Kitabı oku: «Der Kindergarten im Fokus (E-Book)»
Evelyne Wannack, Sonja Beeli-Zimmermann (Hrsg.)
DER KINDERGARTEN IM FOKUS
Empirische und pädagogische Einblicke
ISBN Print: 978-3-0355-1609-8
ISBN E-Book: 978-3-0355-1610-4
1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© 2020 hep verlag ag, Bern
Inhaltsverzeichnis
1Einleitung
Sonja Beeli-Zimmermann, Evelyne Wannack
2Rahmenkonzept der Studie
Evelyne Wannack, Doris Edelmann
2.1 Proximale Einflussbereiche
2.2 Distale Einflussbereiche
3Die Studie in Kürze
Evelyne Wannack, Sonja Beeli-Zimmermann
3.1 Untersuchungsdesign
3.2 Stichprobe
3.3 Erhebungen
4Das typische Kindergartenkind aus Sicht der Kindergartenlehrpersonen
Doris Edelmann, Claudia Schletti
4.1 Bildungspolitische Hintergründe
4.2 Spielen bedeutet Lernen und umgekehrt
4.3 Neugier, Begeisterungsfähigkeit, Fantasie und Bewegungsdrang
4.4 Guter Kindergartenunterricht aus Sicht der Kindergartenlehrpersonen
4.5 Fazit
5Das Lern- und Spielverständnis von Kindergartenlehrpersonen
Flavian Imlig
5.1 Professionelle Einstellungen zu Lernen und Spiel
5.2 Ansätze des Lern- und Spielverständnisses
5.3 Ergebnisse zum Lern- und Spielverständnis von Kindergartenlehrpersonen
5.4 Fazit
6Die Nutzung der Auffangzeit für individualisierenden Unterricht
Sonja Beeli-Zimmermann, Sabina Staub
6.1 Individualisierender Unterricht
6.2 Strukturierung des Morgens
6.3 Formen der Individualisierung während der ersten Sequenz
6.4 Fazit
7Alltagsintegrierte Sprachbildung im Kindergarten
Hansjakob Schneider
7.1 Analyse der Sprachhandlungen
7.2 Resultate zu Sprachhandlungsanregung und Fragetypen
7.3 Qualität von alltagsintegrierter Sprachbildung
7.4 Fazit
8Ausprägung der kognitiven Fähigkeiten bei den Kindern
Larissa Maria Troesch
8.1 Aktueller Kenntnisstand zu den Exekutiven Funktionen
8.2 Ergebnisse zu den Exekutiven Funktionen
8.3 Fazit
9Erziehungs- und Bildungskooperation mit den Eltern aus Sicht der Kindergartenlehrpersonen
Doris Edelmann, Marcel Zurbrügg
9.1 Studien und Qualitätsmerkmale
9.2 Willkommens- und Begegnungskultur
9.3 Elterninformation
9.4 Elterngespräche
9.5 Elternmitwirkung
9.6 Unterstützende und erschwerende Faktoren für die Erziehungs- und Bildungskooperation
9.7 Fazit
10Erziehungs- und Bildungskooperation mit den Kindergartenlehrpersonen aus Sicht der Eltern
Caroline Villiger, Larissa Maria Troesch
10.1 Aktueller Erkenntnisstand zur Kooperation von Schule und Elternhaus
10.2 Formen der elterlichen Beteiligung am Leben im Kindergarten
10.3 Zufriedenheit der Eltern mit der Zusammenarbeit mit der Kindergartenlehrperson
10.4 Fazit
11Übergänge in den Kindergarten und in die Primarschule aus Sicht der Kindergartenlehrpersonen
Doris Edelmann
11.1 Theoretische Rahmung
11.2 Erfahrungen mit dem Übergang in den Kindergarten
11.3 Erfahrungen mit dem Übergang in die Primarschule
11.4 Fazit
12Pädagogischer und empirischer Ausblick
Evelyne Wannack, Sonja Beeli-Zimmermann
13Anhang
13.1 Literatur
13.2 Tabellenverzeichnis
13.3 Abbildungsverzeichnis
1Einleitung
Sonja Beeli-Zimmermann, Evelyne Wannack
In den letzten Jahren fanden im Kanton Zürich sowohl auf bildungspolitischer als auch auf gesellschaftlicher Ebene wichtige Veränderungen statt, die insbesondere den Kindergarten betreffen:
—Das Volksschulgesetz des Kantons Zürich wurde 2006 eingeführt und verpflichtet das alle Kinder zu einem zweijährigen Kindergartenbesuch (Kanton Zürich 2006).
