Kitabı oku: «Der Erotikkracher», sayfa 28
Verschollen
Im
Dschungel
Eine erotische Geschichte
Das Erdbeben
Seit Tagen drohte die Natur. Immer wieder schwankte der Boden unter ihren Füßen. Mal mehr. Mal weniger. Unter ihnen, tief im Erdinneren, grollte und rumpelte es. Dann zitterte das Laub der Bäume. Die Tierwelt wurde für einen Augenblick still. Kein Vogel zwitscherte, kein Säugetier gab einen Laut von sich. Bis das Grollen und Rumpeln wieder vorbei war. Die Erde beruhigte sich anschließend. Man konnte wieder ganz normal auf dem Erdboden gehen. Ohne Angst haben zu müssen, von den wellenartigen Schwankungen, die sich wie Wasser auf der Erdoberfläche fortsetzten, hinweggespült zu werden.
Aber seit ein paar Minuten änderte sich alles. Die Natur war mucksmäuschenstill geworden. Ohne Rumpeln. Ohne dass sich der Boden bewegte. Kein Laut lag in der Luft. Nur die Wassertropfen, die vom täglichen Regens durch das Blattwerk der Bäume fielen, verursachten ein paar kleine Geräusche.
Julia hob den Kopf. Nur unterbewusst fiel ihr auf, dass sie nichts mehr hörte. Nun aber schenkte sie diesem Umstand ihre ganze Aufmerksamkeit. Neben ihr stand der Professor. Er war in seine Grabung vertieft. Schließlich waren sie dabei, mitten im südamerikanischen Urwald einen sensationellen Fund auszugraben. Eine Kooperation zwischen dem brasilianischen Staat und einer deutschen Universität ermöglichte dies.
Julia tippte den Professor an der Schulter an. Da hörte er es auch. Nämlich nichts. Ehrfürchtig blieb er stehen. Schaute sich beinahe ängstlich um. Prüfte, ob die Erde schwankte. Nichts. Wenige Meter weiter hatte Sebastian seinen Spaten zur Seite gelegt. Gabriela, die dunkelhäutige schöne Deutsch-Brasilianerin, tat es ihm gleich. Auch sie stand unbewegt im Dschungel und horchte.
Auf einmal ging es los. Unter ihren Füßen spürten sie zuerst ein Zittern im Boden. So als würde sich ein allmächtiger Erdgeist erheben. Das Grummeln wurde lauter, wurde zu einem Brüllen. Das Zittern des Bodens verstärkte sich. Dann schwankte der Boden. Es war, als wäre plötzlich alles flüssig geworden und man stünde auf einer wogenden Wasseroberfläche. Mit hohen Wellen. Die Blätter des Dschungels begannen zu rascheln. Die Tiere kreischten nun laut.
Das Grollen im Erdreich wurde noch lauter. Gabriela hatte das Gefühl, sie würde gleich umfallen. Der Professor stützte sich auf seinen Spaten. Doch das schien nichts zu helfen. Der Lärm aus der Tiefe wurde ohrenbetäubend. Plötzlich gaben riesige Urwaldbäume dem Erdbeben nach. Sie knickten einfach um. Die uralten Urwaldmonster fielen einfach zur Seite. Wie Streichhölzer.
“Lauft! Lauft um euer Leben! “, schrie der Professor und rannte in Richtung des kleinen Camps.
Er kam nur wenige Schritte weit, da fiel er einfach um. Der Boden schien ihm keinen Halt mehr zu bieten. Den drei anderen erging es ebenso.
Ein Donnern machte sich breit. Das kam nicht aus dem Erdinneren. Es kam von den umliegenden Hängen. Als die vier Wissenschaftler nach oben blickten sahen sie die riesige Schlammlawine, die sich vom oberen Rand des Tales löste und sich nun bedrohlich zur Talmitte bewegte. Mit größter Mühe erreichten sie ihr Lager. Sie hatten es in der Mitte des kleinen Tales auf einer Lichtung aufgeschlagen. In der Nähe eines Bachlaufes. Dort, wo man für zusätzlichen Platzgewinn das niedrige Buschwerk mit einer Machete niederschlagen konnte.
Das stabile Hauptzelt, das von Holzstangen gestützt wurde, fiel einfach in sich zusammen. Die leichten Zelte hielten. Aber das große Problem war die Schlammlawine. Das Erdbeben ließ allmählich nach. Umso lauter wurden das heranrollende Gestein und der sich wie ein überdimensionaler Teig bewegende breite Schlammberg. Die Schlammmassen drohten sich geradewegs auf die vier Wissenschaftler zuzubewegen.
