Kitabı oku: «Jenny», sayfa 8
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Der morgende Tag wird für das Seinige sorgen! mit den Worten verließ der alte Meier am Abend seine Frau und Jenny, die noch lange beisammenblieben und, der Vergangenheit gedenkend, tausend Entwürfe machten, wie es möglich zu machen sei, daß Mutter und Tochter nicht getrennt würden, was bei Reinhard’s Beruf leicht der Fall sein konnte. Denn daß der Vater seine Einwilligung geben würde, da Jenny ihm versichert, sie könne nicht glücklich sein, nicht leben, ohne Reinhard, daran glaubten die Frauen nicht zweifeln zu dürfen.
Und doch war der alte Herr der Heirath lange nicht so geneigt, als die Beiden glaubten; und die Morgenstunde fand ihn mit Eduard und Joseph, die er zu sich beschieden hatte, in ernster Berathung. Er theilte ihnen die Vorgänge des letzten Abends mit und fand zu seiner Verwunderung, daß man sie gewissermaßen erwartet hatte. Eduard bekannte, er habe seit längerer Zeit eine Neigung Jenny’s und Reinhard’s zu einander vermuthet, habe aber absichtlich geschwiegen, weil dergleichen Verhältnisse wie eine Aeols-Harfe wären, die man bei der leisesten Berührung hell erklingen mache; und er habe andrerseits die Ueberzeugung gehegt, daß die Aeltern keinen Grund irgend einer Art haben könnten, dieser Neigung entgegen zu sein, da ihnen Allen Reinhard als einer der tüchtigsten Menschen bekannt sei.
Was Du da sagst, mein Sohn, sprach der Vater, ist größtentheils wahr. Ich finde es auch begreiflich, wie gerade Dir — Eduard wurde verwirrt, — eine Heirath aus Neigung so unerläßlich scheint, daß alle andern Rücksichten davor schweigen. Anders aber urtheilt man in meinen Jahren, als in den Euren.
Und doch, wandte Eduard ein, hast Du, lieber Vater! bei der Wahl Deiner Gattin nur Dein Herz gefragt.
Das, glücklicherweise, ergänzte der Vater, nirgend gegen Bestehendes zu kämpfen hatte. Doch das gehört nicht hierher. In einer Stunde, wie diese, müssen falsche Rücksichten nicht beachtet werden: ich sage es daher offen, wir Alle wissen, daß Joseph Jenny liebt. Mir war das sehr erwünscht, denn es war mein fester Wille, sie ihm zur Frau zu geben, und Dich, Joseph, den ich wie einen Sohn liebe, wirklich zu meinem Sohne zu machen.
Ich weiß das, lieber Onkel! aber Jenny hat keine Neigung für mich, und sie würde vielleicht mit mir, wie ich nun einmal bin, auch ohne Reinhard’s Dazwischentreten nicht glücklich geworden sein! sagte Joseph, seine innere Bewegung mit Gelassenheit bekämpfend.
Wollte Gott, ich könnte sie Reinhard mit solcher Zuversicht anvertrauen, als Dir, entgegnete der Vater und drückte ihm die Hand.
Es entstand eine peinliche Pause. Eduard, der hier zwischen seinen besten Freunden entscheiden sollte, fühlte für Beide lebhafte Theilnahme. Er gönnte Reinhard und Jenny ein Glück, das ihn seine Liebe in voller Größe erkennen ließ, und er empfand in Joseph’s Seele, was Entsagung zu bedeuten habe. Das Mißtrauen seines Vaters gegen Reinhard aber bewog ihn endlich, das Schweigen mit der Bemerkung zu unterbrechen, wie ihm, der Reinhard seit Jahren kenne, dessen Charakter ein sicherer Bürge für Jenny’s Zukunft sei.
Da irrst Du! entgegnete der Vater. Ich achte Reinhard und erkenne seine Vorzüge an, aber er lebt in einer Ideenwelt. Solche Menschen sind mir bedenklich und taugen nicht für die Ehe. Weil er mit der höchsten Anstrengung und allem Ernste daran arbeitet, die Vollkommenheit, die er im Auge hat, sein Ideal eines Menschen, zu erreichen, darum glaubt er sich berechtigt, auch an Andere die gleichen Ansprüche zu machen. So wie er das Leben, die Liebe auffaßt, sind sie nicht, und die Ehe, die sittliche Feststellung der Verbindung der beiden Geschlechter, bleibt trotz der höchsten Liebe, die zwei treffliche Menschen verbindet, immerdar hinter Dem zurück, was einem jungen Manne oder Weibe als Ideal vorschweben mag! Der Ruhige, der Besonnene findet sich darin und tröstet sich mit dem Guten, das sich ihm in der Ehe offenbart, über Das, was nicht zu erreichen ist — das aber, fürchte ich, will und kann Reinhard nicht. Weil er Jenny liebt, erscheint sie ihm geeignet, das Ideal einer Hausfrau, einer Gattin zu werden, wie er sie sich träumt; er wird es deshalb auch verlangen, daß sie sein Ideal verwirklicht, und, wie ich ihn beurtheile, nur zu geneigt sein, ihr aus den Unvollkommenheiten des Menschen überhaupt, einen persönlichen Fehler zu machen. Mit einem Worte, Reinhard hat eine Art Ueberspannung in seinen Gefühlen, die mich für Jenny’s Glück besorgt macht.
