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Das Heer eines Ständestaates und die Waffen im Umlauf

Sobald die prähistorische Stammesstruktur überwunden war, musste jeder Staat der Geschichte die Frage lösen, wie die Staatsgewalt zu organisieren war. Die Einrichtung juristisch autorisierter, bewaffneter Kräfte war unumgänglich. Schon für die frühe Bronzezeit ist planmäßiges Kriegführen archäologisch belegt und die Organisation bewaffneter Kräfte muss in irgendeiner Form geplant worden sein. Man kann aber noch weiter zurückgehen, in die Jungsteinzeit, jene Epoche der Revolution des Lebens auf der Erde, als man die Landwirtschaft erfand. Archäologische Funde, darunter Massengräber, lassen die These zu, dass im Lauf der Jungsteinzeit (Neolithikum) die Entwicklung von lokalen Konflikten zu organisierter Kriegführung stattfand, wobei das Neolithikum im kulturell führenden Vorderasien von ca. 11.000 bis ins späte 7. Jt. v. Chr. gerechnet wird, während in Mitteleuropa das Endneolithikum im 3. Jt. v. Chr. angesetzt wird. In den bronzezeitlichen Monarchien Vorderasiens und Ägyptens des 4. bis 2. Jts. v. Chr. war das Kriegführen ein Teil der Politik. Die Heere der mesopotamischen Reiche (Sumer, Akkad, Babylon, Assyrien) und des pharaonischen Ägyptens bestanden aus Wehrpflichtigen und Söldnern sowie anscheinend teilweise auch aus berufsmäßigen Soldaten.

Die Armeen der griechischen Städte waren im Grundsatz Heere freier Bürger. Das Söldnerwesen war allerdings im Bereich griechischer Kultur schon seit archaischer Zeit üblich gewesen, und hatte im Laufe des 5. und 4. Jhs. an Gewicht gewonnen. Literarisch hatte Xenophon in seiner Anabasis dem Rückmarsch der 10.000 griechischen Söldner im Dienst des jüngeren Kyros (401/400 v. Chr.) ein Denkmal gesetzt. Die hellenistischen Monarchien des 3. bis 1. Jhs. v. Chr. waren auf die Qualität ihrer Söldner angewiesen.

Von heute an gerechnet kann man auf fast zehntausend Jahre Kriegsgeschichte zurückblicken. Das römische Reich, ein in soziale Klassen gegliederter Ständestaat, betrat im Altertum Neuland: Rom unterhielt das erste konsequent durchdachte Berufssoldatentum der Geschichte. Nach den Erfahrungen der späten Republik mit den katastrophalen Bürgerkriegen (133 - 31 v. Chr.) hatte Kaiser Augustus verstanden, dass man eine ständige Armee brauchte, die stabil und berechenbar war. Augustus teilte das Heer in Legionen, deren Soldaten schon das römische Bürgerrecht hatten, und in Hilfstruppen (Auxilia), deren Soldaten nach ihrer Dienstzeit das römische Bürgerrecht erhalten konnten. Mit diesem Konzept einer Berufsarmee, einem sehr modernen Gedanken, schuf Kaiser Augustus einen entscheidenden Faktor zur Stabilisierung des riesigen Reiches.

In den Jahrhunderten der Republik war der freie römische Bürger wehrdienstpflichtig gewesen. Als freier Mann dem römischen Staate zu dienen war auch der Stolz der Legionäre der Frühzeit. Solange das Gebiet Roms auf Mittelitalien beschränkt war, ging dies noch an. Doch schon seit dem Sieg über Hannibal 202 v. Chr. geschah nichts mehr im Mittelmeerraum, ohne dass Rom einbezogen war. Die immer weiteren Kriege in Spanien, Frankreich, auf dem Balkan, in Afrika, in Griechenland, Kleinasien, Syrien und Ägypten überforderten das alte System, in dem der Bauernlegionär nach Kriegsende wieder auf seinen Acker zurückkehrte: Dieser war im Zweifelsfall längst verschuldet oder verödet. Die Gründung einer Berufsarmee beendete dieses Dilemma.

