Kitabı oku: «Marie - Folge 4»
MARIE
Folge 4
Quarantäne
Fatih O.
Artcover: Giada Armani
Copyright: BERLINABLE UG
Berlinable lädt dich ein, alle deine Ängste hinter dir zu lassen und in eine Welt einzutauchen, in der Sex der Schlüssel zur Selbstbestimmung ist.
Unsere Mission: Die Welt verändern - Seele für Seele.
Akzeptieren Menschen ihre eigene Sexualität, formen sie eine tolerantere Gesellschaft.
Worte der Inspiration, des Mutes, der Veränderung.
Öffne deinen Geist und befreie deine tiefsten Begierden.
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Quarantäne
„Was für ein komisches Jahr. Was für ein verdammt komisches Jahr!“
Marie fuhr mit ihrem heißgeliebten Mini ungläubig kopfschüttelnd den fast leergefegten Ku‘damm entlang. Von ihrer Dachgeschosswohnung bis zur Arbeit brauchte sie normalerweise bei der üblichen Rushhour und dem schier nie endenden Baustellenchaos mindestens 25 Minuten. Meist „flutschte“ es aber nicht so gut, sodass die knappen sechs Kilometer zwischen Oranienburger und Fasanenstraße auch gern mal 35-40 Minuten ihrer kostbaren Zeit in Anspruch nehmen konnten.
„Was für ein komisches Jahr!“, kam Marie erneut der Gedanke und versuchte dabei, die aktuellen Restriktionen des Berliner Senats zu den coronabedingten Ausgangsbeschränkungen nicht mit der Liebesoffenbarung ihrer Arbeitskollegin Lola bei der Silvesterparty gegeneinander abzuwägen.
Marie hatte mit ihren Freunden unbeschwert gefeiert und ihre neue Kollegin via Whatsapp überredet, spontan dazuzustoßen, da diese den Abend sonst allein zuhause verbracht hätte. Lola war mit 27 ein Jahr jünger als Marie und erst vor kurzem nach Berlin gezogen, um in dem Auktionshaus, in dem Marie arbeitete, ein halbjähriges Praktikum zu absolvieren.
Schon bei dem ersten Aufeinandertreffen hatte Marie die Augen nicht von ihr lassen können. Selbst als Frau fühlte sie sich auf unerklärliche Weise von Lolas erotischen Ausstrahlung magisch angezogen, dabei stand sie selbst gar nicht auf Frauen. Sie hatten ausgelassen zusammen gefeiert und als um Mitternacht die diversen Drinks ihre Wirkung gezeigt hatten, waren sie küssend auf der Couch gelegen und verpassten sogar den Countdown. Am nächsten Morgen waren sie zusammen im Bett aufgewacht und das erste, was Lola zu ihr gesagt und Marie sofort nüchtern gemacht hatte, war: „Ich habe mich in dich verliebt, Marie.“
Nach nunmehr drei Monaten gab es neben der gewonnenen Selbsterkenntnis, dass sie einen noch nicht definierbaren Bezug zum gleichen Geschlecht zu haben schien, nun auch noch einen Virus, der weltweit Dinge möglich machte, die selbst Weltverschwörungstheoretiker so nicht hätten herbeifantasieren können. Eine Auswirkung war, dass der Großteil der Bevölkerung sich im Homeoffice oder in Quarantäne befand und die Straßen somit erschreckend leer waren. Marie schaute bei der Ankunft in der Fasanenstraße auf die Uhr im Cockpit und konstatierte: nur 15 Minuten! Corona hatte also auch einige (wenige) gute Seiten.
Marie ging ins Office, um einige Online-Auktionen vorzubereiten. Ihr Ziehvater hatte schon vor Jahren die hiesigen Auktionen für internationale Händler parallel immer live online betrieben, um damit den Kundenkreis zu maximieren. So konnten die exklusiven Exponate weltweit meistbietend und oftmals auch – was einigen Millionären sehr wichtig war – anonym veräußert werden. Ein Umstand, der sich in der Coronakrise als Rettung entpuppt hatte, da das Geschäft hierdurch kaum an Umsatz einbüßen musste.
Bei jeder Begegnung mit Lola spürte Marie ihre sichtlich lodernde Zuneigung. Sie hatte zwar Verständnis für die Zurückweisung, weil Marie nicht bi oder lesbisch war, aber dennoch keimte bei jedem etwas längeren Blickkontakt Hoffnung auf, da sich Marie unverändert von ihrer Aura angezogen fühlte. Der innerliche Zwiespalt schien nicht nur bei Marie für Verwirrungen zu sorgen, aber dennoch verstanden beide es, die von Anbeginn unbeschwerte und lockere Freundschaft nicht darunter leiden zu lassen.