Eduard konnte nicht leugnen, daß die Bemerkung seines Vaters Wahrheit enthalte, vertheidigte den Freund aber lebhaft und meinte, sein Vater verfalle selber in den Fehler, den er an Reinhard rüge; er verlange, daß Reinhard vollkommen sein solle.
Nein! sagte der Vater, aber daß ich es Euch gerade herausgestehe, mir ist eigentlich nichts genehm bei diesem Antrage. Jenny soll Christin werden, auch das steht mir nicht an.
Und doch wünscht sie eben das! bemerkte Joseph.
Nicht doch, mein Sohn! Sie wünscht Nichts als Reinhard’s Frau zu werden; das Christenthum ist ihr ein Mittel für den Zweck, das glaube mir. Und gerade auch das macht mich besorgt. Reinhard ist zu strenggläubig, um duldsam sein zu können, und Jenny hat zum Glauben viel zu viel Verstand.
Eduard schüttelte den Kopf. Wen das Weib liebt, dem glaubt sie! sagte er. Jeder Mann ist seiner Geliebten der Verkünder eines neuen Glaubens; Liebe ist die Offenbarung, in der das Weib den Geliebten als den gottgesandten Messias erblickt. Wenn Jenny wahrhaft liebt, wie ich gewiß bin, wird sie glauben, woran sie will! Sie wird glücklich machen und das ist genug, um auch glücklich zu sein.
Meinst Du? fragte der Vater — Die Mutter ist nur zu sehr für den Plan eingenommen, ihr ist es lieb, daß Jenny Christin wird, sie schätzt die Pfarrerin und Reinhard hoch — und gewiß! das thue ich auch. Nur will mich’s trotz alle dem bedünken, als ob Jenny und Reinhard nicht zusammengehören. Da nun Reinhard glücklicherweise noch keine Stelle hat, so will ich meine Einwilligung, wenn ich sie denn geben muß, nur unter der Bedingung gewähren, daß man die Verlobung geheim hält, bis Reinhard ein Amt erhalten haben wird.
Dagegen machte Eduard Einwendungen. Auch Joseph meinte, daß eben dies Brautpaar nicht dazu geeignet wäre, in solch geheimgehaltenem Verhältniß Ruhe und Glück zu finden.
Ich weiß aus Erfahrung, sagte Joseph, Reinhard ist eifersüchtig und Jenny’s Lebhaftigkeit allein kann dabei schon Anlaß zu tausend Mißhelligkeiten geben. Auch sehe ich nicht ab, lieber Onkel! was Du eigentlich gegen die Bekanntmachung der Verlobung hast?
Was ich dagegen habe? rief der alte Herr nun heftig aus. Jenny ist eins der reichsten Mädchen der Stadt, sie ist schön, klug und kaum erwachsen. Mein Name, mein Haus ist der geachtetsten eines — solch Mädchen mußte mir Dich oder einen andern Schwiegersohn bringen, der meinem Hause Ehre machte, dem ich die Firma übergeben, den ich den Leuten zeigen konnte. Ihr wißt, daß meiner Kinder Glück in erster Linie bei mir steht, aber ich bin nicht allein Vater, ich bin auch Kaufmann. Auch mein Haus ist ein Theil meines Ich’s und es will mir nicht in den Sinn, daß meine einzige Tochter sich mit einem Studenten oder Candidaten verlobe, von dem man gar nichts weiß, als daß er wegen Demagogie in Untersuchung gewesen ist. Und, fügte er plötzlich weicher hinzu, der vielleicht in seinem Stolze noch glaubt, ein Opfer zu bringen, mir eine Ehre zu erzeigen, indem er ein Judenmädchen, diese Perle von einem Mädchen, zum Weibe nimmt.