Ungefähr 30 Legionen hatte die römische Armee im 1. Jh. n. Chr. (Abb. 7). Mindestens rund 250.000 Mann des Landheeres standen immer unter Waffen, bei einer Sollstärke einer Legion von etwas über 6.000 Mann und einberechnet der vielen Hilfstruppeneinheiten. Dazu kamen die Flotte, die Prätorianergarde und weitere Sicherungstruppen und Spezialeinheiten in der Hauptstadt oder verteilt im Reich. Insgesamt rechnet man deshalb sogar mit erheblich mehr als einer Viertelmillion. Die Legionen haben in den zweihundert Jahren seit Augustus ihre Aufgabe der Reichssicherung und zusätzlicher Eroberungen (Britannien, Siebenbürgen) gut gelöst. Im Laufe des 3. Jhs. musste die Armee allerdings umstrukturiert werden, um den veränderten Aufgaben gerecht zu werden.


Abb. 7

Soldaten der römischen Berufsarmee des 1. Jahrhunderts n. Chr. Auftritt der Römercohorte Opladen im Archäologischen Park Xanten 2007. Die Gruppe wird von einem Feldzeichenträger (Signifer) und einem Signalbläser (Cornicen) angeführt.

Das römische Reich war ein in Oberklassen und Unterklassen gegliederter Ständestaat. Vom politischen Einfluss her war ein römischer Bürger nicht automatisch deshalb von Bedeutung, weil er römischer Bürger war. Wer politisch Karriere machen wollte, musste versuchen, in die Adelschichten (Ordines honestiores) aufzusteigen. Der städtische Verwaltungsadel (Ordo decurionum), der Ritterstand (Ordo equester) und darüber der Senatorenstand (Ordo senatorius) bestimmten die Geschicke des Reiches, und das war zusammengenommen eine dünne Oberschicht von kaum mehr als schätzungsweise 1 % der auf 60 bis 80 Millionen Menschen geschätzten Reichsbevölkerung. Die Unterklassen (Ordines humiliores), ob römische Bürger, Freigelassene oder Sklaven, stellten den politisch passiven Teil der Bevölkerung, auch wenn sie zahlenmäßig dominierten.

Die Legion war ein Spiegelbild dieses Ständestaates. Die theoretisch 6.000 Legionäre einer Legion waren freie römische Bürger (Ingenui), gehörten aber den Unterklassen an. Jede Legion besaß daneben fünf Militärtribune aus dem Ritterstand sowie einen Militärtribun aus dem Senatorenstand; der Legionskommandeur (Legatus legionis) war ein Senator. Die adeligen Militärtribunen und Kommandeure trugen eine historisierende Bewaffnung, vor allem den sog. Muskelpanzer (Abb. 8). Schätzt man schon den Anteil des Adels in der Gesamtbevölkerung der frühen Kaiserzeit auf kaum mehr als 1 %, so lag der Adelsanteil der Offiziere in einer Legion (7 auf 6.000) im Promillebereich. Die Legion war dennoch ein zwar enges, aber vorhandenes Nadelöhr: Jährlich konnte aus jeder der 30 Legionen der erste Centurio (Primus pilus) in den Ritteradel aufsteigen.


Abb. 8

Die Führung des Reiches: Der römische Kaiser in militärischer Tracht als Träger der obersten Befehlsgewalt. Kaiser Traian (98 – 117 n. Chr.) im reich verzierten Panzer (sog. Panzerstatue). Aus Gabii bei Rom. Marmor. H. 2 m. Paris, Louvre. Kopie in Aalen, Limesmuseum.


Abb. 9

Besitzermarke eines römischen Soldaten aus Frankfurt am Main-Heddernheim. Bronze. Die vermutlich auf Leder montierte Marke vermerkt:

Aus der centuria (Hundertschaft) des Valerius Flavinus;

(Besitz des) Iulius Secundus. Um 100 n. Chr. Frankfurt am Main, Archäologisches Museum.

Die Armee war im Römerreich die größte geschlossene Gruppe von Waffenträgern, wobei der römische Soldat zwar Besitzer seiner Waffen war, aber nicht Eigentümer (Abb. 9). Er hatte ein Waffendepositum zu bezahlen, was eine Art Kaution war. Er durfte aber seine Waffen nicht automatisch verkaufen, wenn es ihm gut schien, weil er z. B. beim Verkauf viel mehr Gewinn erzielen konnte als er es durch die Rückzahlung seines Depositums erhalten hätte. In den Digesten finden sich Notizen über Verlust und Verkauf von Waffen. In einem Brief aus Carlisle in Nordengland berichtet der Decurio Docilis im frühen 2. Jh. seinem Präfekten über den Verlust einiger Waffen wie Lanzen und Schwerter.