Schon wieder rannten sie um ihr Leben. Diesmal in die entgegengesetzte Richtung. Dorthin, wo sie kurz zuvor gestartet waren. Mit Entsetzen mussten sie beobachten, wie die gesamte Bergflanke auf einer Breite von mehreren hundert Metern ins Rutschen kam. Der Talausgang wurde bald von einem riesigen Pfropfen aus Schlamm und mitgerissenen Bäumen versperrt.
Ein Drittel der Schlammlawine rollte bis in die Mitte des kleinen Tales. Direkt auf ihr Camp zu. Sie waren auf ihrer Flucht dem Wasserlauf gefolgt, an dem ihre Zelte standen. Entlang des Baches befand sich weniger Buschwerk. Das erleichtere das schnelle Vorankommen. Der Bach wurde von einem Wasserfall gespeist, der hoch oben über dem Talrand seinen Ursprung hatte. Am Ende des Wasserfalles, an einem tropischen türkiesblauen wunderschönen Becken, standen sie nun und beobachteten das Geschehen.
Der Schlamm, der den Ausgang verstopft hatte, kam zum Stillstand. Die Schlammlawine, die in die Mitte des Tales vordrang, schob sich immer noch in gleicher Geschwindigkeit den Abhang herunter. Sie knickte Bäume um, walzte Buschwerk platt. Sie begrub einen Urwaldriesen nach dem anderen unter sich. Bis das teigartige Monster endlich die kleine Lichtung und das Camp erreichte. Und das große Zelt einfach unter sich begrub.
Wabernd wie ein Pudding kam die Schlammmasse endlich zum Stillstand. Ohne die kleinen Zelte unter sich zu zerquetschen. Das Hauptzelt mit dem gesamten Expeditionsmaterial, ihren Computern, dem Satellitentelefon und dem Generator war unter meterhohen Schlammmassen begraben. Da war nichts mehr zu machen.
Die vier Wissenschaftler beobachteten das Schauspiel zum Teil mit Todesangst, zum Teil fasziniert und mit wissenschaftlicher Neugier. Als die Schlammlawine nach der Zerstörung des großen Zeltes wie durch ein Wunder endlich zum Stillstand gekommen war, sank Gabriela zu Boden und begann laut zu schreien und zu weinen.
Sebastian kümmerte sich sofort um sie. Julia rannte ebenfalls zu ihr hin. Gabriela konnte ihren starren Blick nicht von der zerstörten Landschaft lassen. Der Urwald, ihr geliebtes kleines Tal, hatte plötzlich eine riesige Wunde bekommen. Die dunkelbraune Schlammlawine war durch das satte Grün des Urwaldes hindurch gedrungen. Sie hinterließ oben am Talrand glatte dunkelbraune Flächen – das blanke Gestein, schlammverschmiert. Auf ihrem Weg ins Tal bildete sie eine braune nasse Masse, in der es zu brodeln und zu kochen schien. Es blubberte, als aus den vielen tausend Hohlräumen, die sich in der Lawine gebildet hatten, die Luft entwich. Die Bäume, die vom Schlamm begraben wurden, ragten zum Teil mit dem Wurzelwerk nach oben aus der Masse heraus. Ebenfalls vom Schlamm braun gefärbt.
Der Professor stand mit offenem Mund an den Baumstamm eines Urwaldriesen gelehnt und betrachtete die nähere Umgebung. Er redete in unverständlichen Worten leise vor sich hin. Sein Gesicht, aschfahl, verriet seinen Schockzustand.
Während sich Sebastian um die immer noch laut schreiende Gabriela kümmerte, sie in die Arme nahm und auf sie einredete, versuchte Julia dem Professor eine Stütze zu sein. Sie hörte auf die leisen Worte des Professors. Und glaubte darin auszumachen, dass er fortlaufend das Vater Unser betete.
„Hallo, Professor! Es ist vorbei!“, versuchte Julia dem erschütterten Mann Mut zu machen. Der Professor, atypisch für eine Person in seiner Stellung, war nicht etwa alt und ergraut. Seine wissenschaftliche Karriere hatte er sehr jung begonnen. Nun war er Mitte vierzig, eine wissenschaftliche Koryphäe was die ehemaligen mittel- und südamerikanischen Kulturen anging, und vom Aussehen, seiner Statur und seinem Körperbau nach hätte er auch ein guter Sportler sein können. Schwarze Haare, breite Schultern. Aber sein Herz und seine Seele gehörten ganz der Wissenschaft. Da blieb der Rest des Lebens manchmal ein wenig außen vor.
