Kitabı oku: «Ausgesetzt oder Der Kampf mit einer längst vergessenen Krankheit», sayfa 3
12. Tag (4. Februar 2012)
Die Wahrheit ist, dass ich die Krankheit noch nicht akzeptiert habe.
Vielleicht wäre es für mich einfacher, im Krankenhaus zu liegen, weil ich überfahren worden bin und mir alle Knochen gebrochen habe. Ich besäße eine Rechtfertigung. Wenigstens eine Erklärung. Vielleicht bin ich bei Rot über die Ampel gegangen. Oder der Fahrer hat mich übersehen. Oder war betrunken. Oder beides, oder alles drei zusammen…
Sich für kerngesund zu halten und dann von einem auf den anderen Tag erfahren zu müssen, dass ich eine schwere Krankheit mit einem langen Behandlungszeitraum habe, ist für mich zu kompliziert. Selbst wenn sie heilbar ist. Dazu noch die Krankenhausumgebung! So modern und komfortabel es auch sein mag, es bleibt ein Krankenhaus. Ich kann noch nicht absehen, wie schwer es werden wird. Ich weiß nur, dass es nicht leicht wird. Und die Vorstellung, dass es sich noch verschlechtern kann oder auch einfach die fehlende Perspektive, nach Hause zu kommen, macht mich wahnsinnig. Ich versuche, Kontakt mit meinem Chef zu halten, Interesse zu zeigen, präsent zu sein. Ich will nicht ins Abseits gestellt werden. Ich habe alles getan, um mich rasch in eine neue Gesellschaft zu integrieren. Ich will nicht aussetzen. Und ich will erst recht nicht als Aussätzige behandelt werden.
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Aufgrund der E-Mail an meine Expatriat-Freundinnen, Brasilianerinnen, die außerhalb von Brasilien leben und mit denen ich auf unterschiedliche Art Kontakt habe, kamen mich am Samstag zwei Freundinnen aus Hamburg besuchen. Gleich einen Tag nach meiner Mail. Sie brachten mir Bücher, Streicheleinheiten und die Gewissheit, dass ich nicht alleine bin. Sie waren großherzig und liebevoll. Ich werde ihnen immer dankbar bleiben. Bemerkenswert ist auch, dass ich die eine nur ein einziges Mal in Berlin getroffen hatte und die andere noch nie. Ich kannte sie nur als »Blogfreundin«. Sie schenkten mir ein Mandala-Heft zum Ausmalen. Für die kommenden Tage wurde es zu meiner Therapie. Einige Mandalas sahen aus wie die Kunstwerke eines siebenjährigen Kindes. Die beiden Freundinnen kamen mich regelmäßig im Krankenhaus besuchen.
Im Übrigen begann eine Kette von Freundschaften via E-Mails, die ständig zunahm. Ich erhielt Postkarten, Geschenke, Blumen, Telefonanrufe und liebevolle Mails. Menschen, die mich anriefen, nur um mir zu sagen, dass sie an mich denken. Anrufe aus anderen Ländern. Brasilianer, die mit mir Kontakt aufnahmen. Ich hatte wundervolle Menschen um mich herum. Die Gegenwart dieser Menschen und meiner Familie half mir sehr, besser mit der Situation umzugehen. – Danke an Euch!
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Einer meiner traurigsten Erinnerungen an die frühe Zeit – auch wenn ich mich gern an meine Kindheit erinnere – ist, dass ich immer alleine Mittagessen musste. Ich kam um 13:30 Uhr nach Hause und das Essen stand auf dem Tisch. Meine Mutter hatte schon mit meinem Bruder gegessen und war schon wieder bei der Arbeit. Und mein Vater war auf Reisen. Ich setzte mich alleine an den Tisch und meistens war das Essen schon kalt. Schwarze Bohnen, Reis und etwas Fleisch. Jeden Tag das Gleiche. An Wochenenden gab es Lasagne.