Vorgeschriebene Waffenkennzeichnungen mit Namen, Centurie und Kohorte werden für das spätantike 4. Jh. bei Vegetius erwähnt. Außerdem ist in der frühen Kaiserzeit zu bedenken, dass bestimmte Waffen, darunter das Schwert, auch vom Waffenmeister (Custos armorum) in der Waffenkammer der Kommandantur (Principia) verwahrt wurden. Die Nachrichten sind nicht immer klar zu deuten. Als sich im Jahr 69 n. Chr. die Rheinarmee auf die Seite des Vitellius schlug, wurden aus Köln, Trier und dem Lingonengebiet (um Langres) Mannschaft, Pferde, Waffen und Geld bereitgestellt, wie Tacitus berichtet; welcher Art diese Waffen waren und woher sie ursprünglich kamen, wird jedoch nicht gesagt.

Wer durfte also im antiken Römerreich zur Prinzipatszeit außerhalb der Armee Waffen tragen? Schon die antiken Schriftzeugnisse ergeben ein variables Bild. Daneben ist man auf die archäologischen Zeugnisse angewiesen. Der Archäologe hat immer Primärquellen in der Hand, anders als der Philologe, der seine Texte aus den vielfältigen Redaktionen späterer Abschreiber rekonstruieren muss. Aber der Vorteil der Primärquellen wird oft von den Problemen der antiken Wirklichkeit überdeckt, haben wir doch archäologisch immer die letzte der Realitäten vor uns, die außerdem meist unkommentiert ist: Wenn der Archäologe einen Gegenstand in einem bestimmten Kontext im Boden findet, kann er längst noch nicht sicher sein, dass sich das Objekt auch in einem ihm vorher zugedachten Zusammenhang befindet.

Man findet immer wieder römerzeitliche Waffen an den unterschiedlichsten Stellen. Ein großer Teil der archäologischen Waffenfunde kommt aus einem nichtmilitärischen Zusammenhang, seien es Grabbeigaben, Weihegaben in Heiligtümern, Verwahrfunde (Hortfunde) oder schlicht verlorene Dinge. Allein die Menge nichtmilitärischer Waffenfunde lässt bereits die Vermutung zu – unabhängig von den antiken literarischen Zeugnissen –, dass außerhalb des Militärs unzählige Waffen im Umlauf gewesen waren. Wie die Römer dies juristisch sahen, erhellt ein Blick auf die Waffengesetze der späten Republik und der beginnenden Kaiserzeit (s. u. Kap. 3 und 6).

Auch in den vom Senat verwalteten Provinzen, in denen keine Legionen stationiert waren, ist mit der Präsenz von Militär zu rechnen. Abgesehen von den über das gesamte Reich hinweg aktiven Spezialeinheiten wie den Nachrichtendiensten und Kurieren, den Zollbehörden oder dem Personal des Cursus publicus, waren in den senatorischen Provinzen in der Regel kleinere Teile von Auxiliareinheiten (Hilfstruppen) zur Unterstützung der Verwaltung stationiert. Auch dies ist bei archäologischen Waffenfunden an vermeintlich rein zivilen Orten zu beachten.

KAPITEL 2
Das historische Trauma: Sklavenaufstände und Gladiatorenrevolten

Die Keltenangst: Metus Gallicus

Roms Haltung bestimmten Problemen gegenüber war nicht frei von irrationalen Gefühlen. Dazu gehörte die Angst vor Kelten und Germanen. Zu den schlimmsten Erfahrungen der beginnenden Kaiserzeit unter dem Alleinherrscher Augustus zählte die Niederlage im Teutoburger Wald 9 n. Chr. gegen die Germanen unter Führung des Arminius. Die damals wieder einsetzende Angst in Rom hatte historische Gründe und war mit der einzigen Eroberung Roms durch fremde Heere verbunden, die in der Geschichte der römischen Republik stattfand: Am 18. Juli 387 v. Chr. unterlag das Aufgebot der Stadt Rom an der Allia nördlich von Rom den Kelten, die unter ihrem Führer Brennus von der Poebene her über Etrurien nach Süden vordrangen. Die Römer haben dieses Datum immer als Dies ater (Schwarzen Tag) ihrer Geschichte betrachtet.