„Langsam gehen mir die Kontaktsperre, die Masken und Handschuhe und der ganze Wahnsinn mit dem zu haltenden Abstand mächtig auf die Nerven. Ich will mal wieder mit Menschen feiern, tanzen und, verdammt nochmal, ich brauch jemanden in meinem Bett. Ich kann mir schon gar nicht mehr vorstellen, wie sich fremde warme Haut auf meiner anfühlt, geschweige denn eine fremde Zunge. Wie hältst du das nur aus, Marie?“ – Lola schaute sie mit ihren riesigen braunen Augen erwartungsvoll an.
Schlagfertig, wie Marie war, öffnete sie intuitiv ihren Mund und wollte einer knackigen Antwort den Sprung von ihrer Zunge gewähren, jedoch stieß sie plötzlich nur ein „Fuck!“ aus und starrte mit offenem Mund in die Leere.
„Alles gut, Marie? Du guckst, als hätte dir jemand gerade die Batterie aus deinem kleinen Zwölf-Volt-Hirn genommen“, hörte sie ihre Kollegin lachend sagen.
„Weißt du, was mir gerade bewusst geworden ist?“, stammelte Marie sichtlich irritiert und setze weiter fort: „Ich habe seit fast vier Wochen nicht nur keinen Sex gehabt, sondern wegen des ganzen Vermummungswahnsinns und der langen Arbeitszeiten erst gar nicht mehr an Sex gedacht! Das muss wohl daran liegen, dass man keine Männer mehr zu Gesicht bekommt!“
Marie schaute auf den Kalender an der Wand und rechnete zurück. Genau 28 Tage war es her, seit sie das letzte Mal sexuellen Kontakt gehabt hatte. Sie konnte sich so genau erinnern, da das Erlebnis in der U-Bahn selbst für sie schon irgendwie einmalig war und sie wegen eines Werkstattermins auf die öffentlichen Verkehrsmittel zurückgreifen musste. Das BVG-Ticket von diesem Tag lächelte sie seither als Erinnerung von ihrem Bildschirm aus an.
„28 Tage? Wie hältst du das nur aus? Du wirst es dir aber doch selbst gemacht haben, hoffe ich?!“, wurde sie neugierig angezwinkert und durfte Lola dabei zuschauen, wie sie zur humorvollen Untermalung mit der Zunge zwischen gespreiztem Zeige- und Mittelfinger spielte.
Marie starrte auf ihre weiche, rosafarbene Zunge und genoss den Anblick, wie sie sich geschickt zwischen den beiden angedeuteten Schamlippen stimulierend bewegte. Auf der Spitze tänzelte ein Tropfen Speichel, der genüsslich auf der Innenseite des Mittelfingers verteilt wurde, bevor die Zunge kreisend schneller wurde.
„Na? Erinnert dich das an unsere Silvesternacht?“, lachte Lola auf und deutete Maries starrende Bewunderung als Zuneigung.
„Mach dir bitte keine Hoffnungen. Mir ist nur gerade bewusst geworden, dass sich mein ganzes Verlangen anscheinend ebenfalls in Quarantäne begeben hat.“ – Kopfschüttelnd wandte sich Marie ab, um klar zu signalisieren, dass die bereits am Neujahrsmorgen gesetzte Grenze auch heute nicht überschritten werden würde.
