Kitabı oku: «Der Sinn und Wert des Lebens», sayfa 4
Versuch eines Aufbaus
Die Eröffnung eines neuen Lebens
Der Aufstieg zur Hauptthese
Um eine neue Höhe zu erklimmen, gilt es zunächst den Ausgangspunkt richtig zu wählen; es kann dieser aber für unser Werk kein anderer sein als das Leben selbst, das Leben zunächst dem bloßen Umrisse nach mit Vorbehalt aller näheren Bestimmung. Denn was immer uns an Tatsachen oder an Tätigkeiten begegnet, das setzt das Leben voraus und liegt innerhalb seines Bereiches; auch seine Beschaffenheit hängt wesentlich an dem, was sich beim Ganzen des Lebens herausstellt. Wenn demnach von diesem Ganzen zu beginnen ist, so wird die erste Frage dahin gehen, ob es einfacher Art ist, oder ob es verschiedene Arten und Stufen in sich trägt. Nun bildet den ersten Angriffspunkt zur Beantwortung dieser Frage die Tatsache, daß das Gefüge der uns umgebenden Natur sich mit seinen Kräften und Gesetzen weit auch in das seelische Gebiet erstreckt; unverkennbar bilden wir auch innerlich weithin ein Stück der Natur. Denn wie in der Natur so treffen auch in einer gewissen Fläche des Seelenlebens lauter einzelne Elemente zusammen, bilden kleinere oder größere Verkettungen und Zusammenhänge, die sich aller bewußten Einwirkung entziehen; der gesamte Komplex aber ist in einer Selbstbehauptung gegenüber der Umgebung begriffen, die unablässig auf ihn eindringt, aller Antrieb kommt hier von draußen, und nach draußen hin geht alles Streben; so wird das Leben ein Austausch von Wirkung und Gegenwirkung, es ist, was es ist, nicht für sich, sondern nur zusammen mit anderem und in der Beziehung auf anderes. Ein derartiges Geschehen bildet ein großes Stück unseres menschlichen Lebens, ein weit größeres, als unser Bewußtsein ihm zuzuerkennen pflegt. Aber zugleich ist darauf zu bestehen, daß unser Leben sich nicht in diese Art erschöpft, daß es mit kräftigen Bewegungen ihren Rahmen durchbricht, und daß diese Bewegungen sich zum Ganzen einer neuen Art verbinden, die eine Selbständigkeit gegenüber der bloßen Natur erweist. Sehen wir, wie sich das näher ausnimmt.
Wie auf der Naturstufe alles Leben aus den gegenseitigen Berührungen einzelner Punkte hervorgeht und zwischen diesen verläuft, so ist es gebundener und damit sinnlicher Art, es trägt durch und durch ein sinnliches Gepräge; diese sinnliche Art kann verblassen und übersehen werden, nie aber kann sie völlig verschwinden; soweit das Naturgeschehen reicht, kann sich nichts von ihr befreien und ihr selbständig entgegentreten. Nun aber erscheint beim Menschen eine derartige Befreiung, und zwar nicht nur in vereinzelten Zügen, sondern in einer Gesamtentfaltung des Lebens, in der Entfaltung nämlich, die vom Denken getragen wird. Denn in diesem erscheint eine Kraft der Selbsttätigkeit und der Selbständigkeit, mit ihrer Hilfe vermag der Mensch die Bindung an die Umgebung zu zerreißen, dieser gebieterisch entgegenzutreten und seine Macht an ihr zu erweisen; ein auf Denken gestelltes Leben bringt eigene Forderungen an die Dinge und zwingt sie, sich ihnen zu fügen. Solche Selbständigkeit kann aber das Denken nicht erweisen, ohne mit einer überlegenen Einheit die einzelnen Vorgänge zu umspannen und sie miteinander zu verbinden, das aber nicht nach ihrer sinnlichen Nähe, sondern nach einer sachlichen Zusammengehörigkeit, die vom bloßsinnlichen Dasein aus völlig rätselhaft scheinen muß. Ein Gesamtentwurf geht hier voran und wirkt im Fortschreiten vom Ganzen zum Einzelnen zur Gliederung und Abstufung des gesamten Bereiches; gegenüber der bloßen Anhäufung der sinnlichen Elemente erscheint ein von Gedanken beherrschtes Ganzes, ein System, das jenes Ganze den einzelnen Stellen gegenwärtig hält und sie dadurch erhöht. Hand in Hand damit vollzieht das Denken eine Ablösung des Gegenstandes vom menschlichen Befinden und die Zuerkennung einer eigenen Art und eines eigenen Rechtes an ihn; das besagt eine durchgreifende Scheidung, die Nebel des ersten Anblicks weichen, klar erhebt sich vor uns die Welt. Aber die Scheidung bildet nicht den letzten Abschluß, der Mensch hört nicht auf, kraft seines Denkens sich mit dem zeitweilig ferngerückten Gegenstand zu befassen und ihn möglichst zu sich zurückzuziehen; indem das gelingt, erfolgt eine innere Erweiterung des Lebens, und es entsteht ein selbständiger Lebenskreis; diese Bewegung treibt schließlich zum Gedanken eines bei sich selbst befindlichen Zusammenhanges, einer allumfassenden Wirklichkeit. Eine solche wird nicht von draußen dargeboten, sie kann nur von innen her entspringen.