Und wieder entstand eine Pause. Der Vater ging rasch im Zimmer umher, bis Eduard und Joseph das Thema nochmals aufnahmen, als er ruhiger zu werden schien. Sie erinnerten ihn an die vortheilhafte Meinung, die er selbst stets von Reinhard gehegt, sie warfen ihm vor, einer Art von Hochmuth mehr Gehör zu geben als seinem Herzen. Joseph schilderte die Scene, die er einst mit Jenny erlebt, als er ihr abgerathen hatte, zum Christenthume überzutreten; er versicherte, Jenny’s Hand nie annehmen zu wollen, wenn sie nicht zugleich ihr ungetheiltes Herz ihm geben könnte, und Beide schlossen in der Ueberzeugung, daß Jenny nicht von Reinhard lassen, daß man eine so innige Neigung nicht ohne entschiedene Gründe trennen dürfe, und daß dem Vater daher nichts übrig bleibe, als seine Zustimmung zu geben.
Das ist es eben, was mich so verdrießt! sagte er, schon wieder freier geworden. Ich habe keinen recht vernünftigen Grund, meine Einwilligung zu verweigern, und doch möcht’ ich es gerne, wenn ich Jenny’s Zukunft recht bedenke. Zur Pfarrersfrau ist sie einmal nicht gemacht, und wir müssen darauf denken, für Reinhard eine andere Stellung zu gewinnen! —
Als die Unterhandlungen so weit gediehen waren, nahmen sie eine leichtere, fast geschäftliche Richtung an. Man sprach davon, ob und wie man Reinhard bewegen könne, eine andere Carriere, etwa die academische, zu erwählen. Eduard bezweifelte, daß sein Freund darein willigen werde. Joseph meinte, wenn Jenny ihn ernstlich darum bäte, müsse er es thun, da es im Grunde gleichviel sei, ob er selbst Pfarrer werde oder die jungen Leute zu Geistlichen nach seinem Sinne bilde; und der Vater sagte ziemlich dictatorisch: Für das Opfer, das ich bringe, für das Mädchen, das er bekommt, habe ich das Recht, auch von seiner Seite auf Fügsamkeit zu rechnen; und — so sei es denn! Jenny wird Reinhard’s Frau! schloß er lächelnd, aber mit einem tiefen Seufzer, der ein Echo in Joseph’s Herzen fand. —
Und nun, mein Freund, sprach der alte Herr zu Joseph, laß auch uns in’s Reine mit einander kommen. Ich hielt Dich bisher in meinem Hause fest, weil ich hoffte, es Dir als Jenny’s Mitgift einst zu übergeben. Der Plan zerfällt, und ich muß es Deiner Neigung überlassen, ob und unter welchen Verhältnissen Du künftig bei mir bleiben willst. Ich sähe Dich ungern von uns scheiden, indessen ......
Ich bleibe, Onkel! rief Joseph mit einem Handschlag, den der Onkel und Eduard fest erwiderten, und die drei Männer wußten, wie sie auf einander zählen konnten.
Dann berieth man noch, daß Joseph als Compagnon in das Geschäft seines Onkels eintreten solle. Und wenn Du, sagte dieser, Dir einst eine Frau wählst und mir dadurch eine zweite Tochter bringst, so mag sich Herr Eduard seine eigene Wohnung suchen. Der Compagnon des alten Meier wohnt auch in dessen Hause.
Man wollte scherzen, es kam ihnen aber nicht aus der Seele, und man ging nach dem Wohnzimmer, in der Hoffnung, die kleine Braut zu begrüßen.
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Es würde vergebens sein, das Glück der Verlobten zu schildern. Fröhlicher, hingebender konnte kein Wesen gedacht werden als Jenny, und selbst der Vater söhnte sich mit dem Gedanken an diese Verbindung aus, als er die Tochter so voll Freude sah. Die engsten Bande umschlangen den kleinen Kreis. Die Pfarrerin und Jenny’s Mutter waren erfreut, nun für immer durch ihre Kinder zusammenzugehören, und sahen wohlgefällig auf das schöne Paar, das seines Glückes täglich bewußter zu werden schien. Joseph’s edler Sinn hätte es für ein Unrecht gehalten, durch das leiseste Zeichen von Bedauern, von Verstimmung, die allgemeine Freude zu trüben, und als an dem Verlobungsmorgen Reinhard ihn allein fand und über ihr früheres Zusammentreffen an jenem Abend versöhnend zu sprechen begann, gab ihm Joseph die Hand und sagte: Machen Sie Jenny so glücklich, daß ich nie den Vorzug bedauere, den sie Ihnen gegeben; dann ist weiter nichts darüber zu sagen.
