Kitabı oku: «Moment mal!», sayfa 6
FEBRUAR
18
Heinrich Heine
»Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin.«
Tja, das wusste der große Heinrich Heine, der Dichter des Liedes von der »Loreley«, offensichtlich selbst nicht so recht, denn er versuchte sein Leben lang auf immer neue Weise, die eigene Traurigkeit loszuwerden. Und das führte zu einer ganz bizarren Biografie: Heine wird in einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren, tritt mit 28 in die evangelische Kirche ein, heiratet mit 44 katholisch und gilt dann lange als Vorreiter des Atheismus.
Und dabei ist er als Autor sogar in der Lage, Jesus liebevoll zu verspotten: »Mit Wehmut erfüllt mich jedes Mal/Dein Anblick, mein armer Vetter./Der Du die Welt erlösen gewollt,/Du Narr, Du Menschheitsretter.« Heine möchte sich und die Welt lieber selbst mit Lust und Leidenschaft retten.
Doch als ihn eine unheilbare Krankheit ans Bett fesselt, ändert sich sein Ton plötzlich: »Das himmlische Heimweh überfiel mich und trieb mich fort durch Wälder und Schluchten, über die schwindligsten Bergpfade.« Der ewig skeptische Satiriker sucht verzweifelt einen Gesprächspartner, mit dem er über seine anhaltende Traurigkeit reden kann – und landet am Ende doch wieder bei Gott.
Morgen ist Heinrich Heines Todestag. Und die Experten diskutieren immer noch darüber, ob der Dichter seine Traurigkeit durch die Gespräche mit Gott nun tatsächlich losgeworden ist oder nicht. Na, eines ist jedenfalls klar: Heine hat mit Gott so genussvoll gestritten, so herzlich über ihn geflucht und so fröhlich gelästert, wie es ein echter Atheist ja leider nie erleben kann – weil er gar nicht an Gott glaubt. Schade für ihn. »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …«
FEBRUAR
19
Abendmahl
Es soll nicht sein. Jedenfalls noch nicht. Und auf keinen Fall offiziell. Katholiken und Evangelische können, dürfen, wollen nicht zusammen Abendmahl feiern. Weil sie die Oblate und den Wein weiterhin unterschiedlich interpretieren.
Ein bisschen absurd ist das schon: Damals bei Jesus durfte sogar Judas mitfeiern – der Mann, der ihn später verraten und verkauft hat und offensichtlich von der Bedeutung des Abendmahls überhaupt nichts begriff –, aber im Hier und Heute darf das nicht sein. Mist …
Moment mal! Jetzt wäre ich fast in genau die gleiche Falle getappt, in die so viele tappen: Ich habe mir einen naheliegenden Streitpunkt geschnappt und rege mich herrlich darüber auf. Und soll ich Ihnen was sagen: Es gibt immer was zum Aufregen. Gerade in der Kirche. Sie könnte doch ganz anders sein: toleranter, feministischer, ökologischer, bunter, heiliger, politischer, ethischer, kirchentagiger … und was weiß ich noch alles.
Manche Menschen haben es sich zur Angewohnheit gemacht, an allem herumzumäkeln. Es lässt sich ja auch viel leichter meckern als loben. Ich sage das deshalb so deutlich, weil ich selbst lange Zeit die Angewohnheit hatte, bei allem erst mal nach den Fehlern zu suchen. Bis mir klar geworden ist, dass Nörgelei ein wunderbarer Weg ist, sich vor der Auseinandersetzung mit einem Thema oder einer Person zu drücken.
Gerade wenn es um die Kirche und den Glauben geht, kann man schnell das Wesentliche verpassen. Man ärgert sich über irgendwelche Randthemen – möglicherweise sogar zu Recht – und verliert dabei Gott aus den Augen. Denn: Kritik schafft immer Distanz. Und das ist schwierig bei einem Gott, der Nähe sucht.
FEBRUAR
20
Ringkampf
Eine einsame Nacht, ein enges Tal, ein fast ausgetrockneter Bach. Am Ufer sitzt ein Mann und denkt nach. Als er kurz den Kopf hebt, sieht er plötzlich vor sich eine dunkle Gestalt, die ihn zum Kampf auffordert. Beide haben keine Waffen, und so fangen sie an, mit aller Kraft zu ringen. Stundenlang. Einmal erhält der Mann einen solchen Schlag auf die Hüfte, dass er schwer verletzt wird. Doch er gibt nicht auf.
