Kitabı oku: «Der Nackt-Scanner», sayfa 3

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Kapitel 5

Die Vögel zwitscherten, aus Büschen und Bäumen drang zaghaft aber unaufhaltsam ein erstes zartes Grün, die Sonne schien und ich machte mir in der Garage zu schaffen. Genauer: ich wechselte an meinem alten Auto die Winter- gegen die Sommerreifen aus. Übrigens die einzige Tätigkeit außer dem Tanken, die ich am Wagen selbst durchführen kann. Während ich so schraubte, hörte ich vom Weg her ein:

„Uhuh, Herr Polcas!“

Eine der berüchtigten Nordic Walkerinnen winkte mir mit einem ihrer Stöcke übermäßig freundlich zu.

Nordic Walking ist eine typische Trendsportart. Es gibt ja Sportarten, wie gewöhnliches Laufen oder der Speerwurf beispielsweise, die im Laufe der Menschheitsgeschichte aus einer Notwendigkeit heraus entstanden sind und es gibt solche, die künstlich konstruiert werden, sich eine Weile halten und dann wieder verschwinden. Ich müsste mal einen Essay über Sport schreiben. Nun bezweifle ich nicht, dass zwei Stöcke beim Gehen die Wirbelsäule entlasten, aber ich frage mich, wie man erwachsenen Menschen einreden kann, dass diese Stöcke aus Aluminium sein müssen mit linkem und rechten Handgriff, mit drei verschiedenen Arten von Spitzen, und vor allem aber, dass man diese Stöcke eben nicht zur Gewichtsentlastung nutzen, sondern wie Ballast mehr so hinter sich her schleifen soll.

In einer meiner letzten Kolumnen für Die Woche kompakt hatte ich mir einen Scherz erlaubt, um solches Verhalten bloßzustellen: darin berichtete ich von einer Studie der Wisconsin System University, die belegen soll, dass Kaugummi krebserregend sei. Und zwar aus einem einleuchtenden Grund: der kauende und Speichel produzierende Mund signalisiere dem Magen, es sei mit Arbeit zu rechnen, der Magen erhöht seine Säureproduktion, die angekündigte Nahrung aber bleibe aus. Der so erzeugte Säureüberschuss löse Geschwüre aus, die zu 80 % bösartig wären.

Natürlich gab es diese Studie nicht, alles meine Erfindung. Doch in den Leserbriefen und Internetblogs überschlugen sich die Moralisten, die den Verbrechern von der Kaugummi-Industrie das Handwerk legen wollten, gleichzeitig begann das Süßwarengewerbe abzuwiegeln und Gegenstudien zu erfinden. Eine Woche später erläuterte ich dann, dass ich alles nur erfunden hätte, um zu zeigen, dass man mit glaubwürdigen Argumenten, und wenn sie noch falsch waren, den Leuten so ziemlich alles einreden kann. Danach wurden die notorischen Empörer sehr kleinlaut und die Kaugummifuzzis freuten sich. Leider ging damit auch die Beliebtheit meiner Kolumne zurück, weil die Meinungsmitläufer mir nicht mehr über den Weg trauten und immer eine neue Falle witterten.

Wenn Sie mich fragen, steckt hinter Nordic Walking eine ähnlich simple, aber geniale Manipulation, die den Unbedarften das Gefühl gibt, mit dem albernen Herumschleppen zweier Alustangen eine wirkungsvolle Sportart zu betreiben.

Ich sah die erwähnte nordische Walkerin nicht zum ersten Male, aber zum ersten Male grüßte sie mich, und noch dazu so freundlich, ja geradezu vertraut. Ich hob den Kreuzschlüssel zum Gruße. Als ich eine halbe Stunde später den Wagenheber samt Schlüssel mit einem herzhaften „Geschafft!“ zurück in den Kofferraum legte, befand sich die Dame auf dem Rückweg und diesmal winkte sie nicht nur, diesmal kam sie direkt auf mich zu.

„Guten Tag“ sagte sie, „ich bin die Uschi. Uschi Menke, ich wohne unten in Nummer drei...“

Ich sah sie fragend an.

„Im selben Haus wie Lisa Buske, die mit den Pudeln, sie wissen schon...“

‚Oh, Lisa, du Frettchen‘ dachte ich, ‚hast deinen Mund nicht halten können! ‘

„Ja und, “ stellte ich mich dumm, „was kann ich für Sie tun?“

Ungeschickte Frage!