Im Zusammenwirken alles dessen erwächst mehr und mehr gegenüber dem sinnlichen Dasein eine vom Gedanken getragene, eine unsinnliche Welt; die Menschengeschichte erweist durch ihren Gesamtverlauf ein unablässiges Vordringen dieser gegen jenes, eine fortgehende Verschiebung vom Sinnlichen ins Unsinnliche, damit aber eine Erhebung des Menschen über die Stufe der bloßen Natur. Mehr und mehr verlegt sich nämlich das Leben in Gedankengrößen und wird seine Bewegung ein Kampf dieser Größen. Wie ein vordringendes Leben das Sinnliche zu bloßen Mitteln und Werkzeugen seines Strebens macht, das zeigt besonders greifbar die Sprache, nicht minder aber das Recht und die Religion, auch das Weltbild der Wissenschaft hebt sich immer deutlicher von dem des naiven Menschen ab und läßt uns damit in zwei Welten leben. In allen diesen Stücken hat die Neuzeit einen tüchtigen Ruck vorwärts gemacht, denn wo hat je das Leben so sehr wie hier seinen Hauptantrieb und seine Hauptkraft aus der Bewegung von Ideen und Prinzipien gezogen? So dürfen wir wohl von einer Umkehrung des Lebens reden, die sich in der Gesamtgeschichte bei uns vollzieht; was ein bloßer Anhang war, das macht sich als die Hauptsache geltend, und was zunächst die ganze Welt bedeutete, das wird mehr und mehr zu einer bloßen Umgebung.
Die Folgen solcher Wandlung erstrecken sich aber in alle Verzweigung des seelischen Lebens hinein und ergeben durchgängig mehr Selbständigkeit, mehr Wirken aus dem Ganzen, mehr Erhebung über die bloße Zuständlichkeit durch Ausbildung eines Reiches der Gegenstände. Aus solchem Selbständigwerden des Lebens baut das Erkennen ein Reich der Begriffe gegenüber dem sinnlichen Eindruck auf, vermag aber auch das Fühlen sich dem sinnlichen Reiz zu entwinden und Freude und Schmerz aus unsinnlichen Größen zu schöpfen. Wie weit hat sich oft das, was die Menschen als höchstes Gut erstrebten, vom sinnlichen Wohlsein entfernt, wie oft geriet es mit diesem in schroffen Widerspruch! Ohne die Kraft, diesen zu ertragen, hätte es schwerlich Helden und Märtyrer gegeben. Das menschliche Wollen zeigt eine verwandte Bewegungsrichtung, indem es sich dem dunklen Zwange des Naturtriebs zu entwinden, eine eigene Entscheidung zu treffen, eine eigene Bahn zu verfolgen vermag. Was dabei an inneren Kämpfen entsteht, das ist grundverschieden von allem Zusammenstoß nach draußen hin. – Solches Selbständigwerden des Inneren wird begleitet von einer Erhebung aller Lebensbewegung über das bloße Nebeneinander einzelner Punkte. So im System der Wissenschaft mit seiner Bewegung vom Ganzen zum Einzelnen, seiner Durchgliederung des ganzen Bereiches; so im Verlangen eines Gesamtstandes des Wohlseins, der auf die Schätzung der Einzelerlebnisse zurückwirkt und wohl gar Freude in Schmerz, Schmerz in Freude verwandeln kann; so auch in der Unterordnung aller einzelnen Bestrebungen unter ein beherrschendes Gesamtziel und ihre Bemessung nach der Leistung dafür. In Wahrheit haben auf religiösem, politischem, sozialem Gebiet nur solche Bewegungen die Hingebung und die Kraft des ganzen Menschen gewonnen, welche ihm einen neuen Gesamtstand verhießen; daß alle Verbesserungen im Einzelnen dagegen nicht aufkommen können, das haben die Mittelparteien oft zu ihrem Schaden erfahren. – Endlich zeigt alle Verzweigung des Lebens eine Bewegung zur Scheidung und Wiederverbindung, darin aber eine Überwindung der anfänglichen Verworrenheit und eine Bildung eigener Lebenskreise; so tut es die Wissenschaft mit ihrer Scheidung von Subjekt und Objekt und ihrem Erstreben einer gegenständlichen Wahrheit; so konnte das Gefühl Liebe und Mitleid von der Enge des bloßen Punktes befreien und sie die innerste Seele großer Weltreligionen werden lassen, so konnte es in anderer Richtung reine Freude aus dem Recht und dem Fortgang der Sache schöpfen; das Streben nach dem höchsten Gut aber fand die Befriedigung des bloßen Subjekts viel zu klein, es wollte ein Weiterkommen im eigenen Bestande, es wollte nicht dem Menschen, wie er sich unmittelbar darstellt, genügen, es wollte mehr aus dem Menschen machen, ihm ein neues Selbst bereiten. In allen diesen Bewegungen erscheint unverkennbar der Aufstieg eines neuen Lebens.
