Kitabı oku: «Die Pfaffin», sayfa 5
Es scheint, das Abschiednehmen muß die junge Emerenz auch erlernen, wieder ein Rücklein weiter. Von der Mutter Seiten hat sie ja schon früher müssen. Die Magdalen Pichlerin hat des Kindes wegen wohl die alte Heimat lassen müssen, ein Kind aber kann um der Mutter willen weit schwerer sein Ziel aus den Augen tun. Sie müssen eben all beide dem Brote nachgehn, wie es ihnen und wo es ihnen just heraufwachst.
Und Leisach ist ein liebes Dörfl nah an der Lüentzerstadt. Hat Handel und Wandel, hat nimmer die Todeinsamkeit, die große Weltferne des Defreggentales. Da ist Raum und liebliche, fruchtbare Weite, und Emerenzias schwere Gedanken können ein wenig versegeln; etwa können sie ihr ein still nagendes Weh verheilen, das ihr wie ein zehrendes Geschwür in der Herzgruben liegt.
Leisach ist eine neue Welt für die Emerenz. Im Widum gehen weit mehr Leut’ aus und ein, wie es in St. Veit gewesen, und vielerlei Leut’, Bauern und Gewerksleut’, Knappen und Soldaten. Der Dreißigjährige Krieg geht zu End’ und schickt die Letzten heim. Freilich, wie er sie heimschickt, ist ein jeder anders, als er auszogen ist, ist umkrempelt worden und viele gar nimmer zum Kennen. Viel’ Irrweg’ und Umweg’ braucht es, bis ein ganzes Volk die Faust vom Schwerte laßt. In die Lüentzer Gegend verschlagt es nur etlich’ Heimkehrer und vagierende Durchzügler; aber wie diese erzählen, sein draußen im Reich, im Böhmischen droben und nicht zuletzt auch in österreichischen Landen ein Drittel der Menschheit heimatlos auf der großen Heerstraßen. Die Leut’ wissen nicht, was am Abend ist, haben kein Morgen und nicht einmal der Fleischbrocken auf der Gabelspitz’ ist ihnen sicher. Da gibt es viel Abenteuer, Schauermär und Heldentat, des ganzen Krieges buntes, wildes Vielerlei.
Solcher Zeitung horcht die Emerenz wider Willen gern auf, horcht manchesmal mit brennroten Wangen. In Defreggen drinnen hat man nichts vernommen von der Welt Lauf; was sie vom Krieg erhorcht, ist wohl nur die traurige Kunde von Vaters Tod gewesen. Heut denkt sie, wenn ihr Vater damalen von der vielen, bunten Mär da draußen nur das Bessere erhorcht und erfahren hat, mag man ihn nit verdammen, daß es ihn also gewaltig hinausgezogen hat in die unbekannte, vielgerühmte Weite. Halb und halb beginnt sie gar sein Handeln zu verstehen und zu begreifen. Verlockt ist er einfach worden von dem, was ihm Wunderbares ins Ohr geblasen worden ist, verlockt wohl auch vom Drängen in der eigenen Brust.
So ist es gewesen und anders nicht. Ein Kind ist sie gewesen, wie sie den Vater um seiner Untreu’ verdammt hat, ein Kind, in halbe Heiligkeit versponnen. Seither hat sie selber das Menschsein erfahren und erlitten und weiß, wie das Schweigen und Dulden oft schwer sein kann.
Der jungen, ernsten Pfaffin aber, die still und versonnen ihrer Pflicht im Haus ein und aus nachgeht, der sieht nicht ein jeder das »Menschsein« an. Steht sie doch gar in einem gewissen Ruch der Heiligkeit. »Unsere neue Pfaffin ist pfaffischer wie der Herr Vikar«, sagen die Leisacher. Sein aber auch solche, die meinen: »Wer weiß es, stille Wässer gründen tief.«
Dazu macht der Christian Graf einen kurzen, gurrenden Lacher.
* * *
Der Christian ist auch vom großen Schwedenkrieg heimgekommen und die ganzen letzten sechs Jahr’, die wüstesten, heil und gesund geblieben. Ist voll ungedämpften Übermuts, Narben hat er auf Stirn und Brust, und man kennt’s ihnen an, wie wehrhaft er sein konnte, und wie manchesmal sein Leben nur mehr an einem Härlein gehangen hat.
Der Christian Graf ist ein Leisacher Kind. Dem Pflug aber laßt er sich fein nimmer vorspannen; das mag der Schwestermann schaffen, was hat er sich’s erworben. Er ist kein Bauernkind, sein Vater ist in der Devant ein Schmied gewesen, aber mehr Waffen- als Hufschmied; also liegt ihm das Soldatsein schon näher. Von seinem Obristen hat er ein gewichtiges Pergamentlein mitbekommen, daß sie ihn in der Lüentzer Stadtwach’ gern aufgenommen haben, vom Schwert und von seiner Kugelbüchs’ laßt er nimmer.
