Kitabı oku: «Das bittersüße Traumkonzert», sayfa 3
- 4 -
S
obald sie die kleine und überraschenderweise leere Loge öffnen, stürmt Sonja an die Brüstung. Gedankenvoll schließt Lilith hingegen die Tür. ›Ist das alles für uns allein gedacht?‹, fragt sie sich. Da ertönt seine Stimme zu dem ersten Lied. Gebannt hält sie kurz inne und schließt die Augen. Auf der Stelle bekommt sie eine Gänsehaut, wie immer, wenn sie seinen Gesang hört.
Am liebsten würde sie zu der Freundin an das Geländer eilen, doch ganz bewusst geht sie langsam nach vorn. Noch immer kann sie es nicht fassen, dass sie nun doch hier und heute steht. Dass sie sich in diesem Moment in dieser Halle befindet und ihn live erleben kann, nicht nur auf DVD von irgendwelchen Konzerten rund um den Globus. Oder wie damals, als sie die noch relativ unbekannte Band das erste Mal in einem kleinen Saal sah.
Es raubt ihr regelrecht den Atem, als sie schlussendlich auf das Geschehen hinabblickt. Er steht in seinem wahnsinnig tollen Outfit auf der Bühne und mit halb geschlossenen Augen schmettert er das Lied. Dabei umklammert er den Mikrofonständer, als müsse er sich an etwas festhalten, um nicht von seiner eigenen Energie fortgerissen zu werden.
Sie ist hin und weg. Langsam und andächtig bewegt sie sich im Rhythmus, dabei beobachtet sie jede seiner Bewegungen. Wie er wegspringt und regelrecht zum Klavier hastet, um stürmisch in die Tasten zu greifen. Er wirft den Kopf in den Nacken, während er zum Refrain anstimmt. Danach öffnet er die Augen und blickt ins Publikum. Eine Gesangspause tritt ein.
So unauffällig wie möglich sucht er die Ränge ab. Schließlich entdeckt er sie und bemerkt, wie sie sich anmutig im Takt bewegt. Chris schmunzelt, doch bevor sein Blick zu lange auf ihr ruht, sollte er seine Aufmerksamkeit lieber auf seine Fans richten. Allerdings bemerkt er sehr wohl, wie sie ihn anlächelt, als er zum Gesang ansetzt und muss sich konzentrieren, um nicht aus welchen Gründen auch immer den Text zu vergessen.
Erneut ertönt seine kraftvolle Stimme, die sie mitreißt und erzittern lässt. Aus tiefstem Herzen singt sie mit ihm, auch wenn er sie nicht hören kann. Wenn sie ihn von hier aus ungeniert beobachten und anhimmeln kann, dann will sie dies tun.
Immer wieder springt er zwischen Mikro und Klavier hin und her. Dann verstummen die Instrumente und das Licht erlischt. Ein tosender Applaus ertönt. Lilith kann sich nun nicht mehr halten, klatscht und schreit mit den Massen; Sonja tut es ihr gleich.
Gerade als er sich nach unten beugt, schaut er schräg zu ihr hoch. Mit flacher Hand klopft sie auf ihr Herz und ahmt damit das Pochen nach. Im Gegenzug legt er die Hand auf seine Brust und nickt beinahe unmerklich zum Dank. Hernach richtet er sich vollends auf und wendet sich der Menge vor der Bühne zu. Laut tönend bedankt er sich bei den Fans und kündigt das nächste Lied an.
Wie benebelt hört sie die ersten Takte, dann setzt seine Stimme ein. Sie muss auf einem der Stühle Platz nehmen, denn sie liebt dieses Lied abgöttisch und ihre Knie geben mit einem Mal nach. Überrascht fragt sie sich selbst, ob sie sich etwa gerade Hals über Kopf in einen Mann verliebt, den sie nur kurz kennengelernt hat, der ihr so fremd wie entfernt ist. Oder ist es nur eine Schwärmerei, die sich nun auffälliger bemerkbar macht, weil sie ihn endlich live erleben kann und er davor so charmant zu ihr war? Ihr schießen Gedanken und Bilder durch den Kopf, die sie nicht mehr aufhalten kann.