Denn wir brauchen nur, was im Einzelnen leicht als selbstverständlich hingenommen wird, ins Ganze zu fassen, um eine durchgreifende Wendung in ihm zu entdecken, die auch auf das Weltbild wirken muß. Wenn das Denken nicht bloß eine vorgefundene Welt so oder so zurechtlegt, sondern das Gefäß eines selbständigen Lebens wird, beginnt damit nicht eine neue Ordnung? Eine Innerlichkeit entsteht, die mit aller sinnlichen Gebundenheit bricht und sich auf sich selber stellt; verkündet das nicht eine andere Welt? Und ist das geschilderte Leben aus dem Ganzen, ist ferner das Sichselbersuchen des Lebens durch ein Auseinandertreten und Wiederzusammengehen hindurch nicht ein Zeugnis für einen von Grund aus neuen Aufbau?
Daß diese Bewegung wie aller bloßen Natur so auch aller menschlichen Willkür weit überlegen ist, das erhellt besonders deutlich aus dem Erscheinen neuer Lebensformen, das damit verbunden ist. Solche Lebensformen erscheinen namentlich in der Arbeit und im geistigen Schaffen. Beide wollen uns den Gegenstand näher bringen und durch ihn gewinnen lassen, aber die Arbeit behandelt jenen als uns gegenüberliegend, während das Schaffen ihn in das eigene Leben hineinzieht und von hier aus zu entwickeln sucht; so bleibt das Verhältnis dort ein äußeres, während es sich beim Schaffen ins Innere zu wenden sucht. Bei der Arbeit ein Messen der menschlichen Kraft mit der gegenständlichen Welt, eine intellektuelle, technische, praktische Unterwerfung dieser, damit nicht nur eine unermeßliche Erweiterung, sondern auch eine Befestigung des Lebens, der Gewinn eines Weltbewußtseins. Aber bei aller Größe behält die Arbeit eine Schranke, über die es hinaus zum Schaffen drängt. Denn wie jene die Sache nur als ein Gegenüber behandelt, so vermag sie nicht sie innerlich an sich zu ziehen, so setzt sie nicht sowohl das Ganze der Seele als einzelne Kräfte in Bewegung und fördert mehr diese als jene; das der Stufe der Arbeit angehörige Forschen führt noch nicht zu einem Gehalt der Dinge, und alles praktische und soziale Wirken zur Hebung der menschlichen Lage mag noch so sehr die Kräfte verketten, es verbindet damit keineswegs schon die Seelen und schützt sie nicht durch eine gemeinsame Innenwelt vor schmerzlicher Vereinsamung. Mag daher diese Stufe der Arbeit den Hauptschauplatz unseres Wirkens bilden, sie bringt nicht unser Streben zum Abschluß; es kann trotz aller Gefahr einer Irrung und Verirrung nicht umhin, auch eine innere Überwindung des Gegensatzes von Kraft und Gegenstand, von Mensch und Welt zu fordern; eine solche aber kann nur einem Schaffen gelingen, das jenen Gegensatz von innen her umspannt und aus einem überlegenen Wirken seine beiden Seiten belebt und erhöht. Daß solche Forderung kein müßiger Einfall ist, das zeigt die Tatsache der Kunst mit ihrer Überwindung des Gegensatzes von Subjekt und Objekt im Schaffen und Schauen, das zeigt aber auch echte Liebe mit der Bildung eines inneren Zusammenhanges, der aus seinen Gliedern weit mehr macht, als sie in der Vereinzelung sind. Wie weit das menschliche Leben diese Stufe zu erklimmen vermag, das ist eine Frage für sich, aber schon das Verlangen danach bekundet den Aufstieg zu einer neuen Höhe; nur in Erfüllung dieses Verlangens ist entstanden, was in Religion, Philosophie und Kunst dem menschlichen Zusammensein eine Seele gab und von bloßer Zivilisation eine Geisteskultur abhob. Alle Aussicht auf diese Höhe versperren, das heißt auf ein tieferes Verständnis des menschlichen Strebens verzichten; ja es wird sich wohl zeigen, daß, was hier als die äußerste Höhe erscheint, schon von Anfang an gewirkt haben muß, um eine Bewegung über die bloße Natur hinaus überhaupt hervorzubringen; auch der Arbeit muß es schon als Antrieb und Hoffnung gegenwärtig sein.