Eduard allein war wehmüthig gestimmt. Das Glück, dessen Zeuge er war, rief die Sehnsucht nach gleicher Befriedigung in ihm hervor und aufs Neue begann der Kampf in ihm, den seit Monden seine Liebe und sein Gewissen führten. Am sonderbarsten aber erschien Therese in der allgemeinen Freude. Es kam ihr vor, als ob Jenny’s Glück allein ihr Werk sei; sie gab sich das Ansehen einer Beschützerin und that so verständig und altklug, daß die Andern nicht aufhören konnten darüber zu lachen.
Lacht nur immerfort, sagte sie mit Stolz, wäre ich Euch an jenem unglücklichen Probeabend nicht zu Hülfe gekommen, Ihr wäret noch, Gott weiß, wie weit vom Lachen!
Und ganz unrecht hatte sie nicht; nur daß sie sich und ihrer Ueberlegung zuschrieb, was Eingebung des drängenden Momentes gewesen war, und daß sie es ganz in der Ordnung fand, wenn Reinhard und seine Braut sie scherzend den Schutzgeist ihrer Liebe nannten.
Man war übereingekommen, da nur noch einige Tage bis zum Sylvester fehlten, an dem gewöhnlich ein Ball im Meierschen Hause zu sein pflegte, an diesem Abende das junge Paar als Verlobte vorzustellen. Niemand, so wünschte die Mutter, sollte vorher davon benachrichtigt werden. Man wollte die Bilder gleich am Anfange des Abends aufstellen, um nachher beim Beginn des neuen Jahres das Brautpaar als den Mittelpunkt des Festes zu feiern. Nach Reinhard’s Geschmack war das nun freilich nicht und er sprach sich gegen Eduard darüber aus.
Was kannst Du denn dagegen haben? fragte ihn dieser.
Ich mag solch lautes Glück nicht. Liebe bedarf nicht des Trompetentusches; wahrhaft beglückt sie nur in der Stille, und solch ein Gepränge ist mir überhaupt zuwider.
Sei nicht wunderlich, bedeutete ihn Eduard. Bis zum Sylvesterabend hast Du Dein Glück fast eine Woche lang still genossen, und Du mußt dann auch damit zufrieden sein, es auf die Weise bekannt machen zu lassen, die meinem Vater zusagt.
Was gibt es da bekannt zu machen? sagte Reinhard verdrießlich. Was kümmert es die Fremden? Und die Bekannten ahnen es wohl Alle, seit sie mich täglich und zu allen Stunden in Eurem Hause sehen. Du glaubst es nicht, wie solche prunkende Schaustellungen mir zuwider sind.
Prunkende Schaustellungen? fragte Eduard; die hat man meinen Eltern niemals vorgeworfen, und ich wüßte nicht, wie sie jetzt mit einem Male dazu kommen sollten?
Du meinst, sagte Reinhard rasch, die Verlobung mit einem Candidaten der Theologie sei eben kein Ereigniß, auf das man besonders stolz zu sein brauchte! Da hast Du recht, und vielleicht bin ich so sehr gegen diese Ballparade, weil ich das selbst empfinde. Vielleicht wäre ich weniger dagegen, wenn ich mit Rang und Würden aufträte, so aber ......
In Eduard’s Seele war wirklich kein Gedanke der Art gekommen. Er empfand seines Schwagers Aeußerung fast wie eine Beleidigung; doch hatte er sich von je gewöhnt, in diesem Punkte, in dem Reinhard von kranker Empfindlichkeit war, Nachsicht und Schonung gegen ihn zu üben. Er ließ ihn also nicht zu Ende sprechen. Gönne uns doch die Freude, zu zeigen, daß Jenny eine Wahl getroffen, sagte er, die uns lieber ist, als alle Leute von Rang und Würden, die sie ausgeschlagen! —
Damit war die Sache abgethan; aber Eduard fühlte, daß seines Vaters Ansicht von Reinhard nicht ungegründet sei, und auch ihm wurde bange, ob der, den er mit vollstem Vertrauen seinen Freund nannte, sich zu Jenny’s Gatten eigne. Doch war das nur eine vorübergehende Idee, die bald verschwand, wenn er sah, wie Reinhard’s ganzes Wesen, seine stolze Kälte, seine schroffe Abgeschlossenheit vor einem Blicke Jenny’s sich in Liebe auflösten; wie er in einer andern Luft zu athmen, Alles in anderm Lichte zu sehen schien, wenn er sich in der Nähe seiner Braut befand.