Plötzlich erschreckte die vier ein nächstes Erdbeben, riss sie aus ihrer konzentrierten Beobachtung der Umgebung. Wo sollten sie hingehen? Sie verharrten dort, wo sie standen. Blickten ängstlich zum Talrand hinauf, hofften inständig, dass sich nicht die nächste Schlammlawine auf den Weg in Tal machte. Aber die Abhänge hielten.
Der Schreck saß natürlich tief. Gabriela hatte zu weinen aufgehört. Sie befand sich in einer Schockstarre. Die kleine Gruppe saß, lag oder stand immer noch auf dem grasbewachsen Rand des Wasserfallbeckens. Von dort aus hatte man schließlich den besten Überblick über das Tal. Als der Professor wieder zu sich fand und auch Gabriela ihren Schrei- und Heulkrampf überwunden hatte, kauerten sie sich eng zusammen, saßen still nebeneinander.
Seit dem Nachbeben war die Natur wieder ruhig geworden. Nicht der kleinste Laut war zu hören. Nur das Plätschern des Wasserfalls stellte die Geräuschkulisse in dem Tal dar.
“Und nun?“, warf Julia plötzlich in den Raum.
Die vier schauten sich an. Niemand hatte eine Antwort.
“Mir scheint dieser Platz hier ziemlich sicher zu sein. Mein Vorschlag ist, dass wir unsere Zelte hierher holen und heute die Nacht hier zu bringen.“
“Keine zehn Pferde bringen mich in ein Zelt“, flüsterte Gabriela ganz leise.
„Ich glaube, ich ziehe es ebenfalls vor, im Freien zu übernachten“, gab nun auch der Professor seine Meinung von sich.
Sebastian blickte zu Julia. “Ich glaube, wir beide haben dieses Unglück recht unbeschadet überstanden. Du bleibst bei Gabriela und dem Professor. Ich hohle die Zelte hoch.“
Mit diesen Worten stand Sebastian auf und machte sich auf den Weg zu den Schlafzelten. Immer wieder blickte er sich vorsichtig um, überprüfte die Bäume ob sie drohten auf ihn zu stürzen. Hoffte natürlich auch, dass es kein weiteres Nachbeben mehr gab. Aber schon nach wenigen Minuten kam das nächste schwächere Beben. Ließ das Laubwerk erzittern. Stellte die Tierwelt auf ruhig. Aber es war schließlich allgemein bekannt, dass nach einem starken Erdbeben Nachbeben kommen würden. Insofern war Sebastian nur leidlich beunruhigt.
Er schaffte es bis zu den Zelten. Eine Herde kleiner Affen, die bisher immer gebührenden Abstand um das Camp gehalten hatte, sauste zwischen den Zelten einher. Aufgeregt. Durcheinander. Bei den Menschen hätte man gesagt: hysterisch.
Sebastian musste mehrere Male auf und absteigen, bis er die vier Zelte und das verbliebene Hab und Gut zum Wasserfallbecken hoch transportiert hatte. Es kostete ihn viel Mühe. Denn zwischenzeitlich setzte starker Regen ein. Die Gruppe wurde im Nu durchnässt. Üblicherweise hätten sie sich nun in ihr großes Zelt zurückgezogen und ihre Ausgrabungsergebnisse besprochen. Davon konnte jetzt keine Rede mehr sein.
Der Professor schaffte es allmählich komplett zurück in die Wirklichkeit. Sein Schock schien überstanden. Gabriela zitterte am ganzen Körper. Ihr Schockzustand klang auch ab. Dennoch musste sich Julia weiterhin um sie kümmern.
“Unsere ganze Ausrüstung ist kaputt. Das, was wir ausgegraben haben, steht noch in Kisten neben dem großen Zelt. Die Schlammlawine hat alles verschont. Dafür haben wir weder Satelliten-Telefon noch Internet noch sonst eine Möglichkeit, mit der Außenwelt Kontakt aufzunehmen. Und wenn ihr mich fragt. Die große Schlammlawine hat das Tal so zugemacht, dass wir erst wieder heraus können, wenn der Schlamm getrocknet ist“, analysierte Sebastian.