„Oh, eine ganze Menge“ säuselte sie, „Für den Anfang wäre ich mit einem Autogramm schon sehr zufrieden.“

So sah also mein Kapitel 5 aus: Anfang vierzig, leicht übergewichtig, verschwitzt und unsicher hin- und herschwankend zwischen Lust und Scham, zwischen Mut und der Furcht, abgewiesen zu werden.

„Nun“ sagte ich, „gegen den Autogrammwunsch ist nichts einzuwenden, kommen Sie.“

Ein Vergleich drängte sich auf: während Lisas knackiger Po vor mir die Treppe hinauf gehüpft war, wie ein kleiner Gummiball, wuchtete Uschis ihr rundes Gesäß wie einen Medizinball Stufe für Stufe hoch. Mittlerweile hatte Hugenbach Autogrammkarten mit meinem Konterfei drucken lassen, eine davon signierte ich für Uschi. Sie bedankte sich und steckte die Karte in die Seitentasche ihres Jogginganzugs. Oder heißt das Nordic-Walking-Anzug? Vorstellbar wäre es, dass man aus höchstplausiblen Gründen Nordic Walking auf keinem Fall in ordinären Jogginganzügen betreiben kann.

Eine kurze Zeit der Verlegenheit trat ein. Zwar wussten wir beide, worauf es eigentlich hinauslaufen sollte, doch fehlte uns ein Übergang, das Stichwort sozusagen.

„Entschuldigen Sie, ich hab noch schmutzige Hände vom Reifenwechsel, sie gestatten, dass ich mir die Hände wasche?“

„Ich bin total verschwitzt“ sagte sie, „gestatten Sie, dass ich mich kurz abdusche!“

„Donnerwetter“ sagte ich, „sie sind aber sehr geradeaus!“

„Was soll’s, Lisa hat mir alles erzählt, wirklich alles! Aber keine Sorge, es bleibt auch alles ganz unter uns.“

Dann fielen ihre Klamotten von ihr ab wie Herbstlaub und während ich meine Hände mit Seife und Schruppbürste bearbeitete, spülte sich Uschi den Sportlerschweiß vom Körper. Sie sang in der Dusche in holprigem Englisch ein Lied von Meredith Brooks:

„I’m your bitch, I’m your mother, I’m your child, I‘m your lover...“

Wir waren etwa gleichzeitig fertig, sie stieg aus der Dusche, ich rubbelte ihr den Rücken ab. Eine schöne Frau eigentlich, leicht übergewichtig aber alles optimal verteilt. Aber wie so viele leicht Übergewichtige, schwer unzufrieden mit sich selbst.

„Findest du mich nicht zu dick?“

„Nö, gar nicht“ sagte ich wahrheitsgemäß, „du hast einen ausgesprochen gut proportionierten Körper.“

„Echt? Aber mein Hintern ist doch zu fett, oder?“

„Dein Hintern ist eine Herausforderung.“

Uschi kicherte verschämt.

„Ich will auch noch kurz duschen, da vorne links ist das Wohnzimmer, im Glasschrank ist was zu trinken, gieß uns schon mal einen ein. Am besten einen Southern Comfort - der entspannt besser als Nordic Walking!“

Als ich in die Stube kam, stand Uschi mit einem Glas in der Hand und splitternackt vor meinem Bücherschrank und studierte die Buchtitel. Sie drehte sich halb zu mir um:

„Donnerwetter“ sagte sie, „alle schon gelesen?“

„Zu vier Fünftel“ sagte ich und betrachtete sie von der Tür her.