Unter Vorbereitungen mancher Art kam der Sylvesterabend heran. Man hatte die Säle des Hauses mehr als gewöhnlich ausgeschmückt, und selbst die Freunde des Hauses ahnten heute irgend etwas Besonderes, obgleich Herr Meier immer Wohlgefallen daran hatte, sein Haus in einer gewissen Eleganz zu zeigen. Nach den ersten Tänzen wurde die Gesellschaft in das Treibhaus geführt, das für die Aufstellung der Tableaux eingerichtet war.
Man hatte als erstes Bild Bendemann’s »Trauernde Juden« gewählt, die in der letzten Ausstellung mit großem Beifall aufgenommen worden waren. Die breiten Thürflügel, welche das Treibhaus von dem Saale trennten, waren zurückgeschlagen. Sie bildeten einen Rahmen, der die Bilder einschloß, und ein allgemeiner Ruf der Bewunderung wurde laut, als das Aufziehen des Vorhanges das Bild enthüllte, für das die herrlichen Tropengewächse des Treibhauses den Hintergrund gaben.
Steinheim, der den Greis darstellte, war durch seine kräftige Gestalt und sein ausdrucksvolles Gesicht, das durch den künstlichen Bart und die orientalische Kopfbedeckung an Bedeutung gewann, vortrefflich für seine Rolle geeignet. Eine junge Verwandte des Hauses, die seit einigen Jahren verheirathet und Mutter des Knaben war, dessen wir schon bei der Probe gedachten, stellte die junge Frau mit dem Kinde vor. Zu Steinheim’s Füßen ruhte, verhüllten Angesichts, Therese, und, die rechte Hand auf die Laute gelehnt, das schöne Haupt auf den andern Arm gestützt, saß Jenny an Steinheim’s Seite. Man konnte nichts Edleres, nichts Ergreifenderes sehen, als den Ausdruck hoffnungsloser Trauer in ihren jugendlichen Zügen.
Darüber war nur Eine Stimme, daß diese Darstellung einen lebhafteren Eindruck mache, als Bendemann’s Bild selbst, während sonst fast immer dergleichen weit hinter dem Originale zurück bleibt. Man konnte nicht genug sehen und bewundern, und Erlau mußte endlich, trotz aller Bitten, den Vorhang herunter lassen, um die Mitwirkenden nicht zu sehr zu ermüden.
Kaum sah Reinhard seine Braut das Treibhaus verlassen, um ihr Costüm auf ihrer Stube zu wechseln, als er ihr nacheilte. Er wünschte sie einen Augenblick allein zu sehen, was ihm bis dahin nicht gelungen war, da er versprochen hatte, durch keine auffallende Annäherung den Aeltern die Freude der Ueberraschung zu verderben. Voll Liebe flog Jenny ihm entgegen; ihre Arme schlangen sich um seinen Hals, und als er sie umfaßte, hob er die kleine anmuthige Gestalt in die Höhe und ließ sie nur ungern zur Erde hinunter, als sie lachend ausrief: Du weißt wohl, mein Himmel ist in Deinen Armen, aber da heute auf Erden Sylvester und Ball bei uns ist, so werde ich doch nun zu den Erdensöhnen hinuntereilen müssen, also laß mich fort! bat sie und wollte sich ihm entziehen.
Reinhard aber hinderte sie daran. Laß mich noch einmal in Deine Augen sehen, bat er. O! rief er dann und küßte trunken Jenny’s lange Wimpern, die süßen Augen sind ja licht und fröhlich — nun bin ich ruhig, nun geh’ mein Lieb!
Jenny fragte scherzend, was er denn in ihren Augen heute besonders zu finden geglaubt?
Den Schmerz, den sie ausgedrückt, als Du in dem Bilde gesessen, sagte er. Wenn ich Dich jemals so traurig sehen müßte, wenn ich es sehen müßte und könnte den Schmerz aus Deinen Zügen nicht verscheuchen, wie unglücklich würde ich dann sein!
Welch ein Gedanke! Wie kommst Du nur darauf? fragte sie ihn ängstlich.