Unerwartet setzt seine Stimme aus. Das lässt sie augenblicklich besonnen werden, denn die Textpassage war noch nicht zu Ende, da fehlt schließlich eine Zeile. Schnell erhebt sie sich aus dem roten Polstersessel und lehnt sich gegen die Brüstung, um nachzusehen, was los ist. Die Band spielt weiter, aber Chris springt nicht mehr wie wild umher; er steht ganz still an seinem Mikrofon. Das Licht wurde gedimmt. Leise singt sie die ausgelassene Zeile: »Let me see your smile again …« In ebendiesen Augenblick schaut er zu ihr hoch. Jäh lächelt er sie an und wie aus dem Nichts schmettert er ihr die restliche Textzeile: »… and I miss you«.
Da jubelt und grölt die Menge los. Die Scheinwerfer strahlen ihn wieder an, er singt sich die Seele aus dem Leib. Und sie schmachtet ihn an. Ihr Herz rast, aber sie kann gerade nicht dagegen ankämpfen; sie gibt sich dem Moment hin, will sich in seinem Gesang fallen lassen.
Hinter ihnen geht die Tür auf, der Manager tritt ein. »Hallo die Damen. Gefällt es euch?« Damit reißt er sie aus diesem überwältigenden Gefühl und holt sie eiskalt zurück in die Realität.
»Ja sehr. Vielen Dank für alles!«, antwortet sie ihm.
»Ich habe Getränke für euch geordert. Sie müssten gleich eintreffen.«
»Oh, vielen Dank!«, antwortet Sonja.
»Aber gern doch. Habt noch viel Spaß und genießt den Abend.«
Mit diesen Worten verschwindet er zur Tür hinaus. Die beiden schauen sich perplex an und zucken mit den Schultern. Ob er das von sich ausmacht? Das kann sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Da steckt bestimmt etwas anderes dahinter.
In diesem Moment endet das Lied. Wie zu diesem Zeitpunkt meist üblich knöpft er seine schwarze Jacke etwas auf, die Fans rasen daraufhin ohrenbetäubend. Jetzt kann sie ihn bloß noch anstarren, ihr stockt der Atem und sie kann einfach nicht mehr wegsehen. Die Scheinwerfer tauchen die Bühne in rotblaues Licht. Joe legt los und trommelt, was das Zeug hält.
Nur mühsam kann sie sich von dem Anblick des Sängers losreißen. Und augenblicklich ist sie wieder im Lied, weiß, welche Zeilen nun kommen, dass er jetzt einen Schrei loslässt, der die Zuschauer zum Toben bringen wird. Dies hat sie alles auf den verschiedenen Konzertmitschnitten gesehen. Wie sehr hatte sie sich diesen Momenten gewünscht, sie könnte live dabei sein. Nun ist sie es tatsächlich und sein Schrei ertönt.
Wieder öffnet sich die Tür. Warum immerwährend eines Liedes? Kann man denn nicht passenderweise die Pausen abwarten? Erbost dreht sie sich herum, es ist störend und so kann sie das Konzert auf Dauer ganz bestimmt nicht genießen. Eine Bedienung mit einem Servierwagen kommt herein. Dieser ist mit verschiedenen Getränken bestückt. Geschwind beruhigt sie sich wieder.
»Woher kommt das alles?«, fragt sie das Mädchen.
»Zum größten Teil von dem Manager, der Rest wurde allerdings von der Band persönlich geordert«, antwortet die Angestellte ihr freundlich.
Ruckartig dreht sie sich zur Bühne. Das war also alles abgesprochen! An die Frau gewandt bedankt sie sich. Umgehend verlässt diese die Loge. Daraufhin begutachtet sie den Servierwagen genauer. Es liegen sogar Knabbereien, Schokolade darauf und … ein Briefumschlag mit den Worten:
›Für Lilith‹
Sie nimmt ihn an sich und geht zurück zur Brüstung. Sonja schaut sie grinsend von der Seite an, als sie den Umschlag in ihrer Hand entdeckt, aber sie sagt nichts, drängt sie nicht. Wahrscheinlich ahnt sie etwas.