Ich kam nach Hause, aß und setzte mich dann sofort an meine Hausaufgaben. Ich wollte auf keinen Fall sitzenbleiben, denn ich war auf einer privaten Schule. Um das Schulgeld bezahlen zu können, arbeitete meine Mutter 14 Stunden täglich. Mein Vater war wochenlang auf Reisen und kam nur selten nach Hause. Ich hatte mir vorgenommen, kein Schuljahr wiederholen zu müssen. Ich wollte gut lernen, um aus dieser Stadt raus zu kommen. Ich wollte erwachsen sein. Und ich wollte meine Eltern unterstützen und ihnen all das wiedergeben können, was sie für mich getan haben. Ich will es noch immer.
14. Tag (6. Februar 2012)
Mit starken Schmerzen wachte ich auf, der Körper wie durch ein Mühlwerk gedreht und der Kopf wie betäubt. In der Nacht hatte ich kaum geschlafen.
Ich nahm mir vor, mir von niemandem, der mich nicht krank gesehen hatte, sagen zu lassen: »Kopf hoch und lass dich nicht hängen«. Wer nicht weiß, wie ich mich fühle und welche Schmerzen ich im ganzen Körper habe, weiß auch nicht, was ich durchmache. Er hat einfach kein Recht dazu.
15. Tag (7. Februar 2012)
Die Behandlung mit den Antibiotika hat endlich begonnen. Jetzt ist abzuwarten, wie ich darauf reagiere…
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Es kam mir merkwürdig vor, mehr Medikamente, als von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlen, nehmen zu müssen. Zur Behandlung von Lepra werden drei Antibiotika verabreicht: eines einmal pro Monat und die beiden anderen täglich in geringeren Dosen.
Ich erhielt alle drei täglich. Weil ich jemand bin, der sich immer sehr gründlich informiert, fragte ich den Arzt nach dem Grund, weshalb die Behandlung von der Empfehlung der WHO abweicht.
Seine Antwort war:
„Das Medikament der einmaligen Monatsdosis ist für arme Entwicklungsländer sehr teuer. Deshalb wurde die Behandlung durch die WHO in dieser Weise definiert. Wir hier in Deutschland machen es richtig. Wir haben Geld.“
Verwirrt und an die Kranken in anderen Erdteilen denkend legte ich mich schlafen.
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E-Mail an meine Expatriat-Freundinnen
Mädels,
Heute geht es mir schon besser als bei der letzten E-Mail. Gestern ging es los mit der »offiziellen« Behandlung und ich reagiere gut auf die Medikamente. Ich war heute auch noch einmal beim Neurologen und habe keine Nervenschädigungen.
Mit dem Beginn der Behandlung fühle ich mich besser, weil ich nun sicher sein kann, auf dem Weg der Heilung zu sein.
Auch die Unterstützung durch Euch trägt dazu bei. Danke für Eure Anstrengungen, meine Stimmung zu verbessern.
Mein besonderer Dank geht an B. und M., die nicht zweimal überlegten, mich zu besuchen und mir für alles, was ich hier in Hamburg brauche, zur Verfügung stehen.
Es hilft mir auch, aus dem Fenster den kalten aber sonnigen Tag mit Schnee zu sehen. Das Weiß des Schnees ist beruhigend.
Und es hilft auch, einmal gute Nachrichten von Ärzten zu erhalten. Wenn ich weiterhin gut auf die Medikamente reagiere, kann ich bald nach Hause. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen (oder vielleicht doch), wie verrückt ich danach bin, nach Hause zu kommen, in mein eigenes Bett, eine Nacht durchzuschlafen und meinen Mann an meiner Seite zu haben (Whow!).
Meine Arme und Beine sind nicht gerade besonders schön anzusehen, aber glücklicherweise ist Winter und bis zur Wärme des Frühlings werden die Ausschläge schon besser sein und niemanden mehr erschrecken.
Also, gehen wir nach vorne. Hinter uns kommen schon andere! In meinem Fall sind es Bakterien.