Wie haben wir diese Bewegung zu einem neuen Leben zu verstehen, wie ihren Ursprung zu erklären? Ausgeschlossen ist durch alle bisherige Betrachtung eine Ableitung von der bloßen Natur her; es kann das nur unternehmen, wer über den natürlichen Bedingungen auch alles Höheren den ihm eigentümlichen Gehalt vergißt, der doch schließlich die Hauptsache bildet. Aber Bedingungen für schaffende Gründe auszugeben, das ist ja leider ein Fehler, den die heutige Forschung oft begeht. Scheidet für uns die Natur hier aus, so bleibt als Erzeuger des neuen Lebens in unserem Erfahrungskreise nur der Mensch. Aber beim Menschen, wie er leibt und lebt, ist das neue Leben viel zu matt und schwach, um sich gegen die alte Art durchzusetzen; auch ist es hier mit dieser viel zu sehr vermengt und an sie gebunden, um sich in ein Ganzes zusammenzuschließen und sich zu reiner Gestalt auszuprägen. Dazu würde das neue Leben als Erzeugnis des bloßen Menschen zugleich ein Werk des einzelnen Menschen sein; die unbegrenzte Mannigfaltigkeit der individuellen Sorgen und Geschicke würde es dann aber gänzlich auseinanderfallen lassen, ohne daß sich die mindeste Möglichkeit böte, solcher Auflösung entgegenzuwirken. So blieben wir im Widerspruch stecken und müßten allen Antrieb zum Weiterstreben verlieren, wenn nicht noch eine andere Möglichkeit und damit ein Ausweg bestünde. Diese Möglichkeit aber kann keine andere sein als die, daß das neue Leben nicht von uns Menschen erzeugt, sondern uns mitgeteilt wird, daß es in uns erscheint und zwar als Eröffnung einer neuen Stufe, die wir nicht von uns aus bereiten, die wir nur aufzunehmen und weiterzuführen haben. Einen solchen übermenschlichen Ursprung verrät schon der weite Abstand, ja schroffe Gegensatz der Grundformen des neuen Lebens, wie sie uns namentlich Arbeit und Schaffen zeigten, und der Beschaffenheit des menschlichen Daseins. Dieses bietet ein bloßes Nebeneinander und Durcheinander; Arbeit und Schaffen verlangen einen inneren Zusammenhang und ein gemeinsames Reich der Wahrheit, nur ein solches macht es verständlich, daß sie jede Behauptung und Leistung als allgemeingültig geben. Der natürliche Mensch ist in seinen Zustand eingeschlossen und berührt den Gegenstand nur von außen; Arbeit und Schaffen überwinden die Kluft und stellen einen Zusammenhang her, die Arbeit mehr von außen, das Schaffen rein von innen. Der Mensch steht in der Zeit und unterliegt einem ständigen Wechsel, sein Leben ist ein Dahingleiten von Augenblick zu Augenblick; Arbeit und Schaffen fordern für ihre Erzeugnisse eine Überlegenheit gegen die Zeit, ein Beharren gegenüber allem Wechsel. Der natürliche Mensch mißt den Wert der Dinge nach der Wirkung auf sein Befinden, Arbeit und Schaffen geben den Dingen selbst einen Wert und lassen diesen Wert uns unmittelbar bewegen; so nur kann sich ein Gutes und Schönes von dem Angenehmen und Nützlichen scheiden.