Das Lied endet und eine kleine Instrumentaleinlage beginnt. Jetzt wird das Licht auf Joe gerichtet und Chris tritt in den Schatten. Er nimmt sich ein Handtuch und während er sich den Schweiß abtupft, schaut er zu ihr hinauf. Unauffällig tippt sie auf das Papier und anschließend deutet sie auf ihn. Mit Gesten gibt er ihr zu verstehen, dass sie ihn aufmachen solle. Doch stattdessen öffnet sie den Knopf ihres Stehkragens und fächert sich mit dem Umschlag Luft zu. Woher sie diesen Mut plötzlich nimmt, ist ihr selbst unbegreiflich. Dafür plustert er die Wangen auf und legt dar, dass er ebenfalls schwitzt. Ob nun wegen der Hitze der Scheinwerfer oder wegen ihr wird sie wohl nie erfahren, aber sie nickt ihm grinsend zu.
Vor seinen Augen öffnet sie den Umschlag und zieht ein Blatt heraus. Um nachzuschauen, was darauf steht, setzt sie sich allerdings hin und entzieht sich somit seinem Blickfeld. Ohne auf den Zettel geblickt zu haben, schließt sie erst einmal die Lider und atmet ganz tief ein. War es etwa dieses Schreiben, das der Sänger in der Hand hielt, als sie die Garderobe betrat?
Lilith ist sehr gespannt, aber auch unsicher, ob sie den Brief tatsächlich lesen soll. Was könnte drinstehen? Sie ist sich nicht schlüssig, jedoch viel zu neugierig, weshalb sie langsam die Augen öffnet und liest.
›Liebe Lilith,
bitte triff mich und die Band mit deiner Freundin nach dem Konzert im Umkleideraum. Falls du dies nicht möchtest, würde ich mich auch über dein Erscheinen im Backstagebereich sehr freuen. Nur allzu gern würde ich unser Gespräch fortsetzen.
Genieße das Konzert.
Chris‹
Das Blatt zittert ihren Fingern; sie muss ihre Hände in den Schoß legen, um die Nervosität unter Kontrolle zu bringen. Seufzend lehnt sie sich zurück und blickt an die Decke der Halle hinauf. Dumpfe Töne dringen an ihr Ohr, leicht benommen nimmt sie seine Stimme wahr. Verwirrt schließt sie die Augen, um sich zu konzentrieren und einen klaren Gedanken fassen zu können. Immer deutlicher hört sie dabei die Musik und seinen Gesang.
Jemand berührt sie an der Schulter. Irritiert blickt sie auf und in Sonjas Gesicht, die mittlerweile neben ihr sitzt. Die Freundin schaut sie besorgt an. »Ist alles okay?«
Statt einer Antwort reicht sie ihr den Brief. Diese liest ihn innerhalb weniger Sekunden und nickt. »Ja klar werden wir hingehen. Was glaubst du denn«, gibt sie ihr grinsend zu verstehen. »Mich hält keiner ab und dich sollte auch nichts und niemand davon abhalten. Wer weiß …«
Mit diesen Worten steht sie wieder auf und widmet sich grinsend dem Geschehen zu ihren Füßen, lässt Lilith somit völlig perplex sitzen. Noch einmal schließt sie kurz die Augen, holt tief Luft, bevor sie aufsteht und an die Brüstung tritt. Während das nächste Lied ertönt, flutet das Scheinwerferlicht die Bühne.
Geblendet kneift sie die Augen kurz zusammen, da sie dummerweise direkt in das Licht geblickt hat. Als sie anschließend nach unten schaut, sieht sie den Sänger gar nicht. Auch neben dem Bühnenbild kann sie ihn nicht entdecken. Aber eigentlich müsste er dastehen, sein Einsatz beginnt gleich, sinniert sie. In diesem Moment macht er einen Schritt ins Rampenlicht.
Die Menge tobt und springt. Einige weibliche Fans sitzen auf den Schultern ihrer Freunde und strecken die Arme gen Bühne. Andere halten selbst gestaltete Plakate hoch. Teilweise sind Liebesbekundungen darauf zu lesen. Gern wäre sie auch einmal so mutig und extrovertiert, selbst wenn es total kitschig ist. Darunter entdeckt sie sogar Telefonnummern auf solchen Schildern. Schmunzelnd schüttelt sie den Kopf über die Naivität mancher Fans. Ob sie tatsächlich glauben, dass sich einer der Bandmitglieder bei ihnen melden würde?