Die Kelteninvasion erzeugte in Rom einen Komplex, die Keltenangst (Metus Gallicus). Das zeigte sich im Laufe der Geschichte wieder, als Rom 150 Jahre nach der Brennuskatastrophe im Jahr 225 v. Chr. einen nächsten großen Gallierkampf zu bestehen hatte. Mit den Kriegen gegen die Gallier verbanden sich in der Zeit der römischen Republik die Phänomene des Metus Gallicus und des Tumultus Gallicus (Staatsnotstand wegen der Gallier). Später hat man die Keltenangst auf die Germanen übertragen, was umso leichter geschehen konnte, da für die Römer vor der Zeit Caesars zwischen Kelten und Germanen kein Unterschied bestand. Den sprichwörtlichen Furor Cimbricus und Furor Teutonicus, also die kimbrische und die teutonische Berserkerwut, haben die römischen Dichter Lucanus und Juvenal erst viel später formuliert.

Die Sklavenkriege der Republik

Zu den historischen Erfahrungen der Römer, die einen immerwährenden Eindruck hinterließen, gehörte die Krise der römischen Republik in den hundert Jahren vor 31 v. Chr., dem Jahrhundert der Bürgerkriege. Doch auch innerhalb dieses chaotischen Saeculums stachen einige Vorgänge heraus. Dazu gehörten die Sklavenkriege und Gladiatorenrevolten in den zwei Generationen zwischen 136 und 71 v. Chr. Sklaven, Hirten und Räuber waren der gesellschaftliche Hintergrund für diese Konflikte, welche die römische Republik zeitweise in schwere Bedrängnis brachten.

Ohne Vorgänger waren auch diese Ereignisse nicht. Sklavenprobleme oder die Teilnahme von Sklaven an Verschwörungen und Gewaltaktionen werden mehrfach aus den Jahrhunderten zwischen 500 und 184 v. Chr. überliefert. Das Neue war aber, dass nun regelrechte Sklavenkriege ausbrachen. Auslöser auf breiter Basis waren die wirtschaftlichen Verhältnisse in Süditalien und Sizilien, wo die seit dem 3. Jh. installierte römische Herrschaft zu einer ausgedehnten Viehwirtschaft im Besitz relativ weniger Latifundienherren geführt hatte. Die Domänenherren beschäftigten auf ihren riesigen Gütern Sklaven als Hirten, die schon wegen ihrer notwendigen Beweglichkeit und wegen der Sommerweiden in den Bergen kaum zu kontrollieren waren. Hirtenarbeit war nur dann erfolgreich, wenn sich die Hirten gegen Raubtiere und Viehdiebe wehren konnten, weshalb diese Hirten mindestens Speere und Messer trugen. In der Zeit der Republik jedenfalls waren die mit der Falx, einem Sichelmesser (Abb. 10), und mit einem Speer ausgerüsteten Hirten ein normaler Anblick. Im Jahr 308 v. Chr. befand sich ein römischer Amtsträger mit seinem Sklaven auf einer Geheimmission von Rom nach Nordosten durch Etrurien und Umbrien hindurch zur Stadt Camerinum, dem heutigen Camerino in den Marken. Ihre Verkleidung bestand nach Livius aus der Hirtenkleidung mit dem Sichelmesser und je zwei Lanzen; in dieser Aufmachung konnten sie offensichtlich unbehelligt weite Distanzen durchwandern, ohne aufzufallen. Dies lässt den Schluss zu, dass der Anblick bewaffneter Wanderhirten alltäglich war.


Abb. 10

Sichelmesser der Hirten auf den großen römischen Domänen. Aus dem Fund von Neupotz/Pfalz aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Die Sichelmesser der späten Republik sahen ähnlich aus. Eisen. Speyer, Historisches Museum der Pfalz.