„Was für ein Bild!“ sagte ich, „so müsste man dich malen oder fotografieren oder beides, das Bild trüge den Titel: Sex und Geist, oder nein: Körper und Geist. Oder noch besser: Nackte Schönheit vor Büchern.“

„Das sagst du nur, um mir zu schmeicheln...“

„Das sage ich so, weil ich es so meine: du siehst reizend aus.“

Ich nahm mein Glas von der Vitrine, wir stießen an, tranken einen Schluck, sahen uns an, nackt, wie wir uns gegenüber standen, da wurde Uschi plötzlich von Zweifeln gepackt:

„Hilfe, was tue ich hier? Was musst du von mir halten? Wenn das mein Mann erfährt?“

„Frage eins: du trinkst gerade Southern Comfort und siehst dir meine Bücher an. Frage zwei: ich halte dich für eine ausgesprochen begehrenswerte Frau, siehe unten“ (ich wies mit einer knappen Handbewegung auf meinen pralles Glied. Sie errötete), „und Frage drei: von mir erfährt er nichts. Und wenn du Lisa, dieser Plaudertasche nichts davon erzählst, besteht überhaupt keine Gefahr.“

Uschi lachte. Ich glaube, sie hatte schon ihr zweites Glas, denn ihre Augen glänzten und ihr Lachen geriet ein wenig außer Kontrolle. Dann noch einmal kurze Zweifel:

„Und mein Hintern ist wirklich nicht zu fett?“

„Oh nein, wie ich schon sagte: eine Herausforderung.“

„Wie meinst du denn das?“

Ich nahm ihr das Glas aus der Hand, führte ihre Hände auf ein Regalbrett des Bücherschranks und zog sie am Becken so weit vom Regal weg, bis ihr Oberkörper einen beinah rechten Winkel zum Regal und zu ihren Beinen bildete. Nun rundete sich der Hintern in voller Pracht. Dann knipste ich meine Leselampe an und hielt den Lichtstrahl auf ihren Po.

„Was machst du da mit mir, machst du dich über mich lustig?“

„Keinesfalls! Dein Hintern ist so schön wie der Mond...“

Sie drehte den Kopf nach mir um:

„Na hör mal“ Komplimente hören sich anders an...“

„Ich meine es aber so. Weißt du, dass der Mond fast nur im Deutschen männlich ist? In den meisten Sprachen ist er weiblich: la lune, la luna. Er ist mit seiner runden Form ein Sinnbild für Weiblichkeit. Dein Po hat eine perfekte Form, auch wenn er geringfügig größer ist als die Norm. Er ist wirklich ganz reizend. Dein ganzer Körper ist reizend!“

Uschi war nicht nur reizend, sie war auch ganz Kind des Zeitgeists. So duldete sie kein Haar an sich außer dem Haupthaar. Achselhöhlen, Arme, Beine, alles glattrasiert, auch die Scham. Die kleinen Sichelchen ihrer Schamlippen bildeten eine niedliche Insel an der Grenze zwischen Hintern und Beinansatz, eine Art Niemandsland und idealer Landeplatz für - ja, nun wurde ich richtig kindisch:

„Bist du bereit für die Landung? Mein Captain Kirk möchte gerne auf deinem Mond landen?“

Uschi verschluckte sich fast vor Lachen:

„Ja, im Prinzip schon, aber mir wär’s lieber, Captain Kirk trüge einen Raumanzug, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Oh ja, natürlich!“

Ich zog ein Kondom über.

„Captain Kirk ist klar zur Landung auf la Luna!“

„Spinner!“ lachte sie, „Okay, Captain Kirk kann jetzt ganz langsam landen.“

Captain Kirk landete nicht ganz so langsam wie er sollte, er kotzte vorzeitig den Raumanzug voll, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er blieb aber so standhaft, dass er nach kurzer Pause Lady Luna das erwartete Gastgeschenk machen konnte.

*

Katinka lachte sich scheckig über Captain Kirk! Das war so beruhigend weit weg von jeder Wahrscheinlichkeit.

„Unglaublich, welche Einfälle du hast, wenn du dich mal ein bisschen locker machst.“

Die Mondnummer war ihr dann aber doch zu albern, um sie eins zu eins nachzuvögeln.