Wenn ich bislang schon kaum ansteckend war, liegt nun mit dem Beginn der Medikation die Möglichkeit bei Null. Also, wenn Ihr mich trefft, könnt Ihr mich ganz fest in die Arme nehmen, OK? :)
Danke noch einmal!
Küsschen!
18. Tag (10. Februar 2012)
Gestern und heute waren nicht die besten Tage seit meiner Erkrankung. Gestern stellte ich verzweifelt fest, dass meine Ausschläge und Knoten sich vermehren. Besonders im Gesicht und an den Armen. Und heute Morgen hatte ich starke Schmerzen in den Füßen und mein linker Arm schien zu explodieren.
Trotz allem habe ich großes Glück, hier sehr gut behandelt zu werden. Die Ärzte haben Verständnis für meine Situation und machen im Rahmen des Möglichen alles, um sie zu verbessern. Dennoch muss ich geradezu betteln, mehr Cortison gegen die Schmerzen und Entzündungen zu bekommen. Die Ärzte wollen die Dosis nicht erhöhen. Sie denken an die Nebenwirkungen. Und ich denke daran, keine Schmerzen mehr zu spüren!
Ich habe große Angst, meine Arbeit zu verlieren, auch wenn ich mir die Hoffnung erhalte, dass es nur meine Angst ist. In einer Zeit wichtiger Entscheidungen bin ich nicht im Unternehmen, und ich habe den Eindruck, dass mein Chef langsam die Geduld mit mir verliert. Vielleicht ist es auch nur Einbildung meinerseits. Jedenfalls muss ich mich drauf einstellen und akzeptieren, dass es vielleicht nicht sein soll, dass ich meinen Traumjob in Deutschland bekomme.
Heute wurden die Fäden an meinen Armen gezogen. Der Arzt war super vorsichtig. Unter dem Effekt der Schmerzmittel kehrte meine gute Laune zurück. Merkwürdigerweise bin ich gut gelaunt. Ich zog sogar selbst ein paar Fäden. Ich schätze, ich war nicht ganz bei Trost…
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E-Mail von meinem Onkel
Hast Du meine letzte Antwort erhalten?
Wie reagierst Du auf die Medikamente?
Hat die Firma, in der Du arbeitest, die Krankschreibung problemlos akzeptiert?
Wie funktionieren diese Dinge dort?
Hält dein Mann die Stellung und steht Dir bei?
Gibt es etwas, was ich für Dich tun kann?
Brauchst Du etwas?
Öffne Dein Herz...
Umarmungen,
Dein Onkel
Meine Antwort
Lieber Onkel,
Die Behandlung ist ziemlich heftig und es treten durch die Medikation auch Verschlechterungen auf. Ich habe gerade starke Schmerzen in den Füßen und Gelenken. Das ist normal. Eine Reaktion des Körpers auf die Menge der Antibiotika, die ich einnehmen muss. Aber ich halte die Schmerzen bald nicht mehr aus und will nach Hause. Erzähle das aber bitte nicht meiner Mutter. Sie flippt so schnell aus.
Wegen der Behandlung befinde ich mich noch im Krankenhaus. Mein Körper ist übersät mit Knoten, inklusive im Gesicht.
Mein Chef ist klasse und zeigt sich sehr verständnisvoll. Wir telefonieren ab und zu und tauschen E-Mails. In Deutschland muss der Arbeitgeber nicht darüber informiert werden, welche Krankheit man hat. Er weiß nur, dass ich eine Bakterie habe, aber nicht welche. Fertig. Das reicht. Weil es Lepra in Deutschland nicht mehr gibt, kommen die Kenntnisse darüber noch aus dem Mittelalter. Deshalb… besser Probleme vermeiden. Die Atteste wurden akzeptiert und mein Chef sagte, dass ich mir keine Sorgen machen sollte.