In der Freizeit aber macht er Leisach gern von sich reden, dort ist er überall und allzeit daheim; unter Bauern und Knappen führt er das große Wort. Wo zweie sitzen oder stehn und er gesellt sich zu ihnen, ist über eine Weil’ schon eine große Runde beinander.
»Verzähl uns die Mär vom großen, heiligen Krieg!«
Da sitzen sie oft genug am Kirchplatz unter der Linden, ja, gar der Herr Vikar selber kommt und leiht ihm willig sein Ohr, so viel gut weiß der junge Kriegsmann zu erzählen. Vom großen, heiligen Krieg! Ja, dasselb’ ist gewiß, des Christian Graf Händ’ sein rein von ungebührlich Kriegsrecht, soviel er gestochen, geschlagen, gewürgt und gebissen, wenn es sein mußt’. Gemordet, gebrandschatzt, alles ist geschehen im heiligen Eifer zur höheren Ehr’ Gottes, allweil im guten, festen Glauben an das heilige, römische Recht, gegen den lutherischen, satanischen Irrglauben! Und will der Herr Vikar manchmal ernstliche Bedenken darüber laut werden lassen, daß auch der kühnste Gottesstreiter nit Würger sein sollt’, und daß auch der heiligste Eifer ein sündhafter Übereifer sein kann, da wallt des Christian Blut über und über wie ein Schmelzbach im Langes.
»Eija, Herr Vikar, wenn dem so wär’, da säßet Ihr nit so geruhsam da unter der Linden und loset mir zu und wollet es besser wissen! Da säßen die Lutherischen breit herinnen im Landl und die Fetzen Eurer Kutten hängeten noch auf die Bäum’ und wären unsere Trauerfahnen, weil die Raben das Fleisch längst herausgefressen hätten und Euer Gebein, zur Erden fallend, selber ins Gras wachsen müßt’!«
Auf so ein grausig-kräftiges Argument hin muß auch der Herr Vikar stille sein, zudem ihm die andern Aufloser recht überlegen zunicken.
Eine aber steht im Kräutlachgartl des Herrn Vikars und lauscht, daß ihr die Wangen hellauf brennen in der Abendkühle, und langsam rückt in ihrem Herzen ein stilles Leid zur Seiten und läßt einem Neuen, Unerahnten Platz.
Ist der Veit Kramer groß im Erdulden, in der Demut des auferlegten Kreuztragens, ist der Christian Graf nit minder groß als Rächer Gottes, als Streiter der Kirche. Ja, der Christian Graf hat etwas von dem, was sie als Kind, was sie in erster Jugend so kühn ersehnt und sehnend erträumt hat. Der ist hinausgewachsen über die andern. Sieh, wie sie ihm aufhorchen, die Jungen, die Alten, die Laien, die Gelahrten sogar, die Graubärt’, die Wiegenkinder! Der Christian Graf, der schwebet wahrhaftig manchmal über aller Leute Köpf’ dahin, wie sie selber manchmal in heiligen Ekstasen des Verlangens über die andern hinweggeschwebt ist. Der Veit Kramer, oh, warum wehrt er sich nit wider das Unrecht? So wird er zertreten werden wie ein Wurm, und keiner wird denken oder meinen, der ist besser gewesen als die andern. Ein Dulder und Lasser wird nimmermehr gewertet. Oh, wenn zwei Ding’ in einem Menschenherzen streitig werden, erleidet es argen Schaden. Niemand erahnt der Emerenz Pichlerin zwiespältig Leid. Niemand erahnt es, bis sie einmal am Abend den Herrn Vikar herholen muß von der Bank an der Linden, weil ein Sterbendes nach ihm verlangt. Der steht schnell auf und eilt in die Kirche, laßt Schwatz Schwatz sein. Die Emerenz aber steht wie gebannt an dem Fleck und schaut sich nun endlich den Christian Graf an. Schaut, weil sie muß und anders nit kann.
Er muß wohl auch seine Augen nimmer im Zaum halten können, weil sie ihm schier übergehn vor Wundern. Er steht auf, löst sich vom Lederkoller den obersten Schlupf. Schwül ist der Sommerabend. Wie träumend starrt er sie unentwegt an, bis sich ihm langsam die Zunge lockert. »Ich bin der Christian Graf, Jungfer.«
Sein Aug’ wird jetzt hell und blitzend, ist wie ein Glütlein im Dämmerlicht des sinkenden Abends. Leise klirrt ein silbern Sporn auf, und ein Schwertknauf blinkt. Der Emerenz Herz schlagt ganz laut, haut mit heißen Blutwellen um sich, als wollt’ es auf und davon. Wohin will es, dem Soldat’ zu? Um Jesu Blut!