—Der Lehrplan für die Kindergartenstufe gibt seit 2008 allen Kindergartenlehrpersonen einen Rahmen für ihren Unterricht vor (Bildungsdirektion des Kantons Zürich 2008). Darin sind unter anderem Basiskompetenzen spezifiziert, die aufzeigen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten Kinder während ihrer Zeit im Kindergarten erwerben sollen, um erfolgreich in die erste Primarklasse überzutreten.
—Das Alter des Eintritts in den Kindergarten wurde im Kontext der schweizweiten Harmonisierung der obligatorischen Schule vorverschoben (EDK 2007), sodass Kinder seither mit dem vollendeten vierten Altersjahr (Stichtag 31. Juli) schulpflichtig werden.
—Auf gesellschaftlicher Ebene kann gleichzeitig eine vielfältige Differenzierung von Lebens- und Familienmodellen beobachtet werden (Nave-Herz 2012). Unter anderem besuchen immer mehr Kinder schon vor dem Kindergarten familienergänzende Betreuungsangebote (SKBF 2018). Folglich verfügen die Kinder, die in den Kindergarten eintreten, über sehr unterschiedliche Vorerfahrungen, und die sozioemotionale und kognitive Entwicklung der Kinder kann sich innerhalb einer Kindergartengruppe deutlich unterscheiden.
Der vorliegende Band beschäftigt sich mit der Frage, wie sich diese Entwicklungen der letzten Jahre auf den aktuellen Alltag im Kindergarten auswirken. Insbesondere interessiert, wie die Kindergartenlehrpersonen angesichts zunehmender Heterogenität hinsichtlich der Voraussetzungen, die die Kinder mitbringen, ihren Unterricht gestalten, und damit verbunden, wie sich die Kompetenzen der Kinder während ihrer Zeit im Kindergarten entwickeln. Angesichts fehlender empirischer Erkenntnisse, welche für die Beantwortung der vorangehenden Fragen zur pädagogischen Praxis auf der Kindergartenstufe beigezogen werden können, hat die Bildungsdirektion des Kantons Zürich Anfang 2017 eine Studie zur Bestandsaufnahme des aktuellen Geschehens auf der Kindergartenstufe in Auftrag gegeben. Damit verknüpft war die Zielsetzung, zu den folgenden drei Themenbereichen empirische Erkenntnisse zu generieren:
—zur Unterrichtsgestaltung in den Kindergärten des Kantons Zürich,
—zum Kompetenzerwerb und Lernzuwachs von Kindern,
—zum Übergang in den Kindergarten sowie in die nachfolgende Primarschule (Edelmann, Wannack & Schneider 2018a, S. 15).
Der Forschungsauftrag wurde unter der Leitung des Instituts für Forschung, Entwicklung und Evaluation der Pädagogischen Hochschule Bern in Kooperation mit der Professur für Deutsch und Deutsch als Zweitsprache der Pädagogischen Hochschule Zürich durchgeführt (vgl. Edelmann, Wannack & Schneider 2018a). Im Rahmen der Studie wurden zwanzig Kindergärten untersucht, welche in Zusammenarbeit mit der Bildungsdirektion ausgewählt wurden. Ergänzend dazu führte die Bildungsdirektion eine quantitative Befragung aller im Kanton tätigen Kindergartenlehrpersonen durch, welche vom Forschungs- und Beratungsunternehmen INFRAS umgesetzt wurde (vgl. Imlig, Bayard & Mangold 2019). Es wurden unterschiedliche qualitative und quantitative Daten erhoben und mit entsprechenden Verfahren ausgewertet (vgl. Kapitel 3). Diese multimethodische Vorgehensweise ermöglichte es, die vorangehend aufgeführten Erkenntnisinteressen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Die ausführlichen Ergebnisse finden sich im Schlussbericht zur Studie, der seit 2018 vorliegt (Edelmann, Wannack & Schneider 2018a) und die Grundlage für diese Publikation bildet.