Kapitel 6

Jede einzelne unserer Handlungen hat Folgen. Jeder weiß das und ich als Intellektueller hätte es erst recht wissen müssen. Natürlich kannten mich die Leute in unserer Straße - und auch wieder nicht. Für die einen wohnte da oben unter der Mansarde ein komischer Kauz, für andere ein arbeitsscheuer Künstler, der, wenn er wirklich was taugen würde, viel berühmter und reicher sein müsste. Die Berufsbezeichnung Philosoph wagte ich kaum zu benutzen, weil der Begriff von einigen wenigen glorifiziert und von den meisten anderen völlig falsch verstanden wird. Für diejenigen, die mit dem Geistesleben überhaupt nichts anfangen konnten, war ich schlicht, der „Herr Doktor“. Aber richtig Kontakt hatte ich mit niemandem, außer dem alten Herrn Stein im Parterre, der das Essen auf Rädern bekam und der, wann immer er mich auf dem Flur erwischte, mit dem „Herrn Doktor“ über die aktuelle politische Lage diskutieren wollte. Ohne meine auffällig elegante und äußerst erfolgreiche Katja hätten viele meiner Nachbarn mich vermutlich gar nicht wahrgenommen.

Natürlich fiel auf, dass der sonst so kontaktarme Schriftsteller in letzter Zeit häufig Besuch hatte: Damenbesuch. Das sehen die Leute im Vorbeigehen, das spricht sich herum. Das sagen sie einem nicht ins Gesicht und doch spürt man es irgendwie. Aus diesem Grunde brach Uschi nach etwa einer Woche unser Abenteuer ab, ehe ihr Mann Wind davon bekam.

Wozu aber richtige Eifersucht imstande ist, zeigte mir erst die Episode mit Sabine Feuerbach. Sie hat mich später veranlasst, einen vielbeachteten Essay über Eifersucht zu schreiben.

Sabine vernahm das Getuschel von jungen Müttern, die ihre Kinderwagen in den Park schoben und alten Klatschweibern, die mit schiefen Blicken meine Damenbesuche beobachteten und mit bissigen Kommentaren begleiteten. Sabine nahm nicht an dieser Empörung teil, ihr Wesen war eher von Toleranz geprägt. Und so fing ihre tief verschüttete Lust Feuer an der Vorstellung, da wohne ein lockerer Mensch, der sich hinwegsetzt über die Konventionen, unter denen unsere Lust normalerweise begraben liegt. Sabine hatte niedliche zwei Kinder von sieben und zehn Jahren und einen Mann, der als Maschinenschlosser tapfer Überstunden machte, um seinen Lieben jedes Jahr zwei Wochen Langeoog bieten zu können. Sabine liebte ihren Karl, der für seine Familie seine ganze Energie aufbot; der sich verzweifelt an die Gewerkschaft klammerte, obwohl sie ihm zu zahm war; der immer noch SPD wählte, obwohl er nicht mehr an ihre soziale Ader glaubte; der immer noch Kirchensteuer zahlte, obwohl er nicht mehr an Gott glaubte; der Lotto spielte, obwohl er nicht an einen Gewinn glaubte; den Mann, dessen einziger Halt sich „Gehalt“ nannte, die kümmerlichen 1800 Euro inklusive Kindergeld, plus, wenn er Glück hatte, 150 bis 200 Euro, wenn Überstunden anfielen. Sabine liebte diesen in Geduld stecken gebliebenen Mann, der sich zwang, dankbar zu sein, dass er noch nicht bei lebendigen Leibe in das Massengrab der Arbeitslosigkeit gekippt worden war; Karl, der ein Bild von seiner Frau und seinen Kindern neben der Werkbank hängen hatte, um sich immer in Erinnerung zu halten, für wen er den täglichen Leistungsdruck ertrug. Sabine liebte ihn, dem abends gegen neun Uhr die Augen vorm Fernseher zufielen, der sich ausruhen musste für den nächsten, harten Arbeitstag. Sabine hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie zu Hause bleiben konnte, während er sich da draußen für seine Familie schlug. Und Karl liebte Sabine, war aber zu erschöpft, ihr das angemessen zu zeigen. Feuerbachs waren Ende und Mitte Dreißig und hatten so gut wie keinen Sex mehr.

Und diese arme Sabine stand eines Tages vor meiner Tür und fragte den „Herrn Doktor“ um Rat. Ihre Freundin Lisa hätte ihr gesagt...

„...Lisa???“

„Ja, die mit den Pudeln. Sie sagte, sie seien so eine Art Therapeut...“

Ja, wer den Zufall an seiner Seite hat und eine Lisa im Nacken, dem gehen die Überraschungen nicht aus.