Ihr Blick richtet sich wieder auf die Bühne, ein leises Seufzen entfleucht ihren Lippen, als sie ihn sieht. Die Jacke ist nun komplett aufgeknöpft. Er greift nach dem Mikrofon, schließt seine Lider und singt die ersten leisen Zeilen. Seine Stimme geht dabei ziemlich hoch und seine Brauen heben sich. Dann wird der Rhythmus schneller, kraftvoller. Chris öffnet seine Augen und blickt herausfordernd ins Publikum.
Vor ihm in den ersten Reihen kreischen die Frauen und setzen zum Refrain an. Lachend stimmt er mit ein, die gesamten Zuschauer singen mit ihm gemeinsam den Chorus zu Ende. Danach herrscht Stille, nur Normans Gitarre ist noch zu hören. Der Sänger lässt das Mikro los und tänzelt zum Klavier. Nachdem er sich hingesetzt hat, beginnt er sofort zu spielen. Mit einem Mal wird es sehr ruhig in der Halle.
Dann unterbricht er sein Spiel, legt seinen Kopf schräg und blickt auffordernd in die Menge. Demonstrativ hält er seine Hand trichterförmig an sein Ohr. Sofort ertönt die nächste Strophe von allen Seiten. Lilith ist fasziniert, wie gut er mit den Fans agiert.
»Hey!«, erschallt es aus seinem Mund. Damit wird das Lied wieder schneller und er haut in die Tasten. Kurz schaut er nach oben, wobei er Lilith streift. Sie tanzt wie hypnotisiert und singt aus vollem Hals, ehe sie sich seiner Blicke bewusst wird. Seine Mundwinkel heben sich, bevor er die Aufmerksamkeit auf die Menge wieder vor sich richtet. Plötzlich springt er hoch und hastet regelrecht zum Mikrofon, um die Fans aufzufordern, zu singen, was das Zeug hält. Diese Aktion ist neu und kommt gut an.
Die Atmosphäre heizt sich immer mehr auf, die Halle bebt. Übergangslos wird das nächste Lied gespielt. Chris ist außer Atem oder kurzatmig, doch das stört keinen. Ab und an bemerkt sie schmunzelnd, dass er den Ton nicht mehr komplett halten kann. Das verwundert aber nicht wirklich jemanden, so wie er sich verausgabt.
Als der letzte Takt verklingt, schäkert er erst einmal spielerisch mit den Leuten. Das Publikum steigt ein und lautes Gelächter erklingt. Währenddessen wird die Bühne verdunkelt, es wird umgebaut, denn das Klavier wird auf den vorderen Teil geschoben. Indes spielt Norman ein Instrumental auf der Gitarre und scherzt mit den Fans.
Lilith amüsiert sich köstlich, unterdessen Chris seitlich von der Bühne geht und neben der Absperrung stehenbleibt. Er trinkt aus einer Wasserflasche, als sie ihn wieder entdeckt. Grinsend lüftet er seine Jacke und deutet an, dass es sehr heiß ist. Im Gegenzug zupft sie an ihrer Bluse und plustert ihre Wangen auf. Mit einer Knöpfbewegung weist er sie zwinkernd darauf hin, dass sie noch ein paar Knöpfe öffnen könne, er nicht mehr.
Auf ihre Bluse hinabblickend, beginnt sie tatsächlich zwei weitere Knöpfe zu öffnen. Mehr traut sie sich nicht, das wäre ihr sonst zu gewagt und dieses Spiel wäre zudem viel zu gefährlich, falls sie sich nachher wirklich noch treffen sollten. Immerhin möchte sie nicht in seinem Bett landen und ihm auch nicht andeuten, dass sie so eine wäre, die das gerne möchte. Schmunzelnd fächert er sich Luft zu und fährt sich mit beiden Händen durch sein leicht gelocktes, kurzes Haar. Bei diesem Anblick schmilzt sie schließlich wieder dahin.
Anschließend tritt er noch immer leicht verschwitzt vor das Mikrofon und spricht erneut ein paar Worte zu den Fans. Diese beginnen zu singen und Lilith erkennt sofort das nächste Lied. Ganz bedacht und ruhig setzt er sich an sein Klavier und die Scheinwerfer leuchten ihn an. Die ersten Takte ertönen und seine Stimme erklingt zu eine der wenigen Balladen der Band. Sein Kopf wippt zum Rhythmus, mit halb geöffneten Augen singt er sehr gefühlvoll. »Ahahaaa!«, »Woohoo!«
Wie immer, wenn er diese hohen Töne singt, schließt er seine Lider und zieht die Augenbrauen hoch. Ihr Herz scheint aus der Brust springen zu wollen. Am liebsten würde sie sein schönes Gesicht in ihre Hände nehmen und … Will sie das? Aber sicher will sie!