Die vorliegende Publikation fokussiert ausgewählte Resultate aus den Teilprojekten, die für unterschiedliche Zielgruppen von Interesse sind. In erster Linie soll sie allen Kindergartenlehrpersonen und weiteren Fachpersonen, die auf der Kindergartenstufe tätig sind, einen Einblick in die vielfältigen Ergebnisse gewähren. Ebenso können weitere Lehrpersonen, insbesondere diejenigen, die im Zyklus 1 tätig sind, im Rahmen der einzelnen Beiträge den beruflichen Alltag der Kindergartenlehrpersonen besser kennenlernen. Die einzelnen Texte dieser Publikation bieten sich insbesondere zum Einsatz in der Aus- und Weiterbildung an. Sie können aber auch anderen Interessierten die Situation auf der Kindergartenstufe näherbringen.
Wie in Abbildung 1.1 erkennbar ist, wird bei der Präsentation der ausgewählten Forschungsergebnisse ein modularer Aufbau verfolgt: Während die Kapitel 1 bis 3 und Kapitel 12, themenübergreifende Informationen beinhalten, die sich auf die gesamte Studie beziehen, sind die anderen Kapitel in sich geschlossen und können jeweils als thematisch fokussierte, alleinstehende Beiträge gelesen werden. Mit dieser Modularität soll unterschiedlichen Zielgruppen ein direkter Zugang zu den Themen, die für sie jeweils von Interesse sind, ermöglicht werden.
Abbildung 1.1: Aufbau der Publikation im Überblick (eigene Darstellung)
Die modularen Kapitel 4 bis 11 fokussieren die folgenden Themen:
—In Kapitel 4 werden ausgewählte Erkenntnisse aus den Interviews mit den Kindergartenlehrpersonen vorgestellt. Doris Edelmann und Claudia Schletti beschreiben, wie sich die Interviewten ein typisches Kindergartenkind vorstellen und dies in der Unterrichtsgestaltung berücksichtigen.
—Kapitel 5 bezieht sich auf Daten aus der quantitativen Befragung aller Kindergartenlehrpersonen im Kanton Zürich. Flavian Imlig präsentiert Resultate zu den unterschiedlichen Ausprägungen verschiedener Lernund Spielverständnisse.
—In Kapitel 6 werden die Videos von Unterrichtssequenzen analysiert. Sonja Beeli-Zimmermann und Sabina Staub gehen der Frage nach, wie die Kindergartenlehrpersonen die Auffangzeit für individualisierenden Unterricht nutzen.
—Auch Kapitel 7 basiert auf ausgewählten Videosequenzen, dabei stehen jedoch die Sprachhandlungen der Kindergartenlehrpersonen im Vordergrund. Hansjakob Schneider beleuchtet die unterschiedlichen Sprachhandlungen, die durch die Lehrpersonen bei den Kindern angeregt werden (können).
—In Kapitel 8 geht es um die Fähigkeit der Kinder, ihre eigenen Gedanken, Emotionen und Handlungen zu kontrollieren. Unter dem Stichwort «Exekutive Funktionen» fasst Larissa Maria Trösch zentrale Ergebnisse zusammen, welche mit dem Instrument «Minnesota Executive Function Scale» erhoben wurden.
—In Kapitel 9 werden weitere Inhalte aus den Interviews mit den Kindergartenlehrpersonen präsentiert. Doris Edelmann und Marcel Zurbrügg stellen verschiedene Elemente der Erziehungs- und Bildungskooperation mit den Eltern vor und identifizieren hilfreiche und herausfordernde Aspekte in diesem Bereich.
—Dasselbe Thema steht im Kapitel 10 im Vordergrund: Auf der Basis von Daten aus der schriftlichen Elternbefragung beschreiben Caroline Villiger und Larissa Maria Trösch, wie Eltern sich zum Geschehen im Kindergarten informieren, sich daran beteiligen und wie sie die Zusammenarbeit mit den Kindergartenlehrpersonen beurteilen.
—In Kapitel 11 werden noch einmal Einsichten aus den Interviews mit den Kindergartenlehrpersonen präsentiert. Doris Edelmann beschreibt die Erfahrungen und Einschätzungen der Kindergartenlehrpersonen zu den Übergängen in den Kindergarten und in die daran anschliessende erste Klasse der Primarschule.