Hirten auf den ausgedehnten Weideflächen bildeten den Rückhalt der Revolte des Eunus und Kleon im ersten Sklavenkrieg in Sizilien 136 – 132 v. Chr. Einer der Führer der Aufständischen, Eunus, war ein Syrer, den die Aura der Wundertätigkeit umgab, und der auch als Wahrsager tätig gewesen war. Eunus konnte sich angeblich auf eine Kerntruppe von 4.000 bis 6.000 Hirten stützen. Der Aufstand erfolgte in Enna, der beherrschenden Stadt im Zentrum der Insel. Die auslösende Person war der Großgrundbesitzer Damophilos, der seine Sklaven besonders grausam behandelte. Die Führer des Aufstands, Eunus und sein Gefolgsmann Kleon aus Kilikien, verzeichneten Anfangserfolge im Osten und Süden Siziliens. Die Römer konnten unter dem Consul Puplius Rupilius diesen ersten Sklavenkrieg erst im Jahr 132 v. Chr. beenden. Er kostete laut Diodor Tausenden von Sklaven das Leben.

Der zweite sizilische Sklavenkrieg begann eine Generation später im Jahr 104 v. Chr. Auslöser war ein Senatsbeschluss zur Freilassung aller jener Sklaven, die aus verbündeten Staaten in römisches Gebiet verkauft worden waren. Als in Sizilien die erwarteten Freilassungen nach einiger Zeit stockten (vermutlich auf Druck der Großgrundbesitzer), begann der Aufstand. In Westsizilien war der Kilikier Athenion Führer der Insurgenten; er unterstellte sich später dem Salvius, den die Aufständischen zum König wählten. Salvius nahm den Beinamen Tryphon an und imitierte in seinem Aufzug sowohl hellenistisch-griechisches Königtum wie den römischen Consulat (Liktorenbegleitung, Toga mit Purpurstreifen); er starb 102 v. Chr. eines natürlichen Todes. Der Consul Mucius Aquillius konnte erst 101 v. Chr. den Krieg beenden. Bemerkenswert war dabei ein archaischer Auftritt: Aquillius tötete den feindlichen Anführer Athenion im Zweikampf.

Die beiden römischen Sklavenkriege waren herausragend, aber keineswegs singulär in der Mittelmeerwelt. Es gab einige kleinere, lokale Sklavenrevolten, die auch erfolglos blieben, wie der Aufstand der Bergwerkssklaven von Laurion in Attika (spätes 2. Jh. v. Chr.), ferner Erhebungen auf dem Sklavenmarkt von Delos sowie in Minturnum und Sinuessa (Süditalien; alles um 133 v. Chr.). Kein reiner Sklavenkrieg war der fehlgeschlagene Aristonikosaufstand in Kleinasien (132 – 129 v. Chr.). Aristonikos, unehelicher Bruder des letzten Königs von Pergamon, Attalos III., stellte sich gegen das Testament seines Bruders, der Pergamon den Römern vermacht hatte (133 v. Chr.). Aristonikos beanspruchte Pergamon für sich und stützte sich auf die arme Landbevölkerung, während die großen Städte ihm nicht folgten. Er gab seiner Bewegung eine starke sozialrevolutionäre Richtung, gliederte viele Sklaven in sein Heer ein und verkündete einen Sonnenstaat mit Sonnenbürgern (Heliopoliten). Das Thema der sozialen und wirtschaftlichen Gerechtigkeit war damit angeschlagen, wenn es auch durch die Niederlage des Aristonikos 129 v. Chr. nur von kurzer Dauer war.

In der späten Republik war die immer mehr anwachsende Zahl bewaffneter unfreier Hirten eine dauernde Gefahrenquelle; aus ihnen konnten sich politische Aufstände wie auch Räuberbanden rekrutieren, was bereits antike Autoren festgehalten haben. Dass freilich in Sizilien ein Sklave in der späten Republik allein wegen des Besitzes einer Jagdwaffe ans Kreuz geschlagen wurde, hing mit der Hysterie der Spartacuszeit zusammen und entspricht nicht dem normalen Bilde. Im Übrigen sind gerade auf Sizilien die Gründe für das rapide Anwachsen bewaffneter Banden im 2. Jh. v. Chr. nicht ganz in Schwarz-Weiß-Manier zu sehen. Es hat den Anschein, dass die Großgrundbesitzer ihre eigenen unfreien Hirten absichtlich bewaffneten, um die freien Kleinbauern zu unterdrücken. Auch Strafaktionen der römischen Provinzialverwaltung gegen diese Banden wurden nicht zuletzt von den römischen Domänenherren behindert.

