Kitabı oku: «Vom Schafott zum Altar», sayfa 2

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2. Die Bedeutung von Märtyrer/innen und Reliquien sowie die Reliquienbeisetzung unter der Altarmensa

Die Absage an das Böse und das Bekenntnis des Glaubens gehören zur Taufberufung und verwirklichen diese. Was in der Babytaufe in seiner Dramatik nicht deutlich genug wird, hatte in der altkirchlichen Erwachsenentaufe seine Gestalt gefunden: Erwachsene und in der Christusbeziehung bereits gefestigte Menschen erklären, dass sie aufgrund der gereiften Christusbeziehung eine Klarsicht gegen das Böse, gegen alles Entzweiende (diabolein) haben und mit der Kraft der Gottesbeziehung das Gute suchen. So wird durch die Christusnachfolge die Bejahung des dreifachen Liebesgebotes (Gott – Selbst – Nächste) und die Verwirklichung der Werte des Evangeliums zusammengefügt (symballein) zu einem Leben aus dem Glauben. Das Diabolische wird bekämpft und gemieden, das Symbolische gesucht und gepflegt. Die Märtyrergestalt, die für diese Überzeugung das Leben gibt, wird Vorbild und mahnende Gestalt zugleich, hat damit immer auch eine prophetische Qualität. Dazu dienen: der Wallfahrtsort, der jährliche Gedenktag, Grabmäler und Altäre, unter denen die Reliquien bestattet sind, pädagogisch-didaktische Arbeiten, theologisch-ethische Auseinandersetzungen und auch alle Formen der Erinnerung in Kunst und Kultur. Die Beisetzung der sterblichen Überreste, der Reliquien, eines Märtyrers unter einem Altar, auf dem regelmäßig die Eucharistie gefeiert wird, würdigt im liturgischen Glaubensvollzug in vornehmster Weise die Lebenshingabe eines Menschen als Zeugnis in der Nachfolge Jesu.

Reliquien im klassischen Sinne sind die sterblichen Überreste einer christlichen Persönlichkeit, die im Sinne der katholischen Kirche selig- bzw. heiliggesprochen ist, und welche liturgisch verehrt werden; wobei die sterblichen Überreste eines Menschen als Primärreliquien bezeichnet werden im Unterschied zu Lebensutensilien und Berührungsstücken, welche als Sekundärreliquien gelten.27 Für die Entscheidung über die Echtheit und die Aufbewahrung ist die römische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse zuständig.28 Im Rahmen eines Kanonisationsprozesses ist auch die kanonische Anerkennung der sterblichen Überreste von Diener/innen Gottes vorzunehmen. In der Regel geschieht dies auf Anfrage des Postulators.29

Der Bestattungsort spielt für einen Seligen bzw. für die Verehrung vor der Seligsprechung, wenn er gegeben ist, immer auch eine wichtige Rolle, sollte doch eine durchgängige Verehrung des Grabes/am Bestattungsort nachgewiesen werden können. Daher greift dieser Beitrag auch auf die Umstände und diesbezüglichen Gegebenheiten aus.

Reliquienbeisetzung

Die in der Allgemeinen Einführung in das Messbuch Nr. 266 von 1975 vorgesehene Möglichkeit, Reliquien in die Altarplatte einzulassen, wurde im Kirchlichen Rechtsbuch (CIC) von 1983 c. 1237 § 2 nicht mehr übernommen.30 Dementsprechend heißt es in der Grundordnung des Römischen Messbuches (GORM) von 2002:

Nr. 302. Der Brauch, unter einem Altar, der geweiht wird, Reliquien von Heiligen – auch von solchen, die keine Märtyrer waren – einzufügen, ist passenderweise beizubehalten. Man hat jedoch darauf zu achten, dass die Echtheit der Reliquien erwiesen ist.31

Die Formulierung „unter einem Altar“ kann auch den Altaraufbau meinen, da mit dem Altar im Wesentlichen die Altarplatte gemeint ist, die auch aus Stein gefertigt sein sollte. Der Kirchweihritus im Pontifikale von 1992 konkretisiert in der Einführung Nr. 5 die kirchenrechtliche Norm zum Brauch der Reliquiendeposition unter bzw. in Altären:

5. Den Brauch der römischen Liturgie, Reliquien von Märtyrern oder anderen Heiligen unterhalb der Altarmensa beizusetzen, möge man – soweit angebracht – beibehalten. Jedoch ist dabei folgendes zu beachten:

a) Die Reliquien sollen so groß sein, dass man sie als Teile menschlicher Körper erkennt. Die Beisetzung zu kleiner Reliquien eines oder mehrerer Heiliger ist deshalb zu vermeiden.

b) Mit größter Sorgfalt ist auf die Echtheit der Reliquien zu achten. Es ist besser, einen Altar ohne Reliquien zu weihen, als zweifelhafte Reliquien beizusetzen.

c) Der Reliquienbehälter soll weder auf den Altar gestellt noch in die Altarmensa eingelassen, sondern unterhalb der Mensa an einer Stelle, die sich von der Form des Altares her dafür eignet, eingefügt werden.32

Als wesentliches Kriterium für die Beisetzung von Reliquien werden die Echtheit und die Größe der menschlichen Überreste, damit sie noch als solche erkannt werden können, genannt. Diese beiden Kriterien haben dazu geführt, dass im Auftrag des Linzer Diözesanordinarius geprüft werden sollte, ob die (vermutlichen) sterblichen Überreste (Leichenbrandreste) von Franz Jägerstätter unter der Altarmensa des neuen Altares in der Pfarrkirche von St. Radegund beigesetzt werden können.

Das Pontifikale, die liturgische Vorgabe der Altarweihe für den Bischof, beschreibt den Altar als den Ort, an dem sich die Lebenshingabe Christi mit der von Märtyrer/innen verbindet. Aus der Kraft der Eucharistie haben auch die Märtyrer/innen das Leben durch, in und mit Christus aus Liebe zum himmlischen Vater und zu den Menschen hingegeben. Sie waren getragen von der Kraft und Gnade der Beziehung, die von beiden zugleich ausgeht und in welche die Taufberufenen hineingenommen werden:

Der Altar, Ehre der Märtyrer/innen. Die Würde des Altares liegt vor allem darin begründet, dass er Tisch des Herrn ist. Nicht die Leiber der Märtyrer/innen ehren also den Altar, sondern die Gräber der Märtyrer/innen werden vielmehr durch den Altar geehrt. […] „Wo Christus die Opfergabe ist, dorthin folgen die Opfer im Triumph. Er ist auf dem Altar, da er für alle gelitten hat; jene sind unter dem Altar, da sie durch sein Leiden erkauft sind.“33 Diese Ordnung scheint gleichsam ein Spiegelbild der Vision des Apostels Johannes in der Offenbarung zu sein: „Ich sah unter dem Altar die Seelen aller, die hingeschlachtet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten.“34 Denn wenn man auch mit Recht jeden Heiligen einen Zeugen Christi nennen kann, so hat doch das Blutzeugnis der Märtyrer/innen eine besondere Kraft, die nur Märtyrerreliquien unter dem Altar voll zum Ausdruck bringen.35

3. Die Pfarrkirche als Identifikationsraum

Franz Jägerstätter, der seit seiner Hochzeit am 9. April 1936 mit Franziska Schwaninger häufiger, ja täglich zur Messe in die Pfarrkirche ging, übernahm im Herbst 1941 auch den Mesnerdienst, nachdem der bisherige Mesner gestorben war.36 Als Mesner kannte er den Kirchenraum und die ihn prägende künstlerische Gestaltung wie kaum ein anderer. Es ist davon auszugehen, dass für ihn die ikonographische Gestaltung auch eine spirituelle Komponente war. Wenn seine Reliquien nunmehr in die Pfarrkirche übertragen und unter dem Altar beigesetzt worden sind, reiht sich dieses Ereignis ein in die lange Tradition der Kirche, auch der Pfarrkirche von St. Radegund. Am 15. April 1422 waren in dieser nach entsprechender Bautätigkeit drei Altäre geweiht worden.37 Der erste im Chor zu Ehren der hl. Radegundis und des hl. Laurentius, auf der rechten Seite der zweite zu Ehren Mariens und der dritte zu Ehren der hl. Leonhard, Sigismund und Wolfgang, dem Bekenner.38


Abb. 4: Historische Innenansicht der Pfarrkirche St. Radegund mit den drei Altären, o. D.