Irgendwie spürt er, dass die dunkle Gestalt mit Gott zu tun hat. Ja, das ist Gott. Und siehe da: Der Mann ist so ausdauernd, dass Gott ihn in dieser Gestalt nicht besiegen kann. Am Ende stellt er sogar eine Forderung an Gott: »Ich werde dich nicht gehen lassen, bevor du mich nicht segnest.«
Der Mann heißt Jakob, sein Abenteuer steht in der Bibel – und ich liebe diese Geschichte. Vielleicht, weil sie deutlich macht, dass Gott seinen Segen nicht einfach wie eine Glaubens-Dividende ausschüttet. Um Segen muss man manchmal ringen. Und zwar mit aller Kraft. Jakob war vorher schon oft gesegnet worden. Doch sein Segen entfaltet sich erst, als er sich mit Gott – dem Segenspender – auseinandersetzt.
Jakob zeigt sehr schön, wie das mit dem Segen gehen kann: Mit Gott im Gespräch bleiben und ihn dabei sehr deutlich an seine Verheißungen erinnern. Dafür kämpfen, dass dieser Segen zur Realität wird. Nicht einfach warten, ob er wirkt. Ich zumindest glaube, dass sich der Segen für eine Examensprüfung bei jemandem, der fleißig lernt, besser entfalten kann als bei einem, der faul ist. Und Jakob erlebt, dass ein Gesegneter beim Ringen um den Segen auch Blessuren davonträgt. Aber das war für ihn in Ordnung. Denn eines ist klar: Er hat diesen göttlichen Ringkampf um den Segen nie bereut.
FEBRUAR
21
Ich verzichte (auch nicht) gern
Das mit der Solidargemeinschaft ist schon so eine Sache. Jeder möchte gern dazugehören und von ihr profitieren, aber wenn es wirklich darum geht, dass alle gemeinsam die Probleme der Zukunft angehen, wird es eher still. Schließlich bedeutet ein solcher Beitrag zur Solidargemeinschaft in der Regel, dass man auf etwas verzichten muss.
Dabei sind die Prognosen ziemlich übel: So wie sich die Alterspyramide in Deutschland entwickelt, wird man auf Dauer weder das Rentennoch das Krankenkassensystem halten können. Jedenfalls nicht, wenn nicht alle bereit sind, mit anzupacken. Ich gestehe, dass ich nicht einschätzen kann, ob die Vorschläge der Bundesregierung die richtigen Maßnahmen für eine zukunftsfähige Solidargemeinschaft sind. Aber eines ist klar: Wenn die Solidargemeinschaft auch noch in 20 Jahren funktionieren soll, dann müssen jetzt alle ihren Beitrag leisten.
Und nun sehe ich jeden Abend in den Medien eine andere Interessengruppe, die mit trotziger Stimme verkündet, sie könne auf keinen Fall Einschnitte in Kauf nehmen: die Alten, die Jungen, die Reichen, die Armen, die Angestellten, die Beamten, die Selbstständigen, die Arbeitslosen, die Gewerkschaften, die Kranken, die Gesunden und, und, und. Jeder erzählt mir, er fände das Modell der Solidargemeinschaft toll, aber er könne, wolle und werde nichts dazu beitragen – oder aber: Er hätte schon mal dazu beigetragen, und das sei nun wirklich genug.
Ich weiß natürlich, dass es viele Menschen nicht leicht haben. Aber eine Solidargemeinschaft muss ihre Krisen gemeinsam bewältigen. Und ich erschrecke, wie viele Menschen andauernd das Gefühl haben, zu kurz zu kommen. Zu den Grundwahrheiten des christlichen Glaubens gehört, dass es dem Einzelnen nur dann wirklich gut gehen kann, wenn es der Gemeinschaft gut geht. Auch wenn es mich genauso wie alle anderen schmerzt: Ich bin bereit, kürzerzutreten. Und ich hoffe sehr, dass wir das hinkriegen.
FEBRUAR
22
Die beste aller Welten
Das sind doch mal gute Nachrichten: Die Zukunft der Gesellschaft im 21. Jahrhundert sieht möglicherweise gar nicht so übel aus! Behauptet zumindest der Soziologe Gerhard Schulze, der in den 90er-Jahren mit dem Begriff »Erlebnisgesellschaft« Furore gemacht hat. Vor einigen Jahren ist ein weiteres Buch von ihm erschienen: »Die beste aller Welten«.
Der Einstieg in Schulzes Theorie klingt allerdings erst mal düster. Wir alle befinden uns zurzeit in einem Prozess, den er das »Steigerungsspiel« nennt. Wertvoll ist nur noch das, was sich steigern lässt. Immer mehr, immer schneller, immer besser, immer sozialer und so weiter.