Kurz, wir gewahren bis in die Grundformen hinein im neuen Leben eine Bewegung zu einer neuen Welt; eine derartige Bewegung kann nicht von den bloßen Punkten, sie kann nur von einer Welt selbst aufgebracht sein. Wir haben daher in dem neuen Leben eine neue Stufe des Weltlebens anzuerkennen, worin es nicht mehr in die Beziehungen einzelner Elemente sowie in die Selbsterhaltung von Punkten gegen Punkte aufgeht, sondern wo es sich in ein Ganzes zusammenfaßt und in der Entfaltung dieses Ganzen neue Ziele gewinnt. Damit vollzieht sich im Seelenleben eine durchgreifende Veränderung. Auf der Naturstufe tierischen Lebens steht alle seelische Leistung im Dienst der natürlichen Selbsterhaltung des Einzelnen wie der Gattung; was immer jenes Leben an Klugheit und Geschicklichkeit aufbringen mag, das setzt, soweit unsere Wahrnehmung reicht, jener Selbsterhaltung gegenüber keine neuen Ziele; auch sehen wir nicht, daß hier eine Selbsttätigkeit der Gebundenheit der Triebe und Vorstellungsverkettungen entwüchse und sich neue Wege bahnte. Ein derart in lauter einzelne Fäden zerlegtes und lediglich im Nebeneinander verlaufendes Leben käme nie zu irgendwelchem Beisichselbstsein, nie zu einer selbständigen Innerlichkeit, daher auch nie zu etwas, was Gehalt heißen könnte; ist nun tatsächlich in der Menschheit eine derartige Innerlichkeit mit einem Gehalt erschienen, so muß die Außenwelt bei allem unermeßlichen Getriebe als eine völlige Leere erscheinen, als ein ungeheurer Widerspruch; welche Fülle von Kraft und Kampf, welche Mühe der Lebenserhaltung, und das alles in fortwährender Selbstaufhebung begriffen, das Ergebnis des Ganzen ein Nichts! Trotzdem müßten wir uns den Widerspruch als letzten Abschluß gefallen lassen, erschiene nicht im menschlichen Leben, wenn auch nicht seiner ganzen Ausdehnung nach, so doch mit unbestreitbarer Tatsächlichkeit eine neue Art des Lebens, ein Leben aus dem Ganzen und Innern, ein Leben, das ein Beisichselbstsein erreicht und einen Inhalt zu entwickeln strebt. So haben wir in diesem Leben das Durchbrechen einer neuen Stufe des Weltlebens anzuerkennen, wir überzeugen uns, daß das All mehr ist als bloße Natur, daß sich in ihm eine Fortbewegung vollzieht, indem die Wirklichkeit eine Tiefe entwickelt und in sie den Menschen hineinzieht. Indem so das Innere selbständig wird, erlangt der Begriff des Geistes und des Geistigen erst einen deutlichen Sinn; nun bezeichnet er nicht bloß eine besondere Seite des Seelenlebens, sondern die selbständig gewordene Innerlichkeit; der Hauptabschnitt der Welt liegt dann nicht zwischen Äußerem und Innerem, zwischen Natur und Seele, sondern zwischen gebundener und freier Innerlichkeit, zwischen einer auch die niedere Stufe der Seele umfassenden Natur und der Stufe des Geisteslebens.
Die Entwicklung der Hauptthese
Unsere bisherige Untersuchung führte zu dem Ergebnis, daß, was an Aufstieg des Lebens bei der Menschheit vorliegt, nicht eigenem Vermögen des bloßen Menschen entstammen kann, sondern das Wirken eines überlegenen Lebens erweist. Das aber verändert wesentlich den Anblick und auch die Aufgabe unseres Lebens. Denn wenn so unser Leben nicht einen in sich abgeschlossenen Kreis bedeutet, sondern sich als ein Gesetztsein durch ein überlegenes Leben, als Wirkung einer Ursache darstellt, so muß es zu einem zwingenden Antriebe werden, uns möglichst in jene Ursache zu versetzen, damit zu klären, was bei uns vorgeht, auch seine einzelnen Züge fester zusammenzuschließen, ferner die eigene Kraft durch die Herstellung einer Verbindung mit den schaffenden Gründen zu stärken. Es gilt zu den Quellen zurückzugehen, um der Gebundenheit und Verworrenheit überlegen zu werden, die uns fesselt und niederdrückt, es gilt von da aus in frischen Fluß zu versetzen, was sonst träge und matt dahinschleicht. Mit der Ursache wird uns ein Ideal vorgehalten, das zugleich zur erweckenden Kraft bei uns wird, das mehr aus uns zu machen und unserem Leben mehr Sinn zu geben verspricht. Was bei uns als bloßes Streben vorliegt, das muß in der Ursache Volltat sein, damit es unser Streben erzeugen kann, als solche aber wird es auch inhaltlich den bei uns erreichten Stand weit überschreiten.