Die Pfarrkirche von St. Radegund heute ist geprägt von nicht wenigen Märtyrer/innengestalten. Zunächst ist das Patrozinium selbst zu nennen, die hl. Radegundis mit Kreuz und Krone (4. Viertel 17. Jahrhundert), links und rechts von ihr die beiden römischen Märtyrer Johannes und Paulus jeweils mit Märtyrerpalme und Schwert und den Attributen Sonne und Wolke, die sie als Wetterheilige ausweisen (um 1770). In der Mitte des Hochaltares befindet sich die Himmelskönigin Maria, das Zepter in der rechten Hand und auf dem linken Arm das gekrönte Jesuskind (Gnadenmadonna, 18. Jahrhundert). In den beiden Fenstern des Presbyteriums sind die beiden Märtyrergestalten der frühen Kirche, der hl. Stephanus und der hl. Laurentius, abgebildet; beide Fenster sind im Kriegsjahr 1916 datiert. In den Aufbau des Hochaltares sind links und rechts vom Drehtabernakel, in welchem ein Standkruzifix steht (3. Viertel 18. Jahrhundert), zwei Reliquiare mit einer nicht unbeachtlichen Anzahl an Reliquien eingesetzt. Im Reliquiar links sind Reliquien der hl. Magdalena, des hl. Koloman, der hl. Apollonia, des hl. Patiens, des hl. Fructuosus, der hl. Kunigunde, des hl. Papstes Felix, des hl. Apostels Bartholomäus und des hl. Jacintus eingefügt; hinzu kommen Erinnerungselemente vom Ölberg und ein Stück der Rute Christi (virga). Im Reliquiar auf der rechten Seite vergegenwärtigen Reliquien den hl. Georg, die hl. Radegund, die hl. Kunigunde, den hl. Liberatus, den hl. Clemens, den hl. Benedictus und den hl. Pinctus; eine weitere Reliquie ist aus einem tragbaren Altar eingefügt gemeinsam mit einer Partikel vom (Kreuzes-)Holz Jesu, vom (Abendmahls-)Tisch des Herrn und von den Kleidern der seligen Jungfrau Maria.


Abb. 5: Heutige Gesamtansicht des Hochaltars der Pfarrkirche mit Märtyrerfenster

Nachdem das ikonographische Programm zur Prägung der Gläubigen in ihrer Spiritualität geschaffen wird, sei auch die weitere Gestaltung angemerkt. Der linke Seitenaltar zeigt die Kreuzigung Jesu mit Maria, der Mutter Jesu, in ihrem Schmerz, begleitet von Johannes, dem Lieblingsjünger; Longinus, einer der römischen Soldaten, sticht in die Seite Jesu, aus der Blut und Wasser fließen, ein Bild für die Sakramente der Kirche. Darüber im Medaillon der aus Reue über seine Verleugnung weinende Petrus, mit dem krähenden Hahn im Hintergrund, und einem Putto, der das Tränentuch zum Trost reicht (2. Viertel 19. Jahrhundert).


Abb. 6: Der Seitenaltar

Aus dem 1975 entfernten rechten Seitenaltar hängen an der Nordwand der Kirche das Altarblatt mit der schmerzhaften Muttergottes und dem toten Sohn in ihrem Schoß (Vesperbild, Anfang 18. Jahrhundert) sowie das Medaillon mit der hl. Büßerin Maria Magdalena (Anfang 18. Jahrhundert).


Abb. 7: Das Altarblatt des ehemaligen rechten Seitenaltars

An einer Säule des Mittelschiffes angebracht ist die Skulptur Christi (um 1520), aus dessen Seitenwunde Blut fließt, das der Herr selbst in einem Kelch in seiner Rechten auffängt (Herz-Jesu-Motiv; Hinweis auf die Eucharistie; Hl.-Blut-Verehrung).


Abb. 8: Skulptur Christi mit Kreuz und Kelch, der das Blut Christi auffängt

In seiner Linken hält er das Kreuz, das Zeichen der Erlösung und der Liebe zu den Menschen. Sodann eine Skulptur Anna Selbdritt (spätgotisch) und die Mater dolorosa, Maria mit dem Schwert durchbohrt (4. Viertel 15. Jahrhundert). Über dem gotischen Eingangsportal auf der Südseite befinden sich der hl. Leonhard, die hl. Notburga und der hl. Isidor. Diese drei Skulpturen wurden von Josef Moser 1950 geschaffen, später wegen Diebstahls in die Sakristei gegeben und nach einer Restaurierung im Juli 1987 wieder über dem Portal eingesetzt (siehe Einlage in der Pfarrchronik), neuerdings restauriert.



Abb. 9 und 10: Anna Selbdritt (l.); Mater dolorosa (Schmerzensmutter; r.)