Mein Mann, der Arme, ist überlastet. Mit der Arbeit, den Kindern und mir im Krankenhaus. Für ihn ist es genauso schwer wie für mich. Aber, wie er selbst sagt, dafür hat er seinen guten Humor und breite Schultern.
Ich werde hier bestens versorgt. Das Krankenhaus hat eine perfekte Infrastruktur und die Ärzte sind sehr sympathisch und zuvorkommend. Davon abgesehen, haben sie so ein wahnsinniges Mitleid mit mir, dass ich immer eine Spezialbehandlung bekomme. Und sie bewundern sogar mein Deutsch.
Zumindest ist es gut, dass ich die Krankheit hier in Deutschland habe. Gewissermaßen.
Mein Leben hier war wunderbar, bis ich krank wurde. Ich fange langsam an zu glauben, dass irgendein Neider mir Schlechtes wünscht. Ich habe noch nicht den Sinn dieser Krankheit kapiert.
Ich habe mich sehr über die süße E-Mail meiner Cousine gefreut. Sag ihr bitte, dass ich, wenn es nur von der Liebe von Euch abhinge, ganz schnell wieder gesund würde.
Gut, das ist die ganze Wahrheit. Ich erzähle sie nicht meiner Mutter, weil sie gleich so verzweifelt reagiert und ich mich nicht auch noch um ihre Verzweiflung kümmern kann.
Küsschen!
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Mit 18 Jahren und nach ungefähr 10.000 gefahrenen Kilometern in dem abgewrackten Schulbus bekam ich mein Abschlusszeugnis. In Deutschland sagt man Abitur. In Brasilien muss man an jeder Universität, an der man studieren möchte, eine Aufnahmeprüfung machen. Die staatlichen Universitäten sind gut und kostenlos. Die privaten meistens das Gegenteil. Ich bewarb mich an einer staatlichen Universität. Nicht nur wegen der Qualität der Ausbildung, sondern auch, weil meine Eltern mir ein Studium nicht hätten finanzieren können. Es gibt eine große Konkurrenz, denn es stehen nur sehr wenige Studienplätze zur Verfügung. Ich hatte sehr viel gebüffelt. Aber auch Glück.
In den letzten drei Jahren auf der Schule wurden wir vorrangig auf diese Aufnahmeprüfungen vorbereitet. Lernen, lernen, lernen. Das letzte Jahr überlebte ich nur mit übermäßigem Konsum Kaffee und Aufputschmitteln. Ich konnte nicht richtig schlafen und nicht richtig essen, aber ich wollte es schaffen. Wenn ich ein anderes Leben haben wollte, wenn ich nach Südbrasilien zurückwollte, musste ich unbedingt einen Platz in der Universität ergattern.
Ich wurde aufgenommen. Ich stand zwar als eine der letzten auf der Liste derjenigen, die angenommen waren, aber ich hatte es geschafft. Im Jahr 2000 begann ich das Studium der Betriebswirtschaft. Im Abendkurs. Fünf lange Jahre lagen vor mir.
19. Tag (11. Februar 2012)
Abgesehen von der Entfernung von Zuhause und der zusätzlichen Zeit im Krankenhaus, bereue ich es nicht, nach Hamburg gekommen zu sein. Unabhängig von der guten Struktur und dem sympathischen Personal sind sie hier sehr kompetent und geben mir Sicherheit. Völlig anders als das Klima im Krankenhaus in Berlin.
Von daher geht es mir emotional auch nicht ganz so schlecht. Ich schaffe es sogar, im Rahmen des Möglichen, gut gelaunt zu sein. Die Ärzte versuchen immer, zuvorkommend zu sein.
Ich bin verrückt danach, Geschenke für mich zu kaufen, Kleidung und andere schöne Dinge. Und einen Ausflug zu machen. Ich benötige schöne Sachen in meinem Leben um mich herum.