Diese Kapitel orientieren sich alle an der gleichen Grundstruktur: Nach einer kurzen Einleitung, welche auf die jeweils spezifischen Fragestellungen eingeht, folgt eine knappe theoretische Fundierung und anschliessend die Präsentation der Ergebnisse. Abgeschlossen wird jedes Kapitel mit einem Fazit. Zusätzlich enthalten alle Kapitel eine «Methodenbox» mit kurzen Ausführungen zu den verwendeten Instrumenten oder Vorgehensweisen. Die vorliegende Studie konnte dank dem Engagement und der Beteiligung einer Vielzahl von Personen realisiert werden. Insbesondere zu erwähnen sind:
—Die teilnehmenden Kindergartenlehrpersonen und ihre Mitarbeitenden, die uns mehrmals (bis zu achtmal) den Besuch in ihren Klassenzimmern ermöglicht haben, sodass der Unterricht gefilmt und die geplanten Erhebungen mit den Kindern realisiert werden konnten. Sie waren ausserdem massgeblich an der Organisation der schriftlichen Befragung der Eltern beteiligt und haben uns zudem mündlich und schriftlich ausführlich Auskunft über sich und ihren Alltag gegeben.
—Die beteiligten Kinder beziehungsweise deren Eltern, die mit ihrer Einwilligung das Aufzeichnen der Daten ermöglichten und damit eine wichtige ergänzende Perspektive zu den Wahrnehmungen der Kindergartenlehrpersonen darstellen.
—Die Mitarbeitenden der Bildungsdirektion des Kantons Zürich, insbesondere Konstantin Bähr, Sybille Bayard, Flavian Imlig und Max Mangold, die das Projekt von Beginn seiner Entwicklung bis zum Abschluss begleitet haben.
—Die Mitglieder der von der Bildungsdirektion eingerichteten Begleitgruppe, namentlich Sandra Altermatt, Gabriella Bazzucchi, Brigitte Fleuti, Annette Flury, Marie-Claire Frischknecht, Susanna Häuselmann, Elisabeth Hardegger, Dieter Isler, Brigitte Mühlemann, Andrea Russi, Anita Schaffner Menn, Heidi Simoni, Dorothea Tuggener, Verena Ungricht, Franziska Vogt und Ursina Zindel, welche die Forschungsarbeit zu verschiedenen Zeitpunkten kritisch kommentiert haben.
—Alle Mitarbeitenden, die in den einzelnen Teilprojekten tätig waren und sichergestellt haben, dass die an die Studie gestellten Anforderungen erfüllt wurden, allen voran Doris Edelmann, Evelyne Wannack, Hansjakob Schneider, Sonja Beeli-Zimmermann sowie Dilan Aksoy, Vanessa Kilchmann, Manuela Santos, Stefanie Schaller, Claudia Schletti, Sabina Staub, Carla Svaton, István Szurkos, Larissa Maria Trösch, Caroline Villiger und Marcel Zurbrügg.
Allen sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich für ihre wertvolle Mitarbeit gedankt.
2Rahmenkonzept der Studie
Evelyne Wannack, Doris Edelmann
Im ökosystemischen Entwicklungskonzept von Urie Bronfenbrenner (1981) finden Bildungs- und Entwicklungsprozesse in einem dynamischen Wechselspiel zwischen persönlichen Anlagen und sozialer Umwelt statt. Auch Rüesch (1999; 2001) postuliert anhand der empirischen Analyse von Schulforschungsstudien, dass das Zusammenspiel verschiedener Faktoren für die Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern verantwortlich ist (vgl. Abbildung 2.1). Im Zentrum des Konzepts steht das Kind mit seinen individuellen kognitiven, motivationalen und volitionalen Voraussetzungen. Damit es seine Potenziale entfalten kann, kommt der Anregungsqualität seiner Umwelt eine hohe Bedeutung zu, sei dies in der Familie oder in Bildungseinrichtungen (z. B. Kluczniok 2017). Von Relevanz für die Kinder sind auch sogenannte Übergänge, die für die individuellen Bildungs- und Entwicklungsprozesse sowohl förderlich als auch hemmend sein können (z.B. König 2017). Übergänge werden als «Lebensereignisse» verstanden, «die Bewältigung auf mehreren Ebenen erfordern, die Prozesse beschleunigen und intensiviertes Lernen anregen, welche sozial und kulturell eingebettet sind, ko-konstruiert werden und als bedeutsame biografische Erfahrung im Wandel der Identitätsentwicklung wahrgenommen werden» (Griebel & Niesel 2013, S. 97). Sowohl der Übergang in den Kindergarten als auch derjenige in die Primarschule stellt an Kinder und Eltern hohe Ansprüche. Kinder sind insbesondere auf eine Unterstützung durch ihre Lehrpersonen angewiesen, die sich dadurch auszeichnet, dass diese den Kindergarten und die Schule den unterschiedlichen Bildungs- und Lernbedürfnissen der Kinder entsprechend gestalten. Mit andern Worten sind es nicht die Kinder, die für den Eintritt in den Kindergarten oder den Übertritt in die Schule bereit sein müssen, sondern die Bildungsstufen müssen bereit sein für die Kinder (OECD 2017a; OECD 2017b).