Es erscheint im Bereich des Menschen ein Überschreiten des bloßen Nebeneinander, ein starkes Verlangen nach inneren Zusammenhängen, ja nach möglichster Gestaltung des Lebens von einer beherrschenden Einheit her. Diese Bewegung aber schwebt in der Luft und muß an den harten Widerständen des natürlichen Daseins scheitern, wenn nicht das Leben von Grund aus ein Ganzes bildet, wenn nicht ein Gesamtleben, eine Welteinheit geistiger Art besteht und wirkt; so wenig unser Vorstellen diese Einheit zu fassen vermag, sie bleibt die Grundvoraussetzung der Bildung einer neuen Lebensstufe gegenüber der der Natur, einer Welt ist nur eine Welt, nicht der bloße Mensch gewachsen. Die Anerkennung solcher Welteinheit muß aber dahin drängen, alles, was an Verzweigung geistigen Lebens bei uns vorliegt, von einer umfassenden Einheit her zu verstehen, es dadurch zu beleben und zu erhöhen.
Wie so der Bewegung zur Einheit, so ist auch der zur Innerlichkeit eine Überlegenheit gegen den bloßen Menschen zuzuerkennen, wenn, was bei uns in jener Richtung vorgeht, nicht ins Leere fallen soll. Denn was beim Menschen an eigentümlicher Innerlichkeit erschien, das wollte kein bloßer Nachklang, auch kein bloßes Abbild bleiben, sondern das wollte einen selbständigen Lebenskreis bilden, das wollte eine Innenwelt werden. Wie könnte es aber das unternehmen, wie könnte es in seinen Bereich die ganze Weite hineinzuziehen suchen, wäre das All ein seelenloses Nebeneinander, bestünde nicht auch in ihm als einem Ganzen eine Innerlichkeit, auch das natürlich in voller Überlegenheit gegen unser Vorstellungsvermögen. Dabei bleibt es: entweder erlangt bei uns die Innerlichkeit keine Selbständigkeit, oder sie ist in einem Innenleben der Welt begründet.
Das Selbständigwerden aber, das allein echte Innerlichkeit entstehen läßt, verlangt eine Stellung des Lebens auf eigene Tat; so gibt es keine Innerlichkeit der Welt ohne das Entstehen einer Tatwelt gegenüber dem Dasein, das uns zunächst umfängt; auch die Welt als Ganzes muß schließlich in einer Gesamttat begründet sein, sonst kann die Tatwelt nicht dem Dasein gewachsen und überlegen werden.
Die Tatwelt darf aber, um volle Selbständigkeit und Selbstgenugsamkeit zu besitzen, nichts außer sich liegen lassen, sie muß alles an sich ziehen und von sich aus zu gestalten suchen; das erklärt auch den Trieb zur Unendlichkeit, der dem menschlichen Streben innewohnt, es nimmer ruhen und rasten läßt. Diese Forderung der Selbstgenugsamkeit geht aber nicht nur nach außen, sondern auch nach innen, die Tätigkeit darf nicht an etwas anderem haften und an es gebunden bleiben, sie muß ganz auf sich selber stehen; das aber kann sie nicht, wenn sie irgendwelches Sein außer sich duldet und bloß an ihm sich zu schaffen macht; so muß sie, was sie an Sein anerkennt, aus sich selbst hervorbringen, zugleich den Begriff des Seins aber gegen die gewöhnliche Fassung wesentlich umgestalten. Von einem Sein innerhalb des Lebens kann nur die Rede sein, sofern verlangt wird, daß ein Ganzes des Lebens an jeder einzelnen Stelle gegenwärtig sei, damit das Leben sich eine Tiefe gebe und seine Ausbreitung zum Ausdruck dieser Tiefe gestalte. Das macht erst die Forderung verständlich, daß der Mensch im Handeln etwas sei, gemäß dem Schillerschen Worte: »Gemeine Naturen zahlen mit dem, was sie tun, edle mit dem, was sie sind.« Denn offenbar bezeichnet hier das Sein nicht ein hinter dem Leben befindliches Ding, sondern eine ihm selbst gegenwärtige Einheit und Tiefe. Mit ihrer Bildung vollzieht sich eine innere Abstufung des Lebens, und es rechtfertigt sich damit erst die Bedeutung, welche wir Begriffen wie Gesinnung, Überzeugung, Denkart usw. zuzuerkennen pflegen. Eine solche Anerkennung eines Seins im Leben befreit uns auch von der Alleinherrschaft des »Dinges an sich«, das, unserem Verhältnis zur Außenwelt entsprungen und dafür berechtigt, bei Übertragung auf die innere Welt alles Wahrheitsstreben lähmen, ja zerstören müßte. Denn wenn uns auch unsere Seele zur Außenwelt wird, so besteht keine Möglichkeit einer Wahrheit.