Das hatte sich nämlich schnell als das große Problem erwiesen. Die Schlammlawine war nicht zu überwinden. Sebastian hatte nur am Rande der Lawine versucht in den Schlamm hinein zu gehen. Er war sofort in das weiche Material eingesunken. Damit war der Weg nach draußen versperrt. Die steilen Abhänge des Talrandes konnte man schwerlich erklimmen, da sie sehr dicht bewachsen und am oberen Talrand auch besonders steil waren. Das bedeutete: Gefangenschaft in der Natur. Und für die Menschen in der Heimat waren sie ab dem Moment wohl verschollen.
Schreie gellen durch das Tal
Plötzlich horchten sie auf. Ein lang gezogenes Aaaaiiii schrillte durch das Tal. Sofort darauf das nächste. Jedoch in einer anderen Tonlage. Noch schriller.
“Was mag das sein?“, fragte Julia in Richtung Sebastian.
Der zuckte mit den Schultern. Der Professor hatte auch keine Erklärung. Zumindest kannte er kein Tier, das derartige Töne von sich gab. Außer vielleicht Papageien. Schon wieder zwei grelle Schreie. Wieder aus derselben Richtung. Die Gruppe verhielt sich mäuschenstill. Die ganze Natur hatte aufgehört zu lärmen. Gerade so, als stünde das nächste Erdbeben bevor. Ein jeder horchte auf die schrecklichen Schreie, versuchte herauszufinden, woher sie kamen.
Als die Schreie allmählich leiser wurden, machte sich Sebastian auf, um nach der Ursache der Schreie zu schauen. Da die ganze Ausrüstung kaputtgegangen war, hatte er als einzige Waffe nur einen Stock bei sich, den er aus einem umgeknickten kleinen Baum zurecht schnitzte. Immerhin hatte sein Messer in seinem Gürtel das Erdbeben unbeschadet überlebt.
„Bitte sei vorsichtig. Du bist momentan der einzige Mann, der hier etwas bewirken kann“, meinte Julia.
Sebastian hob verwundert die Augenbrauen. So schnell hatte er also den Professor übertrumpft – oder was sollte die Aussage von Julia bedeuten? Dann ging er vorsichtig los. Die Schreie waren immer noch zu hören. Allerdings wurden sie allmählich leiser. Sebastian hatte bald das Gefühl, die Ursache könnte gar nicht allzu weit entfernt liegen.
Ständig wiederholten sich die Schreie. Sie klangen beinahe wie ein Zwiegespräch. Er konnte sich gut an ihnen orientieren und kämpfte sich mühevoll durch das Buschwerk. Ohne Machete war das schwierig. Er konnte nur seinen Stock einsetzen.
Das Buschwerk lichtete sich unvermittelt. Sebastian stand schlagartig direkt vor der Schlammlawine. Meterhoch baute die sich vor ihm auf. Die Schreie kamen eindeutig aus der Nähe, vielleicht sogar mitten aus der Schlammmasse. Sebastian blickte sich vorsichtig um. Er suchte im dicken Rand der Schlammlawine und blickte immer wieder an dem Wulst der Schlammmassen entlang. Es war schwer, irgendeine Kontur zu erkennen. Alles war braun. Alles sah aus wie aus ein und derselben Substanz. Er dachte bald, die Quelle der Schreie direkt vor sich zu haben.
Schlamm-Menschen
Da! Tatsächlich, mitten aus der Schlammlawine ragten ein und zwei Arme heraus. Sie bewegten sich. Sebastian, in Deutschland geboren und aufgewachsen, hatte sofort das Bild von Max und Moritz vor Augen. Die beiden Lausbuben in Teig gehüllt sahen in den Kinderbüchern genauso aus wie die Figur, die weit oberhalb von ihm im Schlamm steckte und mit den Armen ruderte. Sebastian konnte nicht sagen, um was für einen Menschen handelte. Der Körper war schlammverkrustet. Die Konturen verschwammen mit der zähen Masse von Schlamm und Pflanzenresten.
Keine Frage, dem armen Menschen musste geholfen werden. Das war klar. In dem Moment hörte Sebastian aber wieder ein schrilles Schreien. Jedoch gingen diese markerschütternden Schreie von einer anderen Stelle aus.
Sebastian suchte wieder den Schlamm ab und sah plötzlich einen Kopf und einen Arm, die zu einer ebenfalls im Schlamm steckenden Person gehörten. Sie war deutlich kleiner, hatte jedoch lange Haaren, die dick verkrustet feststeckten. Der schrillen Stimme nach handelte es sich wahrscheinlich um ein Mädchen.