Dass die Römer in den beiden sizilischen Sklavenkriegen lange Jahre brauchten, um einen Feind zu besiegen, der weder mit den Puniern noch mit den Kelten oder den Makedonen vergleichbar war, hatte auch einen Grund in der politischen Gesamtlage. Während des ersten Sizilienkrieges kämpfte Rom in Spanien bis 133 v. Chr. im keltiberischen Aufstand. Im gleichen Jahr übernahm Rom das ihm testamentarisch übereignete Reich Pergamon und richtete dort die Provinz Asia ein. Die Sklavenrebellion im Osten Siziliens war ein Nebenkriegsschauplatz. Ähnlich war die Lage im zweiten sizilischen Sklavenkrieg. Als er 104 v. Chr. begann, hatte Rom gerade im Jahr zuvor katastrophale Niederlagen in Südfrankreich gegen das Germanenvolk der Kimbern hinnehmen müssen. In jener Zeit, als die wandernden Germanen als ein Wetterleuchten der späteren Völkerwanderungszeit an Roms Nordgrenzen auftauchten, waren die Sklaven Siziliens ein zweitrangiges Problem. Die Entscheidungsschlachten gegen die Germanen waren Roms Siege bei Aquae Sextiae in der Provence 102 v. Chr. über die Teutonen und bei Vercellae westlich von Mailand 101 v. Chr. über die Kimbern. Das Ende des Sklavenkrieges in Sizilien war dagegen weniger auffällig.


Abb. 11

Gladiatoren waren ein beliebtes Motiv der römischen Dekorationskunst. Nur wenige Darstellungen stammen aus der Zeit des Spartacuskrieges; die meisten sind kaiserzeitlich wie hier die Mosaiken aus der großen römischen Villa von Zliten in Libyen (Tripolitanien). 2. Jh. n. Chr.

Spartacus und Sacrovir

Anders als die regional auf Sizilien beschränkten ersten beiden Sklavenkriege entwickelte sich der Spartacusaufstand zu einem Krieg in ganz Italien. Moderne Schriften und Filme haben seit dem 19. Jh. Spartacus noch bekannter gemacht, als er im Altertum je gewesen ist. Der Gladiator Spartacus begann im Jahre 73 v. Chr. in Capua eine Revolte, als ihm mit etwa 70 Gefährten die Flucht aus einer Gladiatorenkaserne gelang (Abb. 11). Der Aufstand war im Frühjahr 71 v. Chr. beendet. Die Revolte brachte den Aufständischen zuerst einige Erfolge, an denen auch als Anführer die beiden Gallier Krixos und Oinomaos beteiligt waren. Am Ende war aber Spartacus der alleinige Führer des Aufstandes. Die römischen Legionen waren durch Kriege in Kleinasien und Spanien gebunden, und man nahm in Rom die Affäre zuerst auch nicht ernst. Als man sich nach einigen blamablen Niederlagen tatsächlich anstrengte, hatten die Aufständischen keine Chance mehr und wurden 71 v. Chr. besiegt.

Spartacus war ein Gladiator aus Thrakien im südöstlichen Balkan und es ist nicht einmal sicher, ob er immer Sklave gewesen war. Keinesfalls war er der charismatische Führer, als den man ihn später oft hinstellte. Seine durch Zulauf von Sklaven und Armen angeschwollenen Truppen ernährten sich durch Requirierung und Plünderung. Die Schätzungen für sein Heer im Jahr 72 v. Chr. belaufen sich auf 40.000 bis sogar 120.000 Menschen, was im Höchstfall eine Armee der Stärke von 20 kaiserzeitlichen Legionen bedeutet hätte. Doch sind nicht nur die Zahlen aus späten Quellen mit Vorsicht zu behandeln; die Menschen der Spartacusarmee waren außerdem nur zum Teil ausgebildete Kämpfer.