„Ich bin nicht sicher, ob Sie bei mir richtig sind, aber kommen Sie rein und erzählen erst mal, worum es geht.“

Nun, sie fühlte sich unsicher, so als Frau. Zwar geliebt, das schon, aber eben nicht mehr begehrt. Sie hätte Angst, ihren Karl zu verlieren, wenn sie nicht mehr attraktiv genug sei. In diesem Punkt konnte ich sie beruhigen, ohne zu lügen. Sabine war vollschlank, ein rosiges, mädchenhaftes Gesicht mit Lachfältchen in den Mundwinkeln, glatte, straffe Haut, eine gute Figur und einen Balkon zum Niederknien - ein Vollweib, wie man so schön sagt. Genau solche Worte brauchte sie. Bei unsicheren Menschen wie ihr reichen normalerweise bloße Worte schon aus. Aber entweder, Lisa hatte ihr eingeredet, sie müsse schon den Kelch bis zur Neige austrinken, wenn die Medizin wirken sollte, oder ihr Selbstwertgefühl war dermaßen im Keller, dass sie ohne den finalen Beweis den wohlfeilen Worten misstraute:

„Das sagen Sie nur so aus Höflichkeit, ne, dass sie mich wirklich sexy finden, oder?“

Ich musste es ihr also in der Tat beweisen und ich bewies es ihr gerne, auch wenn sich das Prozedere als äußerst sperrig erwies. Ich wollte sie küssen, da wehrte sie ab:

„Bitte nein, keine Liebe! Nur... nun, Sie wissen schon...“

„Verstehe“ sagte ich, „kommen Sie, wir trinken erst mal einen. Southern Comfort entspannt besser als Nordic Walking, sag ich immer, hehe!“ Sabine schmunzelte höflich über den dummen Scherz. Sie brauchte drei, ehe sie mir wieder in die Augen sehen konnte.

„Entschuldigen Sie, wenn ich mich so ungeschickt anstelle, aber ich hab noch nie...“

„Schon klar“ sagte ich, „wir trinken jetzt noch einen und dann denken Sie nur noch an sich. Nur DU bist wichtig, Sabine, für eine Viertelstunde bist ausnahmsweise nur DU wichtig, nichts sonst. Bitte setz‘ dich!“

Wir setzten uns auf das Sofa und ich begann, uns auszuziehen. Ihre Bluse, mein Hemd. Ihre Hose, meine Hose. Ihren BH, ihr Höschen, meine Unterhose. Das Sofa schien ihr zu schmal und zu unbehaglich, sie schob den Couchtisch zur Seite und legte sich auf den flauschigen Teppich. Lag da, stocksteif, und wartete geradezu unterwürfig auf meinen Einsatz. Ich dachte an meine neue Freundin, die Feministin: ‚Meine liebe Amelie Blank‘ dachte ich, ‚gewonnen habt ihr Emanzen euren Kampf erst, wenn Frauen keine Ejakulationsautomaten mehr sein WOLLEN! ‘

Ich drückte Sabines Knie auseinander und willig, wenngleich etwas zaghaft, gaben ihre Schenkel nach. Ich drückte sie nach außen bis zum Anschlag. Da lag sie vor mir, wie ein aufgeschlagenes Buch. Und was für eins! Ihre Scham war großflächig mit flauschig-weichem Haar bewachsen, aus dem eine rosa Spalte leuchtete. Mein Blick tastete sich weiter nach oben über den Bauchnabel bis zu ihren Wahnsinnsbrüsten, groß wie Brotlaibe und geschmeidig und fest wie Mozzarella. Mit Brustwarzen wie Kokosmakronen mit einem Krönchen aus Schokolade. So süß, so appetitlich. Ich begann ihre Brüste mit Küssen zu bedecken, meine rechte Hand machte sich weiter unten nützlich. Sabine schloss die Augen und keuchte. Ich sah sie mir noch einmal von oben bis unten an: unter mir lag eine Landkarte der Erotik, eine Wolke aus Sexappeal, ein Teppich aus - nein, Geilheit war das nicht, es war: ängstliche Lust. Und zwar deutlich mehr Angst als Lust. Sabine lag vor mir wie man auf dem Zahnarztstuhl sitzt und geduldig die Behandlung über sich ergehen lässt, um den Schmerz endlich loszuwerden. Liebe Sabine, sei tapfer, heute muss der Onkel Doktor leider bohren. Und weil der Onkel Doktor ein ausgesprochen angenehmes Arbeitsumfeld vorfand, war er ruck zuck fertig mit dem Bohren und es tat gar nicht weh. In ihrer Anspannung spürte sie kaum was davon. Sabine lächelte. Sie hatte es sich wohl schlimmer vorgestellt. Als dann, um im Bild zu bleiben, die Narkose nachließ, stellte sich der Operationsschmerz ein: das schlechtes Gewissen.