Die Sache hat nur einen Haken: Das Steigerungsdenken ist so sehr zu einem Selbstläufer geworden, dass die Menschen inzwischen Angst haben, Ziele zu erreichen. Ein Leben, das nicht mehr verbessert werden kann, scheint sinnlos. Und was den Menschen dabei völlig abgeht, ist die Zufriedenheit. Wer immer alles verbessern will, ist nie zufrieden.
Kein Wunder, dass es in diesen Zeiten auch die Kirchen schwer haben. Ihre Werte sind nicht steigerbar. »Gott liebt dich unendlich! Jesus hat am Kreuz deine Schuld ein für alle Mal auf sich genommen! Weil Gott dich annimmt, kannst du dich selbst mit Haut und Haar annehmen!« Das kann man nicht verbessern.
Das Steigerungsspiel wird nicht aufhören. Da ist sich Gerhard Schulze sicher. Aber die Leute werden neu fragen: »Wozu?« Wozu arbeite ich eigentlich 70 Stunden pro Woche? Wozu mache ich das alles? Sie werden entdecken, dass nur derjenige das Steigerungsspiel vernünftig mitspielen kann, der weiß, welchen Sinn sein Leben hat.
Und weil ich davon überzeugt bin, dass der christliche Glaube darauf eine wirklich gute Antwort hat, sehe ich nicht nur für unsere Gesellschaft, sondern auch für die Kirche optimistisch in die Zukunft. »Die beste aller Welten« ist die, in der ich mich grenzenlos zu Hause fühle, auch wenn ich weiß, dass noch manches besser werden kann.
FEBRUAR
23
Am Tiefpunkt
Am 23. Februar 1960 war es so weit: Die beiden Männer, Jacques Piccard und Donald Walsh, zwängen sich in den Bathyskaphen, schließen die Luken – und tauchen ab. Und zwar tiefer als jemals ein Mensch zuvor. 10 916 Meter unter den Meeresspiegel.
Ja, ein Bathyskaph ist ein Tiefsee-U-Boot. Und der wagemutige Ausflug der beiden Abenteurer in den berühmten Marianengraben im Pazifik gilt bis heute als Höhepunkt oder besser gesagt als Tiefpunkt der Ozeanografie.
Auch weil diese noch weitgehend unerforschte Tiefseewelt Wissenschaftler seit Langem fasziniert. Was ist da unten los? Welche Wesen gibt es wohl in zehn Kilometern Tiefe, wo mehr als eine Tonne Druck auf jedem Quadratzentimeter lastet, wo absolute Dunkelheit herrscht und wo tödliche Kälte das Dasein bedroht?
Gerade weil das Leben in der Tiefsee so unendlich weit von uns entfernt ist, hat es sogar schon die biblischen Autoren inspiriert. Als der Prophet Micha erklären will, wie barmherzig Gott ist, da sagt er: »Gott wird alles, was unser Leben belastet, in die tiefsten Tiefen des Meeres werfen.« Und das heißt nichts anderes als: Es ist weg.
Na, wahrscheinlich haben Jacques Piccard und Donald Walsh bei ihrer Rekord-Tauchfahrt in die Dunkelheit keine menschlichen Sünden oder Nöte entdeckt. Aber das Bild von den irdischen Belastungen hätten sie in fast elf Kilometern Tiefe sicher gut nachvollziehen können: »Hierhin gehört alles, was euch belastet.« Lässt Gott ausrichten. Und wer das weiß, für den geht es stetig wieder nach oben.
FEBRUAR
24
Das Kommunistische Manifest
»Wacht auf, Verdammte dieser Erde. Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus.« So beginnt es, das berühmte »Kommunistische Manifest« von Karl Marx und Friedrich Engels. Es erschien am 24. Februar 1848 – und die knappen 60 Seiten enthalten eine Weltanschauung, die eine Zeit lang das Denken der halben Welt bestimmen sollte: den Kommunismus.
»Wacht auf, Verdammte dieser Erde.« Die Verdammten, das waren die Industriearbeiter, die in der Realität des 19. Jahrhunderts immer mehr »in Stumpfsinn und Rohheit« zu versinken drohten. Ausgenutzt von wenigen Kapitalisten. Diese Arbeiter sollten endlich aufgerüttelt werden. Und das wurden sie. Viele soziale Verbesserungen verdanken wir bis heute den Idealen des »Kommunistischen Manifestes«.