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In der ersten Visite am Montag, den 6. Februar, war es ausreichend, dass der Chefarzt mich nur ansah und gleich sagen konnte, was ich hatte: die multibakterielle Version. Das bedeutet, dass mein Körper es nicht geschafft hat, die Bakterien allein zu bekämpfen und voller Bakterien ist. Der gravierendste Lepra-Typus! Er meinte, es sei auch nicht notwendig, auf das Ergebnis der Biopsie zu warten, um Gewissheit zu haben. Dazu reiche das Zählen der Ausschläge auf meinem Körper. Unzählbare…
Das ließ mich daran denken, dass die Unsicherheit der Ärzte in Berlin mir sehr geschadet hat. Ich musste Situationen durchmachen, die wahrscheinlich unnötig waren. Ich will ihnen aber auch nicht vorwerfen, dass sie versucht haben, was sie für richtig erachteten. Und wenn sie die Gewissheit brauchten, war es das, wonach sie suchten. Es war nur mein emotionaler Zustand, der es nicht aushielt.
In Hamburg musste ich wiederholt unter Beweis stellen, dass ich kein Dummchen bin. Jedes Mal, wenn die Ärzte wechselten und mich noch nicht kannten, musste ich erst einmal ein paar Vorurteile beseitigen und beweisen, dass eine Ausländerin ohne perfektes Deutsch intelligent sein kann. Ich wusste, was ich hatte, stellte gescheite Fragen, verstand die Sprache der Ärzte und erwartete von ihnen die Informationen, die ich brauchte. Ich zeigte mich kooperativ und gut informiert, selbst in den Details. Mit der Zeit gewann ich dann auch ihren Respekt.
Was für weniger als eine Woche geplant war, nämlich bis zum Beginn der Behandlung, zog sich schon jetzt viel länger hin, als ich erwartet hatte.
21. Tag (13. Februar 2012)
Immer, wenn sich ein leiser Hoffnungsschimmer abzeichnet, dass alles in die richtigen Bahnen kommt, passiert irgendetwas, das mich wieder zurückwirft.
Heute erwachte ich an einem der schlimmsten Tage meiner Krankheit. Mit starken Schmerzen und noch viel mehr Ausschlägen und Knoten. Meine Waden waren voller violetter Flecken und taten höllisch weh.
Gestern schien alles darauf hinauszulaufen, Mitte nächster Woche zu Hause zu sein. Jetzt sieht es nicht mehr danach aus. Ich bin es leid, Schmerzen zu haben. Ich bin es leid, meine Haut gezeichnet zu sehen. Mein Gesicht sieht schrecklich aus! Und manchmal verliere ich die Kontrolle über mein Leben und meinen Kopf. Ich erlaube es mir.
Ich war gestern so glücklich wegen der hohen Dosis Cortison vom Freitag, die mir einige Stunden Schmerzfreiheit ermöglichte, und ich hatte die Hoffnung, dass die Schmerzen auch weiterhin nachließen. Jetzt weiß ich gar nicht mehr, was ich denken soll. Jede kleinste Bewegung bereitet mir Schmerzen und das Cortison scheint nicht mehr ausreichend.
Meine Tränen begleiteten mich den ganzen Tag lang.
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E-Mail an meine Expatriat-Freundinnen
Mädels,
ich weiß gar nicht, ob es in Ordnung ist, Euch mit meinen Nachrichten zu belästigen, aber andererseits weiß ich auch, dass Ihr auf dem Laufenden gehalten werden wollt. Nun denn…
Heute hatte ich eine erneute Reaktion auf die Medikamente. Ich wachte heute gefleckter als eine Kuh auf und, um die Wahrheit zu sagen, konnte ich wegen der Entzündungen und der Schmerzen in den Gelenken kaum aufstehen. Die Ärzte haben deswegen erst einmal die Antibiotika wieder abgesetzt und mich so lange mit Cortison vollgestopft, bis es besser wurde. Ich bleibe jetzt zwei oder drei Tage ohne die Medikamente, damit der Körper sich etwas erholen kann und dann geht es wieder von vorne los. Danach müssen wir sehen und abwarten, ob ich erneut eine Reaktion habe oder nicht. Das bedeutet natürlich wieder weitere Tage im Krankenhaus. Die Hoffnung, bald nach Hause zu kommen, habe ich aufgegeben.