„Bloß nicht“ sagte ich, „nur weil du ein einziges Mal an dich selbst gedacht hast. Weißt du, wenn wir über längere Zeiträume hinweg im Alltäglichen versinken, verlieren wir unsere realistische Selbsteinschätzung. Um zu wissen, wo wir stehen, müssen wir uns rausbegeben, uns dem Urteil anderer aussetzen. Nichts anderes hast du getan. Jetzt weißt du wieder, dass du eine sehr begehrenswerte Frau bist. Dein Karl kann stolz auf dich sein.“

‚Wie viele solcher bedauernswerten Frauen gibt es noch‘, dachte ich, ‚die mit einem Bein im Mittelalter und mit dem anderen in der sexbesessenen Gegenwart stehen. Das Leben heute wird uns als permanente Jagd nach dem Glück dargestellt und das Glück besteht je zur Hälfte aus Geld und Sex. Dass man Geld hat, soll jeder sehen, und dass man Sex hat, soll jeder ahnen. Dieser Ahnung war nun entsprochen worden, das hatte Sabines Selbstzweifel erheblich gemindert. Insofern war ich ja doch so eine Art Therapeut.

*

Und doch handelte ich mir erstmals richtig negative Kritik ein. Katja gefiel diese Episode gar nicht:

„Was ist los mit dir, fällt dir nichts Aufregenderes ein, als ein verklemmtes Mauerblümchen zu vögeln? Und hier, diese Vergleiche: Brotlaibbrüste mit Mozzarellakonsistenz! Was hat dich denn da geritten? Und obendrauf Kokosmakronennippel! Geht es da noch um Sex oder ist das eine Anleitung zum Kannibalismus? Das ist Müll, Schatz, lass das weg, da fällt dir noch was Besseres ein. Und deine Koketterie mit dem frühzeitigen Samenerguss wird auch langsam zum Klischee...“

„Ja stimmt, je länger ich in diesem Buch arbeite, desto klischeehafter wird es. Vermutlich liegt es am Stoff. Die sexuellen Möglichkeiten sind nun mal extrem begrenzt. Es ist ein Tanz mit ewig gleichen Schritten. Und wie beschreibt man einen Tanz mit ewig gleichen Schritten? Wenn nicht mit ewig gleichen Worten, dann eben mit skurrilen Vergleichen. Hugenbach sagt, es reicht, wenn der Leser es sich vorstellen kann und ab und zu schmunzeln muss.“

„Okay, schreib wie du willst, es ist dein Buch...“

Wer von Ihnen, liebe Leser, selber schreibt, weiß, wie abträglich solche Gespräche während der Kreativphase sein können. Der oft nur mühsam hergestellte Schreibfluss lässt sich sehr leicht ablenken. Erschwerend kam hinzu, dass sich die Lust am Sex und die Lust am Schreiben diametral auseinander entwickelten. Im Klartext: je mehr Spaß am Sex, desto weniger am Schreiben. Ich rutschte in die erste Schreibhemmung.

Das allein wäre mir schon Krise genug gewesen, leider - siehe oben - haben alle unsere Handlungen Folgen und die letzte Episode hatte Folgen der unangenehmsten Art.

*

Eines späten Abends klingelte es. Ich saß noch im Arbeitszimmer, bei offener Tür. Katja drückte den Öffner für die Haustür unten, ich hörte schwere Schritte die Treppe heraufstapfen, bis eine angespannte, brüchige Stimme sagte:

„Feuerbach, mein Name, Karl, ich will nicht lange stören, ich habe nur eine einzige Frage an ihren Mann...“

„Immanuel?“

In Katjas Ton schwang höchste Skepsis mit. Ich ging zur Tür, im Flur stand ein schüchterner, verzweifelt wirkender Mann und knetete seine verlegen Mütze mit beiden Händen und wusste nicht recht, wie er anfangen sollte:

„Feuerbach, Karl, äh, ich habe eigentlich nur eine Frage: Haben Sie mit meiner Frau geschlafen?“

Ich machte ein fragendes Gesicht.