In der oberen Sakristei befinden sich eine Skulptur des hl. Laurentius (18. Jahrhundert) vom abgetragenen rechten Seitenaltar, ein Bild der Mutter vom guten Rat, genannt von Canazzano (signiert I. Sch. 1866) und ein Vortragekreuz. In der Sakristei steht eine durchaus wertvolle barocke Reliquien-Monstranz mit einer Kreuzpartikel, wohl zum Mittragen bei Kreuzgängen und nichteucharistischen Flurprozessionen.


Abb. 11: Reliquien-Monstranz mit Kreuzpartikel

In der Sakristei befindet sich auch eine Skulptur des auferstandenen Christus (2. Hälfte 18. Jahrhundert), die in der Osterzeit auf den Hochaltar gestellt wird. Ein ursprünglich spätgotisches Relief mit dem Letzten Abendmahl, vielleicht ein Relikt aus einem der früheren Altäre aus dem Umkreis von Hans Leinberger (um 1520), hängt heute in Gestalt einer Kopie von Alois Wengler (1962) im Altarbereich an der Nordwand; das Original befindet sich heute als Leihgabe im OÖ Landesmuseum in Linz.39 1948 merkt Pfarrer Josef Karobath an, dass die Herz-Jesu-Statue entfernt und durch eine Ecce-homo-Statue ersetzt worden sei.40

An der Südwand über dem neu geschaffenen Taufbrunnen hängt der von der Kanzel verbliebene Kanzelkorb mit dem Guten Hirten in der Mitte und Petrus und Paulus auf Ölgemälden aus der Zeit um 1730.

Während die Altarplatten der beiden Seitenaltäre und die Altarretabeln nicht mehr existieren, hat sich die ursprüngliche Altarplatte des Hochaltares erhalten. Dieser ist durch die Weihe des neuen Jägerstätter-Altares für die Feier der Eucharistie nach dem Messbuch von 1975 für den ordentlichen römischen Ritus außer Funktion, da die Messe mit der Gemeinde auf dem neuen Altar gefeiert wird. Weiterhin bestehen bleibt der Tabernakel, in dem die Eucharistie aufbewahrt wird.

Jägerstätter war wohl von diesem ikonographischen Programm und den damit verbundenen Impulsen, die von den dargestellten Heiligen ausgehen, geprägt, da Heiligenviten ja ein zentraler Bestandteil seiner täglichen Glaubenspraxis waren. Nunmehr ist er selbst in den Reigen der vergegenwärtigten Märtyrer/innen hineingenommen und selbst Vorbild für jene, welche in diese Pfarr- und Wallfahrtskirche kommen, um Trost, Kraft und Hoffnung im Ringen um die rechte Lebens- und Glaubensgestaltung zu suchen. In seinen allerletzten Mitteilungen an seine Familie aus dem Gefängnis schreibt er noch, er hätte diesen Weg nicht gehen können, „hätte mir Gott nicht Kraft und Gnade verliehen“41 – eine biografisch-theologische Notiz von höchster Relevanz für das Selbstverständnis des Propheten, Bekenners und Märtyrers.

Erster Teil: Geschichte der Verehrung Franz Jägerstätters und seiner sterblichen Überreste
1. Hinrichtung und Kremation

Franz Jägerstätter wurde am 9. August 1943 um 16 Uhr in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg-Görden an der Havel durch Enthauptung am Schafott hingerichtet.42 Seit der Verurteilung war er 34 Tage und Nächte gefesselt im Gefängnis. Während dieser Zeit schrieb er die Aufzeichnungen und Briefe mit gefesselten Händen.43


Abb. 12: Schafott aus der NS-Zeit am Originalschauplatz der Hinrichtung in Brandenburg-Görden