Damit aber das Ganze des Selbst die Ausbreitung des Lebens voll durchdringe, darf die Mannigfaltigkeit des Tuns nicht ein bloßes Nebeneinander bleiben, sondern sie muß zu einem festen Zusammenhange verbunden werden, in dem alles Einzelne einander ergänzt und sich gegenseitig näher bestimmt, zugleich aber das Ganze einen eigentümlichen Charakter ausprägt. So entstehen zunächst einzelne Gebiete geschlossener Art, über sie alle hinaus aber drängt es zum Schaffen eines Gesamtzusammenhanges, und erst ein solches Gesamtwerk ergibt etwas, das in vollem Sinne Wirklichkeit genannt werden darf. Wir erkannten in Arbeit und Schaffen bei uns eine Bewegung zur Hervorbringung einer Wirklichkeit, da erst mit ihrer Erreichung das Leben eine Festigkeit und einen bestimmten Gehalt gewinnt, ja erst vollständiges Leben wird. Da eine derartige Wirklichkeit letzthin aber nur von innen her, als eine Selbstentfaltung des Lebens entstehen kann, dieses aber eine Welt in sich tragen muß, so erkennen wir wiederum das Angewiesensein des Menschen auf ein umfassendes Weltgeschehen; ohne ein Wurzeln darin und ein Schöpfen daraus ist alles menschliche Streben nach Herstellung einer Wirklichkeit und damit nach Vollendung des Lebens verloren. Denn nur so hört der Geist auf, bloß über den Wassern zu schweben, nur so kommt er in volles Schaffen hinein und findet sich selbst in solchem Schaffen.
Durchgängig erhellte, daß bei dem Aufstieg, der durch unser Leben geht, nicht einem vorhandenen Stande nur dieses oder jenes hinzugefügt oder auch jenem eine besondere Richtung gegeben wird, sondern daß die Frage viel tiefer geht. Sie geht auf das Ganze des Lebens selbst: dieses hat sich aus einem bloß anhangenden Halb- und Scheinleben zu selbständigem und echtem Leben erst zu erheben, alle besonderen Aufgaben sind nur Stücke und Seiten dieser einen Gesamtaufgabe, und es ist ihre Lösung letzthin an die Entscheidung über diese gebunden. An solchem Erringen eines wahrhaftigen Lebens, eines Lebens, das bei sich selber ist und einen Inhalt besitzt, arbeitet die ganze Menschengeschichte, sofern sie geistige Züge trägt; sie erhält ihren tiefsten Sinn und zugleich ihre stärkste Kraft daraus, daß in ihr das Leben in unserem Bereich sich selber sucht; sie verläuft nicht auf gegebener Grundlage, sondern sie ist in stetem Mühen um einen sicheren Grund begriffen.