„Sabine“ sagte er knapp, „sie war doch bei Ihnen!“

Nun war ich es, der nach Worten rang:

„Bitte, kommen Sie erst mal rein. Darf ich Ihnen was zu trinken an-...“

„Danke nein, beantworten Sie nur meine Frage, dann bin ich schon wieder weg.“

„Nein, natürlich nicht!“ log ich ziemlich überzeugend, wie ich fand.

„Aber Sie war doch bei Ihnen, man hat sie gesehen...“

„So so, hat man das. Ja, es stimmt, eine Sabine war hier, aber eher aus Versehen. Jemand hat meinen Doktortitel falsch gedeutet und Sabine, äh, Ihrer Frau gesagt, ich sei ein Therapeut. Sie wollte einen Rat von mir, weil sie sich Sorgen machte - um Sie, Herr Feuerbach. Sie erzählte - oh Mann, ich hatte ihr versprochen, mit niemandem darüber zu sprechen - ich schwör’s, ich tu’s jetzt nur, um ein Missverständnis zu klären - sie erzählte mir von Ihren Problemen in der Firma, vom Druck, dem Sie ausgesetzt sind und dass sie kaum noch ausspannen können... Sabine war völlig ratlos, wollte irgendwas dagegen tun und wusste nicht was. Ich sagte: Tut mir leid, ich bin zwar Doktor, aber nur der Philosophie. Entschuldigung, sagte sie, da hat Lisa wohl was falsch verstanden. Aber dass ich mich endlich mal ausquatschen konnte, hilft auch schon ein bisschen. Ich sagte zu ihr, na, wenn ich wenigstens ein bisschen helfen konnte... das ist ja auch schon was wert.“

Karl wurde blass und krallte seine Hände mit aller Kraft in seine Mütze:

„Das war alles? Mehr war da nicht?“

„Nur ein bisschen die Seele streicheln, mehr war da nicht.“

„Dann entschuldigen Sie bitte...“

Er wollte gerade die Türklinke drücken, da brach er in Tränen aus, lehnte sich an und rutschte mit dem Rücken die Wand runter. In Hockstellung, die Mütze vor sein Gesicht gedrückt, wimmerte er:

„Bitte helfen Sie mir, ich habe... ich wollte... bitte kommen Sie mit mir, bitte helfen Sie mir...“

Ich bekam vor Aufregung kein Wort mehr heraus, auch Katja stand mit weit aufgerissenen Augen da und versuchte zu begreifen. Da fasste sie sich ein Herz:

„Nun, geh mit ihm, hilf ihm doch!“

Karl hatte seiner Familie ein kleines Häuschen gebaut, in der Neubausiedlung am andern Ende des Stadtparks. Auf dem Weg dorthin sagte er mehrmals:

„Ich danke Ihnen, ich war kurz davor, einen Riesenblödsinn zu machen...“

Als wir vor seinem Haus ankamen sagte er:

„Hätten Sie ja gesagt, hätten Sie und Sabine..., dann wäre das alles weggewesen.“

„Wie weggewesen?“

„Kommen Sie, ich zeig’s Ihnen!“

Karl bat mich ins Haus. Sabine und die Kinder schliefen auf dem Sofa.

„Ich hab ihnen was gegeben“ sagte Karl, „die werden vor morgen früh nicht wach.“

Dann deutete er auf die Kanister. An die zwanzig Kanister mit Benzin hatte er im Haus verteilt.

„Hätten Sie ja gesagt, wäre das alles mit uns in die Luft geflogen.“

Jetzt war ich derjenige der bleich wurde.

„Karl“ sagte ich, „Sabine liebt Sie. Sie wollte ihre Ehe retten, nur deshalb kam sie zu mir, glauben Sie mir. Und vor allem: glauben Sie Sabine. Vertrauen ist so wichtig. Los, wir bringen das jetzt rasch weg, ehe es jemand sieht.“

Dann schleppten wir die Kanister in die Garage.

„Kann ich mich verlassen, dass Sie keinen Blödsinn mehr machen.“

„Versprochen!“ sagte Karl und ich wusste, dass auf seine Versprechen mehr Verlass war, als auf meine.