Das Todesurteil unterzeichnete Werner Lueben, Präsident des Reichskriegsgerichtes; ohne dessen Unterschrift hätte das Urteil keine Gültigkeit erlangt. Der Verweis auf ihn ist aus verschiedenen Gründen interessant. Während seiner Dienstzeit am Reichskriegsgericht wurden an die hundert Personen zum Tode verurteilt, darunter auch Zeugen Jehovas, die als Kriegsdienstverweigerer wegen Zersetzung der Wehrkraft hingerichtet wurden; deren Verurteilungen waren von ihm bestätigt worden. Am 1. Januar 1944 erhielt er die Ernennung zum Senatspräsidenten des Reichskriegsgerichtes in Berlin. Als er im Mai 1944 drei Priester, Carl Lampert, Pater Friedrich Lorenz und Herbert Simoleit, zum Tode verurteilen sollte, weigerte er sich, da für ihn die Gründe zur Verurteilung nicht ausreichten. Die Verhandlung war auf den 28. Juli 1944 verschoben worden. An diesem Tag fand man ihn in seiner Wohnung in Torgau an der Elbe; er hatte sich mit seiner Dienstwaffe das Leben genommen. Offensichtlich konnte er aus Gewissensgründen die Verurteilung der Priester nicht bestätigen und entschied (oder wurde gezwungen), dafür selbst in den Tod zu gehen. Lueben wurde auf dem Gertraudenfriedhof in Halle an der Saale begraben, wo ihm 2014 durch den katholischen Pfarrer Herold auch ein Gedenkstein gemeinsam mit den drei hingerichteten Priestern errichtet wurde.44

In einem Feature im Deutschlandfunk am 22. Juli 2016 berichtete seine Tochter Irmgard Sinner über ihren Vater; aufgrund ihrer eigenen schicksalshaften Biografie hatte sie sich Versöhnung zur Aufgabe gemacht.45 Sie sprach über den Kontakt zu Angehörigen von Hingerichteten, die durch das Urteil ihres Vaters das Leben lassen mussten. Unter anderem erinnerte sie sich auch an den Kontakt zu den Töchtern von Franz Jägerstätter, der ihrer Erinnerung nach der Letzte gewesen sei, den ihr Vater zum Tode verurteilt habe. Sie habe Maria Dammer geschrieben, von der sie am 15. September 2013 eine „nette“ Antwort erhielt, „die sie ganz glücklich gemacht habe“:

Liebe Frau Sinner, ich war sehr überrascht, von Ihnen einen so liebevollen Brief zu bekommen. Ich schätze es sehr, dass Sie Anteil an unserem Schicksal nehmen, haben Sie doch ähnliches miterlebt. Ihre Idee, zu uns eine Brücke zu bauen, finde ich großartig. Und ich, wie auch meine Schwestern wollen Ihnen ganz die Hand zur Versöhnung reichen. Im Geist der Liebe und für Versöhnung und für eine Kultur des Friedens einzutreten, soll unser aller Aufgabe sein. […] Mit lieben Grüßen und vielen guten Wünschen, Ihre Maria Dammer.

Zurück in das Jahr 1943. Noch am Tag der Hinrichtung, dem 9. August 1943, schrieb Pfarrer Albrecht46 Jochmann47, zuständig für die Haftanstalt Brandenburg-Görden, an die Witwe Franziska und berichtete ihr vom Sterben ihres Mannes.48 Pfarrer Jochmann, der ihn am letzten Tag begleiten konnte, bezeugt, „dass dieser einfache Mensch der einzige Heilige ist, der mir in meinem Leben begegnet ist“.49

Die Leichen von Franz Jägerstätter und aller weiteren Hingerichteten wurden im Krematorium der Stadt Brandenburg eingeäschert50; auf dem Deckel der Urne für die Brandleichenreste von Franz Jägerstätter ist der 11. August 1943 als Kremationsdatum eingetragen. Unmittelbar nach Kriegsende wurde von der katholischen Pfarrgemeinde Brandenburg eine Gedenktafel für 17 getötete Priester und zwei Laien, an erster Stelle Franz Jägerstätter, für insgesamt 1.800 in Brandenburg getötete Gefangene angebracht, welche im Zuchthaus Brandenburg von 1942 bis 1945 ihr Leben lassen mussten.51


Abb. 13: Pfarrer Albrecht Jochmann

Auch der Berliner Standortpfarrer Heinrich Kreutzberg52, der Jägerstätter zwei Mal im Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-Tegel besuchte, schrieb am 21. August, nachdem er die Todesnachricht erhalten hatte, an Franziska Jägerstätter und hält u. a. fest:

Ihr Mann ist am 9. [August] verlegt worden und noch am gleichen Tage gestorben. Beigesetzt wurde er am 17. 8. Ich habe an seinem Urnengrab still gebetet. Es waren auch einige Blumen auf das Grab gepflanzt.53


Abb. 14: Pfarrer Heinrich Kreutzberg am Urnengrab von Jägerstätter

Die Benachrichtigung über die Hinrichtung vonseiten des Oberreichskriegsanwaltes an Franziska Jägerstätter erfolgte erst am 9. September 1943.54 In der Mitteilung55 an die Witwe des Hingerichteten wird nichts über die Bestattung des Leichnams bekannt gegeben:

An Frau Franziska Jägerstätter, St. Radegund 7, Post Ostermiething.