28 Tage! Quarantäne! Sex! leuchteten die Worte in großen Lettern vor Maries geistigem Auge auf. In ihrem Innern öffnete sich ganz hinten eine kleine Tür. So wie man es kennt, wenn in einem dunklen Raum plötzlich ein kleiner Spalt geöffnet wird und ein greller Lichtkegel den Weg durch die erdrückende Dunkelheit schneidet. Ihr Unterbewusstsein hatte gerade diese Tür geöffnet und Maries Gefühlswelt Einlass ins Hier und Jetzt gewährt. Dutzende von Gedanken schossen plötzlich wie Elektronenblitze durch ihren ganzen Körper und entluden sich als kribbelnde Stiche auf ihrem Rücken, im Nacken und zwischen ihren Beinen. Jeder Stich gefolgt von Hitze, die wie ein heißer Wüstenwind über ihre Haut fegte und ihr einen Schweißschimmer auf die Stirn malte. Das Kribbeln erinnerte sie an frühe Kindheitstage, wenn sie nach stundenlangem Schlittenfahren unterkühlt in eine heiße Wanne gestiegen war und Arme und Beine wieder zum Leben erweckt hatte. In diesem Augenblick aber erwachte ihr Bewusstsein aus der Quarantäne und flüsterte ihr immer wieder das gleiche Wort ins Ohr: „Sex! Sex! Sex!“
Ab diesem Moment wurde der Arbeitstag zu einer Tortur. Bei der Illustration der Exponate für die kommende Auktion im Mai fügten sich die Buchstaben auf ihrem Bildschirm plötzlich zu erotischen Begrifflichkeiten zusammen: aus „Sektion“ wurde „Erektion“. „Höhlenkunst“ wurde zu „Höhepunkt“. Das Wort „Namen“ wurden zu „Samen“ und das „Amulett“ endete als „Anal im Bett“. Selbst auf den Fotos der Exponate schienen sich plötzlich überall versteckte Bezüge zu sexuellen Handlungen zu verstecken. So sah Marie in einer Porzellanfigur eines Jünglings, der einer vor ihm knienden Frau Wasser aus einer Karaffe in den Mund goss plötzlich einen Blowjob und in einer modernen Interpretation des Abendmahls erkannte sie einen ausufernden Gangbang, wie man ihn sonst nur im weltbekannten Kitkat-Club bestaunen dürfte.
Nachdem Marie die wichtigsten Exponate illustriert und auf dem Server zum Launch hochgeladen hatte, bat sie Lola, den Rest zu übernehmen.
„Mein Körper spielt irgendwie verrückt und mir wird ständig warm und kalt. Ich glaube ich brüte was aus. Ich lege mich besser hin und ruhe mich aus.“
Maries Gedanken kreisten offensichtlich nicht mehr im Office umher, sondern irgendwo sonst, denn ihre Kollegin verabschiedete sie nur noch mit der zynischen Bemerkung: „Klarer Fall von Unterfickung. Du musst zusehen, dass dir irgendjemand den Verstand wieder an die rechte Stelle fickt.“
Als Marie die Tür hinter sich ins Schloss fallen ließ, hörte sie Lola immer noch schallend lachen. Es war die Art von Lachen, bei dem man sich selbst immer wieder zu neuen Lachattacken anstecken ließ.
„Ich glaube, die blöde Kuh hat sogar recht!“, versuchte Marie die merkwürdigen Umstände ihrer körperlichen Achterbahnfahrt zu erklären.
Auf dem Weg zum Auto verdrehte sie suchend den Kopf. Normalerweise war es garantiert, dass gegen 17 Uhr selbst in der weniger frequentierten Fasanenstraße unweit des Ku‘damms irgendwelche wohlhabenden Männer Boutiquetüten mit hochpreisigem Inhalt spazieren trugen. So aber nicht in Zeiten der Quarantäne. Die Geschäfte waren noch geschlossen und auf der Straße war kein männliches Wesen auszumachen.
Marie stieg in ihr Auto und fuhr nach Hause. Auf dem Weg riskierte sie immer wieder einen Blick auf die Gehwege oder in die wenigen anderen Autos, die unterwegs waren. Nichts außer ungepflegter DHL-Boten, überforderter kleinkindtragender Väter oder vollbärtiger Hipster auf ihren Singlespeedrädern, die ebenso gut Werbung für Kernseife, Weichspüler oder fleischlose Würstchen machen könnten. Die Quarantäne hatte nicht nur die Menschen an die heimischen vier Wände gefesselt. Nein, sie hatte auf wundersame Weise auch die attraktiven Menschen aus der Realität verbannt.
Marie wurde in diesem Moment bewusst, wie einsam sie die letzten vier Wochen verbracht hatte. Den einzigen sozialen und lebenden Kontakt erfuhr sie mit der Handvoll meist überalterter Menschen auf der Arbeit. Die restlichen sozialen Kontakte wurden im Steno-Stil via WhatsApp oder Instagram auf dem Laufenden gehalten. Sie ging in Gedanken die Möglichkeiten der männlichen Aspiranten ihrer Kontakte durch und verwarf beim Buchstaben C bereits weitere Überlegungen: Kontaktverbot und Ausgangsbeschränkungen!
„Ach, was soll‘s. Mir fallen einige Typen ein, die ich mal antanzen lassen könnte, denn vermutlich geht es denen genauso wie mir. Und wenn die ähnlich unterversorgt sind wie ich, könnte das ein ziemlich heftiger Austausch von Körperflüssigkeiten und Viren werden“, hörte sie die kleine rot gekleidete Teufelin auf ihrer Schulter sagen.
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