*

Katja fragte mich, nachdem ich mit weichen Knien zu Hause angekommen war und ihr die knapp verhinderte Katastrophe geschildert hatte:

„Warum hast du mir nichts davon erzählt?“

„Weil... weil ich Frau Feuerbach versprochen hatte, nicht darüber zu reden.“

Meine Frau nahm meine Antwort zur Kenntnis, hinreichend überzeugt schien sie nicht. Es war nach Lisa nun schon das zweite Mal, dass ich meine Erzählungen nachträglich korrigieren musste.

Tut mir leid, liebe LeserInnen, dass ich Ihnen diese bittere Episode nicht ersparen konnte. Aber wenn Sie geglaubt haben, Sex und Spaß seien eins, dann haben sie sich geschnitten. Ich muss Ihnen die traurige Geschichte von Sabine und Karl erzählen, weil sie mich dermaßen heruntergezogen hat, dass es nicht mehr weiterging. Mein Buch, meine ich. Wenn meine „Recherchen“ solche Folgen haben konnten, wenn ein bisschen herumvögeln zur Katastrophe führen konnte, dann machte das nicht nur meine Nachforschungen schwierig, es stellte mein Projekt insgesamt in Frage. Innerlich rutschte ich in den triumphierenden Rechthabermodus. Ich hatte gute Lust Hugenbach ins Gesicht zu schreien: Da sehen Sie, wohin der Blödsinn führen kann, ich war von Anfang an dagegen! Doch hielt mich eine Art gewohnheitsmäßiger Ehrgeiz davon ab: jede begonnene Arbeit hat ein Recht, fertiggestellt zu werden, das ist man sich selbst schuldig, und mittendrin aufgeben bedeutet immer auch verschwendete Zeit. Außerdem hatte ich mir vorgenommen, den Verlag zu retten; ja, sagte ich mir, um den Verlag geht es, um die Mitarbeiter, und nicht um Edgar, das Arschloch.

Aber tief unter all diesen vernünftigen Gründen hoffte meine erwachte Geilheit schon auf ein nächstes Abenteuer. Doch weder der Zufall, noch Lisa wollten mir diesmal weiter zuarbeiten.

Apropos Lisa: ich war wirklich sauer auf sie, wollte sie ernsthaft zur Rede stellen, doch hielt ich am Fenster vergebens nach ihr Ausschau. Sie führte ihre Hunde nicht mehr aus. Von Uschi, ihrer Nachbarin erfuhr ich, dass Lisa ihre Hunde wieder wegegeben hatte. Lisa war eine Frau, die immer auf der Suche nach Abwechslung war. Genau genommen auf der Suche nach einem anderen Leben. Oder noch genauer, nach dem richtigen Leben. Nach ihrem Leben. Und bei dieser Suche graste sie das gesamte menschliche Spektrum ab: war sie heute von Menschen enttäuscht, wandte sie sich morgen Tieren zu. „Hunde sind die besseren Menschen.“ Nach einigen Monaten waren dann die Pudel (resp. Möpse) langweilig geworden. Lisa konnte heute Drogen nehmen und morgen Asketin werden. Heute Einsiedlerin, morgen Partygirl. Selbst der Übergang von der Veganerin zur Kannibalin würde ihr fließend gelingen, frei nach Rodriguez: „Man muss im Leben immer alles probieren!“

Als ich sie einmal zufällig in der Stadt traf, warf ich ihr vor, wir hätten mit unserem Leichtsinn beinahe Feuerbachs Leben zerstört. Lisa war entsetzt, als sie Feuerbachs Geschichte hörte. Sie schmollte. Einmal aus Eitelkeit, sie hatte den Abbruch unserer losen Affäre noch immer nicht ganz verdaut. Besonders sauer war sie aber, dass ich ihr eine Mitschuld an dem Beinahe-Drama gab. Die wenigen Male, die wir uns darauf noch begegneten, im Park, auf der Straße, sah sie demonstrativ zur Seite. War mir egal, sollte sie ruhig böse auf mich sein, Hauptsache, sie fühlte sich mitschuldig. Was mir offenbar gelungen war.

Was mir nicht gelang, war, meinen Schreibfluss wieder zu finden.

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