Das Lied ist viel zu schnell vorbei, wie so vieles schöne im Leben. Chris tritt an den Bühnenrand und entledigt sich sehr geschickt seiner Jacke vor der tobenden Menge. Alle strecken ihre Arme aus und er wirft sie ins Publikum. Jetzt wünscht sie sich dort unten zu stehen, um diese fangen zu können. Doch schnell wandert ihr Blick wieder zu dem Sänger zurück. Kurz muss sie schlucken.
Lachend steht er in seinem weißen, leicht verschwitzten T-Shirt da. Kaum erklingen die ersten Takte des nächsten Musikstücks, tosen die Fans. Er albert mit seinen Bandkollegen herum und sie unterbrechen immer wieder ihr Spiel, um zu scherzen. Nach einer gefühlten Ewigkeit erklingt sein Gesang, die Instrumente folgen und die Zuschauer stimmen sofort mit an. Ein Klatschkonzert setzt ein und das gesamte Publikum springt auf und ab. Es ist ein überwältigendes Gefühl, diese Woge von hier oben zu betrachten und mitzuerleben.
Ohne Pause wird im Anschluss ein weiteres Lied angespielt und er nimmt das Mikrofon aus dem Ständer. Springt kreuz und quer über die Bühne. Dann hält er es in die Menge und auf Kommando singen die Menschen einstimmig los.
»Yeah!«, ruft er zur Bestätigung.
»Yeah!«, hallt es prompt zurück. Die Band hat offenkundig ihren Spaß.
Der letzte Ton verstummt und das Licht wird gedimmt. Erneut setzt er sich an das Piano. Leise ist sein Gesang zu vernehmen und nur sein Klavierspiel begleitet ihn. Plötzlich erstrahlt die Bühne in einem gleißenden Licht, er springt auf und reißt das Mikrofon regelrecht aus der Halterung. Das Publikum rastet aus; er hechtet nach vorn. Gefährlich nahe am Bühnenrand streckt er die Arme vor, als wollte er sie alle berühren.
Prompt versuchen die Frauen in den ersten Reihen unter lautem Jauchzen seine Hände zu erreichen. Die Band beginnt im Hintergrund zu spielen. Er legt eine Hand auf sein Herz und schließt die Augen. So singt er eine Weile und die Fans vor ihm geraten komplett außer sich, da er derart nah bei ihnen ist. Als er seine Lider öffnet, beugt er sich zu ihnen hinunter und klatscht einige Hände ab. Sehr gewagt, da einige versuchen, nach ihm zu greifen, um ihn festzuhalten. Chris schnellt jedoch lachend zurück und springt auf und ab. Dabei rutscht sein Shirt immer wieder hoch und runter, gibt einen Blick auf die nackte Haut frei. Auf seinen flachen Bauch.
Lilith starrt fasziniert auf die Bühne und natürlich auf ihn, möchte gar nicht mehr wegschauen. Sonja stupst sie an und grinst übers ganze Gesicht. Beide kichern wie Teenager und fangen an umherzutollen. So viel Spaß hatte sie schon lange nicht mehr und sie wünschte sich, dass dieser Abend nie enden würde.
Während er wie ein Gummiball quer über die Bühne hüpft, gibt die Band alles. Dabei wagt er wieder einen Blick zu ihr hinauf und sieht sie spaßend herumhopsen. Sie erscheint ihm so unwirklich, als ob sie ein Traum wäre. Anders kann er sich seine Zuneigung zu ihr nicht erklären. Innerlich frohlockend singt er die Strophe zu Ende, bevor er das letzte Lied ankündigt. Prompt pfeifen die Zuschauer verzweifelt, obwohl sie alle wissen, dass es eine Zugabe geben wird. Schließlich ist es immer so, aber dieses Katz-und-Maus-Spiel gehört zu den Konzerten einfach dazu.