Aus den fragmentarischen Quellen ist die Strategie des Spartacus kaum genau zu erschließen. Dass er auf dem Höhepunkt seiner Macht 72 v. Chr. bis zur Poebene, also in das diesseitige Gallien kam, lässt vermuten, dass die Emigration in das Alpengebiet und den Donauraum das Ziel war. Stattdessen wandte die Armee sich wieder nach Süden, bis in Sichtweite Siziliens, wo ein Übersetzen aber anscheinend nicht realisiert werden konnte, da sie über keine eigenen Schiffe verfügte. Crassus schloss die Spartacusarmee in Bruttium, dem heutigen Kalabrien, ein, doch konnte Spartacus die Linien durchbrechen und mit seinen Truppen nach Norden entkommen. Er fiel in einer Schlacht in Süditalien, vermutlich im Quellgebiet des Flusses Sele (heute bei Calobritto, Prov. Avellino, Campanien). Damit war 71 v. Chr. der letzte große Sklavenkrieg des Altertums zu Ende.

Man hätte es dabei bewenden lassen können – aber dann gelangte der Spartacusname in die moderne Politik und in das Propagandarepertoire der Kommunisten und Sozialisten. Im Jahre 1916 formierte sich in Deutschland die extreme Linke in der Spartakusgruppe, die sich 1918 Spartakusbund nannte (maßgebliche Figuren waren Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg). Am 1. Januar 1919 kam dem Spartakusbund die führende Rolle zu, als man die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) gründete. Vier Tage später, am 5. Januar 1919, brach der Aufstand der Berliner Arbeiter aus, den man Spartakusaufstand nannte. Er dauerte nur bis zum 12. Januar und wurde von den Freikorps niedergeschlagen.

Spartacus erfuhr als Freiheitskämpfer bereits seit der Aufklärung des 18. Jhs. in Europa eine hohe Wertschätzung, die sich im 19. Jh. noch steigerte: Schuld am modernen Spartacuskult war sehr stark Karl Marx; er nannte 1861 in einem Brief an Friedrich Engels Spartacus „den famosesten Kerl, den die ganze antike Geschichte aufzuweisen hat“. Damit war es passiert, Spartacus war zum sozialistischen Helden geworden. Die althistorische Forschung des Sozialismus wurde in der Sowjetunion von A. V. Mischulin und E. M. Schtajerman bestimmt, deren von Stalin selbst gebilligten Thesen den Spartacuskrieg als direkten Motor zur Beendigung der antiken Sklavenhalterwirtschaft und des antiken Gesellschaftssystems ansahen, also als soziale Revolution. Die römische Racheorgie mit der von Crassus inszenierten Massenkreuzigung der 6.000 Gefangenen der Spartacusarmee im Jahre 71 v. Chr. entlang der Via Appia zwischen Capua und Rom (Abb. 12) trug auch dazu bei, dass man den Hintergrund der Revolte in großem Licht sah. Die Lehrmeinung im sowjetisch dominierten Sozialismus der Jahre vor 1990 war, dass im Altertum ein Sklave von vornherein ein besserer Mensch als sein Herr gewesen sein musste.

Die Gladiatoren und Mitläufer der Spartacustruppe wollten aber das Sozialsystem der Römer nicht ändern; sie kämpften nur für sich selbst, nicht aber für eine soziale Revolution. Das hat man auch für die Räuberbandenkämpfe der Kaiserzeit feststellen können, die man nicht als Klassenkampf verstehen kann; die Räuberhäuptlinge im weiten Römerreich wollten nie die bestehende Sozialordnung ändern. Am römischen Ständestaat mit der untersten Schicht der unfreien Sklaven hat sich im Übrigen bis zum Ende der Antike nichts geändert; die christlichen Kaiser nach Constantin rührten ebenfalls nicht daran. Wohl aber sorgte seit dem ersten Princeps Augustus die römische Verwaltung dafür, dass man die Sklaven nicht mehr so brutal wie in der späten Republik behandelte. Es kam deshalb auch zu keiner umfassenden Sklavenrevolte mehr.