»Ich bin die Emerenz Pichlerin.«
»Was, die Pfaffin?« tut der Christian ungläubig, und ist noch mehr Verwundertsein auf seinem Gesicht.
Da neigt sie ihren schmalen Kopf; ihre Arm’, im weißen Schalk-ärmel, hält sie über dem schwarzen Mieder verschränkt. »Muß wieder gehn.«
»Geleit’ Euch das Stückl über die Straßen.«
Sie laßt es geschehen, kann es nicht wehren, bringt aber kein Wort mehr über die Lippen; ein Wunder bloß, daß sie die schwankenden Füß’ noch tragen. An ihrer Seiten klingt der silberne Sporn, herrisch und lockend zugleich. Sie reden nichts mehr zueinand, und doch schlagt das brausende Blut Lärm zwischen ihnen. Drüben am Platz rauscht das Blattwerk der Linden auf, und von der Kirche her klingelt das Versehglöckl. Die Emerenz ist ganz elend.
Der Mond steckt noch hinterm Rauchkofl, aber sein falbes Licht schickt er vor sich her. Jetzt will sie ungegrüßter ins Haus hineinschlüpfen, mit fast weher Gewalt hebt sie den Fuß über die Türschwellen.
»Jungfer!« - Wie ein Hornruf ist das Wort in seinem Mund, sie muß sich wenden. Des Christian Stimme wird ganz dunkel, seine Gestalt strafft sich, wie ein Riese steht er vor ihr, im Rücken die seltsame Helle, die vom Berg niederflutet. »Jungfer Emerenz - Ihr tut mir wohlgefallen!« Sie würgt an einer Antwort herum, will ihn abweisen. »lch such’ mir schon langher ein Weib, aber sticht mir keine ins Aug’ bishero, bis zur Stund’ - alles bloß Weiberhändl gewesen - Ihr gefallet mir.«
Der Emerenz Augen stehn in lauter Wasser, auf ihrem Gesicht sind Ängsten. - »Und Ihr gefallet mir gar nit!« schreit sie ihn endlich an. Mit aller Gewalt hebt die Emerenz auch den zweiten Fuß vom Fleck und kehrt sich ins Haus hinein. Sie weiß nit, was ihr die Kraft verliehen, über allem begehrlichen Sturm hinweg das Wort voll dunkler Ahnung wehrhaft auszusprechen.
Der Christian Graf steht still und lacht ihr zufrieden nach. »So ist’s recht, so hab’ ich die Weiber gern. Nit weich und latschig, alles, was mich freuet, nimm ich mir selber, nimm ich mir lieber im Sturm. Du freuest mich, dich nimm ich!« Damit kehrt er um, seine Aufhorcher haben sich verlaufen. Sie haben nicht gemeint, daß die zweie so bald ausgeredet hätten, wie die sich doch angeschaut. Adam und Eva an ihrem Schöpfungstag können aneinander nicht verwunderter gewesen sein. So geht der Christian Graf eben alleine den Weg entlang, geht an Bauernhöfen und Knappenhäusern vorbei. Heut lockt er keine aus dunkler Kammer. Und nit bußt, nit einmal die Hand geben hat sie ihm. Aber er ist’s zufrieden wie selten einmal, wie noch nie.
* * *
Der Herr Vikar aber ist gar nimmer zufrieden mit seiner Pfaffin. Fahrig ist sie und kriegt alle Tag’ weniger Verstand. Weiß nimmer, wann Essenszeit ist; träumt und sinndlt. Horcht in die Weiten, wenn es weitum nichts zu horchen gibt. Schleicht am späten Abend noch ins Kräutlachgartl, hat in der Frühe die Augen weit drinnen im Kopf und verduselt in der Kirchen gar die heilige Wandlung, bleibt stockstill wie ein Heid’, wenn sich die andern die Brust klopfen. Jung, jung ist das Ding wohl noch; weiß der Herre Gott, was in das Leut gefahren ist; eine mannsnärrische Pfaffin, die könnt’ er grad noch brauchen!
Die Emerenz Pichlerin wird die Wochen her ganz blaß und
schmal, aber noch um vieles schöner und lieblicher.
Über etlichen weiteren Wochen, weil die Sach’ so fortgeht und der Herr Vikar es geduldig erträgt und zuwarten will, bis sie ihm vertrauen mag, was sie solcherart verwirrt, weist es sich wohl, was es ist. Kommt der Christian Graf selber daher, angetan mit seinem besten Soldatenstaat, und verlangt mit der Emerenz Pichlerin zu reden. Der Herr Vikar läßt die beiden allein, wenn sie nach seiner so nit verlangen.