Als die ersten Töne erklingen, beenden die Fans schlagartig das Pfeifen. Stattdessen grölen sie auf der Stelle mit. Der Sänger bringt die Halle schlichtweg zum Beben. Das Publikum wird immer lauter, sodass man seine Stimme kaum mehr heraushören kann. Wie in Ekstase singen alle, wirklich alle mit und heben dabei bekräftigend die Arme.
Auch die Freundinnen sind berauscht von dem Elan und der Energie, die von der Bühne auf die Menge überspringt. Beide schreien mehr, als das sie singen. Immer wieder versucht Lilith sich auf ihn zu konzentrieren, aber sie schafft es nicht. Die Dynamik der Band ist viel zu enorm, um nicht mitgerissen zu werden.
Bis zum letzten Ton singt er sich die Seele aus dem Leib. Zum Abschluss bedankt er sich kurz und knapp, hebt den Arm zum Abschied und es wird dunkel. Zuerst ist es totenstill, als ob jeder geschockt wäre, dann braust ein tosender Applaus auf. Pfiffe und Rufe nach einer Zugabe ertönen.
Nach einigen Minuten erblickt sie den Sänger seitlich der Bühne. Dieser lacht und scherzt mit seinen Kollegen. Jeder hat ein Handtuch um den Hals geschlungen und sie tupfen sich über die Gesichter, wischen sich den Schweiß aus ihren Nacken. Als Joe auf die Bühne zurückgeht, schlägt das Pfeifkonzert sofort in Jubeln um. Er tritt ans Mikrofon, um sich im Namen der Band zu bedanken; gleichzeitig kündigt er noch einige Lieder an.
Bevor Chris dem Drummer folgt, schaut er zu ihr hoch und zwinkert ihr zu. Während die ersten Takte erklingen, tritt er ebenfalls ins Rampenlicht. Seine Hände umschließen den Mikrofonständer, er schließt die Augen und seine Stimme ertönt. Die Menge ist nicht mehr zu halten. Jedes Wort wird mitgesungen und regelrecht mitempfunden.
Augenblicklich ist sie seiner Stimme verfallen und ein wohliger Schauer läuft ihr den Rücken hinab. Sie muss sich zwingen, ihn nicht ständig anzustarren. Krampfhaft löst sie den Blick von ihm und wendet sich den Getränken zu. Der Wein lacht sie dermaßen an, also schenkt sie sich kurzerhand ein Glas ein.
Zeitweilig blickt sie zur Bühne hinab und bleibt erneut an dem Sänger hängen. Hastig trinkt sie einen Schluck und setzt sich schlussendlich in einen der bequemen Sessel. Ihren Kopf lässt sie nach hinten gegen die Lehne fallen und schließt die Augen. Nichtsdestotrotz sieht sie ihn immer und immer wieder vor sich.
›Wieso er? Warum muss ich ausgerechnet für IHN schwärmen? Weshalb kann ich mich einmal nicht mehr kontrollieren?‹ Verzweifelt stößt sie einen Seufzer aus und schüttelt sich kurz, um die vorantreibenden Gedankengänge aus ihrem Kopf zu bekommen. Tief durchatmend erhebt sie sich und lehnt sich mit dem Glas in der Hand gegen die Brüstung. Schließlich ist sie hier, um das Konzert zu genießen und nicht, um mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen.
Da steht er, verschwitzt im weißen Shirt und der engen, schwarzen Jeans. Seine leuchtenden Augen und sein bezauberndes Lächeln lassen die Frauenwelt dahinschmelzen. ›Soll ich mich tatsächlich mit ihm treffen? Und was ist dann? Was ist danach?‹
Nahezu gedämpft nimmt sie die Melodie wahr, dafür dringt seine Stimme glasklar zu ihr durch. Sie hat plötzlich das Gefühl, als würde er nur für sie singen. Jedoch ist sie realistisch genug, um zu wissen, dass das bloß eine Illusion ist und auch immer sein wird. Sicherlich wird jede Frau in dieser Halle das Gleiche aufgrund seines Gesangs, seines Lächelns und seiner Blicke empfinden. Nicht umsonst ist er einer der heißbegehrtesten Männer des Landes. Zudem weiß er mit seiner Ausstrahlung umzugehen und wie er die Begierden der Frauen schüren kann.