Trotzdem ist der Kommunismus offensichtlich gescheitert. Ein kommunistisches Land nach dem anderen bekennt sich zur Marktwirtschaft und lässt die Werte von Marx und Engels hinter sich. Der Kapitalismus funktioniert einfach besser – nun, das dachten wir jedenfalls, bis zur globalen Krise. Seither ahnen wir, dass auch unsere freie Marktwirtschaft keine Garantie für dauerhaftes Glück ist.
Tja, welche Wirtschaftsform ist denn jetzt die beste? Schwere Frage. Aber eines ist klar: Gut ist auf jeden Fall die Staatsform, der es gelingt, sich vor Dogmatismus zu hüten. Die nicht ein endgültiges System, sondern die Menschen an erste Stelle setzt. Die also immer neu und offen fragt, ob ihre Ideale den Menschen weiterhin guttun. Jesus hat das übrigens ganz liebevoll vorgemacht. Er sagte einmal: »Die Gebote sind für den Menschen da. Nicht die Menschen für die Gebote.« Das gilt bis heute.
FEBRUAR
25
Anthony Burgess
Die Ärzte rieten dem jungen Mann: »Nutzen Sie ihre letzten Monate gut. Sie haben einen unheilbaren Hirntumor und werden demnächst sterben.«
Oh! Nach dieser schockierenden Diagnose kündigte der Verzweifelte sofort seine Stellung als Lehrer im asiatischen Brunei und kehrte nach England zurück. Er wollte unbedingt in der ihm verbleibenden Zeit seiner Frau etwas Persönliches hinterlassen. Also fing er an, intensiv zu schreiben. Und siehe da, er veröffentlichte in den folgenden – übrigens: ziemlich gesunden – Jahren mehr als 50 Bücher. Anthony Burgess. Der Autor von »A Clockwork Orange« und vielen anderen Bestsellern. Einer, der seine Schriftsteller-Karriere zu Recht als Geschenk empfand.
Nun gehört Anthony Burgess auch zu den Autoren des 20. Jahrhunderts, die aus ihrem christlichen Glauben keinen Hehl gemacht haben und denen es wichtig war, Religion und Kirche in ihren Werken offen anzusprechen. Natürlich auch kritisch – aber Burgess hatte immer den Blick eines Menschen, der weiß, was es bedeutet, eine persönliche Auferstehung zu erleben.
Vielleicht hat er auch deshalb so nette Sätze gesagt wie: »Lache, und die Welt lacht mit dir. Schnarche, und du schläfst allein.« Heute hätte er Geburtstag gefeiert. Herzlichen Glückwunsch.
FEBRUAR
26
Browser
»To browse« heißt »stöbern«, »sich umsehen«, »schmökern«. Und wer im Internet stöbern will, der braucht einen Browser. Mit dem kann man die Inhalte des weltweiten Datennetzes darstellen. Auf seinem Bildschirm.
Ich dachte fast, ich werd nicht mehr, als ich jetzt gelesen habe, dass der erste Webbrowser überhaupt erst 1991 der Öffentlichkeit präsentiert wurde, nach der Wende. Ja, am 26. Februar 1991. Das Ding hieß damals wie das Netz, »World Wide Web«, und wurde von einem Mann namens Tim Berners-Lee erfunden. Seither können wir Seiten aus dem Internet auf unserem Computer öffnen. Sprich: Durch den Browser bekommen wir Zugriff.
Anfangs war ich verblüfft, dass das erst 1991 passiert ist, ich brauche schließlich inzwischen jeden Tag einen Browser. Doch dann wurde mir klar, dass die Idee eigentlich viel älter ist. Ja, es geht beim Browsen doch darum, etwas darzustellen, auf das man sonst keinen Zugriff hätte. Und als Theologe fällt mir da sofort ein Vergleich ein.
Gott ist auch etwas, das man nicht einfach so lesen und verstehen kann. Man braucht dazu einen Browser. Sozusagen einen Gott-Browser. Und den hat Gott selbst online, oder besser, »onearth« gestellt. Nämlich seinen Sohn. Jesus zeigt den Menschen, wie Gott ist. Damit die endlich Zugriff bekommen.
O. k., ein gewagtes Bild. Aber jetzt versteh auch ich als Pfarrer endlich, was ein Browser ist.
FEBRUAR
27
Frauenpower
2009 ging es noch knapp aus. Ganz knapp. Fast wären die Studienanfängerinnen da schon in der Mehrheit gewesen. Aber es hat dann doch nicht ganz gereicht. Nun, 2010 wird es wahrscheinlich so weit sein: Mehr Frauen als Männer schreiben sich an Hochschulen ein und beginnen in Deutschland ein Studium.