»Jetzund bin ich da, Emerenz!«
Das ist wieder hell und scharf wie ein Hornruf. Ihr verschlägt der Schreck jede Rede. »Wenn Ihr mein Weib nit wollt sein, such’ ich mir halt wieder ein ander Land, wo es Krieg gibt!«
Jetzt schaudert sie, und wie im Zorn kommt’s aus ihr: »Soo, ich soll Euch Krieg ersetzen?« Trotzig und herb wird ihr Mund.
»Krieg oder Lieb’, beides gleich heiß, für die zwei Ding’ leb’ und sterb’ ich allemal, also gebt mir Antwort, Jungfer!«
»So geht in ein ander Land und suchet Euch Krieg.« Der Emerenz Stimme ist auch hell und hart, und blaß ist sie bis in die Lippen hinein.
Der Herr Vikar sitzt draußen auf der Gartenbank und schüttelt verwundert den Kopf, die zwei führen ein seltsames Brautgespräch.
»In Krieg schickt Sie mich, oh - schickt mich im Ernst?« Er funkelt sie an und seinen heißen Atem fühlt sie wie ein sehrend Brennen. »Emerenz!«
Um Jesu Blut, was kommt denn über sie wie ein Hochwasser im Maien. So klecklich groß hat noch keiner geredet mit ihr, der Veit Kramer hat allzeit geschwiegen. Sie weiß nicht, wie es so über den Menschen kommen kann, hat keine Schwester, keine Kameradin; die Mutter ist um der Liebe genarrt worden, kann die reden mit dem Kind? Der Veit Kramer ruckt in den hintersten Herzwinkel, er hat sich ja nie gewehrt, hat sich auch um sie nicht gewehrt. Oh, hätt’ er’s doch, dann wär’ sie gewappnet in dieser bedrohlichen Stund’. Der Christian Graf schaut sie brennend an, läßt kein Aug’ mehr ab von ihr.
»Ich - ich schick’ dich ja nit - kannst meinetwegen wohl bleiben.« Müd lehnt sie sich an die Stubenwand, könnt’ sie doch, möcht’ sich verkriechen im Getäfel wie ein Holzwurm. Aber ihr Fürchten und Wehren ist vergeblich; sie müßt’ anders gerüstet sein, müßt’ wissen, daß sie der andere haltet, haltet um jeden Preis; dann tät’ sie dem sein’ Blick nit brennen fühlen bis ins innerste Herz. Jetzt nimmt er sie in den Arm, reißt sie an seine Brust, daß ihr der Atem, daß ihr Hören und Sehen vergeht, daß sie meint, die Augen nimmer aufschlagen zu dürfen zum Licht. Sterben wär’ jetzund das best’, wär’ Wonne und Qual in eins, wär’ weit besser, wie noch einmal wach werden müssen. Und freut sich doch wieder, weil sie noch lebt, weil sie sieht, wie trunken sein Blick sie umfängt - und schreckt sich aufs Neue. Herr Jesu, was ist das, er schaut mir das Antlitz von den Knochen, schaut mir das Gewand vom Leib! Die Emerenz Pichlerin ist schöner als die Bauerntöchter weit herum. Ihrer Jugend Blüte ist in stiller Sonne herangereift, nicht im Sturm schwerer Arbeitsbürde, und ihr Geist ist mitgegangen mit den Jahren junger Reife.
Und auf was will sie warten im jungen Leben? Was kann ihr Schönes und Großes noch kommen? Dienen, gehorchen, stille ein Lämplein verglühen lassen, nach dessen Leuchten nicht eins gefragt, nicht einmal der Veit Kramer in seiner düstersten Stunde, nicht einmal in seine arme, dunkle Stube hat er’s tragen wollen, so gern hätt’ es dorten geleuchtet. Allweil übrig sein auf der Welt, seitdem sie der Vater mit der Mutter allein hat stehenlassen; herrenlos ist sie.
Der aber könnt’ wohl ihr Herr sein, und ist einer, der sie hinaustragt ins große Brausen. Und wenn das Heiße, Dunkle, Schwere, das er aufgewühlt hat in ihr, Liebe ist, so mag es leicht alles sein, was sich ihr im Leben erfüllen mag und ums Jungsein aufmerken läßt.
Lieben, ist das wirklich ein Lieben?
»So ein Wilder!« will sie erbost tun und sich seiner griffigen Tatzen erwehren. »Hast mich schon gefragt, ob ich dein sein will?«
»Wer viel fragt, tut viel irren, du und ich, wir zwei beide, hab’ es schon im Duster unter der Linden gewußt, hab’ es deutlich verspürt, daß mein bist!«
»Und wie haltest es mit der Treue?« meint sie zag.