Abbildung 2.1: Proximale und distale Einflüsse auf die Bildungs- und Entwicklungsprozesse des Kindes (Edelmann; Wannack; Schneider 2018a, S. 29)
Abbildung 2.1 zeigt auf, dass es Einflussbereiche gibt, die in direkterem Zusammenhang mit den Bildungs- und Entwicklungsprozessen von Kindern stehen. In Anlehnung an Rüesch (2001) werden diese als proximale Einflussbereiche bezeichnet (Eltern und Familie, vor- und ausserschulische Bildungsangebote, Kindergartenlehrpersonen und Unterrichtsprozesse). Als distale Einflussbereiche gelten diejenigen, die sich indirekt auf die Bildungs- und Entwicklungsbereiche auswirken (Erziehungs- und Bildungskooperationen zwischen Kindergartenlehrpersonen und Eltern sowie Kooperation zwischen Lehr- und Fachpersonen).
In den nachfolgenden Kapiteln wird näher auf die Bedeutung der einzelnen proximalen und distalen Einflussbereiche eingegangen.
2.1Proximale Einflussbereiche
Eltern und Familie: Die Familie ist der primäre Bildungsort für die Kinder. Studien belegen, dass die Anregungsqualität in der Familie und in ihrem Umfeld nicht nur für die Aneignung von Bildungsinhalten von hoher Bedeutung (z.B. Minsel 2007), sondern auch dafür entscheidend ist, wie sich Kinder z.B. im Kindergarten oder der Primarschule zurechtfinden (Edelmann 2018). Die Eltern übernehmen diesbezüglich vielfältige Rollen, etwa als «Bindungspersonen und Bildungspartner, als Interaktions- und Kommunikationspartner, als Erzieher und Bildungsvermittler» (Walper & Wild 2014, S. 366).
Vor- und ausschulische (Bildungs-)Angebote: Bereits im vorschulischen Alter verfügen viele Kinder über Erfahrungen in pädagogischen Umgebungen wie Kindertagesstätten, Spielgruppen oder Angeboten im musischen respektive motorischen Bereich (Bollig, Honig & Nienhaus 2016; Knoll 2018). Diese unterstützen das soziale und kognitive Lernen sowie den Schritt in die Eigenständigkeit. Auch hier ist die Qualität ausschlaggebend dafür, ob und wie sich die Angebote auf die Bildung und Entwicklung der Kinder auswirken (z. B. Rossbach 2011). Zu bemerken ist, dass es privilegierten Eltern in höherem Masse gelingt, ihre Kinder an qualitativ hochwertigen Angeboten teilnehmen zu lassen (z.B. Stamm & Edelmann 2013; Edelmann 2018).
Kindergartenlehrpersonen: Eher unterschätzt wurde eine Zeit lang die Bedeutung der Lehrperson (Lipowsky 2007; Zierer 2018). Studien zur Qualität im Kindergarten verweisen jedoch darauf, dass die professionellen Kompetenzen von Lehrpersonen zentral sind (Hardy & Steffensky 2014). Als bedeutend werden in verschiedenen Modellen Professionswissen, Einstellungen und Überzeugungen sowie Motivation genannt. In ihrem Zusammenspiel machen sie das professionelle Handeln aus (Baumert & Kunter 2006; Faas 2013).