“Hey, ihr zwei, wer seid ihr?“
Die beiden im Schlamm steckenden Menschen drehten sich zu Sebastian um. Sie winkten mit den Armen und gaben zu verstehen, er solle zu ihnen kommen. Die Sprache der Menschen konnte Sebastian nicht identifizieren.
Beide steckten ziemlich am Rande der Schlammlawine fest. Sebastian hätte im Schlamm herum klettern müssen, um sie zu erreichen. Und er wusste, das würde nicht gehen. Der Schlamm war viel zu weich. Er überlegte, was er tun konnte. Von den Urwaldriesen herabhängende Lianen schienen ihm die beste Möglichkeit zu sein, den beiden zu helfen. Er zog an einer der bis zum Boden hängen Lianen, holte sie soweit herab, dass er ein Stück von etwa sechs Metern Länge abschneiden konnte. Mit dem trat er an den Rand der Schlammlawine und warf die Liane in Richtung des Mädchens. Deren Körper steckte nicht weit vom Ende der Lawine entfernt fest. Das war eindeutig die leichtere Übung. Wenn sein Plan klappte hatte Sebastian auf jeden Fall schon mal ein Menschenleben gerettet.
Die Länge der Liane reichte. Das schlammverkrustete Mädchen packte schon nach wenigen Versuchen des Zuwerfens die Liane. Sebastian zog kräftig. Das Mädchen half mit und versuchte sich frei zu strampeln. Sebastian brauchte aber mehrere schweißtreibende Versuche, bis er das Mädchen aus dem Schlamm herausgezogen hatte.
Die plumpste am Rand der Schlammlawine herab und landete direkt vor seinen Füßen. Das Weiß ihrer Augen war das einzig menschliche an ihr. Der Rest ihres Körpers war mit Schlamm bedeckt. Sie fiel vor ihm auf die Knie und versuchte seine Füße zu küssen. Sebastian hielt sie auf Abstand und deutete auf den zweiten Menschen in der Schlammlawine. Er machte ihr klar, dass er auch hier auf eine ähnliche Weise Abhilfe schaffen musste. Und zwar rasch.
Da dieser Mensch jedoch weiter oben in der Schlammlawine steckte, war ein längeres Stück Liane notwendig. Das Mädchen zeigte auf Sebastians Messer. Er gab es ihr. Sie kletterte behände wie ein Äffchen an einer Liane empor und schnitt weit oben im Geäst des Urwaldriesen eine benachbarte Liane ab. Die war nun wesentlich länger als die erste.
Sebastian benötigte wieder mehrere Versuche, bis der in der Schlammlawine steckende Mensch die Liane zu fassen bekam. Er zog gemeinsam mit dem Mädchen. Wieder und wieder. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sie den Mann aus dem Schlamm befreit hatten. Auch er kullerte am Rande der Schlammlawine herunter, landete vor ihren Beinen. Mit einem kaum zu überbietenden Blick der Dankbarkeit schaute er zu Sebastian empor. Dann schaute er das Mädchen an und lächelte liebevoll.
Offensichtlich handelte es sich um einen Jungen oder einen Mann. Der gänzlich ohne Kleidung in der Schlammlawine steckte. Und bei einem näheren Blick auf das Mädchen stellte Sebastian fest, dass die Kleine in ihrer Mitte eine beachtliche Haartracht trug, die nun vom Schlamm verkrustet war. Also war es zumindest kein ganz junges Mädchen mehr. Offensichtlich hatte er sogar ein Paar, Mann und Frau, gerettet.
Er deutete den beiden an, die sollten ihm folgen. Er ging vorneweg. Die beiden Schlammfiguren hinterdrein. Sie waren verletzt. Ihre Bewegungen deuteten darauf hin. Der Mann hinkte. Das Mädchen hatte Probleme mit einem Arm.
Erstaunt nahmen die drei Zurückgebliebenen die beiden schlammbedeckten Menschen in Empfang. Da man sich gegenseitig nicht verstand und der Professor, der die Sprachen der Stämme der näheren Umgebung eigentlich kannte, aufgrund des Schlammes nicht erkennen konnte, um wen es sich handelt, deutete Sebastian den beiden an, sich erst mal im türkiesblauen Becken des Wasserfalls zu waschen.