»Mit der Treue halt’ es der Mann allemal so, wie es das Weib meint. Das liegt an dir alleine!«
»An mir alleine soll das liegen?«
»Ist so! Ich nimm mir mein Teil, nimm und dank’, mehr verlang nit von mir; ist nur mehr zu bedenken, wie gern und wie viel du zu geben hast; daran hängt alles, wie lang die Sach’ halten mag!«
»Dann weiß ich wohl nit, wie es kommt; mir scheint, bist ein großer Nimmersatt, Christian Graf - ich aber bin fein sparsam auferzogen worden.«
»Auf das freu’ ich mich ja, auf so ein’ Speicher, den noch kein andrer Hunger angriffen hat!« Und er schaut der Emerenz frank ins Gesicht, die über und über rot worden ist.
»Was werd mein’ Mueter sagen?«
»Was werd sie schon sagen? Was eine Mueter halt sagt!«
»Und der Herr Vikar?« meint sie fast ängstlich.
»Ja und Amen, bleibt ihm kein ander Wort; was aber sagst du?«
»Sag’ halt ja«, meint sie selig und schaudernd zugleich, weil er ihr wieder nicht Atem läßt zwischen dem Arm und der wild klopfenden Brust.
Dann lacht er sieghaft: »Also schickst mich nit fort in den Krieg?«
»Nimmer, nimmer schick’ ich dich fort, aber ob es bloß Frieden ist ...?«
Er laßt sie nit ausreden und lacht hellauf. »Bloß Frieden mag ich nit, bin kein rüewiger Strohwälzer!«
Und dem Herrn Vikar bleibt wirklich nicht viel anders zu sagen übrig wie halt Ja und Amen. Der Christian Graf hat eine Art, zu reden mit den Leuten, daß sie kaum zu besinnen kommen, es anders zu meinen wie er. Redet mit dem Herrn Vikar auch nicht viel anders, inner drei Wochen muß das Aufgebot erfolgen. Und so ist es.
Haben viel zu reden die Leut’ und trauen sich wenig, was dagegen zu sagen. Ein Soldat heuert eine Pfaffin. Die zwei werden aneinander wohl zu beißen haben. Die Mutter Magdalen schickt Reistentuch und etlich Silberlinge. Sie hat dem jungen Rauter in der Starritzen das Holzergütl verkauft, es ist ja so wenig mehr wert gewesen. Sie hat allweil noch gehofft, die Emerenz bringt noch einmal einen Bauernsproß darauf, wenn’s auch nur ein armer wär’, mit zwei starken, willigen Händen. Aber einen Soldaten, einen Soldaten schmiedet kein’ goldene Ketten ans Holzergütl hinauf, so hat sie auch dies letzte Hoffen fahren lassen.
Die Taufgote, die Emerenz Granteggerin, erzählt dies alles, die hat der Mutter Brautgeschenk gebracht und selber von ihrem schön dazugetan. Die Mutter könnt’ nit kommen, kann die Arbeit nit liegen lassen. Sie hätt’ die Arbeit schon einmal liegen lassen können, aber eins kann sie nit, zusehn, wie ein Soldat ihr Kind nimmt, wieder ein Soldat.
Die Emerenz Granteggerin ist das erstemal in ihrem Leben aus ihrem Heimatl gen Lüentz gewandert. Im Leisacher Widum nächtigt sie und ist einziger Hochzeitsgast aus der Emerenz Sippe. Lauter Sorgenfurchen trägt ihr Gesicht und einen stillen tiefen Blick. Im düsteren Kammerl der Emerenz sitzen die dreie. Der Christian Graf ist kommen, sich anschauen lassen. Die Granteggerin schaut und schaut und bleibt stumm.
Dem Christian Graf aber wird es gar bald zu dumm, er lacht hellauf und ist türaus. Grad unter der Tür kehrt er sich noch einmal um. »Auf morgen, Frau Muhme!« Sein Bräutl schaut er gar nit an. Sollt’ er neben der geschnitzten Heiligen seine Liebe halsen? In ihm ist viel Wildheit, aber kein Falsch.
Den ganzen letzten Abend, die ganze wache Nacht bleibt die Emerenz Granteggerin stumm. Und die Braut findet auch kein Auge voll Schlaf; kein Wunder, daß ihre junge Stirn dann in der Frühe minder glatt ist wie sonst. Weil ihr die Gote den Rosmarinkranz aufsetzt, erschrickt sie und sagt: »Dirn, Dirn, die drei Strich’ sein wieder da!«
»Was für drei Strich’, Gote?«
»Hat dir die Mueter nie erzählt davon?«
»Nie, wüßt’ nit.«
»Dann ist es auch wohl guet, aber sag mir eins, liebst ihn?«
»Wenn das Jasagenmüssen Liebe ist, dann werd es wohl recht sein, wie es kommen ist.« Die Granteggerin sinnt. Ein Wunder ist allemal dabei, daß so ein heißer Wildling eine Kranzdirn heimführt.