Unterrichtsprozesse: Dass die Unterrichtsqualität für die Bildungs- und Entwicklungsprozesse von Kindern hoch relevant ist, gilt mittlerweile als gesichert (Anders 2013; Burger 2010; Kuger, Kluczniok, Kaplan et al. 2015). Erfasst wird diese über die Orientierungs-, Struktur- und Prozessqualität. Während sich die Strukturqualität eher auf stabile Rahmenbedingungen wie z.B. die Klassengrösse, räumliche und materielle Ausstattung bezieht, werden unter der Prozessqualität die Interaktion der Lehrperson mit den Kindern und das didaktische Arrangement fokussiert. Orientierungsqualität wird anhand der pädagogischen Einstellungen und Überzeugungen der Lehrpersonen erkennbar. Die Gestaltung eines gehaltvollen Unterrichts zeichnet sich dadurch aus, dass es der Lehrperson gelingt, sowohl die «individuellen Voraussetzungen, die intellektuellen Begabungen und die familiären Hintergründe sowie die bereits erworbenen Fähigkeiten» (Rüesch 2001, S. 14) jedes Kindes zu berücksichtigen als auch der Klasse gerecht zu werden.
2.2Distale Einflussbereiche
Erziehungs- und Bildungskooperationen zwischen Kindergartenlehrpersonen und Eltern: Im Zentrum dieser Kooperationen steht die Zielsetzung, die Kinder in der Entfaltung ihrer Begabungen und Leistungspotenziale zu fördern. Dafür ist eine von Anerkennung geprägte und regelmässige Zusammenarbeit zwischen Kindergartenlehrpersonen und Eltern notwendig. Insbesondere sozial wenig privilegierte Eltern, solche mit geringen Kenntnissen des Bildungssystems und/oder der Landessprache, sind auf diese Zusammenarbeit angewiesen. Aber auch Eltern, die ihre Kinder leistungsmässig überschätzen, können von der Kooperation profitieren (Edelmann 2018). So zeigen etliche Studien, dass eine positiv bewertete Erziehungs- und Bildungskooperation sowohl aufseiten der Kinder als auch auf derjenigen der Eltern viele Vorteile hat, sei es hinsichtlich Lernmotivation und Leistungsbereitschaft oder hinsichtlich der Akzeptanz und Unterstützung der Bildungseinrichtung und der Lehrpersonen durch die Eltern (Fröhlich-Gildoff 2013; Sacher 2014).
Kooperation zwischen Lehr- und Fachpersonen: Im Kindergarten, aber auch in der Primarschule arbeiten mehr und mehr Lehrpersonen und Fachpersonen für Heilpädagogik, Logopädie, Psychomotorik oder Deutsch als Zweitsprache (DaZ) zusammen (z. B. Kreis, Wick & Kosorok Labhart 2016). Mit kindergarten- und schulergänzenden Betreuungsangeboten kommen weitere Fachpersonen hinzu. Solche multiprofessionellen Teams können ihre Wirkung vor allem dann entfalten, wenn der fachliche Austausch garantiert ist und regelmässig stattfindet. Durch den vermehrten Besuch von frühpädagogischen Einrichtungen erhält die Kooperation mit den entsprechenden Fachpersonen des Vorschulbereichs ebenfalls einen neuen Stellenwert.
Gesellschaftliche und bildungspolitische Rahmenbedingungen: Sämtliche Bereiche, die sich auf Bildungs- und Entwicklungsprozesse auswirken, sind in gesellschaftliche und bildungspolitische Entwicklungen und Entscheidungen eingebettet. Beispiele dafür sind das HarmoS-Konkordat und die Einführung des Lehrplans 21. Sie stellen Rahmenbedingungen sowohl für die Bildungsinstitutionen und ihre Mitarbeitenden als auch die Familien dar (z. B. Eintrittsalter, Gestaltung Zyklus 1) dar. Wesentlich für die Zufriedenheit und Motivation der Lehrpersonen sind zudem die Arbeitsbedingungen sowie der Berufsauftrag, die Entlöhnung, die räumlichen Gegebenheiten ihrer Schule und deren materielle Ausstattung, die Klassengrösse und Klassenzusammensetzung (z.B. Krause & Dorsemagen 2014).
Das an dieser Stelle knapp dargestellte Rahmenkonzept war für die Konzipierung des Untersuchungsdesigns wegleitend. Es diente einerseits zum Definieren der Teilprojekte und andererseits dazu, die Fragestellungen für diese zu konkretisieren. Im nachfolgenden Kapitel wird das darauf basierende Untersuchungsdesign vorgestellt.