Die beiden sprangen hinein und schrubbten sich gründlich ab. Sie reinigten ihre Körper von Kopf bis Fuß. Zwischendurch schienen sie ein Ritual auszuführen, klatschten sich ab, riefen sich singende Laute zu, bevor sie weiter ihre Körper wuschen. Schon nach einer Viertelstunde konnte man wieder leibhaftige Menschen unter dem Schlamm erkennen. Nach einer halben Stunde standen ein junger drahtiger mittelgroßer Mann und eine junge zierliche hübsche Frau vor der Gruppe der Wissenschaftler.
Die Eingeborenen
Die beiden Eingeborenen trugen keinerlei Kleidung. Ihre Haut war dunkelbraun. Sie besaßen wilde Bemalungen an den Oberarmen und an den Oberschenkeln. Der Professor studierte ihre Tattoos. Er überlegte kurz. Dann sprach er den Namen des Stammens aus, den er identifiziert hatte.
Da wichen die beiden vor Schreck zurück, beinahe so, als hätte man sie bei etwas Verbotenem erwischt. Dann lachten sie, gingen auf den Professor zu und fielen ihm um den Hals.
Julia und der Professor begannen, die beiden näher zu untersuchen. Sie mussten feststellen, dass der Mann einen dick angeschwollenen Knöchel aufwies. Die Frau hatte es am linken Oberarm erwischt. Dort klaffte eine üble Wunde. In ihren Übernachtungszelten besaß jedes Mitglied der Archäologen-Gruppe unter den persönlichen Gegenständen auch jeweils einen Erste-Hilfe-Beutel. Julia holte ihren hervor und begann, die Wunde der Frau zu säubern. Dann verband sie die Wunde fachgerecht. Ein spezieller Kurs, den sie vor ihrer Abreise alle durchlaufen musste, befähigte sie dazu.
Der Mann erhielt den Auftrag einer Salbe. Auch sein Knöchel wurde verbunden. In der Zwischenzeit versuchte der Professor, mit den beiden über die Sprache Kontakt aufzunehmen. Er kramte in der hintersten Ecke seines Gehirns. Ein paar Worte der Sprache, die von diesem Stamm gesprochen wurde, glaubte er zu können. Er probierte es aus.
“Mein Name ist Schwarz, Professor Schwarz.“
Die beiden Indios starrten ihn entgeistert an. Dann schlugen sie sich mit den Handflächen auf ihren Oberschenkel. Der Mann erhob sofort die Stimme und erklärte in seiner Sprache, sein Name wäre TomTom. Und der Name seiner Frau wäre Pipa.
Der Professor hob die Augenbrauen. “TomTom? Warum TomTom?“
TomTom gab keine Antwort. Er zuckte mit den Schultern. Grammatikalisch nicht sehr glücklich fragte der Professor, warum die beiden in die Schlammlawine geraten waren. Nach einigem hin und her verstanden sie, was er von ihnen wollte. Der Mann lacht lauthals. Auch Pipa lachte. Pipa stellte sich neben den Mann, griff nach seinem Schwanz. Schüttelte ihn. Danach lachte sie wieder und machte eine international verständliche Geste für Geschlechtsverkehr. Daraufhin lachten nun beide herzhaft. Auch TomTom fasste der Frau an ihr Geschlechtsorgan und steckt ihr gleich ein paar Finger hinein.
Der Professor schluckte. Die Studenten ebenfalls. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Zumindest nicht so ungeniert im Angesicht fremder Menschen. Aber irgendwie kapierten sie, dass die beiden beim Geschlechtsverkehr von dem Erdbeben überrascht wurden und mit der Schlammlawine ins Tal gelangten. Man versuchte sich ein wenig zu unterhalten. Dem Professor fielen noch einige Worte ein. Aber sein Sprachschatz war schnell zu Ende. Und die vielen Worte, mit denen TomTom antwortete, konnte er nicht übersetzen.
Pipa griff sich an den Bauch und drehte ihre rechte Hand auf ihrem Bauch. Mit der linken Hand deutete sie auf ihren Mund. Das schien eindeutig zu sein. Sie fragte nach Essen. Der Professor zeigte auf die Schlammlawine im Hintergrund und machte ein Zeichen dafür, dass alle ihre Vorräte von der Schlammlawine zerstört worden waren. Das verstanden die beiden Eingeborenen.
Sie gaben eine Menge schmatzender Laute von sich. TomTom signalisierte, dass er sich auf die Suche nach Essen begeben würde. Und schon war er im Busch verschwunden.