Die Braut ist schön. Was Begehren in ihr, ist ganz verhalten, und die stille Bangigkeit legt sich wie ein schleiern’ Mantel um sie. Die Braut ist schön.
Der Christian Graf, da ist der Maidlen Urteil uneins. Die eine sagt, er ist wild, ganz zum Fürchten; die andre meint, er ist stattlich wie keiner, und die dritte schwört, er ist schön und festlich wie St. Michael selber. Einen neuen Koller hat er an, blanke Wehr, frische Sporen und aus einem Kastl hat die Emerenz den Hochzeitsbuschen genommen. Die Glitzerblumen funken auf seiner Brust und Rosenbänder wehen von ihm zu ihr, von ihr zu ihm. Seine braunen Locken wehen unterm Federhut. Ihre lichten, gleimen Zöpfe hängen schwer im Nacken, von der roten, dickwollenen Bötl noch üppiger scheinend. Der grüne Rosmarin stiftelt sich zierlich durchs Haar. Bunt schimmert der seidene Brustich unter der goldenen Schnur, die, kreuzweis in bleierne Haften gehakt, den jungen, prangenden Leib züchtig umschließt. Die Emerenz Granteggerin hebt die zitternde Hand bekreuzigend an die bräutliche Stirn der Emerenz, hebt sie in der Mutter Namen.
Die Braut senkt das Gesicht ganz tief, zwei schwere Zähren tropfen ihr auf die Brust, die ein herztiefer Seufzer hebt. Sie weiß nit, wie ihr ist. Sie hört das Meßlied, spürt den Ruch vom scharfen Weihrauch und frischen Leder, spürt den heißen Mannesatem neben ihr und dann noch ein Düftlein vom bittern Rosmarin. Das alles aber macht sie kaum stolz, kaum froh.
Ist es wahrhafte Tugend, die mich rein erhaltet für den Tag? Eine Heilige hab’ ich einmal werden wollen. O Schaudermann, wie hast du recht behalten. Ein Soldat, ein wilder Soldat führt mich heim. Und warum nit, was ist denn schon alles an mir? Mir sein lange her schon die Flügel gebrochen, weiß nit, wann und wo. Leise weint die Emerenz Pichlerin in sich hinein. An den Veit Kramer denkt sie nit, justament nit, das wär’ eine große Sünd’ - jetzt, in der Stund’, an den auch noch denken. An den Vater denkt sie, an die Stund’, wie der Bot’ kommen ist. Ja, damalen, an dem unglückseligen Tag sein ihr die Flügel gebrochen.
Aber heut versteht sie es wohl, es hat so kommen müssen. So viel Dunkles geht uns nach auf allen Wegen; treibt uns dies Dunkle der endlichen Helle zu? Wie ist denn das? - Oh, wenn eins wüßte, wie das ist! ...
* * *
Die Emerenz Granteggerin kehrt wieder heimzu. Etlich’ Hochzeitskrapfen packt sie in ein Tüchl. Die neue Pfaffin hat kein Schmalz verschwendet daran. Aber für so eine, die aus der Geborgenheit für Leib und Seel’ einem Soldaten nachlauft, sein sie rar genug. Die Granteggerin hat ihres Gotenkindes Händ’ in den ihren. »Wenn wieder einmal ein’ schweren Weg hast und ich leb’ noch, ich komm’, ich komm’ dir über Berg und Tal.« Und zum Christian Graf sagt sie: »Bist vor dem Herre Gott ein guter Streiter gewesen, acht, daß du vor dem Herrn auch ein guter Mann sein magst. Tragen braucht mehr Kraft wie Schlagen.« Weil sie ihn dabei hat anschaun wollen, werden ihr die Augen brennend und sie muß sie schließen. So geht sie wieder talein.
»Die Unke trauet mir nit!« murrt der Christian Graf in seinen Flaumbart hinein. Die Emerenz weiß darauf nichts zu sagen.
Die Leut’ verlaufen sich bald, Gäst’ haben sie wenig geladen! Sein nur arme Hochzeiter.
* * *
Beim Schwestermann sind sie untergeschloffen, ein Soldat hat nicht Boden unter den Füßen. Eine Kammer zum Schlafen haben sie, den Herd muß die Emerenz mit der Bäurin teilen. Die schaut ihr gar neubegierig auf die Finger, ist einer Bäurin nicht eins, was eine Pfaffin auf ihrem Herd herumpatzt.
Das aber wär’ der Emerenz leicht zu ertragen, sie ist einen eignen Herd so nicht gewohnt.