Weiß ich’s? antwortete er. Dort im Saale, als sie in Deiner Bewunderung kein Ende finden konnten, verdroß es mich, daß Du auch für Andere schön bist, daß ich den Genuß, Dich anzustaunen, mit gleichgültigen Menschen theilen soll. Ich wünschte Dich fort von hier, wo kein Auge Dich sähe als meines; wie ich es damals wünschte, als Du mich im Figaro errathen lassen, was ich kaum zu hoffen gewagt hatte. Dann überfiel mich wieder der Gedanke, ob ich allein Dir genügen, Dir Ersatz für die ganze übrige Welt sein könnte, wie Du mir! — Wenn ich Dich einst weniger glücklich sehen müßte, als in dieser Stunde, wenn Du es je bereuen könntest, die Meine geworden zu sein! rief er, und preßte sie so heftig an sich, daß sie davor erschrack und abwehrend bat, er möge sie lassen; er aber drückte sie nur fester an sich und sagte: Sieh, daß ich Dich so halten kann mit starkem Arm, daß Du nun mein bist, meinem Willen angehörend — o! schilt mich nicht roh, nicht ungroßmüthig — daß Du von mir, von meinem Wollen abhängst, das macht mich glücklich, ja das macht mich glücklich! — Bei den Worten ließ er sie plötzlich los, küßte sanft und still ihre Stirne, streichelte ihr Haar und schickte sich an, sie zu verlassen. Da war es Jenny, die ihn zurückhielt und, indem sie ihre Hände in den seinen ruhen ließ, sank sie langsam vor ihm nieder und flüsterte in Liebe aufgelöst: So bin ich Dein, Du Starker, so ganz Dein! mein Schicksal ist fortan in Deiner Hand. —
Die Mutter, welche Jenny vermißte, kam sie holen, damit ihre Abwesenheit nicht bemerkt werde. Hughes, dem sie den nächsten Tanz versprochen, hatte sie bereits gesucht und sich, seine Tänzerin erwartend, zu Erlau gesellt, der im Treibhause die Decorationen für das nächste Bild anordnete.
Wenn ich nur wüßte, sagte er, worin es lag, daß dieses Bild heute einen so mächtigen Eindruck auf mich machte, während das Original, trotz seiner Vorzüge, mich doch ziemlich kalt ließ?
Das will ich Ihnen wohl sagen, theurer Sir! antwortete Erlau, und ich bilde mir nicht wenig darauf ein, mit dieser Aufstellung die Wirkung gemacht zu haben, die es heute auf Jeden hervorgebracht hat. Sie haben heute zum ersten Mal trauernde Juden gesehen, während Bendemann trauernde Düsseldorfer in fremdartiger Kleidung gemalt hat!
Hughes gab zu, daß Erlau recht haben könne. —
Gewiß habe ich recht. Ich hatte, als ich in dem Katalog der Ausstellung »Trauernde Juden« von Bendemann las, eine rechte Herzensfreude. Ich liebe die Juden; sie sind nicht mehr Das, was sie vor tausend Jahren gewesen sein mögen, aber es ist noch Originalität, Race in ihnen, und darum sind sie für den Maler interessant. Nun dachte ich, wenn ein Jude den Muth hat, Juden zu malen, wenn dieser Maler Bendemann ist, da muß es ein Stück Arbeit werden, das Hand und Fuß hat. Ich dachte, er würde sich köstliche Gestalten, üppige Weiber mit Flammenaugen gewählt haben — nicht doch! so weit reicht sein Muth nicht. Er nimmt ein Sujet aus dem Judenthume, aber er tauft seine Juden sammt und sonders, er übersetzt sie fein säuberlich ins Düsseldorf’sche, und nun sitzen die deutschen Männer und Weibsen, und sehen, so hübsch sie sind, doch nur aus, wie Düsseldorfer Gärtner, denen die Raupen den Kohl aufgefressen haben.
Hughes lachte —
Was ist da zu lachen? fragte Erlau, der ganz ernsthaft wurde, sobald es die Kunst galt, die er heilig hielt. Gestehen Sie, es ist, wie ich sage. Ist schon irgend ein Mensch so thöricht gewesen, sich blonde, deutsche Modelle zu nehmen, wenn er neapolitanische Fischer malen wollte? Das thut Niemand. Würde nicht alle Welt lachen, es abgeschmackt finden, wenn man Zigeuner mit der Physiognomie eines phlegmatischen Holländers malte? — oder Paria’s mit goldblonden Locken und einer Lilienhaut? Auch dem Paria muß sein Recht werden, sonst laßt ihn lieber ungemalt und ungeschoren; und dasselbe verlange ich für die Juden. Sehen Sie einmal den Steinheim, die Jenny an; denken Sie an das junge Weib, das sie heute im Tableau gesehen; sind das nicht Köpfe, die sich mit allen italienischen Modellen messen können? —
Hughes gab es zu, daß auch ihm, trotz der widerwärtigen Carricaturen, die man unter den Juden sähe, eine Menge wahrer Schönheiten sowohl unter Männern als Frauen aufgefallen wären.