In der Strafsache gegen Ihren Ehemann, den Kraftfahrer Franz Jägerstätter wegen Zersetzung der Wehrmacht, wurde dieser vom Reichskriegsgericht am 6. Juli 1943 zum Tode sowie zum Verlust der Wehrwürdigkeit und der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt. Das Urteil wurde am 14.7.1943 bestätigt und am 9. August 1943 die Todesstrafe vollstreckt.

Ein letzter Brief Ihres Ehemannes wird beigefügt.56

2. Die erste Urnenbestattung (1943) und Verehrung

Im Rahmen des Seligsprechungsprozesses gab Sr. Gilberta Lainer in ihrer Zeuginneneinvernahme am 21. März 1991 zu Protokoll, dass sich Frau Anni Fleischer, Seelsorgehelferin von Pfarrer Albrecht Jochmann in Brandenburg und Krankenschwester in Brandenburg, „häufig um die Erdbestattung von hingerichteten Priestern bemühte“. Sr. Gilberta berichtet, dass

sie als Krankenschwester die Tochter des damaligen Friedhofsverwalters Göde lange gepflegt habe. Sie litt an einer schweren Osteomyelitis [Knochenmarksvereiterung, Anm. EV]. Durch diese Verbindung mit dem Friedhofsverwalter war es möglich, daß ich jeweils Nachricht bekam, wenn Priester hingerichtet und eingeäschert wurden. Ich fragte auch, ob er garantieren könne, daß es sich jeweils wirklich um die Asche des betreffenden Hingerichteten handele. Er versicherte das. Auf diese Weise habe ich auch erfahren von der Begräbnisstätte der Urne des Franz Jägerstätter. Ich ging sehr oft in der Mittagszeit – weil man da am wenigsten entdeckt wurde – auf den Urnenfriedhof zur Gräberpflege. Der Friedhofsverwalter ließ mich durch die Hintertür in den Friedhof. Ich habe auch einmal nachgegraben bei der Urne von Pater Franz Reinisch57, weil ich wissen wollte, ob seine Urne dort bestattet sei. Sie war tatsächlich an diesem Ort.

Wir haben die dort bestatteten Priester und Franz Jägerstätter als Märtyrer betrachtet und vertrauten auf ihren Schutz. Wir empfanden sie als Schutz für das ganze Krankenhaus. Wir haben am Ende des Krieges nicht wenige Wunder erlebt, z. B. bei der Belagerung Brandenburgs lag unser Spital direkt im Zielgebiet der sogenannten Stalinorgel. Das Krankenhaus wurde von 26 Volltreffern der Stalinorgel beschädigt. Schwester Kallista [Vorhauer, Anm. AS] und Schwester Otwina befanden sich einmal im Refektorium, weil sie dort schlafen wollten. Ich sagte ihnen noch, sie sollten sich mit einer Matratze gegen Granatsplitter schützen. Unmittelbar darauf explodierte eine Granate im Refektorium, die den Fensterstock und die Heizung in den Raum gerissen hatte. Das ganze Refektorium war voller Splitter, die beiden Schwestern waren unverletzt. Franz Jägerstätter ist mir in irgendeiner Weise immer nachgegangen. Ich und auch die anderen Schwestern haben in schwierigen Situationen einfach zu ihm unsere Zuflucht genommen.58

Erna Putz merkt an, dass Franziska Jägerstätter bereits in ihrem ersten Schreiben an Pfarrer Jochmann „angefragt haben dürfte, ob sie die Urne ihres Mannes erhalten könne“, wovon ihr Jochmann abgeraten habe. Dennoch hatte er ihr einen Textentwurf für ihren Rechtsanwalt übermittelt, den sie im Falle der Einforderung der Urne beauftragen sollte.59 Pfarrer Jochmann blieb der Witwe Jägerstätter verbunden, dies ist übrigens eine nicht zu vernachlässigende Feststellung auch für Pfarrer Kreutzberg.60 Am 25. Oktober 1944 schreibt Jochmann eine Postkarte an die Witwe Franziska:

Liebe Frau Jägerstätter! Für einige Tage bin ich gezwungen, im Zimmer zu bleiben. Da gehen meine Gedanken auch zu Ihnen u. Ihren Kindern. Sind Sie auch noch in große wirtschaftliche Not geraten? Sonst schreiben Sie es mir offen, augenblicklich könnte ich Ihnen leicht auch mit einer Geldbeihilfe beispringen. Oder wenn ich sonst irgendwie helfen könnte, schreiben Sie mir bitte. Hoffentlich hatten Sie alle Gefahren des Krieges bisher gut überstanden! Auch für die Zukunft wünsche ich Ihnen sowie Ihrer ganzen Familie von ganzem Herzen Gottes Schutz und Segen. Ihr wohlmeinender A. Jochmann, Pfr.61

Das Anliegen zur Überstellung der Urne dürfte Franziska zunächst nicht weiterverfolgt haben, bis sie von Schwester Kallista Vorhauer den folgenden Brief erhielt, mit welchem diese die Überbringung der Urne anbot:

Brandenburg, 30. XI. 45

Sehr geehrte Frau Jägerstätter!62

Sie werden ja sehr erstaunt sein, wenn Sie aus Brandenburg, aus der Stadt, an die sich für Sie so furchtbar traurige Erinnerungen knüpfen, einen Brief bekommen. Es wird Ihnen wohl nicht bekannt sein, daß hier in Brandenburg eine Niederlassung der Schulschwestern aus dem Mutterhaus in Vöcklabruck, Ober-Österr. ist, der auch ich angehöre. Wir verwalten hier ein Krankenhaus des kath. Caritasverbandes in Berlin.63

In all den harten Jahren, die nun hinter uns liegen, haben wir Schwestern den politischen Gefangenen in der Landesanstalt Görden64, Interesse und warme Anteilnahme entgegengebracht, umsomehr, wenn es sich um Opfer unserer eigenen Heimat handelte. So darf es Sie nicht wundern, daß wir auch von dem harten Schicksal Ihres, nun sicher im Herrn ruhenden Mannes Kenntnis hatten.

Erst vorige Woche hat uns unser hochw. Herr Erzpriester, Albert Jochmann wieder von der ganz vorbildlichen Haltung und heldenhaften Sterbens dieses wahrhaft heiligmäßigen Mannes erzählt. Er sagte wörtlich: „Dies ist der größte Heilige, der mir in meinem Priesterleben begegnet!“ Wahrlich ein großes Wort aus dem Munde eines eifrigen, guten Priesters. Er hat Ihnen wohl auch seinerseits geschrieben.

So groß Ihr Leid, liebe Frau Jägerstätter um den teuren Heimgegangenen auch sein mag, die Freude, daß ein so großer, edler, ja heiliger Mann Ihr Eigen war und der Vater Ihrer Kinder ist, muß allen Schmerz übertreffen. Auch wir Schwestern sind stolz und glücklich über unseren heiligmäßigen Landsmann und gratulieren Ihnen zu Ihrem Mann, der die Kraft und den Mut hatte, für Gott, seine Überzeugung und die religiöse Erziehung seiner Kinder, sein Leben hinzugeben.

Durch die hiesige Friedhofsverwaltung haben wir Kenntnis von seiner Beisetzungsstätte. Nun haben bereits manche Angehörige der Opfer, besonders auch von Priestern, sich die Urnen aushändigen lassen. Wenn Sie einverstanden sind, wollen wir Ihnen, wenn wieder Schwestern nach Vöcklabruck fahren können, gerne die leiblichen Überreste in der Urne mitbringen. Sie müssen uns dann nur die Bestätigung von der dortigen Friedhofsverwaltung, das ist wohl vom H. H. Pfarrer, daß er dort beigesetzt wird, einschicken.65 Nur dann wird die Urne ausgehändigt. Da die Post von Österreich nach Deutschland noch nicht direkt geht, so müssen Sie wohl auf eine gelegentliche Rückkehr eines Deutschen ins Reich warten. Eventuell könnten Sie auch einen Brief mit meiner Adresse ins Mutterhaus Vöcklabruck, Salzburgerstr. 10 schicken, der uns dann auch von dort gelegentlich übermittelt wird.

Bis dahin wird das Grab von unserer Ex-Oberin, S. Georgia fleißig besucht und gepflegt. Sie hat es sich zur besonderen Aufgabe gemacht, sich um die Gräber dieser heimatlosen Opfer in besonderer Weise anzunehmen. So hoffen wir, daß auch wir an Ihrem seligen Mann einen Fürsprecher dort oben haben. Zur Zeit der Wahlen in Österreich haben wir auch vertrauensvoll seine Fürsprache für unser Volk angerufen. Sicher nicht vergebens.