Der Christian Graf ist ein Kriegsmann gewesen, ist es gewesen voll heißer Inbrunst - und also ist er ein Eh’mann, mehr aber noch mit Ungestüm denn mit Inbrunst. Die Emerenz ist lang schon aus allen Wundem heraus, ist mehr verschreckt wie erstaunt, wird langsam zag und scheu.
Der Christian rumoret. Sie soll nit so zimperlich sein, da hätt’ er’s schon anders wild getrieben.
»Du hast schon eine gehabt?«
Jetzt muß der Christian lachen, lachen wie ein übermütiger Bub, lachen wie ein unschuldiges Kindl. Ob sie denn frisch vom Himmel gefallen sei; liebe, liebe, liebe Zeit, so eine närrische Frag’!
Frisch vom Himmel gefallen? Die Emerenz hat bloß Galle im Mund. Sie denkt an den Vater, so und noch schlimmer wird der Christian gewesen sein, jung und frei auch noch. Da erzählt er ihr breit her. »Aber daß du es wissest, keine katholische Dirn hab’ ich dir angerührt!«
Die Emerenz schaut groß, versteht nicht recht.
»Aber wo wir lutherisch’ Volk antroffen haben, da war es ein’ Schand’ und ein Spott mit den Dingen, da sein die Schutzengel weinender Ähren auflesen gangen.«
»Hat eine lutherische Dirn nit auch ein’ Ehr’ im Leib?« fragt die Emerenz totenblaß.
»Hat sie, warum nit, wir aber haben ihr’s nit lassen, mit Feuer und Schwert, mit Schandtat und Malefizgericht gehört das Gelichter vertilgt bei Putz und bei Stingl!«
»Das ist nimmermehr Kriegstat gewesen, was ihr getan!« schreit das junge, gequälte Weib voll Grauen.
»Nit Kriegstat, gut, aber erlaubt gewesen im Krieg!«
»Und mit die gleichen Händ’ greifst mich wieder an? Mir grauset!«
»Ist die Dirn so seidern oder die Pfaffin so heilig?«
»I bin nit seidern, und eine Pfaffin hast ja wollen; aber i hab’ nit gemeint, daß du so ein Wüster bist; und hab gemeint - ist wohl vermessen gewesen, daß ich deine erste sein sollt’.« Ein wildes Schluchzen erschüttert ihren Leib.
Jetzt faucht der Christian, schaut wütend um sich und schreit, aber so erbost, als ob er auch wider sich selber wüten müßt’: »Bist eine dumme Gans, ganz weltunläufig! Nit die hundertste, die ich gehabt, die erste, die ich gern hab’, bist; ist dir das leicht nit genug?«
»Es ist mir leicht genug«, sagt die Emerenz tonlos, und es schauert sie durch und durch. Und weil die Kammer für beider Meinen einmal viel zu eng ist, rennt der Christian aus. Rennt für etliche Tag’ aus, rumort in der Lüentzerstadt herum, kehrt in alle Schenkstuben ein und tut groß. Sein Weiblein sei eine Seiderne, zwischen Kirchenstühlen ist sie aufgewachsen, wär’ ihr völlig das Sakrament der Ehe noch zu untugendhaft. Ja, wenn sie nit so unsinnig vernarrt wär’ in ihn, und wenn er nit so und so ein ganz Schneidiger wär’, hätt’ er gewißlich seine liebe Not mit ihr. Die Leute lachen dazu und glauben ihm halb und halb. Und wenn er nüchterne Augenblick’ hat, möcht’ er sich am allerliebsten selber karbatschen, so wütend ist er auf sein Quatschmaul.
Weil er wieder heimkehrt, ist sein Hunger und Durst erst recht nicht gestillt, so viel Schoppen er auch durch die Gurgel gegossen.
* * *
Die Emerenz duckt sich, laßt den heißen Wind wie verheerend über sich ergehn. Er achtet es nit, zaust sie, wie s’ ihm in die wilden, begehrlichen Händ’ kommt, lacht nur, daß alles dröhnt. »Jetzund haben wir wieder Frieden geschlossen, gelt, Seiderne?« Sie nickt und schaut ganz verloren in ein fernes Land.
Schwach und letz ist sie auch, man hat sie nit kochen lassen für sich alleine, sie sollt’ mitessen. Jeder Löffelvoll war mit Bitternis gewürzt. Sie hätt’ sollen den Christian suchen gehn. Das hat sie nit tan, das tät’ sie in Ewigkeit nit, einem Mann nachlaufen. Da haben sie die stolze Pfaffin gar scheel angesehn.