Das sage ich ja, eiferte der Maler. Es ist mit den Juden wie mit den Fürstenhäusern und dem hohen Adel, die sich auch so untereinander rekrutiren. Die Race artet aus ins Krüppelhafte oder sie veredelt sich. Sehen Sie die feinen Glieder, die schönen dunklen Augen, die Ueppigkeit des Orients, die finden Sie heute noch oft bei den Juden und die Beweglichkeit ihrer Züge empfiehlt sie dem Maler. Darum wählte ich heute das Bild und diese Personen zu dem Bilde; und ich wollte, Bendemann selbst hätte es gesehen. Da er sich hoffentlich nicht schämt, ein Jude zu sein, hätte er an dieser Darstellung vielleicht den Muth gewonnen, auch Juden zu malen; denn, unter uns gesagt, feig sind die Juden doch! —
Mowbray Du lügst! rief Steinheim’s Stimme dazwischen, der, mit Eduard eintretend, die letzten Worte hörte.
Leider lügt er nicht, sagte Eduard ernsthaft, wenn er von moralischem Muthe spricht. Denn jene sogenannte Courage, die jeder Raufbold in sich erzwingt, um während eines Duells oder sonst einer Viertelstunde Parade zu machen, die schlage ich sehr gering an. Der Feigste, wenn er nur eitel genug ist, sich zu schämen, bringt das zu Stande. Aber der moralische Muth, der fehlt uns. Jahrhunderte lang hat die Sklaverei auf uns gelegen und das Volk so gedrückt, daß es sich glücklich fühlt, Ruhe zu genießen, anstatt mit aller Kraft die Rechte zu fordern, die man uns vorenthält!
Wahr ist’s, bekräftigte Hughes, und um so auffallender, als man nicht leugnen kann, daß es verhältnißmäßig eine Menge von Fähigkeiten und Talenten unter Ihrem Volke gibt. Mich wundert, daß diese sich nicht durch die ganze Erde vereinen, daß sie nicht alle ihre Mittel aufbieten, um zum Ziele, zur Gleichstellung zu gelangen.
Weil sie das nicht thun, nannte ich sie feig, sagte begütigend Erlau, dem es unangenehm war, jene Aeußerung gethan zu haben.
Und mit Recht, war Eduard’s Antwort. Was Du mir über Bendemann’s »Trauernde Juden« neulich sagtest, war vollkommen wahr; indeß so machen sie es alle. Michael Beer, der die Schmach der Unterdrückung auch sehr lebhaft fühlte, den es drängte, die Ungerechtigkeit darzustellen, machte ein Trauerspiel daraus. Aber er schilderte nicht das Elend seines Volkes; damit hätte er ja daran erinnert, daß er selbst ein Jude sei: er malte lieber die Unterdrückung sub rosa, er schrieb den »Paria« und dachte, vielleicht versteht man meine Meinung, und ich habe doch nichts gesagt, wenn man sie nicht verstehen will. Das ist Feigheit.
Und Thorheit obenein, sagte Steinheim. Die Geschichte hat bis jetzt kein Beispiel, daß irgend eine Unterdrückung aufgehoben worden wäre, weil der Unterdrücker in großmüthiger Laune sagte: »Car tel est mon plaisir«, außer der Bertha im Tell, die abgehend ihr »und frei erklär’ ich alle meine Knechte«, ausruft. Es heißt im Christenthume: »Bittet, so wird euch gegeben, klopfet an, so wird euch aufgethan«, und es wäre Zeit, daß die Juden tüchtig anklopften, wenn das Bitten nicht hilft, und die Christen zeigen müßten, ob sie den Spruch ihres Heilandes zu erfüllen bereit sind.
Erlau hatte während der Unterhaltung nicht nach den Vorbereitungen zu dem nächsten Bilde gesehen. Ein Diener kam ihn daran zu erinnern, meldend, daß die Herren und Damen bereits angekleidet wären. Das machte dem Gespräch ein Ende, weil Erlau die Herren bat, ihn zu verlassen. Aber wir kommen nächstens auf dies Thema zurück, das gerade auch für den Unparteiischen eine psychologisch interessante Seite unsers Jahrhunderts zeigt, sagte er, als die Andern davon gingen. Da blieb Steinheim stehen und sprach: »Greift nur hinein ins volle Menschenleben! Ein Jeder lebt’s, nicht Vielen ist’s bekannt, und wo Ihr’s packt, da ist’s interessant!«
Zehn Minuten später öffnete sich das Treibhaus der Schaulust auf’s Neue und einige glücklich gewählte Bilder folgten rasch auf einander. Den Beschluß machten Jenny und der Hauptmann mit der Scene aus dem Ivanhoe; und als eben der Vorhang vor dem letzten Bilde gefallen war, schlug die letzte Stunde des alten Jahres.
