächern enthält. Gleich beym Eintritt in diese ehrwürdige Mauern glaubt man sich vollkommen in die grauen Ritterzeiten versetzt, und dies noch mehr, wenn man die inneren Verzierungen und Meublirungen siehet; selbst zu den Portraits, mit welchen die Wände der Zimmer und Vorgänge behangen sind, hat man Stücke meist aus vorigem Jahrhundert hierher zusammengebracht. Der Speise - und der Rittersaal ist vorzüglich; ein Stockwerk höher hat der Durchlauchtigste Bauherr seine Wohnzimmer, nebenbey auch ein Zimmer, worin sich eine besondere kleine Ritter- Bibliothek befindet. Oben auf der Galerie bietet sich ebenwohl die herrlichste Aussicht dar.
Es trägt diese mit dem herkulischen Oktagon wetteifernde, unter dem schon genannten Herrn Baudirektor Jussow verfertigte Partie den Namen: Löwenburg. Unter der Zugbrücke dieser Burg, nach Süden hin, wird in kurzer Zeit noch ein von dem Gebürge herab geleiteter Wasserfall sich durchstürzen und sich mit den Gewässern im philosophischen Thale vereinigen. Sicher gehet man auch hier nicht ohne Bewunderung von dannen. Der Burgvogt, Herr Böger, weiset Jeden nach Verlangen zurechte. -
Uebrigens ist im Ganzen, und in allen Anlagen auf Wilhelmshöhe, Kunst und Natur auf das glücklichste vereinigt, und man sagt nicht zu viel, wenn man den Ort, in seinem ganzen Umfange, für das einzige Werk in seiner Art ausgiebt. Nur ein Landgraf von Hessen-Cassel besitzt ihn; allein vielleicht könnte auch, nach der lokal- Verfassung, kein anderer Fürst ein gleiches Werk in seinem Lande hervorbringen. - Der jetzt regierende Landgraf findet Vergnügen daran, diesen seinen Lieblingsort auf alle Art stets mehr zu verschönern, und sein bekannter feiner Geschmack in Bau- und Garten-Anlagen, wovon das vorhin von Ihm angeordnete Wilhelmsbad bey Hanau einen offenbaren Beweis abgiebt, setzt ihn hierzu vollkommen in Stand, und läßt von jedem neuen Plane alles erwarten.
Längst dem Wege bey erreichter Wilhelmshöhe rechter Hand passirt man eine Reihe neu erbaueter in der Mitte einen Glas- Salon fassender Gewächshäuser, deren innere Einrichtung der Liebhaber ganz zur Absicht finden wird.
Die Wässer auf Wilhelmshöhe werden ordentlicherweise nur an gewissen Tagen im Jahre angelassen; wer solches außer dieser Zeit sehen will, erhält auf Verlangen einen Erlaubnißschein vom hiesigen Hrn. Ober- Baudirektor und Ober-Kammerrath Dury, welcher dann an den Brunnen -Inspektor Herrn Steinhöfer abgegeben wird, als welcher überhaupt alle Wasserleitungen in Bewegung setzt.