Davon aber erzählt sie ihm nichts, er tät’ nur toben und schimpfieren und alles noch übler machen. Der Christian legt ihr den Soldlohn nieder, den er von der Stadtwach’ aufhebt und bringt ihr noch ein Honigwaffl dazu, erstickt sie in lauter Bussen und Halsen. Sie duldet das ein’ und das andere, er merkt es noch nit, wie sie’s bloß mehr duldet. Aber sie will dennoch gern alles wieder zusammensuchen, was in ihrem verstörten Herzen etwa noch an Liebe zu finden ist. Und weil sie langsam wieder die Hand aufhebt zu seinem Gelock und die Haarsträhn’ ihm aus der Stirn wischt, ihre schmale, feine Wange wie schutzsuchend an seine breite Brust legt, rührt es ihn über die Maßen.
Aber er hat nie gelernt, mit stillen Frauen umzugehen.
Etwan hat es auch keine geben an seinen wüsten Jungmannswegen, er ist ja nur mehr die letzten wilden Jahre im Krieg gewesen. Und also tut er wieder, was er nimmer lassen kann. Erzählt der Emerenz, was es für wüste Weiber gibt in der Welt herum, was er für lange Füß’ hätt’ machen müssen aus dem Sauhaufen heraus. »Weißt, die sein nit katholisch und nit lutherisch gewest, die sein solchene, von denen man betet: ,Herr, erlöse uns von allen Übeln. Amen.’ Und er hat mich erlöset, durch dich, Herzliebe! Ja, wir zwei beide, ich hab’ es im Duster unter der Linden schon erschauet, daß du mein sein mußt!«
Die Emerenz aber denkt, weil ihr der Jammer den Mund verschlossen: »Ich aber hab’ mich verschauet im Duster unter der Linden; O Herre Gott, das ist nit zu ertragen, was er vor meiner für Unflat ausspeiet.« An den Veit Kramer muß sie denken, an den verganteten Bauern, der ein Edelmann ist gegen den Christian Graf. Immer stiller und starrer wird die Emerenz Pichlerin, bis der Christian nach etlich’ Tagen schon wieder ausrennt.
Er erkennt es zum andemmal, das ist nimmer sein Weib, das er heimsuchen muß mit seinem Brennen, und es ist ihm zuweilen schreckbarlich, mit einem Menschen die Kammer teilen müssen, der oft und oft nur wie ein Schatten an seiner Seite ist. Er ist doch ein Streiter der Kirche gewesen, die aber tut, als wär’ er ein Teufl. Tut, als wär’ er eine Seuchen. So viel Selbstzufriedenheit ist in ihm gewesen, so viel jungfrohe Herrlichkeit. Sie aber nimmt ihm seine Ruh’, seinen Frieden, weil sie tut, als wär’ er ein arger Todsünder, obwohl sie ihn nicht mit einem einzigen Wörtl schmäht.
Eine Woche stranzt er herum und sehnt sich nach ihr, die er flieht. Eine Woche hört die Emerenz daheim harbe Reden an, schläft stille Nächte durch, müdgeweint wie ein Kind; da kommt der Christian wieder heim. Er muß ja kommen, er will keine andere mehr in den Arm nehmen. Aber er kommt wie ein Wilder, lachend und schreiend, tut wenigstens so. Kann doch nicht in Sack und Asche gehn, kann nicht herkriechen zu seiner Heiligen. Rumort und haut auf, was er kann, wird ihr’s zeigen, wird sie schon noch kleinkriegen. Aber er kriegt sie nimmer klein, die Emerenz wehrt sich seiner ohne ein Wort. Die drei Strich’ über ihrer Stirn sein tief und deutlich geworden.
Und es ist keine acht Wochen, seit der Christian Graf den Glitzenbuschen auf seinem neuen Koller getragen hat, da reißt er den Schnappsack von der Wand und rennt zum drittenmal aus, diesmal ist’s blutiger Ernst. »Wenn sie dich dulden, bleib im Haus, ich kehr’ nimmer! Irgendwo auf der Welt werd ja Krieg sein, die Liebe geratet mir nit!« Aber er wartet heimlich doch auf das Wort, das sie ihm schon einmal gesagt: »Kannst meinetwegen wohl bleiben.« Es tät’ ihm genügen, das Wort; er wartet wie eine arme Seel’. Aber sie sagt es nimmer. Sie sagt ihm auch nit, daß Gott seine Wildheit und ihr Dulden gesegnet hat. Sie weiß ja nicht, hat er sie reicher gemacht darum oder noch ärmer. Sie weiß nur, daß sie ihr Kind schützen will, daß er ihr’s versehren könnt’. Und so gehn sie auseinander, so still. Nimmermehr, das ertraget der Christian nit, lacht hell und wild und schreit sie an: »Seiderne Pfaffin du, jetzund such’ ich mir eine Wüste, eine, von denen es heißt: ,Erlöse uns von allen Übeln. Amen!’«
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.