Zumindest bedauere ich es nicht, trotz der Entfernung nach Zuhause hier in Hamburg zu sein. Ich fühle mich hier sicher, denn sie bemühen sich um mich und ich habe den Eindruck, dass sie wissen, was sie tun.
Viele Grüße und ein wunderschönes Wochenende für Euch!
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Meine Schmerzempfindlichkeit ist umgekehrt proportional zu meiner Schmerztoleranz. Selbst an den Stellen, an denen ich keine Temperatur- oder Berührungsempfindlichkeit hatte, war es möglich, Schmerzen zu spüren. Als ich nach Hamburg kam, tat mir schon ein Kratzen an der Haut weh. Oder wenn die Knie sich berührten. Wenn ich mich mit irgendeinem Körperteil an etwas stieß, tat es so höllisch weh, dass mir fast schwarz vor den Augen wurde.
Gleich in den ersten Tagen, musste ich eine Untersuchung machen, die skin smear genannt wird. Schon beim Eintreten in das Zimmer baten der Arzt und die ihn begleitende Medizinstudentin um Entschuldigung für das, was sie machen müssten.
Meine Naseninneres war schon befallen und der Arzt nahm ein Wattestäbchen, um Material zu entnehmen. So weit so gut. Doch er ging immer tiefer und hörte nicht auf, sich zu entschuldigen. Ich glaube, dass es ihm fast selbst wehtat.
Es passierte, als ich bemerkte, dass er sich mit einem skalpell-ähnlichen Instrument meinem schlimmen linken Arm näherte. Ich kehrte in meine Kindheit zurück und machte einen Skandal. Ich kauerte mich im Bett zusammen und schrie »Wird wehtun! Wird wehtun!« und er sagte irgendetwas wie »Es tut nicht weh, ist nur ein kleiner Kratzer!« und ich wiederholte »Wird wohl wehtun!«. Er musste mich mit ganzer Kraft festhalten, um weitermachen zu können. Die Studentin bot mir an, ihre Hand zu drücken. Und wie ich sie gedrückt habe…!
Man kann sich die Schmerzen nicht vorstellen, die ich nach der Reaktion des Immunsystems hatte. Meine Füße schmerzten schon bei einem leichten Auftreten. Ich schaffte es nicht, mehr als drei oder vier Stunden in der Nacht zu schlafen. Das Duschen strengte mich an wie ein Marathonlauf. Nach dem Ankleiden war ich außer Atem und erschöpft. In den folgenden Tagen blieben die Schmerzen. Trotz stärkster Medikamente. Ich hielt es kaum mehr aus.
22. Tag (14. Februar 2012)
Valentinstag. Ich will nach Hause. Zu meinem Mann. Zu meinem Leben. Ich habe Sehnsucht nach allem und allen. Ich fühle mich heute so ausgelaugt, so unwohl in meiner Haut. Am liebsten möchte ich mich vor der ganzen Welt verstecken. Nie mehr in den Spiegel schauen. Nie mehr aus dem Haus gehen. Ich will mein Leben von vor einem Monat zurückhaben!
Ich weiß, dass ich mich nicht hängen lassen darf, aber ich merke das Ende meiner Kräfte. Ich fühle mich wie eine Frau von 90 Jahren. Ich will ein normales Leben, will eine Arbeit, Geld ausgeben, reisen. Städte, Berge und Meer sehen. Spüren, dass ich lebe…!
Der Arzt sagte mir heute, dass die hohen Dosen Cortison depressiv machen und Halluzinationen verursachen können. Vielleicht fühle ich mich deswegen so.
Ich habe solch eine Sehnsucht nach meinem Schatz. Solch eine Sehnsucht nach seinem Geruch, nach seinem verliebten Blick...