Wenn Sie in Österr. einen Brief nach hier aufgeben, dann wird es besser sein, wenn Sie einen Absender von heraußen angeben. Dann werden die Briefe nicht geöffnet. Aus diesem Grunde gebe auch ich die Adr. der Frau an, die ihn nach Österreich mitnimmt.

In der Hoffnung, daß wir auch noch einmal Gelegenheit finden, uns persönlich über das Leben und selige Sterben des teuren Heimgegangenen unterhalten können, grüßen wir Sie alle recht herzlich!

S. M. Kallista Vorhauer

Grüßen Sie uns auch die Kinder des Märtyrers, der die Bewahrung ihres Glaubens so teuer erkauft hat. Sie werden sich dessen wohl immer bewußt bleiben.

Nachtr. Sollten Sie eine übrige Fotogr. von Ihrem Manne haben, so könnten Sie der guten S. Georgia Holzinger, die ihn so sehr verehrt, eine große Freude machen. Leider haben wir ihn nicht persönlich kennen gelernt.

Grüßen Sie uns unbekannter Weise auch Ihren Herrn Pfarrer, der sicher auch innigen Anteil an Ihrem harten Schicksal genommen hat.66

Inzwischen erhielt Franziska Jägerstätter Post von Pfarrer Heinrich Kreutzberg, datiert 18. Februar 1946, der ihr auch seinerseits vom Tod ihres Gatten Mitteilung gemacht hatte und kurz über seine Begegnung im Gefängnis berichtet. Er erinnert an das Gespräch, in welchem er die Beweggründe Jägerstätters erkundete, er schildert seine Gefasstheit und Freude, die er empfand, nachdem er vom Beispiel des Priesters Franz Reinisch – ebenfalls Wehrdienstverweigerer aus religiösen Gründen – hörte, den Kreutzberg ein Jahr zuvor zum Schafott begleitet hatte:

Ich gebe diesen Brief mit einem Priester, der nach Innsbruck reist. Er besucht dort eine Familie, deren geistlichen Sohn ich auf den Tod vorbereiten durfte. Er wurde fast genau ein Jahr vor Ihrem Mann zum Tode verurteilt und an der gleichen Stelle enthauptet.

Sie wissen, dass ich damals bei der ersten Besprechung mit Ihrem Mann 2 ½ St. das Für und Wider seines Entschlusses durchsprach. Als ich ihn nach acht Tagen wieder besuchte, fand ich ihn bei seinem gleichen festen und unabänderlichen Entschluss in den Tod zu gehen. Ich erzählte ihm dann vom Tode seines österreichischen Landmannes Franz Reinisch. Sie können sich gar nicht denken, wie er da aufatmete und hoch erfreut war und mir sagte: „Das habe ich mir immer gesagt, ich kann doch nicht auf einem falschen Wege sein, wenn aber sogar ein Priester sich so entschieden hat und dafür in den Tod gegangen ist, dann darf ich es auch tun.“ Als er am 9.8.1943 starb, da war es mir klar, dass der Tod des Priesters Franz Reinisch ein Abbild gefunden habe in einem schlichten Manne aus dem Volke und dass Gottes Kraft und Gnade sich den Kleinen nicht weniger offenbart, wenn sie Gottes Wege gehen und sein Wort ernst und heilig nehmen. Seien Sie überzeugt, so wie Ihr Mann gestorben ist, sind nicht Viele gewesen in Deutschland. Er starb als ein Held, als ein Bekenner, Märtyrer und Heiliger! Damals sagte ich Ihrem Manne noch: „Dieser Priester hiess Franz wie Sie! Und er stammt aus Österreich wie Sie! Und wenn Sie nun wirklich in den Tod gehen wollen, dann gehen Sie so tapfer und gross wie er hinüber in die Ewigkeit!“

Ich habe kaum einen glücklicheren Menschen gesehen im Gefängnis als Ihren Mann nach den wenigen Worten über Franz Reinisch. Das alles konnte ich Ihnen früher nicht mitteilen, aber jetzt dürfen wir offen reden, nachdem das verbrecherische System hinweggefegt ist. Die einstigen Führer haben sich vor der Welt gerichtet durch Flucht und Selbstmord, und dem Gerichte Gottes werden sie nicht entgehen können.

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