Einen Augenblick schwieg Alles in ahnender Ungewißheit, in Rückerinnerung und Erwartung; dann ging ein fröhliches Leben an. Glückwünsche und Scherze flogen von Mund zu Mund; Freunde suchten sich gegenseitig; Eltern und Kinder hatten sich, wenn auch nur für einen Augenblick, vereint, und ganz natürlich hatten auch Reinhard und Jenny sich gefunden, um den Anfang des neuen Jahres, mit dem für sie ein neues gemeinsames Leben beginnen sollte, gemeinsam zu begrüßen.
Nächsten Sylvester sind wir allein in unserm Hause, flüsterte Reinhard in Jenny’s Ohr, ihre Hand in der seinigen drückend, als der Vater sie zu holen kam. Er trat mit Jenny und Reinhard in die Mitte des Zimmers und sprach zur Gesellschaft gewendet:
Erlauben Sie mir, meine Freunde, Ihnen beim Beginn des neuen Jahres ein neues Mitglied meiner Familie vorzustellen. Herr Reinhard und meine Tochter sind seit acht Tagen verlobt und ich empfehle dies junge Paar Ihrer Freundschaft.«
Größeres Erstaunen hätte die unerwartete Ankunft des Großsultans nicht erregen können, als diese einfachen Worte. Des Fragens, Wunderns, Glückwünschens war kein Ende; und mancher junge Mann sah mit Neid auf Reinhard, an dessen Arm Jenny, noch im Costüme der Rebecca, durch die Zimmer ging. Sie sah schön aus in der prachtvollen Kleidung, das Haar mit Brillanten durchflochten, den weißen Turban auf die schwarzen Locken gedrückt; und Reinhard konnte nicht unterlassen, sie nochmals zu seiner Mutter zu führen, um auch von ihr zu hören, wie schön seine Jenny sei. Niemand wollte erlauben, daß sie sich entferne, um ihre Kleidung zu wechseln. Einige ältere Damen, die neben der Pfarrerin standen, hielten die holde Braut mit freundlichen Worten zurück; da trat auch Erlau glückwünschend hinzu und sagte leise: »So ganz unrecht hatte ich also neulich doch nicht, als ich von dem Einfluß und der Erlaubniß eines gewissen Theologen sprach?« —
Sie sind ein arger Spötter und haben mir damals eine traurige Stunde bereitet! entgegnete ihm Jenny und mußte dann der Pfarrerin erzählen, was Erlau’s Worte zu bedeuten hätten.
Den Zeitraum benutzte der Maler, Reinhard in seiner gewohnten Art zu gratuliren. Dir, Du Mann Gottes, hat es der Herr wahrhaftig im Schlafe gegeben, sagte er. Da setzt sich der Mensch hin und langweilt das arme Kind zwei Jahre lang mit alten, unnützen Geschichten, nach denen kein Hahn mehr kräht, und hat gewiß wacker auf den gottlosen Paris geschimpft, der die Helena entführte und den braven Menelaus mit langer Nase stehen ließ. Nun aber, ehe man sich’s versieht, hat er selbst die Schönste am Arme, geht mit ihr davon und läßt uns à la Menelaus zurück. Ich glaube, auch meine Nase muß sich in diesem kritischen Moment ein wenig verlängern, und Steinheim’s und des armen Joseph’s Riechwerkzeuge wachsen gigantisch. — Halt, glückseliger Bräutigam, fuhr er fort, als Reinhard davon gehen wollte, so kommst Du mir nicht los! Daß Du mich neulich veranlaßt hast, dem schönen Mädchen eine trübe Stunde zu machen, das mag Dir Gott vergeben! Und künftig machst Du den Templer, wenn Jenny es will, Du seltener Tugendritter! — Mit der Keuschheit und der Armuth wird’s nun bald ein Ende haben, wie der feurige Brillant an Deiner Brust, den ich jetzt erst bemerke, und Deine noch feurigern Blicke mir deutlich beweisen; aber das dritte Gelübde — Gehorsam, dazu kann Rath werden. Ich wünsche Dir nur so viel Geduld, als Du Glück hast! Denn das Commandiren und Wollen verstehen Fräulein Jenny und Papa Meier aus dem Fundament. Hätten sie mir nur befohlen, Dich zu allen Teufeln zu jagen und statt Deiner die holde Rose von Saron zu freien, Du hättest sehen sollen, ob ich’s nicht gethan hätte!