Dies war ihm bereits mehrere Male zum Verhängnis geworden. Etliche weibliche Fans dachten sich, sie könnten ihm mitten auf der Straße oder vor Restaurants und Hotels auflauern. Wie Paparazzos jagten sie ihm regelrecht hinterher. Viele nahmen sich das Recht heraus, ihm sich ohne Vorwarnung aufzudrängen und ungefragt Fotos zu schießen. Er duldete es zumeist kommentarlos und lächelte sogar dabei.
Noch nie ist er ausfällig geworden, wodurch er ein gefundenes Fressen für die Klatschpresse wurde, die ihn ebenfalls zu jeder Zeit und überall ablichteten. Egal, ob beim Einkaufen oder auf einer Galaveranstaltung, allseits lauerten sie ihm auf. Seine Frau konnte für all das kein Verständnis mehr aufbringen und hatte vor etlichen Monaten schließlich die Auflösung der Ehe bekannt gegeben. Getrennt hatten sie sich allerdings vor zwei Jahren. Lilith weiß aber nicht genau, ob das wirklich der wahre Grund war. Zwar war dies überall so zu lesen, glauben kann sie dies nicht so ganz. Da seine Ehefrau ebenfalls ständig abgelichtet wird.
Dieser Zirkus hat in den vergangenen Monaten stark nachgelassen, nachdem es nichts Sensationsverdächtiges mehr zu berichten gab. Die Presseleute hatten sich nach der Bekanntgabe der Trennung genug ausgetobt und sich anderen Stars zugewandt. Seitdem ist es um den Sänger verhältnismäßig still geworden. Er zog sich mit Sicherheit absichtlich aus der Öffentlichkeit zurück, um einmal zur Ruhe zu kommen, vermutet sie.
Vor gut einem Jahr gab es ein Foto von ihm, als er barfuß, lässig in Shirt und Shorts bekleidet am Strand entlangspaziert. Jenes Bild geht ihr bis heute nicht mehr aus dem Kopf, sein Blick hatte es ihr damals angetan. Traurig und in Gedanken versunken sah er aus. Es ist eines der wenigen Fotos, auf dem er nicht sein umwerfendes Lachen präsentierte. Zu diesem Zeitpunkt war das Paar bereits getrennt, nur wusste dies noch keiner. Sie konnte sich so gut in ihn hineinversetzen und hätte ihn am liebsten trösten wollen. Das würden aber allerdings viele Frauen und bestimmt auch einige Männer wollen.
Nachdenklich nippt sie an ihrem Wein und widmet ihre Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen auf der Bühne. Chris zerrt am Ständer, reißt das Mikrofon heraus, tanzt und springt herum. Je lauter die Menge johlt, desto mehr gibt er. Das Publikum saugt ihm somit förmlich die letzte Energie aus dem Leib. Jedoch denkt er nicht daran nachzulassen. Wie er das durchsteht, ist ihr ein Rätsel. Er verausgabt sich bis zum Ende.
Selbst als die letzten Zeilen erklingen, ist es ihm stimmlich kaum anzumerken, wie entkräftet er tatsächlich sein muss. Dafür bewundert sie ihn so sehr. Ein letzter Luftsprung; und der letzte Ton verhallt. Die Zuschauer vor der Bühne schreien und applaudieren. Wieder ertönen einige Pfiffe, doch Lilith glaubt nicht, dass es nach über zwei Stunden noch eine Zugabe geben wird. Sonja und sie klatschen, bis ihre Handflächen brennen und schreien, bis ihnen die Stimmbänder versagen.
Währenddessen stellen sich alle Bandmitglieder noch einmal in einer Reihe auf und legen sich gegenseitig die Arme auf die Schultern. So verbeugen sie sich immer wieder dankend vor ihrem Publikum. Anschließend streckt Chris beide Arme in die Luft und mit einem Mal ist ihm die Erschöpfung anzusehen. Erneut legt er eine Hand zum Dank auf sein Herz und deutet zum Abschied Luftküsse an. Langsam tritt die Band winkend vom Bühnenrand zurück und die Scheinwerfer gehen aus. Augenblicklich fehlt etwas, was man sich auf der Stelle zurückwünscht. Eine beinahe unerträgliche Stille legt sich über die Köpfe der Menschen, hüllt einen unangenehm ein. Es fühlt sich alles so falsch und beklemmend an. Die sprichwörtliche Kälte ist erdrückend.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.