Der Sacroviraufstand in Gallien im Jahr 21 n. Chr. unter Kaiser Tiberius, an dem auch Gladiatoren teilnahmen, gehörte in eine andere Kategorie: Er ging von lokalen gallischen Aristokraten, nicht von Sklaven aus. Die Revolte war sehr schnell beendet; Kaiser Tiberius musste nicht persönlich eingreifen. Der Historiker Velleius Paterculus nannte als Grund, dass der Aufstand schneller unterdrückt werden konnte als er überhaupt bekannt wurde. Tacitus, unsere Hauptquelle zu diesem Aufstand, beurteilte ihn wesentlich differenzierter.

Iulius Sacrovir war ein romanisierter Kelte aus dem Stamm der Haeduer, die um Augustodunum (Autun) lebten. Die Haeduer waren seit dem späten 2. Jh. v. Chr., als Rom in Südgallien Fuß fasste, immer romfreundlich gewesen. Sie blieben es selbst weitgehend in den Jahren von Caesars Krieg in Gallien 58 – 50 v. Chr. Die Sacrovirrevolte umfasste nur die Provinzen im Norden Galliens, die Gallia Lugdunensis und die Gallia Belgica.

Der Sacroviraufstand war ein Kampf um die eigene traditionelle Lebensweise in Stammesverbänden. Nicht überall wurde der römische Zivilisationsfortschritt als etwas Erstrebenswertes angesehen. In Gallien waren außerdem die Steuerlasten gestiegen, weil die Kriege des Germanicus in Germanien in den Jahren 14 – 16 n. Chr. viel Geld kosteten. Die Kriegslasten der Germanicuskriege in Form von Aushebungen sowie Stellung von Waffen und Material trafen vor allem Gallien hart und führten zum Widerstand gallischer Aristokraten.


Abb. 12

Roms Racheorgie. Crassus lässt die überlebenden 6.000 Kämpfer der Spartacusarmee längs der Via Appia zwischen Capua und Rom kreuzigen. 71 v. Chr.

Zuerst erhoben sich Stämme an der unteren Loire; sie wurden von einer römischen Kampfgruppe besiegt, die aus den Stadtkohorten (Cohortes urbanae) von Lugdunum (Lyon) bestand. Zur gleichen Zeit wurde die Revolte bei den Treverern im Trierer Land sehr schnell und fast kampflos beendet. Die Endphase des Krieges betraf das ostgallische Häduergebiet um Autun, der Machtbasis Sacrovirs. Der Legat Caius Silius, ein Mann senatorischen Adels, kommandierte damals die obergermanische römische Heeresgruppe mit den Legionen in Mainz, Straßburg und Vindonissa/Windisch in der Schweiz.

Sacrovir hatte in seiner Heimat ein Heer von 40.000 Mann ausgehoben, freilich eine Armee ohne Schulung und nur zum kleinen Teil regulär bewaffnet. Vier Fünftel seiner Truppen waren ein schlecht bewaffneter Heerbann, meist nur mit Messern und Spießen nach Art der Hirten ausgerüstet. Eine kleine Kampfgruppe Sacrovirs bestand aus Gladiatoren, den Crupellarii, ganz in Eisen gepanzerten Kämpfern, die er in der Entscheidungsschlacht in vorderster Front aufstellte. Diese Schlacht ist das letzte Mal, dass man von regulären römischen Legionen im Kampf mit revoltierenden Gladiatoren hört.


Abb. 13

Keltenrelief von einer dekorierten Gladiusscheide der 13. Legion aus Vindonissa, Schweiz. Gefunden in Baden, Aargau, Schweiz. Bronze. H. 4,5 cm. Bald nach 21 n. Chr. Gefangener nackter Kelte zwischen zwei Trophäen sowie im Raum verteilte Waffen und zwei abgeschnittene Hände. Brutale antikeltische Tendenz; Bezug auf den Sacroviraufstand. Baden, Historisches Museum. Kopie Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz.

Die Schlacht bei Autun war für die Aufständischen rasch verloren. Sacrovir beging Selbstmord. Diesen Krieg scheint die römische Armee allerdings durchaus ernst genommen zu haben, unabhängig von allen Urteilen der antiken Historiker. Die 13. Legion, stationiert in Vindonissa, die am Krieg beteiligt gewesen war, schuf danach Gladiusdekorationen, die auf diesen Keltenkrieg Bezug nahmen, ein in der Geschichte des römischen Waffendekors seltener Vorgang (Abb. 13).

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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
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178 s. 47 illüstrasyon
ISBN:
9783945751879
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