So ist das Leben in seiner neuen Erschließung allem Wunsch und Vermögen des bloßen Menschen zweifellos überlegen. Aber ebenso will die Tatsache anerkannt und gewürdigt sein, daß dieses Überlegene zugleich innerhalb des Menschen als eigene Kraft zu wirken und weiterzutreiben vermag, daß das »Über dem Menschen« zugleich ein »In dem Menschen« werden kann, eine Tatsache, die um so wunderbarer scheint, je mehr man sich in sie vertieft. Und doch ist ein solches Innewohnen des neuen Lebens unentbehrlich, wenn alles, was sich uns beim Menschen an Aufstieg des Lebens zeigte, echt, kräftig, ja überhaupt möglich sein soll. Umfinge den Menschen ganz und gar eine begrenzte Sondernatur, und müßte sie ihm auch alles vermitteln, was vom Gesamtleben an ihn kommt, so könnte er nie eine innere Gemeinschaft mit diesem gewinnen, so würde alles an ihn Herangebrachte durch jene besondere Art verzerrt und verbogen, so könnte das Neue nie bei ihm die Kraft einer Selbsterhaltung gewinnen, die doch für alles Vordringen unentbehrlich ist. Daß es in Wahrheit anders steht, daß unser Leben das Übermenschliche zugleich als ein Innermenschliches haben kann, das erweist sich durch das Ganze des Lebens bis in seine Grundformen hinein. Durchgängig besteht die Möglichkeit, daß etwas die volle Kraft und Hingebung des Menschen gewinne, was den Zwecken und dem gesamten Glück des bloßen Menschen schnurstracks widerspricht. Dies allein erklärt zum Beispiel die Macht und rechtfertigt die übliche Schätzung der Pflichtidee. Hier kommt im Menschen etwas zur Wirkung, was seinem Handeln feste Schranken zieht und seinen Naturtrieben schroff widerspricht, und zugleich wird es ihm zu eignem Entscheiden und Wollen, es gibt ihm eben in der Unterordnung das Bewußtsein vollster Freiheit. Der Pflichtgedanke ist aber nur ein besonders reiner Ausdruck einer Bewegung, die durch das ganze Leben geht. Denn wo immer es die Stufe der bloßen Natur überschreitet, da tritt es unter bindende Normen, die ihm kein fremdes Gebot, sondern seine eigene Zuwendung auferlegt, die den Menschen in Wahrheit erhöhen, indem sie ihn herabzusetzen scheinen. So beim Denken, das mit seiner Versetzung in die Sache und seiner Vertretung ihrer Forderungen das Wohl des bloßen Menschen ganz wohl schwer schädigen kann. Wie oft zwang uns das Denken, namentlich auf politischem und sozialem Gebiet, Folgerungen zu ziehen, die uns höchst unbequem waren, und wie oft haben die von ihm herausgestellten Widersprüche das Leben aus seinem Gleichgewichtsstand unsanft aufgescheucht! Das konnte das Denken nur als ein eigenes Werk und als eigene Triebkraft des Menschen; hinter der Selbstverneinung, die es vollzog, stand schließlich notwendig irgendwelche Selbstbejahung.
Am deutlichsten ist die Bewegung des Menschenlebens über den bloßen Menschen hinaus bei der Religion, das aber sowohl im Gedankengehalt als in der Gestaltung des Handelns. Die Religion enthält, wie schon der Begriff des Heiligen zeigt, einen starken Trieb, einen gewissen Bereich vom gewöhnlichen Leben abzusondern, ihn darüber hinauszuheben und ihm Verehrung darzubringen; wo sie mit ursprünglicher Kraft die Gemüter einnahm, da war sie kein bloßes Hinausstrahlen menschlicher Größen und Wünsche in das All, wie es fälschlich oft dargestellt wird, sondern ein Kampf gegen die Festlegung des Strebens bei diesen Größen und Gütern. Xenophanes Wort, daß die Menschen nach ihrem eigenen Bilde das der Götter gestaltet hätten, stimmt nicht zur Erfahrung der Geschichte; sie zeigt vielmehr ein Verlangen, etwas Andersartiges, etwas wesentlich Höheres gegenüber dem Menschen zu erreichen. In früheren Zeiten hat sich das Streben dabei oft ins Ungeheuerliche verloren und Gestalten geschaffen, die uns Späteren fratzenhaft scheinen mögen; bleibt aber nicht auch in einem weiten Abstand, ja Gegensatz zum menschlichen Dasein, wer bei der Gottheit etwas Reingeistiges, Ewiges, Unendliches sucht? Daher hat die Religion, sofern sie nicht bloß das Leben angenehm umsäumt und damit einer sicheren Auflösung entgegengeht, einen herben und strengen Charakter; das Wort »Niemand wird Gott sehen und leben« hat einen guten Sinn. Für das Handeln aber bildet in ihrem Gebiet den Zentralbegriff der des Opfers. Auch hier hat sich im Fortgang des Lebens die Sache vom Sinnlichen ins Unsinnliche verschoben, aber nur eine Verflachung und Verflüchtigung kann das Beharren, ja das Wachstum des Opfergedankens auf der geistigen Stufe verkennen. Die Religion hat genau so viel Macht über das menschliche Seelenleben, als sie zu Opfern zu treiben vermag. Aber – merkwürdig genug – bei allem, was sie an Verneinung und Entsagung fordert, haben die Menschen in ihr die höchste Seligkeit gesucht und auch zu finden geglaubt; konnten sie das, wenn sie nicht in ihr die letzte Tiefe ihres eigenen Wesens zu erreichen glaubten?