Für diesen einzigartigen Erfolg der Gleichberechtigung brauchten die Frauen genau … na? 110 Jahre. Ja, denn im Jahr 1900 durften sich Ende Februar zum allerersten Mal Frauen in Deutschland immatrikulieren. Und zwar im liberalen Baden. Preußen brauchte noch bis 1908. Allerdings war da der Siegeszug der Akademikerinnen schon nicht mehr aufzuhalten.
Heute scheint es fast absurd, dass die europäische Gesellschaft den Frauen jahrhundertelang das Recht auf Bildung vorenthalten hat – vor allem die Kirchen haben sich bei diesem Thema wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Unverständlicherweise übrigens.
Jesus sagt doch den berühmten Satz: »Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.« Alle. Also Männer und Frauen. Nur weiß kaum einer, wie der Satz weitergeht. Da steht nämlich wörtlich: »Kommt alle und lernt. Lernt von mir.« Jesus selber lädt also Frauen zum Lernen ein. Das müssen die Theologen vergangener Tage irgendwie überlesen haben. Schade. Und was für ein Glück, dass Frauen diese Texte heute selbst studieren können.
FEBRUAR
28
Theodosius
Es war im Jahr 380. Da erklärte der römische Kaiser Flavius Theodosius am 28. Februar das Christentum zur allein gültigen und verbindlichen Staatsreligion. Mmh.
Nun kann man ja vom christlichen Glauben denken, was man will: Mit seinem Edikt »Cunctos Populos« begründete Theodosius letztlich das christliche Abendland. Und dass wir heute eine Gesellschaft haben, die auf christlichen Werten wie Menschenwürde, Freiheit und Nächstenliebe aufbaut, ist mehr als erfreulich.
Trotzdem gibt es viele Leute, die fragen: War dieser Schritt von Theodosius wirklich klug? Also: War es richtig, das Gedankengut dieser bislang verfolgten Glaubensgemeinschaft der Christen zum offiziellen Pflichtprogramm zu machen? Vorher hatten die Menschen ja die freie Wahl, ob sie Christinnen und Christen werden wollten; jetzt war es plötzlich so etwas wie ein Gebot.
Die Gefahr dabei ist ziemlich klar: Wenn etwas, das man aus Begeisterung, Leidenschaft und Überzeugung gemacht hat, plötzlich zur Pflicht, zur Gewohnheit und zum Ritual wird, dann geht das fast immer schief. Insofern wundert es auch nicht, dass ein verstaatlichtes Christentum so manche Macken hat.
Vielleicht ist es ein richtiger Segen, dass Menschen im 21. Jahrhundert das Geschenk des Glaubens wieder aus freier Entscheidung annehmen können. Und vielleicht tut das auch der Kirche gut.
MÄRZ
1
Alle gleich
»Alle anders – Alle gleich.« Das war ein starkes Motto für die »Internationalen Wochen gegen Rassismus«, die kürzlich stattfanden. »Alle anders – Alle gleich!« Jeder Mensch ist ein Individuum, vor allem aber ist er ein Mensch. Ganz gleich, welche Hautfarbe, Religion, Kultur oder Erziehung er hat.
Nur wer das kapiert, ist auch in der Lage, etwas gegen die vielen kleinen und großen Formen von Rassismus zu unternehmen, die man in Deutschland täglich beobachten kann. »Hey, der Typ da, das ist nicht in erster Linie ein Norweger, ein Türke, ein Araber oder ein Afrikaner. Das ist ein Mensch.« Rassismus fängt nämlich genau da an, wo jemand das Gefühl hat, ein anderer sei irgendwie ein bisschen weniger Mensch.
»Alle anders – Alle gleich.« Nur: Woher stammt eigentlich der kluge Gedanke, dass alle gleich sind? Na, das ist einer der zentralen Inhalte des christlichen Glaubens! Und dabei geht es gar nicht um »Gleichmacherei«, sondern um eine echte Aufwertung des Menschen: Weil Gott uns geschaffen hat, sagt die Bibel, sind wir alle gleich, und zwar gleich wertvoll und gleichermaßen gewollt und geliebt.
Wer in jedem Menschen ein von Gott geliebtes Geschöpf sieht, kann den anderen gar nicht verachten. Insofern ist der Glaube auch eine gute Basis, um Rassismus zu überwinden. In der Geschichte der Kirche hat das leider nicht immer geklappt, aber Jesus hat zumindest vorgemacht, dass sich die Welt verändert, wenn man auch den merkwürdigsten Gestalten mit Liebe und Achtung begegnet. »Alle anders – Alle gleich.«